Urteil vom Landgericht Münster - 014 O 237/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d :
2Die Kläger begehren Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung aus einem gekündigten Darlehensvertrag.
3Die Parteien schlossen am 07.09.2006 einen Darlehensvertrag über 160.000,00 €. Als Sicherheit wurde eine Briefgrundschuld an dem Grundstück der Kläger bestellt.
4Am 20.10.2010 kündigte die Beklagte das Darlehen zur sofortigen Rückzahlung wegen Zahlungsverzuges. Mit gleichem Schreiben übersandte sie eine Forderungsaufstellung, in der sie Verzugszinsen für die Zeit vom 21.10.2010 bis zum 31.12.2010 gemäß § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB in Höhe von 2,62 % geltend macht, mithin 802,59 €. Zudem machte die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 19.946,15 € geltend. Zugleich forderte die Beklagte die Kläger in dem Kündigungsschreiben unter Fristsetzung zum 01.01.2011 auf, Rückzahlungsvorschläge zu unterbreiten und drohte für den Fall des Fristablaufs die Zwangsversteigerung des Grundstücks an. Mit Schreiben vom 23.04.2013 übersandte die Beklagte eine aktualisierte Forderungsaufstellung, in der sie weiterhin die Vorfälligkeitsentschädigung geltend macht sowie Verzugszinsen gemäß § 497 Abs. 1 BGB für die Zeit vom 21.10.2010 bis zum 14.08.2013 in Höhe von insgesamt 11.414,88 €. Mit Schreiben vom 29.04.2013 forderten die Kläger die Beklagte auf, die Vorfälligkeitsentschädigung nicht mehr geltend zu machen, was die Beklagte mit Schreiben vom 14.05.2013 ablehnte. Mit Schreiben vom 24.05.2013 forderten die Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zum 03.06.2013 zur Erklärung auf, den Verzicht auf die Geltendmachung von Vorfälligkeitsentschädigung zu erklären, was die Beklagte nicht tat.
5Nachdem das Beleihungsobjekt der Kläger veräußert wurde, übersandte die Beklagte während des laufenden Rechtsstreits mit Datum vom 13.11.2013 eine Forderungsabrechnung, in der sie die Vorfälligkeitsentschädigung mit 19.946,15 € aufnahm und auf den Veräußerungserlös verrechnete. Daraufhin haben die Kläger die ursprüngliche Feststellungsklage über das Nichtbestehen der Forderung umgestellt in eine Leistungsklage.
6Die Kläger vertreten die Auffassung, die Beklagte habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung aufgrund ihrer Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs. Neben den Verzugszinsen könne sie zusätzlich keinen Erfüllungsschaden geltend machen. Die Zinserwartung der Beklagten sei nach Kündigung durch die Verzugszinsen gedeckelt. Dies entspreche der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die sich aus Äußerungen in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens XI ZR 512/11 vom 15.01.2013 ergebe, auf Grund derer die beklagte Bank des dortigen Verfahrens ein Anerkenntnis abgab mit der Folge der Beendigung dieses Verfahrens durch ein Anerkenntnisurteil. Der BGH habe ausgeführt, dass die Geltendmachung eines zusätzlichen Erfüllungsschadens im Sinne einer Vorfälligkeitsentschädigung im Widerspruch stehe zum Sinn der gesetzlichen Regelung bei Verbraucherkrediten. Banken dürften aus der Notlage eines Kunden nicht Kapital schlagen, indem sie den am entgangenen Vertragszins orientierten Erfüllungsschaden fordern würden. Gerechtfertigt sei grundsätzlich nur der Verzugszins nach § 497 Abs. 1 BGB.
7Die Kläger beantragen,
8die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtberechtigte 19.946,15 € zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte vertritt die Auffassung, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Obergerichte stehe einer Bank im Falle einer Kündigung eines grundschuldgesicherten Immobiliendarlehens wegen Vertragsverletzung des Darlehensnehmers im Rahmen der Schadensberechnung ein Wahlrecht zu. Sie könne den Schaden, der ihr durch die vorzeitige Ablösung des Darlehens entstanden sei, sowohl nach der Aktiv-Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnen. Bei der hier von der Beklagten gewählten Aktiv-Passiv-Methode stelle sich der finanzielle Nachteil der Beklagten als Differenz zwischen den Zinsen, die die Kläger bei Abnahme des Darlehens und vereinbarungsgemäßer Durchführung des Vertrages tatsächlich gezahlt hätten und
12der Rendite dar, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der frei gewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln ergebe. Der Differenzbetrag sei um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten zu vermindern und auf den Zeitpunkt der Leistung der Vorfälligkeitsentschädigung ab zu zinsen. Diese dargelegten Grundsätze würden auch gelten, wenn, wie vorliegend, ein Darlehensvertrag mit fester Laufzeit wegen Vertragsverletzung des Darlehensnehmers vorzeitig gekündigt werde. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung habe auf den Kündigungszeitpunkt zu erfolgen. Mit der Kündigung würden die vertraglichen Zinszahlungsansprüche entfallen und es entstünde diesbezüglich ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB, d.h. ein Anspruch auf die Leistung einer Vorfälligkeitsentschädigung, der gemäß § 271 BGB sofort fällig sei. Die Klägerin dürfe ihren Schaden auch sofort berechnen, wobei sie unter Anwendung des § 252 Satz 1 BGB im Rahmen einer abstrakten Schadensberechnung zu diesem Zeitpunkt den entgangenen Gewinn verlangen könne.
13Darüber hinaus könne die Bank auch Verzugszinsen auf die auch die Vorfälligkeitsentschädigung umfassende Gesamtrestforderung für den Zeitraum ab Kündigung geltend machen. Die Kläger würden sich in Verzug befinden, so dass neben der Vorfälligkeitsentschädigung auch Verzugszinsen geltend gemacht werden dürften.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage ist unbegründet.
17Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung der verrechneten Vorfälligkeitsentschädigung von insgesamt 19.946,15 €.
18Der Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstreitig, die Parteien streiten vor dem Hintergrund des Anerkenntnisurteils des BGH vom 17.01.2013 zum Aktenzeichen: XI ZR 512/11 und den hierzu veröffentlichten angeblichen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, neben den von ihr geltend gemachten Verzugszinsen auch eine Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen.
19Der Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ergibt sich vorliegend aus Ziffer III der Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten. Die Höhe der geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigung ist zwischen den Parteien unstreitig.
20Der Anspruch auf Zahlung dieser Vorfälligkeitsentschädigung ist nach Auffassung des Gerichts auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte gemäß § 497 Abs. 1, 503 Abs. 2 BGB noch einen Verzugsschaden in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz geltend macht. Bei der Geltendmachung dieses Zinsanspruchs handelt es sich um den Verzugsschaden, also um den Schaden, der dadurch besteht, dass die Kläger nach Kündigung und Fälligstellung der Restforderung diesen Betrag nicht gezahlt haben, sondern mit der Zahlung dieses Betrages in Verzug sind. Demgegenüber stellt die Vorfälligkeitsentschädigung den Schaden dar, der der Beklagten dadurch entstanden ist, dass die Kläger ihren Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht nachgekommen sind, somit diesen Vertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt haben. Damit handelt es sich bei dem Verzugsschaden und bei der Vorfälligkeitsentschädigung als Nichterfüllungsschaden um zwei völlig unterschiedliche Schadenspositionen, die zwei völlig unterschiedliche Schäden der Bank bei vorzeitiger Beendigung eines festverzinslichen Darlehensvertrages betreffen und abdecken.
21Im Hinblick darauf, dass es sich um zwei völlig unterschiedliche Schadensformen handelt, folgt das Gericht den Klägern in ihrem Argument dahingehend, dass es sich bei der Regelung der §§ 497 Abs. 1, 503 Abs. 2 BGB um eine abschließende Regelung handelt, nicht, denn nach Auffassung des Gerichts regelt diese Norm lediglich den Verzugsschaden abschließend und nicht zugleich den Nichterfüllungsschaden. Würde man in der Regelung des Verzugsschadens eine abschließende Regelung sehen, die zugleich den Nichterfüllungsschaden ausschließen würde, wäre die Bank bei einem vertragsuntreuen Kunden schlechter gestellt als bei einem vertragstreuen Kunden, bei dem es zu einer einvernehmlichen vorzeitigen Auflösung des Darlehensvertrages kommt. In diesem Fall könnte die Beklagte Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen, im Fall eines vertragsuntreuen Kunden diesen Schaden dann aber eben gerade nicht. Den sachlichen Grund für diese Unterscheidung kann das Gericht nicht erkennen. Insbesondere gilt dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges jederzeit von einem Darlehensnehmer provoziert werden kann, um einen Darlehensvertrag vorzeitig zu beenden, aber gleichzeitig die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen. Das Gericht kann nicht erkennen, welchen sachlichen Grund es geben sollte, dass die Bank ihren Nichterfüllungsschaden bei ihrerseits gekündigten Darlehensverträgen nicht geltend machen soll.
22Auch ergibt sich aus § 490 Abs. 2 S. 3 BGB nicht, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung nur beansprucht werden könne, wenn der Darlehensnehmer selbst das Darlehen kündigt. Dies ergibt sich aus § 490 Abs.3 BGB, wonach die Regelungen des § 314 BGB in vollem Umfange unberührt bleiben. Mithin gilt auch § 314 Abs. 4 BGB, der klarstellt, dass das Recht, Schadensersatz zu verlangen, durch die außerordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wird. Somit steht der Beklagten der Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu. Dabei ist der von der Beklagten erhobene Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung unter dem Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns nach § 252 BGB zu ersetzen (vgl. OLG München Urteil vom 03.04.2009 – 5 U 5240/08).
23Wenn argumentiert wird bzw. angeblich in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof argumentiert worden sein soll, dass aus der Notlage der Darlehensnehmer kein Geschäft gemacht werden darf, so ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte keinerlei Verschulden an der Notlage der Kläger trifft. Warum Ansprüche ausgeschlossen sein sollen, weil sich der Geschäftspartner in einer Notlage befindet, ist nicht ersichtlich und findet sich als Regelungswerk im BGB nach Auffassung des Gerichts auch nicht wieder. Da der Bundesgerichtshof bisher u.a. im Urteil vom 08.02.2000 – IX ZR 313/98 den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung zuerkannt hat, kann das Gericht in dem ergangenen Anerkenntnisurteil vom 17.01.2013 –IX ZR 512/11 keine Änderung der Rechtsprechung erkennen, da es an einer Begründung dieses Anerkenntnisurteils fehlt und das Argument einer Notlage des Darlehensnehmers bisher dogmatisch für das Gericht erkennbar in den Gesetzen nicht verankert ist.
24Insgesamt verbleibt es deshalb für das Gericht bei der bisherigen Rechtsprechung, wonach beide Ansprüche selbstständig nebeneinanderstehen, so dass die vorliegende Klage abzuweisen war.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
26Unterschrift
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- BGB § 490 Außerordentliches Kündigungsrecht 2x
- BGB § 252 Entgangener Gewinn 2x
- 5 U 5240/08 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 512/11 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund 2x
- IX ZR 512/11 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 503 Umwandlung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen in Fremdwährung 1x
- IX ZR 313/98 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 2x
- BGB § 271 Leistungszeit 1x
- BGB § 497 Verzug des Darlehensnehmers 5x