Beschluss vom Landgericht Münster - 5 T 378/18
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (Nr. 2381 GKG-KV). Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
1
Gründe:
2I.
3Mit Beschluss vom 01.01.2014 eröffnete das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Münster das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Beteiligten zu 1) zum Insolvenzverwalter. Die Schuldnerin hatte einen LKW-Handel und eine Reparaturwerkstatt ausschließlich für Lastkraftwagen des niederländischen Herstellers E betrieben. Der Händlervertrag mit der Firma E war zum 13.11.2013 gekündigt worden. Zum 30.04.2014 wurde der Geschäftsbetrieb stillgelegt. Mit Schreiben vom 05.12.2014 zeigte der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit des Verfahrens gemäß § 208 InsO an, da die Masse voraussichtlich nicht ausreichen werde, um alle Masseverbindlichkeiten in voller Höhe zu erfüllen.
4Mit Schreiben vom 14.02.2018 teilte der Insolvenzverwalter weiter mit, die Europäische Kommission habe ein sog. „LKW-Kartell“ aufgedeckt, wonach europäische LKW-Hersteller – auch die niederländische Firma E – über einen langjährigen Zeitraum unzulässige Preisabsprachen zum Nachteil der Händlerfirmen vorgenommen hätten. Das Landgericht Hannover (Az.: 18 O 8/17) habe bereits in einem Fall in einem Schadensersatzgrundurteil zu Gunsten eines kommunalen Käufers entschieden. Es sei zu erwarten, dass auch die Schuldnerin Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller E aus früheren Geschäften geltend machen könne.
5Mit Schreiben vom 09.10.2018 teilte der Insolvenzverwalter weiter mit, es würden derzeit Musterprozesse gegen am LKW-Kartell beteiligte LKW-Hersteller geführt, da aufgrund wettbewerbswidriger Absprachen zum Teil ca. 15% Preiserhöhungen am Markt durchgesetzt worden wären, woraus sich entsprechende Schadensersatzansprüche der betroffenen LKW-Händler ableiten ließen. Für die hiesige Insolvenzschuldnerin könnten Schadensersatzansprüche in Höhe von schätzungsweise 1,2 Mio. EUR in Rede stehen. Weiter teilte der Insolvenzverwalter mit, er sei aus eigenen Erkenntnissen außerstande, die Schadensersatzansprüche substantiiert zu ermitteln. Nur der ehemalige Geschäftsführer der Schuldnerin, Herr K2, könne im Detail die entsprechenden Vertragsbeziehungen aufklären. Aus diesem Grunde sei beabsichtigt, eine Dienstleistungsvereinbarung mit Herrn K bzw. dessen Nachfolgegesellschaft M Automobile GmbH in C2 zu vereinbaren mit dem Inhalt, dass der Dienstleister verpflichtet sei, alle notwendigen Unterlagen und Informationen zur substantiierten Darlegung möglicher Schadensansprüche gegen das LKW-Kartell zusammenzutragen gegen Zahlung einer erfolgsabhängigen Provision in Höhe von 20% des masseerhöhenden Reinerlöses. Die Dienstleistungsvereinbarung solle vorab durch die Gläubigerversammlung genehmigt werden.
6Die auf Antrag des Insolvenzverwalters vom 09.10.2018 letztlich einberufene Gläubigerversammlung erteilte dem Insolvenzverwalter mit Beschluss vom 13.03.2019 die Zustimmung zum Abschluss eines Dienstleistungsvertrags zwischen dem Insolvenzverwalter und Herrn K2 persönlich betreffend Schadensersatzansprüche der Masse gegen das LKW-Kartell.
