Urteil vom Landgericht Rostock (9. Zivilkammer) - 9 O 333/08

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen

3. Die Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Beklagte ist Inhaberin von drei jeweils erstrangigen Grundschulden auf drei Grundstücken, eingetragen im Grundbuch von K., Bl….. Die Höhe der Grundschulden beträgt insgesamt 674.905,29 €. Zu Gunsten der Klägerin ist eine nachrangige Gesamtgrundschuld auf den Grundstücken in Höhe von 375.904,32 € eingetragen. Im Rahmen der Zweckerklärung für die Gesamtgrundschuld trat der Eigentümer der Grundstücke etwaige Ansprüche gegen die Beklagte auf Rückgewähr der erstrangigen Grundschulden an die Klägerin ab. Dies teilte die Klägerin der Beklagten mit. In der Folgezeit übertrug die Beklagte ihre erstrangigen Grundschulden an eine andere Bank in voller Höhe. Dabei wurden von der Erwerberin Kredite des Grundstückseigentümers bei der Beklagten in Höhe von 146.765,12 € abgelöst. Die Erwerberin ließ die freien Teile der Grundschulden durch weitere Darlehen an den Eigentümer der Grundstücke neu valutieren. Später erteilte die Erwerberin im Zuge einer Veräußerung der Grundstücke Löschungsbewilligungen gegen Zahlung von ca. 450.000,00 €.

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Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe sich ihr gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht, als sie ihre erstrangigen Grundschulden, auch soweit sie nicht mehr valutierten, unter Missachtung der an die Klägerin abgetretenen Rückgewähransprüche an die Erwerberin übertrug. Die Beklagte habe ohne die Zustimmung der Klägerin die erstrangigen Grundschulden nicht in voller Höhe, sondern nur soweit sie noch valutierten, übertragen dürfen. Die Beklagte habe so die Rückgewähransprüche der Klägerin vereitelt. Die Klägerin behauptet, von dem späteren Erlös der Grundstücke in Höhe von ca. 450.000,00 € wären ihr 300.000,00 € zugeflossen, wenn die Beklagte ihre erstrangigen Grundschulden nicht in voller Höhe an die Erwerberin übertragen hätte.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 300.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz.

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Für eine Ersatzpflicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB aus eigenem Recht fehlt es an einem vertraglichen Schuldverhältnis zwischen den Parteien. Sie schlossen jeweils unabhängig voneinander Verträge mit dem Eigentümer der Grundstücke. Vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien direkt wurden hingegen nicht getroffen. Insbesondere verpflichtete sich die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht, ihre Grundschulden nur einmal zur Sicherung von Darlehen zu verwenden. Aus der Anzeige der Abtretung gegenüber der Beklagten sind für sich genommen keine vertraglichen Pflichten entstanden, weil die Entgegennahme der Mitteilung keine Willenserklärung der Beklagten enthielt. Die bloße Entgegennahme einer Mitteilung ist gleichbedeutend mit Schweigen, das grundsätzlich keine Verpflichtung im Rechtsverkehr auszulösen vermag. Eine Sonderkonstellation ist hier nicht gegeben.

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Eine Ersatzpflicht ergibt sich auch nicht aus abgetretenem Recht. Die Beklagte war nicht gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB im Wege einer vertraglichen Nebenpflicht gehalten, die Einwilligung der Klägerin einzuholen, bevor sie ihre erstrangigen Grundschulden in voller Höhe und damit auch soweit sie nicht mehr valutierten an einen Dritten übertrug. Wird der mit der Darlehensrückzahlung entstehende Rückgewähranspruch gegen den Inhaber der Grundschuld vom Eigentümer der Grundstücke an einen Dritten abgetreten, so entsteht damit dem Inhaber der Grundschuld gegenüber dem Dritten keine Pflicht, auf dessen Vermögensinteressen bei der Nutzung seines Grundpfandrecht Rücksicht zu nehmen. Vielmehr bleibt der Inhaber der Grundschuld berechtigt den durch den Rang des Grundpfandrechts mitbestimmten Sicherungsrahmen voll auszuschöpfen (BGH v. 09.03.2006, IX ZR 11/05, in juris Rn. 20 = ZIP 2006, 1141). Der Sicherungsrahmen umfasst insbesondere die erneute Valutierung des Grundpfandrechts. § 1179a BGB steht dem nicht entgegen, weil die Vorschrift nicht verhindern soll, dass einer ganz oder teilweise nicht valutierten Fremdgrundschuld andere Forderungen unterlegt werden (BGH aaO). Durfte die Beklagte selbst die Grundschulden nutzen, um neue eigene Kredite durch sie abzusichern, so durfte sie die Grundschulden auch, soweit sie nicht mehr valutierten, übertragen. Denn es macht im Ergebnis keinen Unterschied, ob der Inhaber einer Grundschuld durch Auskehrung weiterer eigener Kredite zunächst dafür sorgt, dass die Grundschuld wieder voll valutiert, und danach Grundschuld und zugehörige Darlehensforderung an einen Dritten überträgt oder ob der Inhaber der Grundschuld sich so verhält wie die Beklagte und damit einem Dritten die Möglichkeit einräumt, die Grundschuld als Sicherungsmittel für eigene Kredite zu verwenden. In beiden Fällen gehen mit der Neuvalutierung Rückgewähransprüche des Grundstückseigentümers oder des Zessionars verloren und die Grundschuld steht im Ergebnis einem anderen als dem ursprünglichen Inhaber zu.

