Endurteil vom Landgericht München II - 7 O 5336/18

Tenor

I. Die Beklagten werden verurteilt es bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

1. Software im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,

- nämlich von der Anwendung „AW “ im Zusammenwirken mit iOS ermöglicht oder kerngleiche Ausführungsformen - die zur Anwendung eines Verfahrens zum gemeinsamen Verwenden einer Nachrichtenhistorie, die zu einer Instant Messaging- (IM-) Kommunikationssitzung zwischen zwei Teilnehmern gehört, geeignet ist, wobei das Verfahren aufweist:

Empfangen einer Auswahl einer Menüoption in einer IM-Kommunikationssitzung, wobei die Menüoption einer Anforderung zum Übertragen einer Nachrichtenhistorie unter Verwendung eines ausgewählten Übertragungsmodus entspricht, wobei der ausgewählte Übertragungsmodus zumindest einen aus einem Fax-Übertragungsmodus, einem E-Mail- (electronic mail-) Übertragungsmodus und einem SMS- (Short Message Service-) Übertragungsmodus aufweist;

als Reaktion auf den Empfang der Auswahl der Menüoption Empfangen einer Auswahl eines Empfängers zum Empfangen der Nachrichtenhistorie, der kein Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung ist;

Verpacken der Nachrichtenhistorie in ein Dateiobjekt basierend auf dem ausgewählten Übertragungsmodus zum gemeinsamen Verwenden der Nachrichtenhistorie mit dem ausgewählten Empfänger; und Übertragen des Dateiobjekts über den ausgewählten Übertragungsmodus an den ausgewählten Empfänger.

(EP … 790 B1, Anspruch 1, eingeschränkte Fassung, mittelbare Verletzung)

2. Software im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,

- nämlich von der Anwendung „AW “ im Zusammenwirken mit iOS ermöglicht oder kerngleiche Ausführungsformen - die zum Einsatz in einem System zum gemeinsamen Verwenden einer Nachrichtenhistorie, die zu einer Instant Messaging- (IM-) Kommunikationssitzung zwischen zwei Teilnehmern gehört, geeignet ist, wobei das System aufweist:

Mittel zum Auswählen einer Menüoption in der IM-Kommunikationssitzung, wobei die Menüoption einen ausgewählten Übertragungsmodus aufweist;

Mittel zum Bestimmen und Auswählen eines Empfängers zum Empfangen der Nachrichtenhistorie, der kein Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung ist;

Mittel zum Verpacken der Nachrichtenhistorie in ein Dateiobjekt basierend auf einem ausgewählten Übertragungsmodus zum gemeinsamen Verwenden der Nachrichtenhistorie mit dem ausgewählten Empfänger, wobei der ausgewählte Übertragungsmodus zumindest einen aus einem Fax-Übertragungsmodus, einem E-Mail- (electronic mail-) Übertragungsmodus und einem SMS- (Short Message Service-) Übertragungsmodus aufweist; und Mittel zum Übertragen des Dateiobjekts an den ausgewählten Empfänger in Übereinstimmung mit dem ausgewählten Übertragungsmodus.

(EP … 790 B1, Anspruch 6, eingeschränkte Fassung, mittelbare Verletzung)

3. Software im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,

- nämlich von der Anwendung „AW “ im Zusammenwirken mit iOS ermöglicht oder kerngleiche Ausführungsformen - die zum Einsatz in einer Kommunikationsvorrichtung, die betriebsfähig ist mit einem Programmmodul zum Bewirken einer Instant Messaging- (IM-) Kommunikationsfunktionalität, geeignet ist, wobei die Kommunikationsvorrichtung aufweist:

Mittel zum Empfangen einer Aktivierung einer Funktionalität zum gemeinsamen Verwenden einer Nachrichtenhistorie in einer IM-Kommunikationssitzung;

reagierend auf das Mittel zum Empfangen Mittel zum Verpacken einer Nachrichtenhistorie, welche die IM-Kommunikationssitzung betrifft, in ein Dateiobjekt; und Mittel zum Übertragen des Dateiobjekts an einen Empfänger, der kein Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung ist, als Reaktion auf einen Empfang einer Auswahl eines Übertragungsmodus,

wobei der ausgewählte Übertragungsmodus zumindest einen aus einem Fax-Übertragungsmodus, einem E-Mail- (electronic mail-) Übertragungsmodus und einem SMS- (Short Message Service-) Übertragungsmodus aufweist.

(EP … 790 B1, Anspruch 9, eingeschränkte Fassung, mittelbare Verletzung)

II. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und schriftlich in einer geordneten Aufstellung (gegliedert nach Kalendervierteljahren) Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 1 die unter Ziff. I bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar

- die Beklagte zu 1 über ihre Handlungen seit dem 23. Oktober 2009 und

- die Beklagte zu 2 über die Handlungen der Beklagten zu 1 seit dem 6. Oktober 2014 und zwar jeweils unter Angabe

a) der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, einschließlich der Rechnungsnummer und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote), aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu a) und b) entsprechende Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,

wobei es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte nicht-gewerbliche Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten sind.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch seit dem 23. Oktober 2009 begangene Handlungen der Beklagten zu 1 gemäß Ziffer I. entstanden ist und noch entstehen wird, sowie dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch seit dem 6. Oktober 2014 begangene Handlungen der Beklagten zu 1 gemäß Ziffer I. entstanden ist und noch entstehen wird.

IV. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.

V. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffern I., II. und IV. gegen Sicherheitsleistung wie folgt vorläufig vollstreckbar:

- Ziffer I: 1.500.000 €,

- Ziffer II: 500.000 €,

- Ziffer IV: in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents … 790 (im Folgenden: Klagepatent) und nimmt die Beklagten wegen mittelbarer Patentverletzung in Anspruch. Patentanspruch 1, 6 und 9 des Klagepatents lauten im englischen Original wie folgt:

„1. A method for sharing a message history associated with an instant message, IM, communication session between two parties, comprising: receiving a selection of a menu option in an IM communication session, said menu option corresponding to a request for sending a message history using a selected transmission mode, wherein said selected transmission mode comprises at least one of a facsimile transmission mode, an electronic mail, email, transmission mode, and a Short Message Service, SMS, transmission mode; responsive to receiving the selection of the menu option, receiving a selection of a recipient for receiving said message history; wrapping said message history into a file object based on the selected transmission mode for sharing said message history with said selected recipient; and, transmitting said file object to said selected recipient via said selected transmission mode.

6. A system for sharing a message history associated with an instant message, IM, communication session between two parties, the system comprising: means for selecting a menu option in said IM communication session, said menu option comprising a selected transmission mode; means for determining and selecting a recipient for receiving said message history; means for wrapping said message history into a file object based on a selected transmission mode for sharing said message history with said selected recipient, wherein said selected transmission mode comprises at least one of a facsimile transmission mode, an electronic mail, email, transmission mode, and a Short Message Service, SMS, transmission mode; and, means for transmitting said file object to said selected recipient in accordance with said selected transmission mode.