7Der Beschluss wurde mehrheitlich durch die Ja-Stimmen der Sparkasse Westmünsterland, X1 und die X GmbH (Gl. Lfd. Nr. ##, ##, ###) gefasst; die übrigen fünf erschienenen Insolvenzgläubiger stimmten gegen die Beschlussfassung. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 13.03.2019 sowie die Anlagen 2 und 3 zum Protokoll vom 13.03.2019 Bezug genommen (vgl. Bl. 998 – 1005 d.A.). Wegen weiterer Einzelheiten des der Beschlussfassung der Gläubigerversammlung zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf die Schriftsätze des Insolvenzverwalters vom 09.10.2018 (Bl. 896 f.d.A.), vom 15.11.2018 (Bl. 935 ff. d.A.), vom 11.12.2018 (Bl. 955 ff. d.A.), den – noch die Insolvenzschuldnerin und nicht den Herrn K2 persönlich als „Dienstleister“ aufführenden – Entwurf der Dienstleistungsvereinbarung (Bl. 898 f d.A.) sowie den Beschluss des Landgerichts Münster zum Az.: 5 T ###/18 vom 21.01.2019 (Bl. 962 ff. d.A.) verwiesen.
8Der für die Insolvenzgläubigerin E Trucks N.V. auf der Gläubigerversammlung erschienene Verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwalt W beantragte unter dem 13.03.2019 sodann die Aufhebung des gefassten Beschlusses der Gläubigerversammlung gem. § 78 Abs. 1 InsO. Seinen Aufhebungsantrag begründete er sodann mit Schriftsatz vom 05.04.2019 näher, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (vgl. Bl. 1038 ff. d.A.).
9Wegen der weiteren Einzelheiten zu den sodann von dem Insolvenzverwalter und der hiesigen Beschwerdeführerin gegen eine Aufhebung des Beschlusses vom 13.03.2019 vorgetragenen Ausführungen und Einwendungen wird auf die Schriftsätze vom 15.04.2019 (Bl. 1047 f. d.A.), vom 26.04.2019 (Bl. 1054 f. d.A.), vom 13.05.2019 (Bl. 1056 ff. d.A.) sowie die – den Sachverhalt insoweit zusammenfassenden - Ausführungen des Amtsgerichts Münster auf S. 2 – 5 in seinem Beschluss vom 16.05.2019 (Bl. 1059 ff. d.A.) verwiesen.
10Mit Beschluss vom 16.05.2019 hob das Amtsgericht Münster den Beschluss der Gläubigerversammlung vom 13.03.2019 antragsgemäß auf. Zusammengefasst begründete es die Aufhebung damit, dass die Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 InsO gegeben seien und der Beschluss letztlich dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspreche.
11Denn die der Beschlussfassung zugrunde gelegte Tätigkeit des vormaligen Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin, nämlich das Zusammentragen sämtlicher notwendiger Unterlagen und Informationen zur Substantiierung möglicher Schadensersatzansprüche gegenüber dem LKW-Kartell, sei von diesem bereits im Rahmen der gesetzlichen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach §§ 97, 98, 101 InsO zu verlangen. Eine erfolgsabhängige Honorierung dieser Tätigkeit in Höhe von 20 % des Reinerlöses, die ihm nach der Dienstleistungsvereinbarung, zu dessen Abschluss dem Insolvenzverwalter von der Gläubigerversammlung per Beschluss die Zustimmung erteilt worden sei, zustehen würde, führe demgegenüber dazu, dass eine mögliche Vergrößerung der Haftungsmasse im Erfolgsfall aufgrund der Provisionszahlung an den Geschäftsführer geringer ausfalle und damit der bestmöglichen Befriedigung aller Gläubiger widerspreche.
