Urteil vom Landgericht Rottweil - 1 S 78/15

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Rottweil vom 04.05.2015, Az. 1 C 631/13, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Rottweil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

 
I.
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 3.840,10 EUR gemäß § 73 GenG i.V.m. §§ 12, 17 der Satzung.
a) Nach Beendigung der Mitgliedschaft des Beklagten hat gemäß § 73 GenG i.V.m. § 12 der Satzung die Auseinandersetzung zu erfolgen. Das Geschäftsguthaben ist auszuzahlen. Wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat, geht die von der Klägerin angestellte Berechnung bereits im Ansatz fehl, weil das Auseinandersetzungsguthaben anhand der tatsächlich geleisteten Einzahlungen und nicht anhand der Mindestbeteiligung vorzunehmen ist, was die Klägerin trotz entsprechenden Hinweises des Erstgerichts versäumt hat (vgl. Sitzungsprotokoll vom 11.02.2015, Bl. 119 d.A.). Die Klage war daher zu Recht als unschlüssig abzuweisen.
Dass es für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens auf die tatsächlich geleisteten Einzahlungen ankommt, ergibt sich bereits eindeutig aus §§ 12 Abs. 2, 17 Abs. 9 der Satzung. Danach ist das Auseinandersetzungsguthaben nach dem Geschäftsguthaben des Mitglieds zu berechnen. Das Geschäftsguthaben wird wiederum gebildet durch die Einzahlungen auf den bzw. die Geschäftsanteile, vermehrt um die zugeschriebenen Gewinnanteile, vermindert um die abgeschriebenen Verlustanteile. Soweit die Klägerin demgegenüber auf die Mindestbeteiligung abstellt, verkennt sie, dass sich Geschäftsanteil und Geschäftsguthaben im Sinne des Genossenschaftsgesetzes terminologisch unterscheiden. § 17 der Satzung greift diesen Unterschied bereits in der Überschrift auf. Geschäftsanteil ist danach der Betrag, mit dem sich die Genossen mit Einlagen an der Genossenschaft beteiligen können (vgl. § 7a GenG). Geschäftsguthaben ist hingegen der Betrag, mit dem der einzelne Genosse an der Genossenschaft tatsächlich beteiligt ist. Im Gegensatz zum Geschäftsanteil ist das Geschäftsguthaben damit eine variable Größe. Es setzt sich zusammen aus den Einlagen der Genossen und aus Gewinnzuweisungen. Dies zugrunde gelegt ist die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens anhand der tatsächlich geleisteten Einzahlungen und nicht anhand der Mindestbeteiligung vorzunehmen.
b) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin gehen allesamt fehl.
aa) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass bei dem von ihr behaupteten Verlustvortrag auf Rechnung unter Schonung der Geschäftsguthaben und der Rücklagen das Auseinandersetzungsguthaben um den entsprechenden Anteil am Verlust im Verhältnis zumindest der „gezeichneten Pflichtbeteiligung“ zu „kürzen“ sei, so dass sich zu ihren Gunsten eine Auseinandersetzungsforderung in Höhe von 3.840,10 EUR ergebe. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der klägerische Vortrag jegliche Substantiierung, geschweige denn geeigneten Beweisantritt - beispielsweise durch Vorlage entsprechender Bilanzgenehmigungsbeschlüsse - vermissen lässt. Einmal unterstellt, es habe einen solchen Verlustvortrag gegeben, ist die Berechnung der Klägerin im Übrigen unzutreffend. Richtig ist, dass gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 GenG die Auseinandersetzung aufgrund der Bilanz erfolgt und sie deswegen allein schon durch einen in der Bilanz ausgewiesenen Verlust beeinflusst wird (Schulte, in: Lang/Weidenmüller, GenG, 37. Aufl. 2011, § 73 Rn. 15). Von daher ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass das Auseinandersetzungsguthaben - unbeschadet einer etwaigen Nachschusspflicht - „gekürzt“ werden kann, soweit die Jahresbilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweist (BGH, Urt. v. 26.05.2003 - II ZR 169/02, juris Rn. 9; OLG Dresden, Urt. v. 10.12.2003 - 12 U 1209/03, juris Rn. 31; Beuthien, GenG, 15. Aufl. 2011, § 73 Rn. 9; Schulte, in: Lang/Weidenmüller, a.a.O., § 73 Rn. 15). Ob es hierfür einer ausdrücklichen Satzungsregelung bedarf (offen lassend BGH, Urt. v. 26.05.2003 - II ZR 169/02, juris Rn. 9), welche freilich nicht vorliegt, oder ob es genügt, dass immerhin § 41 der Satzung bestimmt, dass das Geschäftsguthaben zur Verlustdeckung herangezogen werden kann (so Schulte, in: Lang/Weidenmüller, a.a.O., § 73 Rn. 15), kann dabei dahinstehen. Denn wie die Klägerin selber unter Bezugnahme auf die von ihr zitierten Entscheidungen des BGH vom 26.05.2003 (Az. II ZR 169/02) und des OLG Dresden vom 10.12.2003 (Az. 12 U 1209/03) vorträgt, führt die anteilige Anrechnung eines Verlustvortrags auf den Auseinandersetzungsanspruch nur zu einer „Kürzung“, d.h. allenfalls zu einer Minderung des Auseinandersetzungsguthabens auf Null, keinesfalls aber zu einer Nachzahlungspflicht gegenüber der Genossenschaft.