9. A communication device operable with a program module for effectuating an instant message, IM, communication functionality, said communication device comprising: means for receiving activation of a message history sharing functionality in an IM communication session; responsive to said means for receiving, means for wrapping a message history relating to said IM communication session into a file object; and, means for transmitting said file object to a recipient responsive to receiving a selection of a transmission mode, wherein said selected transmission mode comprises at least one of a facsimile transmission mode, an electronic mail, email, transmission mode, and a Short Message service, SMS, transmission mode.“

Die Klägerin greift mit der Klage die Kommunikationsanwendung „AW “ an (im Folgenden „angegriffene Ausführungsform“).

Die Beklagte zu 1) ist im iTunes App-Store als Anbieterin der angegriffenen Ausführungsform angegeben. Des Weiteren ist die Beklagte zu 2) die Konzernmutter der …-Gruppe und erwarb mit Wirkung zum 6. Oktober 2014 die Beklagte zu 1). Diese ist seitdem eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2). Inwieweit dies in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eine Steuerungs- und Kontrollmöglichkeit für die Beklagte zu 2) gegenüber ihrer Tochtergesellschaft, der Beklagten zu 1), schafft, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin hat die geltend gemachten Ansprüche eingeschränkt und beantragt zuletzt,

I. Die Beklagten werden verurteilt es bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

1. Software im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,

die zur Anwendung eines Verfahrens zum gemeinsamen Verwenden einer Nachrichtenhistorie, die zu einer Instant Messaging (IM)-Kommunikationssitzung zwischen zwei Teilnehmern gehört, geeignet ist, wobei das Verfahren aufweist:

Empfangen einer Auswahl einer Menüoption in einer IM-Kommunikationssitzung, wobei die Menüoption einer Anforderung zum Übertragen einer Nachrichtenhistorie unter Verwendung eines ausgewählten Übertragungsmodus entspricht, wobei der ausgewählte Übertragungsmodus zumindest einen aus einem Fax-Übertragungsmodus, einem Email (electronic mail)-Übertragungsmodus und einem SMS (Short Message Service)-Übertragungsmodus aufweist;

als Reaktion auf den Empfang der Auswahl der Menüoption Empfangen einer Auswahl eines Empfängers zum Empfangen der Nachrichtenhistorie, der kein Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung ist;

Verpacken der Nachrichtenhistorie in ein Dateiobjekt basierend auf dem ausgewählten Übertragungsmodus zum gemeinsamen Verwenden der Nachrichtenhistorie mit dem ausgewählten Empfänger; und Übertragen des Dateiobjekts über den ausgewählten Übertragungsmodus an den ausgewählten Empfänger.

(EP … 790 B1, Anspruch 1, eingeschränkte Fassung, mittelbare Verletzung)

2. Software im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,

die zum Einsatz in einem System zum gemeinsamen Verwenden einer Nachrichtenhistorie, die zu einer Instant Messaging (IM)-Kommunikationssitzung zwischen zwei Teilnehmern gehört, geeignet ist, wobei das System aufweist:

Mittel zum Auswählen einer Menüoption in der IM-Kommunikationssitzung, wobei die Menüoption einen ausgewählten Übertragungsmodus aufweist;

Mittel zum Bestimmen und Auswählen eines Empfängers zum Empfangen der Nachrichtenhistorie, der kein Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung ist;

Mittel zum Verpacken der Nachrichtenhistorie in ein Dateiobjekt basierend auf einem ausgewählten Übertragungsmodus zum gemeinsamen Verwenden der Nachrichtenhistorie mit dem ausgewählten Empfänger, wobei der ausgewählte Übertragungsmodus zumindest einen aus einem Fax-Übertragungsmodus, einem Email(electronic mail)-Übertragungsmodus und einem SMS (Short Message Service)-Übertragungsmodus aufweist; und Mittel zum Übertragen des Dateiobjekts an den ausgewählten Empfänger in Übereinstimmung mit dem ausgewählten Übertragungsmodus.

(EP … 790 B1, Anspruch 6, eingeschränkte Fassung, mittelbare Verletzung)

3. Software im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,

die zum Einsatz in einer Kommunikationsvorrichtung, die betriebsfähig ist mit einem Programmmodul zum Bewirken einer Instant Messaging (IM)-Kommunikationsfunktionalität, geeignet ist, wobei die Kommunikationsvorrichtung aufweist:

Mittel zum Empfangen einer Aktivierung einer Funktionalität zum gemeinsamen Verwenden einer Nachrichtenhistorie in einer IM-Kommunikationssitzung;

reagierend auf das Mittel zum Empfangen Mittel zum Verpacken einer Nachrichtenhistorie, welche die IM-Kommunikationssitzung betrifft, in ein Dateiobjekt; und Mittel zum Übertragen des Dateiobjekts an einen Empfänger, der kein Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung ist, als Reaktion auf einen Empfang einer Auswahl eines Übertragungsmodus,

wobei der ausgewählte Übertragungsmodus zumindest einen aus einem Fax-Übertragungsmodus, einem Email (electronic mail)-Übertragungsmodus und einem SMS (Short Message Service)-Übertragungsmodus aufweist.

(EP … 790 B1, Anspruch 9, eingeschränkte Fassung, mittelbare Verletzung)

II. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und schriftlich in einer geordneten Aufstellung (gegliedert nach Kalendervierteljahren) Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 1 die unter Ziff. I bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar

- die Beklagte zu 1 über ihre Handlungen seit dem 23. Oktober 2009 und

- die Beklagte zu 2 über die Handlungen der Beklagten zu 1 seit dem 6. Oktober 2014 und zwar jeweils unter Angabe

a) der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, einschließlich der Rechnungsnummer und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote), aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu a) und b) entsprechende Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,

wobei es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte nicht-gewerbliche Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten sind.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch seit dem 23. Oktober 2009 begangene Handlungen der Beklagten zu 1 gemäß Ziffer I. entstanden ist und noch entstehen wird, sowie dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch seit dem 6. Oktober 2014 begangene Handlungen der Beklagten zu 1 gemäß Ziffer I. entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

  • 1.die Klage abzuweisen;

  • 2.hilfsweise die Verhandlung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren gegen den deutschen Teil des Klagepatents EP … 790 B1 (= DE … 793.5) auszusetzen.

  • 3.äußerst hilfsweise der Beklagten zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht werden kann, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Klägerin wendet sich gegen eine Aussetzung.

