Beschluss vom Landgericht Mainz (8. Zivilkammer) - 8 T 15/20

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Verfahrenspflegerin wird der Beschluss der Betreuungsrichterin des Amtsgerichts Mainz vom 30. Dezember 2019 (Az.: 40 XVII 307/16) dahingehend abgeändert, dass die Vergütung des Betreuers für den Zeitraum vom 21. Juni bis zum 20. September 2019 auf 637,00 € festgesetzt und der weitergehende Vergütungsfestsetzungsantrag des Betreuers zurückgewiesen wird.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Betreuer zu tragen.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 30,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

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Für die Betroffene besteht seit Dezember 2016 eine gesetzliche Betreuung, die auch den Aufgabenkreis der Vermögenssorge umfasst. Die Betroffene verfügt über Geldvermögen in Höhe von rund 180.000 € sowie eine nicht von ihr selbst bzw. ihrem Ehemann genutzte Eigentumswohnung in Durch Beschluss des Amtsgerichts Mainz vom 11. Januar 2018 ist eine Verfahrenspflegerin für den Wirkungskreis „Vertretung im Verfahren der Festsetzung einer Vergütung gegen das Vermögen der Betreuten“ bestellt worden.

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Mit Antrag vom 20. September 2019 (BI. 152 der Akte) hat der Betreuer die Festsetzung einer Vergütung für den Zeitraum vom 21. Juni bis zum 20. September 2019 in Höhe von 667,00 € beantragt. Im Hinblick darauf, dass die Betreuung sowohl die Verwaltung von Geldvermögen in Höhe von mindestens 150.000 € als auch die Verwaltung von Wohnraum, der nicht vom Betreuten oder seinem Ehegatten genutzt wird, umfasst, hat er für den Abrechnungsmonat vom 21. August bis zum 20. September 2019 zweimal eine zusätzliche monatliche Pauschale nach § 5a Abs. 1 VBVG in der seit dem 27. Juli 2019 geltenden Fassung in Höhe von jeweils 30,00 € in Ansatz gebracht.

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Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Mainz hat die Vergütung auf 637,00 € festgesetzt und hierzu ausgeführt, dass die zusätzliche Pauschale nach § 5a Abs. 1 VBVG ausweislich der Gesetzesbegründung auch dann, wenn mehrere der in dieser Vorschrift genannten Tatbestände erfüllt seien, lediglich einmal anzusetzen sei.

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Auf die Erinnerung des Betreuers hin hat die zuständige Betreuungsrichterin des Amtsgerichts Mainz die Vergütung des Betreuers durch den angefochtenen Beschluss vom 30. Dezember 2019, wie von dem Betreuer beantragt, auf 667,00 € festgesetzt und die zusätzliche Pauschale nach § 5a Abs. 1 VBVG für den Abrechnungsmonat vom 21. August bis zum 20. September 2020 zweimal in Ansatz gebracht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass diese Pauschale den mit der Verwaltung der in § 5a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 VBVG genannten Gegenstände verbundenen Mehraufwand ausgleichen solle und dieser zweimal gegeben sei, wenn - wie hier-zwei der im Gesetz genannten Erhöhungstatbestände vorlägen. Durch eine doppelte Zubilligung der Pauschale falle die Betroffene auch nicht in den Zustand der Vermögenslosigkeit zurück. Da es sich bei der Frage, ob die Zusatzpauschale nach § 5a Abs. 1 S. 1 VBVG bei kumulativem Vorliegen mehrerer Erhöhungstatbestände nur einmal oder mehrfach in Ansatz zu bringen sei, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handele, hat die Betreuungsrichterin des Amtsgerichts die Beschwerde zugelassen.

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Die Verfahrenspflegerin hat mit Schreiben vom 11. Januar 2020 Beschwerde gegen den Beschluss der Betreuungsrichterin des Amtsgerichts Mainz vom 30. Dezember 2019 eingelegt und begehrt eine Herabsetzung der Betreuervergütung auf 637,00 €.

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Die Betreuungsrichterin des Amtsgerichts hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landgericht Mainz zur Entscheidung vorgelegt.