12Der Insolvenzverwalter habe zudem nicht substantiiert vorgetragen und aufgezeigt, dass die von dem Geschäftsführer geforderte Tätigkeit einen für diesen unzumutbaren Umfang aufweise, der über das Maß zumutbarer Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gem. §§ 97, 98, 101 InsO hinausgehe. Nicht dargelegt sei insbesondere, dass die geforderte Unterstützung und Mitwirkung des Herrn K2 zu einer ständigen Mitarbeit auswachse, die eine berufliche Vollzeittätigkeit nicht mehr zulasse und daher wegen einer substantiellen Gefährdung der Erwerbstätigkeit eine angemessene Vergütung aus der Masse zu entrichten sei. Zudem seien weder das Volumen der zur Geltendmachung und Substantiierung von Schadensersatzansprüchen gegen das LKW-Kartell erforderlichen Prüfungstätigkeit für den Zeitraum von 2008 – 2011 substantiiert vorgetragen noch sei konkret dargelegt worden, warum sich der Insolvenzverwalter vorliegend außerstande sehe, diese Ermittlungsarbeiten selbst zu erbringen oder den im Kartellverfahren beauftragten Rechtsanwälten zuzuarbeiten und daher der Abschluss einer gesonderten Dienstleistungsvereinbarung mit dem Herrn K2 zur Informationsbeschaffung erforderlich sei.
13Da sich die wettbewerbswidrigen Preisabsprachen des LKW-Kartells den Ausführungen des Insolvenzverwalters zufolge auf die Geschäftsjahre 1997 bis Januar 2011 erstreckten und damit auch Rechnungsvorgänge der Insolvenzschuldnerin betreffen würden, die größtenteils außerhalb der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht liegen würden und die Insolvenzschuldnerin die Geschäftsunterlagen bis zum Jahr 2008 bereits vernichtet habe, habe sich ein Ermittlungsansatz des Insolvenzverwalters in Bezug auf eine Prüfung etwaiger Ansprüche für den Zeitraum bis 2008 mangels nicht existenter Vertragsunterlagen insoweit ebenfalls bereits erledigt.
14Da sich der Geschäftsführer den Ausführungen des Insolvenzverwalters zufolge zudem im laufenden Verfahren kooperativ gezeigt, den Insolvenzverwalter bei der Verwaltung und Verwertung der Masse nachhaltig und unentgeltlich unterstützt und seine Pflichten aus § 97 InsO jederzeit vollumfänglich erfüllt habe, bestehe für den Insolvenzverwalter – im Rahmen der ihm obliegenden Regelaufgaben – die Möglichkeit und Verpflichtung, auf die Übersendung der notwendigen Unterlagen und Erteilung der notwendigen Informationen zur Substantiierung möglicher Kartellansprüche gem. §§ 97, 98, 101 InsO hinzuwirken.
15Schließlich sei – ein obsiegendes Urteil über einen vom Insolvenzverwalter in Aussicht gestellten Schadensersatzbetrag von ca. 1,0 Mio. EUR unterstellt – aufgrund der erfolgsabhängigen Provisionsvereinbarung von 20 % am Reinerlös und unter Berücksichtigung der erforderlichen Prozessfinanzierungskosten durch einen Rechtsschutzversicherer eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Verschlechterung der Situation der Insolvenzgläubiger mit der Beschlussfassung im Vergleich zu ihrer Situation ohne eine entsprechende Beschlussfassung nicht gänzlich auszuschließen.
16Auch der Umstand, dass Herr K2 gegenüber der Sparkasse Westmünsterland eine Bürgschaft in Höhe von 360.000,00 EUR für Forderungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin übernommen habe und daher nicht auszuschließen sei, dass die Sparkasse Westmünsterland Ansprüche auf die aus der Honorarvereinbarung resultierenden Ansprüche erhebe und ggf. zwangsweise durchsetze, rechtfertige letztlich eine Aufhebung des Beschlusses. Denn die Sparkasse Westmünsterland würde auf diesem Weg ggf. mittelbar oder für den Fall, dass die Masseunzulänglichkeit fortbestehe, eine Vorabbefriedigung erlangen, ohne dass die Insolvenzgläubiger als Gesamtheit gleichmäßig an der Vergrößerung der Haftungsmasse partizipieren, was i.E. eine nicht auszuschließende unangemessene Benachteiligung darstelle. Da der Beschluss somit keine für alle Insolvenzgläubiger ähnliche Chancen und Risiken enthalte, widerspreche er dem gemeinsamen Interesse i.S.v. § 78 Abs. 1 InsO.