Die Beklagten bestreiten eine Patentverletzung; insbesondere sehen sie bis auf Merkmale 1.1.2 und 1.4 kein Merkmal als benutzt an. Die Beklagte zu 2) sei auch nicht passivlegitimiert, weil sie die angegriffene Ausführungsform nicht selbst anbiete und der Vorwurf einer Verantwortlichkeit der Beklagten zu 2) für das Handeln ihrer Tochtergesellschaft, der Beklagten zu 1), nicht schlüssig vorgebracht sei. Im Übrigen sei das Klagepatent offensichtlich nicht rechtsbeständig. Es fehle die Patentfähigkeit (Neuheit und erfinderische Tätigkeit). Dies gelte besonders angesichts des Gegenstands der US 2004/0078446 A1 („Daniell“), der US 2005/0080852 A1 („Kelley“) und der US 2002/0130904 A1 („Becker“).

Die Klägerin hat auf Antrag der Beklagten Prozesskostensicherheit geleistet.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf sämtliche gewechselte Schriftsätze nebst Anlagen sowie alle gerichtlichen Verfügungen, Beschlüsse und Protokolle Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet und das Verfahren mit Blick auf die anhängige Nichtigkeitsklage nicht auszusetzen.

A.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das LG München I nach § 32 ZPO analog (i. V. mit § 38 Nr. 1 BayGZVJu) international und örtlich sowie nach § 143 PatG ausschließlich sachlich zuständig. Das Feststellungsinteresse liegt für die Schadensersatzklage vor, § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin kann ohne Auskunft und Rechnungslegung ihre Ansprüche nicht beziffern.

Mit der Einschränkung der Ansprüche liegt eine nach § 264 Nr. 2, § 263 ZPO stets als Klageänderung zulässige wirksame Teilklagerücknahme vor.

B.

Die Klage ist begründet.

I.

Das Klagepatent betrifft in der erteilten Fassung ein Verfahren (Anspruch 1), ein System (Anspruch 6) und eine Vorrichtung (Anspruch 9) zum Teilen der Nachrichtenhistorie (des Chat-Verlaufs) bei Instant Messaging (IM). Mit der geltend gemachten beschränkten Fassung wird nur noch beansprucht, dass die Nachrichtenhistorie außerhalb der konkreten IM-Sitzung und außerhalb von IM-Diensten zugänglich gemacht wird.

1. Das Klagepatent betrifft das Versenden (Teilen) der Nachrichtenhistorie und beschreibt, dass wegen der Popularität von IM-Diensten die Konversation schnell einen beachtlichen Umfang erreichen könne. Von neuen Nutzern lassen sich diese Konversation häufig ohne Kenntnis des bisherigen Verlaufs nicht sinnvoll nachvollziehen. Es erscheine daher zweckmäßig, die Historie nicht nur den (aktuellen) Chat-Teilnehmern zur Verfügung zu stellen, sondern diese auch an Dritte zu senden. Insofern bedarf es einer Interoperabilität mit anderen elektronischen Kommunikationsmitteln außerhalb des IM-Diensts. Um dies zu bewerkstelligen, ist die Historie (der Chat-Verlauf) aufzuarbeiten. Aufzuarbeiten bedeutet, die Nachrichtenhistorie aus der Kommunikationssitzung zu extrahieren und so aufzuarbeiten, dass sie an andere Kommunikationsdienste außerhalb des eigentlichen IM-Kommunikationsdiensts übermittelt werden kann.

2. Das Klagepatent erläutert, dass es im Stand der Technik bekannt gewesen sei, den gesamten Nachrichtenverlauf zu kopieren und in einem neuen Dokument zusammenzufügen, um dieses Dokument dann mit anderen Nutzern zu teilen [0010]. Außerdem beschreibt das Klagepatent unter Bezugnahme auf die europäische Patentanmeldung 1 209 849 A2, dass weitere Nutzer zur Konversation eingeladen werden können, wenn sie denselben Kommunikationsdienst verwendeten ([0011]).

3. Die Klagepatentschrift kritisiert den beschriebenen Stand der Technik nicht ausdrücklich.

Mit dem Gegenstand der eingeschränkten Erfassung hat die Erfindung ihr bewenden nicht schon darin, dass innerhalb des eigentlichen IM-Kommunikationsdienst die Nachrichtenhistorie übertragen wird. Vielmehr leistet der nun geltend gemachte Gegenstand, dass ein Teilen des Chat-Verlaufs mit Dritten außerhalb dieses Dienstes ermöglicht wird. Als Problemstellung lässt sich hieraus ableiten, eine technische Lösung zum Teilen der Nachrichtenhistorie (des Chat-Verlaufs) mit anderen über den IM-Kommunikationsdienst hinaus zu ermöglichen.

Hierfür schlagen Patentanspruch 1, 6 und 9 in merkmalsmäßiger Gliederung vor:

1. Verfahren zum gemeinsamen Verwenden einer Nachrichtenhistorie, die zu einer Instant Messaging (IM)-Kommunikationssitzung zwischen zwei Teilnehmern gehört, wobei das Verfahren aufweist:

1.1 Empfangen einer Auswahl einer Menüoption in einer IM-Kommunikationssitzung,

1.1.1 wobei die Menüoption einer Anforderung zum Übertragen einer Nachrichtenhistorie unter Verwendung eines ausgewählten Übertragungsmodus entspricht,

1.1.2 wobei der ausgewählte Übertragungsmodus zumindest einen aus einem Fax-Übertragungsmodus, einem Email- (electronic mail-) Übertragungsmodus und einem SMS- (Short Message Service-) Übertragungsmodus aufweist;

1.2 als Reaktion auf den Empfang der Auswahl der Menüoption Empfangen einer Auswahl eines Empfängers zum Empfangen der Nachrichtenhistorie, der kein Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung ist;

1.3 Verpacken der Nachrichtenhistorie in ein Dateiobjekt basierend auf dem ausgewählten Übertragungsmodus zum gemeinsamen Verwenden der Nachrichtenhistorie mit dem ausgewählten Empfänger; und

1.4 Übertragen des Dateiobjekts über den ausgewählten Übertragungsmodus an den ausgewählten Empfänger.

6. System zum gemeinsamen Verwenden einer Nachrichtenhistorie, die zu einer Instant Messaging- (IM-) Kommunikationssitzung zwischen zwei Teilnehmern gehört, wobei das System aufweist:

6.1 Mittel zum Auswählen einer Menüoption in der IM-Kommunikationssitzung, wobei die Menüoption einen ausgewählten Übertragungsmodus aufweist;

6.1.1 wobei der ausgewählte Übertragungsmodus zumindest einen aus einem Fax-Übertragungsmodus, einem Email- (electronic mail-) Übertragungsmodus und einem SMS- (Short Message Service-) Übertragungsmodus aufweist; und

6.2 Mittel zum Bestimmen und Auswählen eines Empfängers zum Empfangen der Nachrichtenhistorie, der kein Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung ist;

6.3 Mittel zum Verpacken der Nachrichtenhistorie in ein Dateiobjekt basierend auf einem ausgewählten Übertragungsmodus zum gemeinsamen Verwenden der Nachrichtenhistorie mit dem ausgewählten Empfänger,

6.4 Mittel zum Übertragen des Dateiobjekts an den ausgewählten Empfänger in Übereinstimmung mit dem ausgewählten Übertragungsmodus.