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Die Erwägung des BGH in seiner Entscheidung vom 06.07.1989, IX ZR 277/88, in juris Rn. 27, der dortige Verzicht des Inhabers der Grundschuld könnte eine Pflicht zur Rückübertragung gegenüber dem Grundstückseigentümer bzw. dem Zessionar des Rückübertragungsanspruchs verletzt haben, ist auf diesen Fall nicht übertragbar. Die Rückgewähransprüche der Klägerin gingen nicht durch einen Verzicht seitens der Beklagten verloren, sondern aufgrund der Neuvalutierung durch die Erwerberin der Grundschulden der Beklagten. Dagegen war jedoch, wie auch die Klägerin in ihrer Klageschrift auf Seite 9 zutreffend ausführt, von Rechts wegen nichts einzuwenden. Die nunmehr von der Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 23.10.2009 vertretene Ansicht, die Abtretung von Rückgewähransprüchen schließe eine Neuvalutierung der Grundschuld ohne Beteiligung des Zessionars aus, widerspricht dem dinglichen Charakter der Grundpfandrechte und findet in ihrem Rangverhältnis keine Stütze.

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Soweit die Klägerin meint, sie habe ihre Rückgewähransprüche nur deshalb nicht rechtzeitig geltend gemacht, weil die Beklagte es versäumt habe, sie über den Stand der Rückzahlungen zu informieren, verkennt die Klägerin, dass sie sich wegen der Pflichten aus der Sicherungszweckabrede zwischen ihr und dem Grundstückseigentümer an letzteren halten muss Der Grundstückseigentümer ist ihr Vertragspartner. Von ihm kann sie zur Durchsetzung ihrer Rückgewähransprüche Auskunft verlangen, in welchem Umfang vorrangige Grundschulden nicht mehr valutieren. Darüber hinaus hat die Klägerin schon nicht vorgetragen, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt von der Beklagten verlangt habe, über den Stand der Rückzahlungen informiert zu werden.

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Der Inhalt der Sicherungsabrede zwischen der Beklagten und dem Eigentümer der Grundstücke kann die Pflichten der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht beeinflussen. Insbesondere hängt die Fälligkeit der Rückgewähransprüche nicht von ihrem Inhalt ab. Fällig werden die Rückgewähransprüche sobald und soweit das Darlehen zurückgezahlt wird. Die Fälligkeit der schuldrechtlichen Rückgewähransprüche kann jedoch nicht verhindern, dass die Ansprüche durch Ausübung des dinglichen Grundpfandrechts wieder erlöschen.

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Selbst wenn es, wie die Beklagte vorträgt, zwischen Kreditinstituten allgemein üblich wäre, dass Neuvalutierungen nur im Einvernehmen mit dem Gläubiger der Rückgewähransprüche vorgenommen würden, entsteht daraus keine Pflicht der Beklagten, den durch den Rang ihres Grundpfandrechts gesteckten Sicherungsrahmen nur im Einvernehmen mit der Klägerin voll auszuschöpfen. Ein Geschäftsbrauch vermag die dinglich gesicherte Rechtsposition nicht zu beeinflussen.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1, 2 ZPO.

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