Urteil vom Landgericht Stuttgart - 10 S 10/15

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 29.01.2015, Az. 11 C 1242/14 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, das mit Schreiben vom 3.6.2014 an die Miteigentümer der WEG S-Straße in B. versandte Protokoll der Eigentümerversammlung vom 7.5.2014 im Beschlusstext zu TOP 1 dahin zu berichtigen, dass der protokollierte Beschlusstext „Die Fa. K. GmbH erhält hiermit die Folgebestellung und Vertragsverlängerung im Amt des Verwalters zu den bisherigen Bedingungen für weitere drei Jahre, bis zum 31.12.2017“ durch den Beschlusstext „Die Fa. K. GmbH wird für weitere drei Jahre zur Verwalterin bestellt“ ersetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte zu 2 ein Sechstel der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers, sowie ein Drittel ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

 
abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO
I.
Der Kläger begehrt von der die WEG S-Straße in B. verwaltenden Beklagten zu 1 und von der Beklagten zu 2, welche die Wohnungseigentümerversammlung vom 7.5.2014 leitete, die Berichtigung des von der Beklagten zu 2 zu dieser Versammlung gefassten und von einem weiteren Wohnungseigentümer unterschriebenen Protokolls hinsichtlich des Beschlusstextes zu TOP 1, unter welchem die Verlängerung der Verwalterbestellung behandelt wurde, hinsichtlich des Vorspanns im Protokoll, wonach die Geschäfts- und Protokollordnung per Abstimmung bestätigt worden sei, und hinsichtlich eines angeblich gestellten Antrags seines bevollmächtigten Rechtsanwalts, ihm anstelle der Beklagten zu 2 für die Dauer der Verwalterwahl die Versammlungsleitung zu übertragen. Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender Passivlegitimation der Beklagten abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Berichtigungsanspruch richte sich gegen die Personen, die mit ihrer Unterschrift für die Richtigkeit der Niederschrift einzustehen hätten, und daher jedenfalls nicht gegen die Beklagte zu 1. Da die Beklagte zu 2 nicht allein passivlegitimiert sei, sei die Klage auch gegen sie unbegründet; es sei von notwendiger Streitgenossenschaft mit der Folge der Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung auszugehen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren gegen beide Beklagten weiter.
II.
Die Berufung ist zulässig. Das Landgericht Stuttgart ist gemäß § 72 Abs. 2 GVG zuständig, es handelt sich um eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 3 WEG. Auch wenn die Beklagte zu 2 nicht Verwalterin ist, streiten die Parteien doch über die Pflichten des Verwalters, die diesen im Zusammenhang mit der Versammlungsleitung und Protokollführung treffen. Die Beauftragung der Beklagten zu 2 mit der Leitung der Wohnungseigentümerversammlung am 7.5.2014 ändert hieran nichts.
Die Berufung ist auch teilweise begründet.
Die der Berufungsverhandlung zu Grunde zu legenden Tatsachen führen aus Rechtsgründen insoweit zu einer anderen Entscheidung als das Amtsgericht die Klage auf Berichtigung des Beschlusstextes zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 7.5.2014 gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen hat. Insoweit ist die Klage zulässig und begründet.
Dabei kann dahinstehen, ob sich der Protokollberichtigungsanspruch - wie das Amtsgericht meint - gegen alle Personen richtet, die mit ihrer Unterschrift für die Richtigkeit der Niederschrift einzustehen haben und im Nachhinein die Berichtigung verweigern (so BayObLG ZMR 2002, 951; Elzer in Jennißen, WEG, § 24, Rn. 140; Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 43, Rn. 179) oder ob allein der verantwortliche Versammlungsleiter passivlegitimiert ist (so Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 6. Aufl., 8. Teil, Rn. 203). Auch wenn man davon ausgeht, dass eine Protokollberichtigung nur dann wirksam durchgeführt werden kann, wenn sie auch von dem Wohnungseigentümer, der das Protokoll nach Maßgabe des § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG unterschrieben hat, mit getragen wird, hätte dies nicht zur Folge, dass die allein gegen den Versammlungsleiter gerichtete Klage abzuweisen wäre. Dies folgt insbesondere