9. Kommunikationsvorrichtung, die betriebsfähig ist mit einem Programmmodul zum Bewirken einer Instant Messaging (IM-) Kommunikationsfunktionalität, wobei die Kommunikationsvorrichtung aufweist:

9.1 Mittel zum Empfangen einer Aktivierung einer Funktionalität zum gemeinsamen verwenden einer Nachrichtenhistorie in einer IM-Kommunikationssitzung;

9.2 reagierend auf das Mittel zum Empfangen Mittel zum Verpacken einer Nachrichtenhistorie, welche die IM-Kommunikationssitzung betrifft, in ein Dateiobjekt; und

9.3 Mittel zum Übertragen des Dateiobjekts an einen Empfänger, der kein Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung ist,

9.3.1 als Reaktion auf einen Empfang einer Auswahl eines Übertragungsmodus, wobei der ausgewählte

9.3.2 Übertragungsmodus zumindest einen aus einem Fax-Übertragungsmodus, einem Email- (electronic mail-) Übertragungsmodus und einem SMS- (Short Message Service-) Übertragungsmodus aufweist.

4. Diese Lehre bedarf in vier Punkten näherer Betrachtungen:

a) Mit der Aufnahme des Teilmerkmals in Merkmal 1.2 im Vergleich zur erteilten Fassung, wonach der Empfänger der Nachrichtenhistorie (nunmehr) kein Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung sein darf, hat die Klägerin den Gegenstand des Klagepatents zulässig beschränkt.

Ein Widerspruch mit den Gegenständen des Unteranspruchs 5 sowie des Unteranspruchs 8 in Bezug auf den nebengeordneten Anspruch 6 besteht nicht, obwohl der entsprechende Unteranspruch besagt, dass als Empfänger mindestens einer der zwei Teilnehmer umfasst sein soll. Unteransprüche gestalten in der Regel die im Hauptanspruch unter Schutz gestellte Lösung weiter aus. Sie ergänzen diese technische Lehre und bilden den Gegenstand des Hauptanspruchs fort und engen ihn damit ein. Mit „Empfänger“ beschränkt sich das Klagepatent indes nicht auf eine bestimmte Anzahl oder Art. Der Begriff ist im generalisierenden Singular verwendet. Auch lässt der Begriff offen, ob es sich um einen Chat-Teilnehmer oder einen Dritten handelt. Dies folgt im Umkehrschluss aus Unteranspruch 5 bzw. 8., so dass mit „Empfänger“ im Sinne des Klagepatents sowohl Chat-Teilnehmer als auch Dritte sind. Dies zeigt auch die Beschreibung des Klagepatents [0027].

b) Das Klagepatent gibt (auch in der eingeschränkten Fassung) keine Reihenfolge der Verfahrensschritte vor (Merkmale 1.1.1, 1.2, 1.3).

Zwar bieten die Reihenfolge des Auftretens der einzelnen Verfahrensschritte im Anspruch, der Teilwortlaut („basierend auf“ [„based on“]), die gezeigten Figuren (Fig. 2 und 5A) sowie beschriebene Ausführungsbeispiele ein recht starkes Indiz dafür, dass diese Schritte in der niedergelegten Reihenfolge zu absolvieren sind. Denn das Dateiformat muss zum ausgewählten Übertragungsmodus passen. Allerdings ist für die Auslegung die Gesamtheit der unter Schutz gestellten Lehre relevant. So lässt es der Gegenstand des Klagepatents auch zu, dass nur ein Übertragungsmodus verwendet wird. Dies ergibt sich aus dem Anspruch in Merkmal 1.1.2 bzw. 6.1.1 bzw. 9.3.2. Hiernach umfasst der Übertragungsmodus „zumindest einen“ („at least one“) der dort genannten Modi. Wenn dies so ist, passt in jedem Fall das zu übertragende Dateiobjekt zum ausgewählten Übertragungsmodus, weil anderenfalls keine technisch sinnvolle Ausführung möglich ist. Ausgewählt werden kann der Modus, indem er z. B. voreingestellt bzw. alleinig zur Verfügung gestellt wird. In einem solchen Fall ist es dann aber unerheblich, wann verpackt wird, weil technisch keine Rücksicht auf die Auswahl des Übertragungsmodus genommen werden muss. Insofern ist eine bestimmte Reihenfolge der Verfahrensschritte der einheitlichen Lehre (auch für die anderen Fälle) nicht zwingend vorgeschrieben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Teilmerkmal „zumindest einen“ („at least one“) so zu verstehen, dass nur eine der dort angeführten Möglichkeiten genügt. Aus dem Zusammenhang mit der übrigen Lehre ergibt sich nicht zwingend, dass die technische Lehre des Klagepatents darauf abzielt, dass in Abgrenzung vom Stand der Technik (vgl. [0011]) auf jeden Fall eine der drei dort genannten Möglichkeiten erfasst sein muss, weil eine Weiterleitung innerhalb eines Sofortnachrichtendienstes bereits bekannt gewesen sei. Zwar mag auch die Eingabe der Klägerin im Patenterteilungsverfahren dieses Verständnis der Beklagten belegen (Vgl. Anlage FBD-WA ...12). Da die Auslegung aber objektiv aus der Sicht der Fachwelt, die durch den angesprochenen Fachmann repräsentiert werden kann, durchzuführen ist, steht diese Eingabe dem Verständnis der Kammer nicht entgegen.

c) Im ersten Verfahrensschritt geht es in Merkmal 1.1 um das Empfangen einer Menüoptionen in einer IM-Kommunikationssitzung. „In einer Sitzung“ („session“) weist den Fachmann auf den zeitlichen Kontext hin.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Teilmerkmal „in einer IM-Kommunikationssitzung“ („in an IM communication session“) nicht räumlich zu verstehen. Das ergibt sich aus dem technisch-funktionalen Zusammenhang. So braucht die Menüoption nicht räumlich im Chat-Fenster mit dem konkreten Chatpartner empfangen zu werden, sondern es reicht aus, dass die IM-Kommunikationssitzung während des Empfangens der Auswahl der Menüoption noch läuft/im Gang ist. Unerheblich ist aber, ob der Sendebefehl aus dem offenen Fenster gegeben wird oder wie er software-technisch implementiert ist, weil es hierauf für die Lehre des Klagepatents nicht ankommt. Insofern differenziert auch die Beschreibung zwischen Sitzung („session“) und Chat-Fenster („dialog box“). Wenn die Patentschrift in den Beschreibungsstellen [0028] und [0032] sowie in Figur 5A etwas anderes offenbart, steht dies der Auslegung nicht entgegen. Insofern sind nur Ausführungsbeispiele betroffen (vgl. [0018] für [0028] und [0021] für [0032] und Figur 5A), die bekanntlich den Gegenstand des Klagepatents nicht einschränken.

