Urteil vom Landgericht Münster - 014 O 598/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten um die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis infolge eines Widerrufs.
3Die Parteien schlossen am 11.10.2011 einen Verbraucherdarlehensvertrag (Nr.: 7777) über eine Nettodarlehenssumme von EUR 181.000,- zu einem Nominalzinssatz von 3,63 % mit einer Zinsfestschreibung bis zum 30.06.2026. Das Darlehen diente der Finanzierung einer Wohnimmobilie in Y. Besichert wurde das Darlehen durch eine Grundschuld an dieser Wohnimmobilie.
4Der Vertragstext enthielt eine Belehrung zum Widerrufsrecht und dessen Folgen. Zusammen mit anderen Informationen war diese Belehrung unter Ziffer 14 von einer fett gedruckten Linie umrandet. Ab Ziffer 12 wurden die Informationen durch fett gedruckte Überschriften eingeleitet, die eine größere Schriftgröße hatten als die vorhergehenden Überschriften. Bezüglich der optischen Gestaltung und des Inhalts der Widerrufsbelehrung wird auf die Anlage K1 (Bl. 11 d. A.) verwiesen.
5Mit Schreiben vom 23.02.2015 erklärten die Kläger gemeinschaftlich den Widerruf des Darlehensvertrags. Dieser wurde jedoch von der Beklagten mit Schreiben vom 16.03.2015 zurückgewiesen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.10.2015 meldete sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger bei der Beklagten und setzte eine Frist zur Bestätigung der Wirksamkeit des Widerrufes bis zum 06.11.2015, die fruchtlos verstrich.
6Die Kläger sind der Rechtsauffassung, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft und daher die Widerrufsfrist noch nicht in Gang gesetzt worden sei, so dass der Widerruf vom 23.02.2015 nicht verfristet sei. Die Widerrufsbelehrung verstoße gegen das Deutlichkeitsgebot, da die Belehrung nicht optisch hervorgehoben worden sei. In der mündlichen Verhandlung äußerte der Klägervertreter zudem die Auffassung, dass wegen der beispielhaften Nennung von Pflichtangaben im Klammerzusatz das Deutlichkeitsgebot im Hinblick auf die inhaltliche Klarheit der Belehrung nicht gewahrt sei. Zudem könne sich die Beklagte nicht auf den sogenannten Musterschutz berufen, da der Klammerzusatz „Name/Firma und ladungsfähige Anschrift der Sparkasse“ nicht ausgefüllt sei und damit nicht der Mustervorlage entspreche.
7Die Kläger meinen zudem, dass sie aus Verzug bei Beauftragung des Prozessbevollmächtigten einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben, wobei aufgrund der Spezialthematik eine 1,8-Geschäftsgebühr angemessen sei. Hierzu behaupten sie, dass sie den Prozessbevollmächtigten erst nach Zurückweisung des Widerrufs durch die Beklagte beauftragt hätten.
8Die Kläger beantragen,
91. festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer 7777 über EUR 181.000,- durch den Widerruf der Kläger im Schreiben vom 23.02.2015 wirksam widerrufen wurde und sich somit in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis gewandelt hat, und
102. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 4.048,80 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte rügt das Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung als verspätet.
14Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Kläger sowie die Zahlung der Rechtsanwaltsgebühren durch die Kläger erfolgt seien. Zumindest sei ihrer Rechtsauffassung nach eine solche nicht erforderlich gewesen, da die Beklagte den Widerruf unmissverständlich zurückgewiesen habe. Zudem sei eine besondere Schwere des Falles, die eine 1,8-Geschäftsgebühr rechtfertige, nicht gegeben.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 07.07.2016 verwiesen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
17Die zulässige Klage ist unbegründet.
18I.
19Der Hauptantrag auf Feststellung, dass sich der Darlehensvertrag durch den Widerruf der Kläger in ein Rückgewährschuldverhältnis gewandelt hat, ist unbegründet. Der am 23.02.2015 erklärte Widerruf des am 11.10.2011 mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages erfolgte nicht mehr innerhalb der gesetzlichen zweiwöchigen Widerrufsfrist nach §§ 355 Abs. 2, 495 BGB a.F. und damit verspätet.
20Entgegen der Auffassung der Kläger hat die Widerrufsfrist durch Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen zu laufen begonnen und war im Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs bereits verstrichen.
211.