nicht daraus, dass die in einem Verfahren verklagten Passivlegitimierten eines Protokollberichtigungsanspruchs notwendige Streitgenossen wären. Eine notwendige Streitgenossenschaft besteht bei ihnen aus prozessualen Gründen (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO), denn ein allein gegen die Beklagte zu 2 ergehendes Urteil wirkt gemäß § 48 Abs. 3 WEG auch gegen die übrigen wirksam beigeladenen Wohnungseigentümer und damit auch gegen den nicht verklagten Eigentümer, der das Protokoll mit unterzeichnet hatte. Dies schließt die Führung getrennter Verfahren nicht aus, es würde bei getrennter Prozessführung nur die in dem einen Verfahren ergehende Entscheidung Rechtskraftwirkung im anderen Verfahren hervorrufen; nur ein Nebeneinander der Verfahren führt zur notwendigen Streitgenossenschaft, doch bleibt ein Nacheinander der Prozesse möglich (Schultes in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 62, Rn. 5). Sollte sich der Wohnungseigentümer, welcher das Protokoll unterzeichnet hatte, weigern, die von der Beklagten zu 2 berichtigte Version des Protokolls erneut zu unterschreiben, kann der Kläger seine Verurteilung in einem getrennten Prozess betreiben. Das Urteil im vorliegenden Verfahren bindet gemäß § 48 Abs. 3 WEG die Entscheidung in jenem Verfahren.
Das Protokollberichtigungsbegehren ist hinsichtlich des Beschlusstextes zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 7.5.2014 - soweit es sich gegen die Beklagte zu 2 richtet - auch begründet. Die Beklagte zu 2 hat nicht bestritten, dass nur die weitere Bestellung der Beklagten zu 1 zur Verwalterin zur Abstimmung gebracht wurde und nicht auch die Verlängerung des Verwaltervertrags zu den gleichen Bedingungen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es rechtlich relevant, ob die Wohnungseigentümer nur die Bestellung eines Verwalters beschließen oder ob gleichzeitig der Abschluss bzw. die Verlängerung eines Verwaltervertrages beschlossen wird. Daher kann dem dahingehenden Begehren des Klägers auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden.
Im Übrigen ist die Berufung des Klägers unbegründet.
Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 auf Berichtigung des Protokolls vom 7.5.2014 zusteht. Denn nach sämtlichen zur Passivlegitimation des Protokollberichtigungsanspruchs vertretenen Auffassungen kann sich dieser jedenfalls nicht gegen den Verwalter richten, der - wie vorliegend die Beklagte zu 1 - an der Versammlung gar nicht teilgenommen und einen Dritten mit der Versammlungsleitung und der Protokollierung beauftragt hat.
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Ebenso zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass es dem klägerischen Begehren am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt, soweit der Kläger die Berichtigung des Vorspanns „zur Geschäftsordnung“ und die Berichtigung des von seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt angeblich zur Versammlungsleitung zu TOP 1 der Versammlung vom 7.5.2014 gestellten Antrags begehrt. Das Rechtsschutzinteresse an der gerichtlichen Geltendmachung eines Protokollberichtigungsanspruchs ist nur gegeben, wenn sich die Rechtsposition des Klägers durch die begehrte Änderung verbessern oder zumindest rechtlich erheblich verändern würde (LG Dresden ZWE 2014, 54; Müller a.a.O. 8. Teil, Rn. 199) und nicht - wie der Kläger meint - immer schon dann, wenn das Protokoll unrichtige oder unvollständige Feststellungen enthält. Die von dem Kläger im Rahmen des Vorspanns „zur Geschäftsordnung“ und im Rahmen des Verfahrensantrags seines Bevollmächtigten zu TOP 1 begehrten Richtigstellungen haben keine Auswirkung auf die Auslegung von Beschlüssen und sind auch sonst nicht geeignet, die Rechtsposition des Klägers zu verbessern. Auf für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine von dem Kläger parallel betriebene Abberufung der Beklagten zu 1 gegeben sind, hat die Berichtigung ebenfalls keinen Einfluss.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Gründe, die Revision gem. § 543 ZPO zuzulassen, liegen nicht vor, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich machen.

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