17Ein von dem Insolvenzverwalter und der Sparkasse Westmünsterland angeführtes Eigeninteresse der antragstellenden Gläubigerin, der E Trucks N.V., stehe der Aufhebung des Beschlusses ebenfalls nicht entgegen. Denn auch nach Aufhebung des Beschlusses bestehe für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit und Verpflichtung, auf die Mitwirkung und Unterstützung durch den Geschäftsführer hinzuwirken und sodann ggf. Schadensersatzansprüche wegen wettbewerbswidriger Preisabsprachen und Kartellansprüche gegen die E Trucks N.V. (als Mitglied des LKW Kartells) geltend zu machen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 16.05.2019 (Bl. 1059 ff. d.A.) verwiesen.
18Gegen den am 23.05.2019 im Internet veröffentlichten Beschluss vom 16.05.2019 legte die Sparkasse Westmünsterland als Gläubigerin mit Schriftsatz vom 29.05.2019, bei Gericht am selben Tag eingegangen, sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, dass der von der Gläubigerversammlung am 13.03.2019 gefasste Beschluss wirksam und der Abschluss einer Dienstleistungsvereinbarung mit Herrn K2 notwendig sei (vgl. Bl. 1071 d.A.). Der Insolvenzverwalter habe nachvollziehbar dargelegt, dass er diese Aufgabe aufgrund des Umfangs der Vorgänge nicht übernehmen könne und die Kenntnisse des ehemaligen Geschäftsführers hierfür erforderlich seien. Es handele sich auch nicht um Vorgänge, die die gewöhnliche Geschäftstätigkeit des ehemaligen Geschäftsführers betreffen, sondern vielmehr handele es sich um eine die üblichen Auskunftspflichten nach § 97 InsO übersteigende Mitwirkung, die somit nicht unentgeltlich zu erbringen sei. Die Interessen aller Gläubiger würden bei Aufhebung des Beschlusses nicht gewahrt, sondern dienten allein dem (kollidierenden) Interesse der E Trucks n.V. als Mitglied des LKW-Kartells, ein womöglich gegen sie gerichtetes Verfahren zu vermeiden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 29.05.2019 (Bl. 1073 f. d.A.) verwiesen, der seinem Inhalt nach im Wesentlichen dem bereits vor Erlass des Aufhebungsbeschlusses zur Gerichtsakte gereichten Schriftsatz vom 26.04.2019 (Bl. 1054 f. d.A.) entspricht.
19Das Amtsgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 03.06.2019 (Bl. 1075 f. d.A.) nicht ab und legte sie der Kammer zur Entscheidung vor. Zur Begründung nahm es im Wesentlichen auf die Begründung in dem angefochtenen Beschluss vom 16.05.2019 Bezug. Ergänzend führte es lediglich aus, dass die aus der Honorarvereinbarung resultierenden Ansprüche zu einer nicht notwendigen, mittelbaren Massebelastung und unmittelbaren Schlechterstellung der Insolvenzgläubiger im Erfolgsfall führe.
20Der Insolvenzverwalter hat mit Schreiben vom 12.06.2019 (Bl. 1088 f), auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ergänzend Stellung genommen.
21II.
22Die gem. § 6 Abs. 1, Abs. 2 InsO i.V.m. § 78 Abs. 2 S. 2 InsO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, aber unbegründet.
23Das Amtsgericht Münster hat den Beschluss der Gläubigerversammlung vom 13.03.2019, mit dem die Zustimmung zum Abschluss eines Dienstleistungsvertrags zwischen dem Insolvenzverwalter und Herrn K2 betreffend Schadensersatzansprüche der Masse gegen das LKW-Kartell erteilt wurde, zu Recht aufgehoben, da der Beschluss gem. § 78 Abs. 1 InsO dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht.
241.