bb) Ebenso verfehlt ist der Einwand der Klägerin, dass bei der Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens Berücksichtigung finden müsse, dass der Beklagte noch nicht einmal seine Mindestbeteiligung erbracht habe. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass mit dem Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft die Einlageverpflichtung des Genossen auf die Pflichtleistung erlischt und die Abwicklung der vermögensrechtlichen Beziehung nur noch über § 73 Abs. 2 GenG erfolgt (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 23.11.2006 - 5 U 140/06, juris Rn. 40 f.). Dieser gibt - wie vorstehend ausgeführt wurde - für eine Auseinandersetzungsforderung der Klägerin jedoch nichts her. Ob der im Einlagenrückstand befindliche Genosse ohne jedes Risiko an dem wirtschaftlichen Erfolg der Genossenschaft partizipieren könne, wie von der Klägerin als Argument für ihre Berechnungsweise vorgebracht wird, mag dabei als hypothetische Betrachtungsweise dahinstehen. Das wirtschaftliche Risiko ist in jedem Fall der Klägerin zuzuweisen, die es durch eine entsprechende Satzungsgestaltung in der Hand hätte, die Einlageverpflichtung im Hinblick auf eine vorzeitige Beendigung der Mitgliedschaft durchzusetzen.
cc) Soweit die Klägerin schließlich vorträgt, dass es gegen den genossenschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, den ausscheidenden Beklagten von einer Verlustzuweisung auszunehmen, verkennt sie dessen Inhalt und Reichweite. Der genossenschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz steht gemäß § 18 Satz 2 GenG unter dem Vorbehalt der Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes und, soweit davon abgewichen werden kann, denen der Satzung (BGH, Urt. v. 26.05.2003 - II ZR 169/02, juris Rn. 10). Für den Fall, dass die Auseinandersetzungsbilanz eine Überschuldung ausweist, erlaubt es § 73 Abs. 2 Satz 4 GenG, eine Nachschusspflicht zu statuieren. Hiervon hat die Klägerin ausweislich § 19 der Satzung ausdrücklich keinen Gebrauch gemacht. Wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, liefe das von der Klägerin errechnete „negative Auseinandersetzungsguthaben“ hingegen auf eine Nachschusspflicht des Beklagten hinaus.
b) Einmal unterstellt, die Mindestbeteiligung sei die maßgebliche Bezugsgröße für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens, hat im Übrigen die Berufung selbst dann keinen Erfolg, weil die Klägerin für die Richtigkeit der einzelnen Berechnungsparameter (Bilanzsumme, Bilanzverlust) beweisfällig geblieben ist. Die Berechnung wurde von dem Beklagten als unsubstantiiert bestritten. Trotz mehrfacher gerichtlicher Hinweise sowohl des Erstgerichts (vgl. Sitzungsprotokoll vom 16.09.2014, Bl. 101 d.A. und Sitzungsprotokoll vom 11.02.2015, Bl. 119 d.A.) als auch der erkennenden Kammer (vgl. Hinweisverfügung vom 10.09.2015, Bl. 181 d.A.) blieb die Klägerin eine nähere Darlegung unter Beweisantritt schuldig. Mit der Vorlage des Abrechnungsbogens und einer Kurzbilanz genügt die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht. Soweit sie sich darauf beruft, dass die angeblich vorschriftsmäßig und nach kaufmännischen Gesichtspunkten aufgestellte Bilanz für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens maßgebend sei, weil diese Bilanz - richtig wohl der Bilanzgenehmigungsbeschluss - von dem Beklagten nicht wirksam angefochten worden sei, verkennt die Klägerin, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Beschlussfassung gemäß § 51 GenG schon gar nicht mehr anfechtungsberechtigt war (vgl. Beuthin, a.a.O., § 73 Rn. 12).
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
11 
3. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts.

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