Was am Ende der Sitzung passiert, adressiert der Anspruch indes nicht. Insofern sind nach Auffassung der Kammer die Betrachtungen der Beklagten für die Auslegung nicht relevant, die sie zur Beantwortung der Frage anstellen, ob eine IM-Kommunikationssitzung enden kann, nachdem sie aufgenommen worden ist.

d) Im dritten Verfahrensschritt wird gefordert, dass auf der Basis des ausgewählten Übertragungsmodus verpackt wird. Insofern ist auch an dieser Stelle wieder zu berücksichtigen, dass es genügt, wenn ein Übertragungsmodus gegeben ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein bestimmter „look and feel“ nicht zu erfüllen. Sofern in der Beschreibungsstelle [0028] entsprechendes enthalten ist, handelt es sich um ein Ausführungsbeispiel, das keinen Widerhall im Anspruch gefunden hat.

II.

Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagepatent auch im geltend gemachten eingeschränkten Umfang, weil eine mittelbare Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG vorliegt.

1. Eine angegriffene Ausführungsform ist „AW “ (z. B. Version 2.18.31 oder Version 2.19.41) zusammen mit dem Betriebssystem iOS (Version 11.26 oder 12.2). Die angegriffene Funktionalität der Ausführungsform liegt darin, dass „AW “ es ermöglicht, Nachrichtenhistorien zu versenden.

2. Die Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung sind gemäß § 10 Abs. 1 PatG erfüllt. Der Gefährdungstatbestand nach § 10 PatG wird objektiv und subjektiv verwirklicht.

a) Mittel ist die angegriffene Ausführungsform („AW “) als Software, weil sie ein Gegenstand ist, der selbst noch nicht die Lehre des Patentanspruchs (wortsinngemäß oder äquivalent) verwirklicht, aber geeignet ist, zur unmittelbaren Benutzung der Erfindung (in wortsinngemäßer oder äquivalenter Form) verwendet zu werden. Mittel können auch nicht körperliche Gegenstände sein, eine Beschränkung auf körperliche Gegenstände ist nicht gerechtfertigt.

b) Dieses Mittel bezieht sich auf ein wesentliches Element der Erfindung.

aa) Das Mittel muss sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Diese „Beziehung“ ist durch eine wertende Betrachtung zu bestimmen, wobei besonders Sinn und Zweck der mittelbaren Patentverletzung zu berücksichtigen sind. Ein Mittel bezieht sich auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn es entweder mindestens ein Merkmal des Patentanspruchs ausfüllt oder geeignet ist, mit einem oder mehreren Merkmalen des Patentanspruchs bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Das Mittel muss „gleichsam als Element oder Baustein“ Verwendung finden, um wie ein „Rädchen im Getriebe“, die geschützte Erfindung vollständig ins Werk zu setzen.

Grundsätzlich ist jedes Merkmal des Patentanspruchs wesentlich und daher genügt seine „Beziehung“ hierauf für die mittelbare Patentverletzung. Ausnahmen sind indes geboten, um durch eine geschickte Formulierung des Patentanspruchs die sachwidrige Erweiterung des Schutzes vor mittelbarer Verletzung zu vermeiden, insbesondere wenn das geschützte Verfahren in der Sache etwas Konkretes (z. B. die Codierung und Decodierung von Audiosignalen) betrifft, es aber formal als etwas Abstrakteres (z. B. als ein Übertragungsverfahren) eingekleidet wird (BGHZ 204, 114 = GRUR 2015, 467 Audiosignalcodierung). Ein Mittel bezieht sich daher nicht schon dann auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn es zur Verwirklichung eines Verfahrensschritts eingesetzt wird, der den im Patentanspruch eines Verfahrenspatents vorgesehenen Schritten vorausgeht; das gilt auch, wenn der vorgelagerte Schritt notwendig ist, um die im Patentanspruch vorgesehenen Schritte ausführen zu können, und wenn das Mittel aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung ausschließlich zu diesem Zweck eingesetzt werden kann.

bb) Nach diesen Maßstäben bezieht sich das angegriffene Mittel („AW “) auf ein wesentliches Element der Erfindung.

Die Software „AW “ leitet das nach Patentanspruch 1 (in der geltend gemachten Fassung) geschützte Verfahren ein, indem es die Auswahl empfängt (Merkmal 1.1). Außerdem steuert es über die Schnittstelle „UIActivityViewController“ die von iOS bereitgestellten weiteren Funktionen. Damit ist die angegriffene Software gleichfalls Mittel im Sinne der Klagepatentansprüche 6 und 9. c) Die angegriffene Anwendung „AW “ ist objektiv zur unmittelbaren Patentbenutzung geeignet. Wird die angegriffene Anwendung „AW “ von dritter Seite bestimmungsgemäß auf einem elektronischen Gerät genutzt, sind die Voraussetzungen zur Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 1, des System nach Anspruch 6 des Klagepatents und der geschützten Vorrichtung nach Anspruch 9 hergestellt. Dass es zu dieser Benutzung gekommen ist, ist unstreitig.

Das angegriffene Mittel ist geeignet, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Nach der objektiven Beschaffenheit der Software „AW “ und ihrer Einbindung in iOS ist dies der Fall, weil eine unmittelbare wortsinngemäße Benutzung der geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Nutzer möglich ist.

aa) Patentanspruch 1 wird durch die Nutzer wortsinngemäß benutzt.

Auch hinsichtlich der streitigen Merkmale 1.2, 1.1, 1.1.1, 1.2 und 1.3 ermöglicht die angegriffene Ausführungsform im Zusammenwirken mit iOS das Klagepatent zu benutzen. Die Benutzung der übrigen Merkmale von Patentanspruch 1 ist zu Recht unstreitig.

(A) Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 1.2.

Zurecht ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform zulässt, Dritte, die nicht an der IM-Kommunikationssitzung teilnehmen, als Empfänger der Nachrichtenhistorie auszuwählen.

(B) Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht ebenfalls Merkmal 1.1.1, 1.2, 1.3.

Die angegriffene Ausführungsform stellt lediglich einen Übertragungsmodus zur Verfügung. Dabei handelt es sich um den E-Mail-Versand. Darüber hinaus kann die angegriffene Ausführungsform das aufbereitete Dateiobjekt auch für die anderen zur Verfügung gestellten Übertragungsmodi verarbeiten.

(C) Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht gleichfalls Merkmal 1.1, weil die IM-Kommunikationssitzung während der Auswahl und des Empfangs der Auswahl der Menüoption in zeitlicher Hinsicht noch im Gang ist.

bb) Patentansprüche 6 und 9 können ebenfalls durch die Nutzer wortsinngemäß benutzt werden.

