Beschluss vom Landgericht Münster - 05 T 693/13 LG Münster
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 09.09.2013 wird aufgehoben.
Der Antrag der Gläubigerin auf Widerruf der Restschuldbefreiung vom 14.08.2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens über den Widerrufsantrag vom 14.08.2013 und die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin.
1
Gründe:
21)
3Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 24.09.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 09.09.2013, mit dem das Amtsgericht die dem Schuldner mit Beschluss vom 05.08.2013 erteilte Restschuldbefreiung widerrufen hat, ist gemäß § 303 Abs. 3 Satz 2 InsO statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt.
42)
5Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
6Die dem Schuldner erteilte Restschuldbefreiung kann nicht auf der Grundlage des Antrags der Gläubigerin vom 14.08.2013 widerrufen werden. Der Antrag ist gemäß § 303 Abs. 2 InsO unzulässig, da die Widerrufsvoraussetzungen des § 303 Abs. 1 InsO nicht glaubhaft gemacht sind.
7Ob die Gläubigerin glaubhaft gemacht hat, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten aus § 295 InsO vorsätzlich verletzt hat, kann dahinstehen. Es fehlt nämlich jedenfalls an der Glaubhaftmachung einer erheblichen Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger i.S.v. § 303 Abs. 1 InsO.
8a)
9Die Gläubigerin macht geltend, dass der Schuldner vorsätzlich gegen seine Obliegenheiten aus § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO verstoßen habe, indem er den Namen seines neuen Arbeitgebers erst mit deutlicher Verspätung mitgeteilt und trotz mehrfacher Aufforderung Gehaltsabrechnungen für neun Monate nicht vorgelegt habe. Hierdurch seien 1.824,44 € zu wenig an den Treuhänder geflossen.
10Eine erhebliche Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger aufgrund der hier fraglichen Obliegenheitsverletzung ist nicht glaubhaft gemacht.
11Zu beachten ist zunächst, dass der Treuhänder den neuen Arbeitgeber des Schuldners am 27.02.2013 angeschrieben und zur Auskehrung der pfändbaren Einkommensanteile aufgefordert hat, was dazu führte, dass pfändbare Beträge i.H.v. insgesamt 379,56 € für die Monate März und April an den Treuhänder geleistet wurden. Dies entspricht 189,78 € pro Monat. Ob der Schuldner auch in den Folgemonaten Mai und (anteilig) Juni 2013, die noch von der Abtretungserklärung des Schuldners erfasst waren, pfändbares Einkommen erzielt hat, kann dahinstehen, da eine etwaige Nichtabführung an den Treuhänder in diesem Zeitraum nicht mehr dem Schuldner anzulasten wäre, sondern dem Arbeitgeber (jedenfalls ist eine Verantwortlichkeit des Schuldners nicht dargelegt).
12Als mögliche Folge der hier fraglichen Obliegenheitsverletzung verbleibt somit die Nichteinziehung pfändbarer Einkommensanteile für die Monate September 2012 (erster Monat der neuen Tätigkeit des Schuldners) bis Februar 2013. Geht man von gleichbleibenden Einkommensverhältnissen aus – etwas anderes ist nicht dargelegt – so ergibt sich ein möglicher Fehlbetrag von 1.138,68 € (6 Monate x 189,78 € pro Monat). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der von der Gläubigerin angegebene pfändbare Betrag i.H.v. 220,40 € monatlich nicht der Pfändungstabelle entspricht.
13Der oben errechnete Betrag von 1.138,68 € (zuzüglich der 22,56 €, die nach Abzug der Verfahrenskosten von den o.g. 379,56 € verblieben sind) hätte nicht ausgereicht, um die offenen Masseverbindlichkeiten aus dem Hauptverfahren i.H.v. insgesamt 2.083,85 € zu begleichen. Bei einer Einbeziehung der Monate Mai bis Juli 2013 ergäbe sich nichts anderes. Die hier fragliche Obliegenheitsverletzung hat demnach, soweit ersichtlich, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger i.S.v. § 303 Abs. 1 InsO nicht beeinträchtigt. Entgegen der Auffassung der Gläubigerin kommt es auf die Befriedigung der Massegläubiger (§ 53 InsO) nicht an. Der in § 303 Abs. 1 InsO verwendete Begriff „Insolvenzgläubiger“ ist in § 38 InsO gesetzlich definiert. Für ein Versehen des Gesetzgebers ist nichts ersichtlich. Eine Erstreckung der Schutzwirkung des § 303 Abs. 1 InsO auf die Massegläubiger wäre auch systemwidrig, da diese von der Restschuldbefreiung nicht betroffen sind (vgl. § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO) und folgerichtig selbst auch keine Versagungs- oder Widerrufsanträge gemäß den §§ 290 Abs. 1, 296 Abs. 1, 303 Abs. 1 InsO stellen können.