25§ 78 InsO ist die zentrale Norm der Rechtsaufsicht des Insolvenzgerichts gegenüber der Gläubigerversammlung. Entscheidendes Kriterium für die Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung ist ein Widerspruch der Entscheidung gegen die gemeinsamen Interessen der Gläubiger. Das gemeinsame Interesse der Gläubiger ist auf die bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger gerichtet, welches sich in einer zumindest mittelfristig erreichbaren Vergrößerung der Haftungsmasse manifestiert. Was aber im Einzelfall das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger ist, ist angesichts der unterschiedlichen Interessen der einzelnen Gläubiger und Gläubigergruppen schwierig zu beantworten. Sinn und Zweck des § 78 InsO ist es aber, einen gezielten Mehrheitsmissbrauch in der konkreten Situation der Gläubigerversammlung zum einseitigen Nachteil einer Minderheit zu verhindern. Ein Widerspruch zum gemeinsamen Gläubigerinteresse liegt insbesondere vor, wenn der Beschluss einseitig dem Sonderinteresse eines Gläubigers oder einer Gläubigergruppe auf Kosten des Gesamtinteresses aller Insolvenzgläubiger Rechnung trägt. Der Sinn und Zweck der Vorschrift liegt daher darin, eine unangemessene Benachteiligung von Gläubigern und einen Mehrheitsmissbrauch in der konkreten Situation zum einseitigen Nachteil einer Minderheit zu verhindern. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/2443 S. 143) soll hingegen ein Beschluss, der für alle Gläubigergruppen ähnliche Chancen und Risiken enthält, nicht mit Erfolg angegriffen werden können (vgl. Knof, in: Uhlenbruck, a.a.O., § 78 Rn. 11 m.w.N.).
26Es muss daher eine Gegenüberstellung stattfinden, wie sich die Masse voraussichtlich mit und ohne den Beschluss entwickelt (vgl. BGH ZIP 2017, 1377; Knof, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung: InsO, 15. Aufl. 2019, § 78 Rn. 10, 11 m.w.N.; Karg, BeckOK, InsO, § 78 Rn. 1).
27Gemessen an diesen Maßstäben hat das Amtsgericht Münster die Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 InsO zutreffend bejaht.
28Stellt man auf die voraussichtliche Entwicklung der Masse mit und ohne den gefassten Beschluss vom 13.03.2019 ab, so ist die Entwicklung durch den angegriffenen Beschluss erheblich schlechter als ohne den Beschluss. Denn der Abschluss einer erfolgsabhängigen Honorarvereinbarung in Höhe von 20 % des verbleibenden Reinerlöses führt – wie das Amtsgericht zutreffend ausführt – zu einer nicht notwendigen mittelbaren Belastung der Masse und einer unmittelbaren Schlechterstellung der Insolvenzgläubiger im Erfolgsfall. Dass Schadensersatzansprüche gegen die E Trucks n.V. ohne die Beschlussfassung überhaupt nicht zu realisieren und ohne die Beschlussfassung und den Abschluss der Dienstleistungsvereinbarung keine Vergrößerung der Haftungsmasse nicht zu erwarten ist, ist nicht ersichtlich (siehe hierzu auch nachfolgendend Ziff. 2).
29Darüber hinaus hebt das Amtsgericht zu Recht hervor, dass der vorliegende Beschluss einseitig den Interessen der Sparkasse Westmünsterland Rechnung trägt. Der Umstand, dass Herr K2 gegenüber der Sparkasse Westmünsterland eine Bürgschaft in Höhe von 360.000,00 EUR für Forderungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin übernommen hat, die mithilfe der in der Dienstleistungsvereinbarung vereinbarten erfolgsabhängigen Provision von 20 % des Reinerlöses im Erfolgsfall erfüllt oder von der Gläubigerin im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann, rechtfertigt letztlich den Schluss auf eine unangemessene Benachteiligung der anderen Insolvenzgläubiger, da diese i.E. nicht gleichmäßig an der Vergrößerung der Haftungsmasse beteiligt werden. Denn es ist gerade nicht auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der mit Herrn K2 geschlossenen Bürgschaft und den sich im Erfolgsfall ergebenden Möglichkeiten einer Anspruchsdurchsetzung insoweit auf diesem Wege mittelbar eine Vorabbefriedigung erlangen könnte. Eine gleichmäßige Verteilung der Chancen und Risiken, die nach der Gesetzesbegründung aber gerade Voraussetzung für den Bestand eines von der Gläubigerversammlung gefassten Beschlusses i.S.v. § 78 InsO ist, liegt somit nicht vor, sodass der Beschluss nicht dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger entspricht.