Die mit dem Systemanspruch 6 geschützten Mittel sind für die Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 erforderlich. Insofern ergeben sich keine technisch relevanten Abweichungen zum Verfahrensanspruch.

Eine unmittelbare wortsinngemäße Benutzung des Vorrichtungsanspruchs 9 mit allen Merkmalen ist ebenfalls durch den Nutzer möglich. Kleinere mobile Telekommunikationsgeräte erfüllen ebenfalls das Merkmal Kommunikationsvorrichtung im Sinn von Anspruch 9. d) Das Angebot oder die Lieferung im Inland zur Benutzung der Erfindung im Inland ist erfolgt.

Die Beklagten bieten das Programm „AW “ und damit die angegriffene Ausführungsform als Download im Inland zur Benutzung im Inland an, indem zum Beispiel im App Store von Apple die Anwendung „AW “ zum Herunterladen und zur Installation auf iOS-Geräten dargeboten wird. Dies ist für die Beklagte zu 1) unstreitig gegeben.

Zwar bestreitet die Beklagte zu 2) ihre Passivlegitimation und sieht vielmehr allein die Beklagte zu 1) als verantwortlich an. Dieses Bestreiten ist jedoch unsubstantiiert. Denn selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Beklagte zu 1) für die Vertriebshandlungen selbst verantwortlich ist, handeln beide Beklagten als Mittäter und die Beklagte zu 2) muss sich das Handeln ihrer Mittäterin zurechnen lassen. Die Mittäterschaft besteht, weil ein arbeitsteiliges Vorgehen aufgrund eines gemeinsamen Tatplans („AW “ mit der angegriffenen Funktionalität auch in Deutschland zu vertreiben) gegeben ist.

Die Beklagte zu 1) ist eine weisungsgebundene Gesellschaft und wird von der Mutter, der hiesigen Beklagten zu 2), kontrolliert und beherrscht. Hierin liegt ihr Tatbeitrag. Dass die Beklagte zu 1) weisungsgebunden gegenüber der Beklagten zu 2) ist, bestreiten die Beklagten nicht hinreichend substantiiert. Sie ziehen sich allgemein darauf zurück, dass die Klägerin ihrerseits nur pauschal vorgetragen habe, wenn sie unter anderem Strategieaussagen aus einem Jahresbericht vorlegt, der von der Beklagten zu 2) selbst bei der US-Börsenaufsichtsbehörde eingereicht worden ist. Aus diesem ergibt sich unstreitig, dass die Beklagte zu 2) „AW “ als „ihr“ Produkt bezeichnet. Die Beklagten trifft eine sekundäre Darlegungslast, weil die Klägerin alle ihr zur Verfügung stehenden - öffentlich verfügbaren - Erkenntnismöglichkeiten über die rechtliche und tatsächliche Einbindung der Beklagten zu 2) in die Handlungen der Beklagten zu 1) sowie über eine entsprechende Weisungsgebundenheit dieser Gesellschaft gegenüber der Beklagten zu 2) ausgeschöpft hat. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die von der Klägerin vorgelegten Informationen nicht ausdrücklich Deutschland betreffen. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast wären nach Überzeugung der Kammer den Beklagten nähere Angaben zu den genannten Umständen ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen.

Auf Grundlage des Vortrags der Beklagtenseite war auch die Einvernahme des von den Beklagten angebotenen Zeugen S. nicht erforderlich. Sie hätte nur der Ausforschung gedient. Ebenso wenig brauchte die Kammer dem Antrag der Klägerin auf Vorlage der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge nachzugehen.

e) Auch der subjektive Tatbestand ist (unstreitig) gegeben.

Die subjektive Bestimmung des Abnehmers zur unmittelbaren patentverletzten Verwendung ist offensichtlich, weil die angegriffene Ausführungsform die patentverletzende Funktionalität vorsieht und davon auszugehen ist, dass sie entsprechend ausgeführt wird. Die objektive Eignung und die Verwendungsbestimmung der Abnehmer sind für die Beklagten offensichtlich. „AW “ ist von der Beklagten auf die patentgemäße Benutzung zugeschnitten und wird hierfür explizit angeboten.

III. Die Beklagten sind passivlegitimiert (s. o.).

IV.

Wegen der Patentverletzung hat die Klägerin gegen die Beklagten folgende Ansprüche:

1. Der Anspruch auf Unterlassung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform besteht Wiederholungsgefahr mit Blick auf die Tathandlungen anbieten und liefern. Denn die Wiederholungsgefahr wird durch die festgestellten rechtswidrigen Benutzungshandlungen indiziert. Ein Schlechthinverbot ist gerechtfertigt. Die angegriffene Ausführungsform kann technisch und wirtschaftlich sinnvoll nur in patentverletzende Weise verwendet werden. Die Funktion, den Chatverlauf zu exportieren, scheidet ohne die patentverletzende Verwirklichung der Anspruchsmerkmale aus.

2. Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.

3. Der Schadensersatzanspruch ergibt sich aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Nach einem Monat ab Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Patents liegt Verschulden der Beklagten zu 2) vor. Diese hätte sich über die Schutzrechtslage informieren müssen. Hinsichtlich der Haftung der Beklagten zu 2) trifft diese mit der Übernahme der Beklagten zu 1) das Verschulden.

C.

Eine Aussetzung mit Blick auf die erhobene Nichtigkeitsklage ist nach § 148 ZPO nicht veranlasst.

I.

Die Einleitung eines Einspruchsverfahrens oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellen als solches keinen Grund dar, das Verfahren auszusetzen. Anderenfalls würde man dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beimessen, die ihm nach dem Gesetz gerade fremd ist (BGH GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug). Bei der gebotenen Interessenabwägung hat grundsätzlich das Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung des ihm erteilten Patents Vorrang (siehe Cepl/Voß-Cepl, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage, § 148 ZPO Rn. 106 mwN). Denn das Patent bietet nur eine beschränkte Schutzdauer. Für die Dauer der Aussetzung ist das Schutzrecht mit Blick auf den Unterlassungsantrag, der einen wesentlichen Teil des Schutzrechts darstellt, noch zusätzlich praktisch aufgehoben. Daher kommt eine Aussetzung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Vernichtung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Cepl/Voß-Cepl, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage, § 148 ZPO Rn. 107 mwN).

Wird das Patent im Verletzungsverfahren nur eingeschränkt verfolgt, hat dies keinen Aussetzungsautomatismus zur Folge. Werden nur einzelne Merkmale aus Unteransprüchen hinzugefügt und der Schutzbereich des Klagepatents insoweit verringert, bedeutet die Erteilung des Klagepatents weiterhin eine Vermutung der Neuheit (Cepl/Voß-Cepl, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage, § 148 ZPO Rn. 155, 157 mwN). Eine Aussetzung ist auch dann nur bei hoher Wahrscheinlichkeit der Vernichtung des Klagepatents gerechtfertigt (Cepl/Voß-Cepl, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage, § 148 ZPO Rn. 157 mwN).