II.

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Die Beschwerde der Verfahrenspflegerin gegen den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Mainz vom 30. Dezember 2019 ist zulässig.

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Sie ist gemäß §§ 58 Abs. 1,61 Abs. 1 FamFG statthaft sowie form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 1 und 3, 64 Abs. 2 S. 1 FamFG eingelegt worden. Gemäß § 303 Abs. 3 FamFG ist die Verfahrenspflegerin, deren Wirkungskreis sich gerade auf die Vertretung des Betroffenen im Verfahren über die Festsetzung der Betreuervergütung bezieht, auch beschwerdebefugt.

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Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet.

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Die Vergütung des Betreuers für den Zeitraum vom 21. Juni bis zum 20. September 2019 ist - entsprechend der ursprünglichen Entscheidung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Mainz - lediglich auf 637,00 € festzusetzen.

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Die zusätzliche monatliche Pauschale in Höhe von 30,00 € nach § 5a Abs. 1 VBVG ist auch dann, wenn mehrere der dort genannten Erhöhungstatbestände kumulativ erfüllt sind, nur einmal in Ansatz zu bringen.

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Zwar mag der Gesetzeswortlaut insoweit nicht eindeutig sein (wobei die Formulierung in § 5a Abs. 1 S. 2 VBVG, wonach die Pauschale geltend gemacht werden kann, wenn einer der Fälle des Satzes 1 an mindestens einem Tag im Abrechnungsmonat vorliegt, nach Auffassung der Kammer bereits eher für eine Auslegung in dem oben genannten Sinne spricht, da andernfalls auch hätte formuliert werden können, dass eine Pauschale jeweils geltend gemacht werden könne, wenn einer der in Satz 1 genannten Tatbestände vorliege). Allerdings lässt sich der Wille des Gesetzgebers der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/8694, S. 30) eindeutig entnehmen. Denn dort wird ausdrücklich klargestellt, dass die monatliche Pauschale nach § 5a Abs. 1 VBVG auch dann nur einmal geltend gemacht werden könne, wenn mehrere der unter Ziffer 1 bis 3 genannten Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt seien, da es andernfalls zu einer vom Gesetzgeber als nicht mehr gerechtfertigt erachteten Zusatzbelastung der Betroffenen komme.

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Unabhängig davon, ob angesichts dieser ausdrücklichen Positionierung des Gesetzgebers für eine hiervon abweichende Auslegung überhaupt noch Raum wäre, gebietet auch der Sinn und Zweck der Regelung es nicht, die Zusatzpauschale von 30,00 € bei kumulativem Vorliegen mehrerer Erhöhungstatbestände mehrfach in Ansatz zu bringen. Zwar ist es zutreffend, dass durch diese zusätzliche Pauschale ausweislich der Gesetzesbegründung der mit der Verwaltung eines höheren Vermögens in der Regel verbundene höhere Aufwand ausgeglichen werden soll (vgl. BT-Drs. 19/8694, S. 29). Allerdings ist nicht ersichtlich, dass die Höhe des Verwaltungsaufwands

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zwangsläufig oder auch nur regelmäßig davon abhängen sollte, ob einer oder mehrere der in § 5a Abs. 1 S. 1 VBVG genannten Tatbestände erfüllt sind. Denn es ist nicht erkennbar, dass bspw. die Verwaltung eines Geldvermögens von 150.000 € sowie einer vermieteten Eigentumswohnung mit einem höheren Aufwand verbunden sein sollte als die Verwaltung mehrerer unterschiedlicher Mietobjekte. Dies entspricht auch der Wertung des Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung lediglich darauf abstellt, dass die Verwaltung eines höheren Vermögens in der Regel einen höheren Betreuungsaufwand erfordere, ohne dass in diesem Zusammenhang danach differenziert würde, wie sich das Vermögen im Einzelnen zusammensetzt bzw. ob einer oder mehrere der in § 5a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - 3 VBVG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Außerdem wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich ausgeführt, dass eine mehrfache Zubilligung der Pauschale mit einer nach Auffassung des Gesetzgebers nicht mehr gerechtfertigten zusätzlichen Belastung der Betroffenen verbunden wäre (BT-Drs. 19/8694, S. 30). Diese gesetzgeberische Wertung haben die Gerichte hinzunehmen.