14b)
15Die Gläubigerin macht weiterhin geltend, dass der Schuldner entgegen § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO keine angemessene Erwerbstätigkeit ausgeübt bzw. sich nicht ernsthaft um eine solche bemüht habe. Auch insoweit fehlt es jedenfalls an der Glaubhaftmachung einer erheblichen Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger.
16Die Gläubigerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Schuldner bei angemessenen Bemühungen tatsächlich eine besser bezahlte Arbeitsstelle gefunden hätte. Es fehlt bereits konkreter Vortrag hierzu. Die Gläubigerin will möglicherweise aus der Tatsache, dass der Schuldner ab September ein Nettoeinkommen von 1.300 € erzielen konnte, den Schluss ziehen, dass dies bei angemessenen Bemühungen bereits früher möglich gewesen wäre. Dies genügt jedoch zur Glaubhaftmachung nicht. Es fehlen Ausführungen zur Arbeitsmarktlage im fraglichen Zeitraum. Erst recht ist nicht dargelegt, dass der Schuldner trotz seiner individuellen Beeinträchtigungen (ADHS, Alkoholabhängigkeit) eine bessere Arbeitsstelle hätte finden und halten können. Dass entsprechende Darlegungen von der Gläubigerin wohl nur sehr schwer geleistet werden können, verkennt das Gericht nicht, diese Schwierigkeiten können jedoch nach der gesetzlichen Wertung des § 303 Abs. 2 InsO, der dem Widerrufsantragsteller die Glaubhaftmachungslast auferlegt, nicht zu Lasten des Schuldners gehen.
17Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Obliegenheiten des § 295 InsO den Schuldner erst ab Aufhebung bzw. Einstellung des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung treffen (BGH ZInsO 2009, 299; ZInsO 2010, 345). Im vorliegenden Fall wurde das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 15.04.2011 gemäß § 211 InsO eingestellt. Geht man – ohne Berücksichtigung einer Bewerbungszeit – von einer angemessenen Erwerbstätigkeit des Schuldners bereits ab Mai 2011 und fiktiven pfändbaren Bezügen von 189,78 € monatlich (s.o.) aus, so ergibt für die Zeit bis zur tatsächlichen Arbeitsaufnahme (September 2012) ein Fehlbetrag von 3.036,48 € (16 x 189,78 €). Nach Abzug der vorrangigen Masseverbindlichkeiten (s.o.) wären von diesem Betrag etwa 1.000 € zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger verblieben. Bei einer Gesamtsumme der festgestellten Insolvenzforderungen von 157.697,86 € würde ein Fehlbetrag von etwa 1.000 € aber wohl noch keine „erhebliche“ Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger bedeuten (vgl. die Darstellung von Ahrens in Kohte/Ahrens/Grote/Busch, „Verfahrenskostenstundung, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, 6. Aufl. 2013, § 303 Rn. 10). An diesem Ergebnis würde wohl auch eine Addition der oben unter „a)“ errechneten weiteren 1.138,68 € nichts ändern.
183)
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Ob dem Schuldner im erstinstanzlichen Verfahren über den Widerrufsantrag der Gläubigerin überhaupt erstattungsfähige Kosten entstanden sind, kann hier dahinstehen.
20Die Festsetzung eines Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ist nicht veranlasst, da keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen. Das (erfolgreiche) Beschwerdeverfahren ist vielmehr nach Nr. 2361 GKG-KV gerichtsgebührenfrei.
214)
22Gegen diesen Beschluss findet kein weiteres Rechtsmittel statt.
23Unterschrift
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Referenzen
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