II.

Das Verfahren ist nach diesen Maßstäben nicht auszusetzen.

Nach Auffassung der Kammer ist der Gegenstand des Klagepatents in der geltend gemachten Fassung patentfähig. Die von den Beklagten im Rahmen ihres Aussetzungsantrags geltend gemachten Nichtigkeitsargumente greifen nicht durch. Der Gegenstand des Klagepatents ist insbesondere neu und wird durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

1. Der Gegenstand der entgegengehaltenen Druckschrift US 2004/0078446 A1 („Daniell“ = FBD-WA ...8 = K7) steht der Patentfähigkeit des Gegenstands des Klagepatents nicht entgegen.

a) Diese Druckschrift offenbart ein Nachrichtenverwaltungssystem, das Zugriff auf eine Vielzahl von verschiedenen Nachrichten (z. B. Sofortnachrichten und E-Mails) nehmen kann. Diese Nachrichten können auf einer zentralen Benutzeroberfläche wiedergegeben werden. Daneben dient die Lehre dem Anliegen, Nachrichten („chat transcripts“) zu sichern. Diese lassen sich hierzu auch in andere Programme (z. B. Microsoft Outlook) exportieren.

b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1, 6 und Patentanspruch 9 des Klagepatents wird durch diese Entgegenhaltung nicht offenbart.

Es werden nicht sämtliche Merkmale gezeigt. So offenbart „Daniell“ nicht unmittelbar und eindeutig die Merkmalsgruppe 1.1 (6.1 und 9.1), also insbesondere das Empfangen einer Auswahl einer Menüoption in einer IM-Kommunikationssitzung. Die Beklagten stützen sich darauf, dass die Abfrage am Ende einer IM-Kommunikationssitzung, ob die Sofortnachrichten-Historie gespeichert werden soll, sowie der durch diese Speicherung direkte Export der Historie an ein E-Mail-Programm dem Fachmann impliziere, dass der Chat-Verlauf auch bestimmungsgemäß über E-Mail versendet werden könne (vgl. [0125]). Diese Abfrage betrifft aber lediglich das Speichern und Archivieren eine Nachrichtenhistorie („IM chat transcript“). Nicht offenbart ist indes das Empfangen einer Menüoption in einer IM-Kommunikationssitzung. Die Entgegenhaltung offenbart gleichfalls nicht Merkmale 1.2 (6.2 und 9.3) sowie 1.3 (6.3 und 9.2) des Klagepatents.

c) Der Gegenstand der geltend gemachten Ansprüche des Klagepatents wird durch diese Entgegenhaltung überdies nicht nahegelegt.

aa) Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es - abgesehen von denjenigen Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist - in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen.

bb) Nach diesen Maßstäben hat für den Fachmann keine Veranlassung bestanden, die Lehre aus „Daniell“ in Richtung des Klagepatents fortzuentwickeln. Dafür ist eine Reihe von Schritten erforderlich, für die die Entgegenhaltung oder das allgemeine Fachwissen keinen Anlass geben.

Die Möglichkeit des Speicherns eines Transskript in einer IM-Unterhaltung in einem von einem E-Mail-Programm lesbaren Format und der Export dorthin legen noch kein Versenden der gespeicherten Datei durch das E-Mail-Programm nahe oder bieten hinreichenden Anlass, diese Möglichkeit vorzusehen. Denn nicht alle Inhalte eines E-Mail-Programms sind grundsätzlich oder in dem von der Entgegenhaltung beschriebenen Fall für den Versand bestimmt. Im konkreten Fall betrifft die Entgegenhaltung allein die Funktionalität des Speicherns (ohne Versand). Unabhängig davon bedürfte es noch eines weiteren Schrittes in Richtung des Klagepatents, weil hiermit immer noch nicht die Voraussetzung erfüllt ist, dass der Versand aus einer IM-Kommunikationssitzung heraus stattfindet. Im Vergleich mit einem E-Mail-Programm unterliegt der Versand über einen Sofortnachrichtendienst (aller Voraussicht nach) technisch anderen Anforderungen.

Außerdem haben die Beklagten nicht dargetan, warum sich unter Beachtung sämtlicher Kriterien aus der Entscheidung „Farbversorgungssystem“ des BGH aus dem allgemeinen Fachwissen eine Veranlassung ergeben habe, die klagepatentgemäße Lösung zu entwickeln.

2. Der Gegenstand der entgegengehaltenen Druckschrift US 2005/0080852 A1 („Kelley“ = FBD-WA ...6 = K5) steht der Patentfähigkeit des Gegenstands des Klagepatents gleichfalls nicht entgegen.

a) Diese Druckschrift offenbart ein Nachrichtenverwaltungssystem („integrated messaging system“), dass E-Mail-Nachrichten und IM-Nachrichten verwalten kann. Diese werden auf einer zentralen Benutzeroberfläche wiedergegeben. Der Nutzer kann diese Nachrichten aus gesonderten E-Mail-Diensten und IM-Nachrichtendiensten verwalten und wählen, mit welchem Dienst er auf welche Nachricht antworten will. Das offenbarte Nachrichtenverwaltungssystem tritt dabei nicht an die Stelle eines Nachrichtendienstes, sondern gibt die eingegangenen Nachrichten zentral wieder. Außerdem wird offenbart, dass an eine E-Mail eine Kommunikationshistorie („history data“) angehängt werden kann, welche als Antwort auf eine empfangene Sofortnachricht verfasst wird.

b) Der beanspruchte Gegenstand des Klagepatents wird durch diese Entgegenhaltung nicht offenbart.

Merkmal 1.1 des Klagepatentanspruchs 1 sowie die Merkmale 6.2 und 9.3 der Klage Patentansprüche 6 und 9 werden durch diese Entgegenhaltung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, weil keine Auswahl an Empfängern empfangen wird, die nicht Teilnehmer der IM-Kommunikationssitzung sind. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich dies nicht aus dem Extrahieren von Adressen aus erhaltenen Sofortnachrichten und dem Vorhandensein eines Adressspeichers zum Abgleich von Adressen für die Sofortnachrichten mit E-Mail-Adressen der an die Empfänger der zusenden Nachrichten ableiten. Denn der Gegenstand dieser Entgegenhaltung beschränkt sich auf das Abrufen von Empfängeradressen der Teilnehmer der ursprünglichen Nachrichten und somit auf das Verhältnis zwischen Sender und Empfänger. Hingegen ist das Verhältnis zu Dritten nicht betroffen, was klagepatentgemäß adressiert wird. Überdies liest der Fachmann aus der bei E-Mails üblichen Weiterleitungsfunktion an Kontakte aus einem Adressbuch des Nutzers nicht mit, dass E-Mail-Nachrichten mit einer angehängten Nachrichtenhistorie an einen Dritten versendet werden können, der nicht Teilnehmer der Sofortnachrichtenkonversation gewesen ist.

c) Der Gegenstand der geltend gemachten Ansprüche des Klagepatents wird durch diese Entgegenhaltung überdies nicht nahegelegt.