302.
31Über die in Ziff. 1 dargestellten Erwägungen hinaus ist die Erforderlichkeit des Abschlusses einer Dienstleistungsvereinbarung mit Herrn K2, die eine entgeltliche Tätigkeit in Höhe von immerhin 20 % am verbleibenden Reinerlös der etwaig durch einen gerichtlichen Prozess zu erzielenden Vermögenswerte der Insolvenzmasse als vertretbar und gerechtfertigt erscheinen lässt, weder vom Insolvenzverwalter noch von der Beschwerdeführerin selbst substantiiert dargelegt worden.
32Nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV bleibt zwar das Recht des Verwalters unberührt, zur Erledigung besonderer Aufgaben im Rahmen der Verwaltung für die Masse Dienst- oder Werkverträge abzuschließen und die angemessene Vergütung aus der Masse zu zahlen. Grundsätzlich gehört es nämlich zum verfassungsrechtlich verbürgten Kernbereich der Berufsfreiheit eines jeden Insolvenzverwalters, welches Personal er vorhält und wie er die konkrete Verfahrensabwicklung organisiert. Es steht ihm auch in großem Umfang frei, ob und wie er seine Mitarbeiter aussucht und wie er seinen Bürobetrieb strukturiert. Hiervon zu unterscheiden ist aber die – sich auch hier stellende – Frage, inwieweit die Delegation der Aufgaben des Insolvenzverwalters auf externe Dienstleister auch von der Masse zu tragen ist bzw. auf die Vergütung des Insolvenzverwalters anzurechnen ist. Denn aus einer bloßen Zulässigkeit einer Delegation kann insbesondere noch nicht ohne Weiteres auf eine Erstattungsfähigkeit zu Lasten der Masse nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV geschlossen werden (vgl. Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung, InsVV, 5. Aufl. 2014, § 4 Rn. 12).
33Die Regelaufgaben des Verwalters umfassen dabei grundsätzlich sowohl schwierige Sachverhaltsermittlungen wie z.B. der zwangsweise Zugriff auf die Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin, die Anhörung und ggf. eidesstattlichen Einvernahme des Geschäftsführers als auch die Ermittlung etwaiger Ansprüche der Insolvenzschuldnerin, die selbst nicht nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV delegiert werden kann (vgl. Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung, InsVV, 5. Aufl. 2014, § 4 Rn. 75).
34Dass die von dem Herrn K2 mit dem Abschluss der Dienstleistungsvereinbarung geforderte Tätigkeit, nämlich die Zusammentragung aller notwendigen Unterlagen und Informationen zur substantiierten Darlegung möglicher Schadensansprüche gegen das LKW-Kartell, nicht zumutbar von dem Insolvenzverwalter selbst zu leisten ist und aufgrund ihres Umfangs über das Maß der auch Herrn K2 zuzumutenden unentgeltlichen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gem. §§ 97, 98, 101 InsO hinausgeht, wird vorliegend lediglich pauschal und ohne nähere Konkretisierung behauptet.