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Dass die Betroffene im vorliegenden Fall durch eine doppelte Zubilligung der Pauschale nach § 5a Abs. 1 VBVG nicht in den Zustand der Vermögenslosigkeit zurückfallen würde, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Es dürften auch ohnehin kaum Fallgestaltungen denkbar sein, in denen dies der Fall sein könnte, da die Regelung des § 5a Abs. 1 S. 1 VBVG schließlich gerade diejenigen Konstellationen umfasst, in denen der Betroffene über ein besonders großes Vermögen verfügt.

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Die Vergütung des Betreuers für den Zeitraum vom 21. Juni bis zum 20. September 2019 errechnet sich daher wie folgt:

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-21. Juni bis 20. August 2019: 2 x 198,00 € = 360,00 €

(§§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 VBVG a. F. i. V. m. § 12 VBVG n. F.)

-21. August bis 20. September 2019: 211,00 €

(§ 4 Abs. 1 und 3 Nr. 2 i. V. m. Anlage C, Nr. C5.2.2 VBVG n. F.)

zzgl. gesonderte Pauschale nach § 5a Abs. 1 VBVG n. F.: 30,00 €

Gesamtbetrag: 637,00 €.

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Auf die Beschwerde der Verfahrenspflegerin war der angefochtene Beschluss der Betreuungsrichterin des Amtsgerichts Mainz vom 30. Dezember 2019 daher dahingehend abzuändern, dass die Vergütung des Betreuers für den Zeitraum 21. Juni bis zum 20. September 2019 auf 637,00 € festgesetzt und der darüber hinausgehende Vergütungsfestsetzungsantrag zurückgewiesen wird.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80 Abs. 1 S. 1, 84 FamFG. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht der Höhe des streitigen Vergütungsbetrags.

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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Die Rechtslage ist aus den oben genannten Gründen eindeutig. Die der Kammer zur Verfügung stehende Kommentarliteratur - die im Hinblick darauf, dass die streitgegenständliche Regelung des § 5a VBVG erst am 27. Juli 2019 in Kraft getreten ist, allerdings begrenzt ist - geht unter Verweis auf die Gesetzesbegründung ebenfalls davon aus, dass die zusätzliche Pauschale nach § 5a Abs. 1 VBVG nur einmal in Ansatz gebracht werden kann (so MüKoBGB/Fröschle VBVG § 5a Rn. 3; Jaschinski in: Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl. § 5a VBVG Rn. 7 und Jürgens/von Crailsheim VBVG § 5a Rn. 6 sowie auch Deinert/Lütgens, HK-BUR, 125. Aktualisierung Dezember 2019, § 5a VBVG Rn. 2, der allerdings darauf hinweist, dass der Gesetzestext selbst auch eine andere Auslegung zulasse). Auch in der in dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Mainz zitierten Kommentarstelle (BeckOGK/Bohnert VBVG § 5a Rn. 13) wird nicht die Ansicht vertreten, dass die Regelung des § 5a Abs. 1 VBVG abweichend von dem klaren gesetzgeberischen Willen, wie er in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommt, auszulegen sei, sondern es wird lediglich dieser gesetzgeberische Wille bzw. die hierzu gegebene Begründung als der Logik der Neuregelung widersprechend und nicht tragfähig kritisiert. Abweichende Rechtsprechung - außer der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts Mainz - ist ebenfalls nicht ersichtlich. Sollte sich zu der hier streitgegenständlichen Frage, ob die monatliche Pauschale in Höhe von 30,00 € nach § 5a Abs. 1 VBVG, wenn mehrere der dort genannten Erhöhungstatbestände kumulativ erfüllt sind, nur einmal oder mehrfach in Ansatz zu bringen ist, in Zukunft wider Erwarten eine uneinheitliche instanzgerichtliche Rechtsprechung herausbilden, so kann über die Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde erneut entschieden werden.

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