Nach den oben dargelegten Maßstäben hat für den Fachmann keine Veranlassung bestanden, die Lehre aus „Kelley“ in Richtung des Klagepatents fortzuentwickeln. Dafür ist ein entscheidender Schritt erforderlich, für den die Entgegenhaltung oder das allgemeine Fachwissen keinen Anlass geben.

Der Gegenstand der Lehre dieser Entgegenhaltung beschränkt sich auf das Verhältnis zwischen Empfänger und Sender, also auf die unmittelbare Beantwortung von Nachrichten. Insofern fehlt es am Anlass, dass der Fachmann auf Kontaktlisteneinträge der E-Mail-Anwendung und der Sofortnachrichtenanwendung zugreift und angesichts der bei E-Mails üblichen Weiterleitungsfunktion an Kontakte aus seiner Kontaktliste eine klagepatentgemäße Weiterleitung an Dritte vorsieht. Es mag zwar sein, dass dies - wie die Beklagten meinen - zu Nachweiszwecken sinnvoll und, um einen vorhandenen Nachteil der gegenüber dem Fachmann aus seinem allgemeinen Fachwissen bereits bekannten Nachrichtensysteme auszumerzen, möglich gewesen sei. Hieraus ergibt sich aber noch nicht, warum dies der Fachmann auch tatsächlich ins Werk gesetzt hätte. Insofern erscheint der Kammer die Betrachtung der Beklagten rückschauend und damit unzulässig.

Außerdem haben die Beklagten nicht dargetan, warum sich unter Beachtung sämtlicher Kriterien aus der Entscheidung „Farbversorgungssystem“ des BGH aus dem allgemeinen Fachwissen eine Veranlassung ergeben habe, die klagepatentgemäße Lösung zu entwickeln.

3. Der Gegenstand der entgegengehaltenen Druckschrift US 2002/0130904 A1 („Becker“ = FBD-WA ...7 = K6) steht der Patentfähigkeit des Gegenstands des Klagepatents gleichfalls nicht entgegen.

a) Diese Druckschrift offenbart eine grafische Benutzeroberfläche zum vereinfachten Verwalten mehrere Nachrichtensitzungen oder Nachrichtendienste. Die Darstellung findet entweder in separaten Fenstern oder in einem einheitlichen Fenster statt. An Kontakte aus diesem Dienst können Inhalte der Nachrichtensitzungen weitergeleitet werden.

b) Der beanspruchte Gegenstand des Klagepatents wird durch diese Entgegenhaltung nicht offenbart.

So fehlt es insbesondere an der Verwirklichung von Merkmal 1.3. Ein Verpacken der Nachrichtenhistorie in ein Dateiobjekt wird nicht offenbart. Die Entgegenhaltung offenbart zwar ein Versenden von längeren Nachrichten via E-Mail oder Fax. Hieraus geht aber nicht unmittelbar und eindeutig der weitere Verfahrensschritt des Verpackens hervor.

c) Der Gegenstand der geltend gemachten Ansprüche des Klagepatents wird durch diese Entgegenhaltung überdies nicht nahegelegt.

Nach den oben dargelegten Maßstäben hat für den Fachmann keine Veranlassung bestanden, die Lehre aus „Becker“ in Richtung des Klagepatents fortzuentwickeln. Dafür ist ein entscheidender Schritt erforderlich, für den die Entgegenhaltung oder das allgemeine Fachwissen keinen Anlass geben.

Für den Fachmann bietet der Offenbarungsgehalt dieser Entgegenhaltung keinen Anlass, die gesamte Nachrichtenhistorie in ein zur Übertragung außerhalb des Nachrichtendiensts geeignetes Dateiformat umzuwandeln. Denn hierfür ist der Schritt des Verpackens in ein geeignetes Dateiformat unerlässlich. Die Entgegenhaltung beschäftigt sich hingegen lediglich mit der Frage der Umwandlung einer einzelnen Nachricht. Das Versenden einer Nachrichtenhistorie mittels eines Übertragungsmodus, der nicht dem des Sofortnachrichtendiensts entspricht, wird nicht adressiert. Ein entsprechender Anlass, dies vorzusehen, findet sich weder in der Entgegenhaltung, noch wird dies hinreichend von den Beklagten behauptet und dargetan. Die bloße Abbildung einer Weiterleitungsfunktion in Kombination mit verschiedenen Übertragungsmodi, wie sie zum Beispiel in Figur 15 dargestellt sind, bieten für den Fachmann indes keinen Anlass, diese beiden Eigenschaften miteinander zu kombinieren. Jedenfalls haben die Beklagten hierzu nicht hinreichend vorgetragen.

Außerdem haben die Beklagten nicht dargetan, warum sich unter Beachtung sämtlicher Kriterien aus der Entscheidung „Farbversorgungssystem“ des BGH aus dem allgemeinen Fachwissen eine Veranlassung ergeben habe, die klagepatentgemäße Lösung zu entwickeln.

4. Entgegen der Annahme der Beklagten fehlt dem Gegenstand des Klagepatents schließlich nicht die Technizität.

D.

I.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits sind vollumfänglich der Beklagten aufzuerlegen. Soweit die Klägerin die Klageanträge durch Geltendmachung einer eingeschränkten Anspruchskombination eingeschränkt hat, löst diese Teilklagerücknahme keine Kosten aus, weil nach wie vor dieselbe Ausführungsform angegriffen wird.

II.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 2 und 3 ZPO. Sie gliedert sich wie erkannt. Die Sicherheitsleistung ist dabei an dem Streitwert zu orientieren. Der Feststellungsantrag ist nicht vorläufig vollstreckbar. Die Entscheidung über die Kosten ist nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

E.

Dem Antrag nach § 712 ZPO der Beklagten ist nicht stattzugeben. Die Beklagte hat nur eine wirtschaftliche Belastung behauptet, ohne Tatsachen vorzubringen, die das Tatbestandsmerkmal „nicht zu ersetzender Nachteil“ erfüllen.

F.

Sofern die Beklagten mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 13. November 2019, der nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangen ist, Tatsachen vorgetragen haben, sind diese wegen § 296a ZPO als verspätet zurückzuweisen. Ein Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen, besteht nicht. Die vorgebrachten rechtlichen Argumente hat die Kammer für ihre Entscheidung aber zur Kenntnis genommen und insofern berücksichtigt.

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