35Zutreffend ist zwar, dass § 97 Abs. 2 InsO den Schuldner nicht zur ständigen Mitarbeit, sondern nur zu einer punktuellen Mitwirkung verpflichtet und ihm diese ohne Vergütung zuzumuten ist, weil sie sich zur früheren geschäftlichen Tätigkeit darstellt, und erst, wenn diese Mitwirkungshandlungen zu einer ständigen Mitarbeit auswachsen und ein erhebliches Ausmaß erreichen, es dem Schuldner sowie dem Insolvenzverwalter unbenommen bleibt, für diese Tätigkeit einen Dienstvertrag abzuschließen, der eine aus der Masse zu zahlende angemessene Vergütung vorsieht (vgl. Zipperer, in: Uhlenbuck, a.a.O., § 97 Rn. 17, 19).
36Hierzu fehlt vorliegend indes jeglicher Sachvortrag.
37Zudem sind sowohl eine mangelnde Kooperationsbereitschaft des Herrn Jordan, seinen gesetzlichen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten als organschaftlicher Vertreter der Insolvenzschuldnerin umfassend nachzukommen, als auch eine substantielle Gefährdung seiner Erwerbsfähigkeit durch die zu leistende Unterstützung und Mitwirkung des Insolvenzschuldners weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
38Schließlich mangelt es auch an einer dezidierten Auseinandersetzung der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 29.05.2019 zu dem vom Amtsgericht unter Bezugnahme auf die Angaben des Insolvenzverwalters gemachten Ausführungen, wonach sich die wettbewerbswidrigen Preisabsprachen des LKW-Kartells zwar auf die Geschäftsjahre 1997 bis Januar 2011 erstreckten, ein Ermittlungsansatz des Insolvenzverwalters in Bezug auf eine Prüfung etwaiger Ansprüche für den Zeitraum bis 2008 aber schon deshalb nicht (mehr) bestehe, weil diese Vorgänge außerhalb der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht liegen würden und die Insolvenzschuldnerin die Geschäftsunterlagen bis zum Jahr 2008 bereits vernichtet habe. Dass und inwieweit dem Insolvenzverwalter die zur Geltendmachung und Substantiierung von Schadensersatzansprüchen gegen das LKW-Kartell erforderliche Prüfungs- und Ermittlungstätigkeit für den Zeitraum von 2008 – 2011 aber nicht zumutbar sein soll, zumal er bereits aufgrund eigener Ermittlungstätigkeit im Raum stehende Schadensersatzansprüche zugunsten der Insolvenzmasse in einer Größenordnung von rund 1,5 Mio. EUR ausgemacht hat, ist von der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht vorgetragen worden.
39Das in der Beschwerdebegründung vom 29.05.2019 (Bl. 1073 f. d.A.) enthaltene weitere Vorbringen stellt im Wesentlichen nur eine Wiederholung der bereits im Schriftsatz vom 26.04.2019 (Bl. 1054 f. d.A.) enthaltenen Ausführungen dar, mit denen sich das Amtsgericht bereits umfassend in seinem Aufhebungsbeschluss vom 16.05.2016 auseinandergesetzt hat.
40Da nach alledem nicht ersichtlich ist, dass eine Substantiierung etwaiger zugunsten der Insolvenzschuldnerin bestehender Schadensersatzansprüche gegen das LKW-Kartell mit den von Herrn K2 im Rahmen seiner gesetzlichen Mitwirkungs- und Auskunftspflichten nach §§ 97,98, 101 InsO ohnehin beizubringenden Informationen und Unterlagen nicht möglich sein soll, widerspricht der Beschluss der Gläubigerversammlung vom 13.03.2019 auch unter diesem Gesichtspunkt dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger nach § 78 Abs. 1 InsO.
41(siehe Berichtigungsbeschluss 5 T 378/19 vom 29.07.2019)
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 5 T 378/19 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 97 Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners 8x
- InsO § 6 Sofortige Beschwerde 1x
- 18 O 8/17 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 208 Anzeige der Masseunzulänglichkeit 1x
- InsO § 98 Durchsetzung der Pflichten des Schuldners 5x
- InsO § 78 Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung 10x
- § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV 3x (nicht zugeordnet)
- InsO § 101 Organschaftliche Vertreter. Angestellte 5x