22Ein Deutlichkeitsgebot, welches eine optische Hervorhebung der Widerrufsbelehrung gebietet, bestand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für Darlehensverträge nicht mehr (vgl. Urteile des BGH vom 23.02.2016, XI ZR 549/14; XI ZR 101/15). Zwar verlangt Artikel 247 § 6 Abs. 1 EGBGB, dass die Pflichtangaben zum Widerrufsrecht „klar und verständlich“ formuliert sein sollen. Dies bezieht sich aber nicht auf eine optische Hervorhebung der Widerrufsinformation, sondern auf ihre inhaltliche Ausgestaltung (vgl. die Gesetzesbegründung zu Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB, BT-Drucks. 16/11643, S. 127). Auch § 360 BGB, der grundsätzlich ein Deutlichkeitsgebot für Widerrufsbelehrungen vorschreibt, ist diesbezüglich auf Verbraucherdarlehensverträge nicht anwendbar. Die gesonderte Widerrufsbelehrung wird vielmehr gem. § 492 Abs. 2 Nr. 1 BGB bei Verbraucherdarlehen durch die Nennung der Pflichtangaben aus dem EGBGB im Vertrag ersetzt. Der Wortlaut des § 360 BGB bezieht sich hingegen ausdrücklich nur auf Widerrufsbelehrungen. Auch nach dem Sinn und Zweck des Widerrufsrechts sind die Angaben zum Widerruf nicht optisch hervorzuheben. Im Verbraucherschutzrecht wird seit geraumer Zeit auf das Leitbild eines „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers“ abgestellt (vgl. Urteil des BGH vom 23.02.2016, XI ZR 549/14 m. w. N.). Einem solchem Verbraucher ist es durchaus zuzumuten, den Vertragstext vor Abschluss des Vertrags komplett zu lesen. Dies ist auch vor dem Hintergrund, dass mit dem Abschluss eines Darlehensvertrags langjährige Pflichten einhergehen, zu erwarten. Liest der Verbraucher den vorliegenden Vertragstext, wird er die Informationen zum Widerrufsrecht wahrnehmen können.
232.
24Auch das Vorbringen des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2016, dass die beispielhafte Aufzählung der Pflichtangaben in der Klammer die Widerrufsinformation unklar und unverständlich mache, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Insofern kann dahinstehen, ob sich die Beklagte auf Musterschutz berufen kann, oder sie den Musterschutz verliert, weil sie die kursiv gesetzte und ausgestaltungsbedürftige Klammer im Hinblick auf den Widerrufsadressaten in der Widerrufsinformation belassen hat.
25a.
26Dieser Vortrag ist zunächst nicht nach §§ 296 II, 282 ZPO präkludiert. Die Anforderungen an das rechtzeitige Vorbringen nach §§ 282, 296 ZPO gelten nicht für das rechtliche Vorbringen, da dieses ohnehin nicht von den Parteien vorgetragen werden müsste (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, § 282, Rn. 2b). Bei der Frage, wie die beispielhaften Pflichtangaben und der Klammerzusatz am Ende aus Verbrauchersicht zu bewerten sind, handelt es sich um reine Rechtsansichten.
27b.
28Das Argument der Kläger, dass die beispielhafte Aufzählung von Pflichtangaben im Klammerzusatz verwirrend sei und gegen das Klarheitsgebot aus Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB a.F. verstoße, trägt nicht. Die nur beispielhafte Nennung der Pflichtangaben führt nicht dazu, dass die Widerrufsbelehrung unwirksam ist (vgl. OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 07.03.2016, 31 U 15/16; OLG Stuttgart Hinweisbeschluss vom 16.11.2015, 6 U 171/15; LG Münster, Urteil vom 01.04.2014, 14 O 206/13; LG Krefeld, Urteil vom 06.01.2016, 5 O 267/15; LG Essen, Urteil vom 10.09.2015, 6 O 217/15; LG Hamburg, Urteil vom 11.04.2016, 318 O 284/15; LG Paderborn, Urteil vom 06.04.2016, 4 O 416/15; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 25.02.2016 – 6 O 6071/15, a.A. OLG München, Urteil vom 21.05.2015, 17 U 334/15; hieran wohl anschließend: OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 15.10.2015, 8 U 241/15).
29Auch wenn dies, insbesondere wegen der Einschränkung der Pflichtangaben nach Art. 247 § 9 EGBGB a.F., für den rechtsunkundigen Verbraucher durchaus anspruchsvoll ist, kann er die notwendigen Pflichtangaben durch einen Blick in das Gesetz herausfinden. Im Verbraucherschutzrecht wird seit Jahren das Leitbild eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers zu Grunde gelegt. Dieser ist durchaus in der Lage, die notwendigen Informationen nachzulesen.
30Insbesondere sieht das Muster im Gesetzesrang in Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. die beispielhafte Aufzählung der Pflichtangaben vor, so dass bereits vor diesem Hintergrund die Widerrufsinformation gesetzmäßig ist.
31Zudem würde es dem Verbraucherschutz zuwider laufen, wenn alle für den Fristbeginn maßgeblichen Pflichtangaben in den Vertragstext aufgenommen werden würden. Dadurch wäre der Text aufgrund der Komplexität der europarechtlich bestimmten Vorschriften völlig überfrachtet und nicht an Verständlichkeit hinzugewinnen. Dies würde vielmehr erst Recht zu einer Verunsicherung beim Verbraucher führen und damit dem Sinn und Zweck des Widerrufsrechts widersprechen.
323.
33Da die Klage in der Hauptsache erfolglos ist, haben die Kläger schon deswegen keinen Anspruch auf Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte im Zeitpunkt der vermeintlichen Beauftragung in Verzug befand.
34II.
35Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 100 I, 709 ZPO.
36Unterschrift
37Beschluss:
38Der Streitwert wird auf 30.951,20 Euro festgesetzt.
39Dieser Wert entspricht den Zins- und Tilgungsleistungen bis zum Widerruf.
40Unterschrift
41Richter am Landgericht
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Referenzen
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