Beschluss vom Landgericht Stuttgart - 4 T 21/16

Tenor

1. Auf die Streitwertbeschwerde des Klägervertreters vom 24.2.2016 wird der Streitwert auf 1.184,22 EUR festgesetzt.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
1. Im Wege der Feststellungsklage begehrt die vom Beschwerdeführer im Prozess vertretene Klägerin die Feststellung, dass eine von der Beklagten am 12.1.2015 ausgesprochene Kündigung ihres Bausparvertrages zum 24.7.2015 nicht wirksam ist bzw. dieser Vertrag fortbesteht.
Der im Februar 1992 abgeschlossene Bausparvertrag lautet auf eine Bausparsumme von 30.000 DM/ 15.338,76 EUR. Vereinbart ist ein Guthabenzins von 2,5 %. Außerdem hat die Klägerin von der Möglichkeit nach § 6 Absatz 1 der dem Vertrag zugrundeliegenden ABB 7 Gebrauch gemacht und hat daher zusätzlich einen Anspruch auf einen Zinsbonus i.H.v. 80% des vereinbarten Zinssatzes. Ausweislich des Bauspar-Kontoauszugs vom 24.7.2015 betrug das angesparte Guthaben 10.643,72 EUR und der bis dahin angefallene Bonuszins 3.273,92 EUR.
Das Amtsgericht hat im der Klage stattgegebenen Urteil vom 11.2.2016, welches dem Beschwerdeführer am 18.2.2016 zugestellt wurde, den Streitwert auf 730, 61 EUR festgesetzt und dazu ausgeführt, dieser errechne sich aus dem 3,5 fachen Jahreszins inkl. Bonuszins unter Berücksichtigung eines Abschlags von 20 Prozent (Feststellungsklage).
Mit der am 29.2.2016 im eigenen Namen eingelegten Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer eine Erhöhung des Streitwerts auf 15.338,76 EUR, hilfsweise auf 4.382, 26 EUR. Er vertritt die Auffassung, dass neben dem Interesse am Fortbestand der laufenden Zinszahlungen auch die Höhe eines noch möglich Bauspardarlehens bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen sei. Der Zinsertrag belaufe sich für 3,5 Jahre auf 782,79 EUR und die Höhe eines noch möglich Bauspardarlehens unter Berücksichtigung des angesparten Guthabens von 10.643,72 EUR auf 4.695,04 EUR, also insgesamt 5.477,83 EUR, was abzüglich 20 % Abschlags für die Feststellungsklage den Betrag von 4.382,26 ergebe.
2. Die Streitwertbeschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 68 Abs.1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) und übersteigt auch den Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG). Der Beschwerdeführer ist gemäß § 32 Absatz 2 RVG beschwerdebefugt.
In der Sache hat die Streitwertbeschwerde nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
2.1. Der Gebührenstreitwert in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richtet sich gemäß § 48 Abs. 1 GKG, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstandes, d.h. nach §§ 3 ff. ZPO. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten hat das Gericht daher gemäß § 3 ZPO den Wert nach freiem Ermessen festzusetzen.
Bei einer positiven Feststellungsklage, wie vorliegend der Fall, ist grundsätzlich auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung - nach § 40 GKG im Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung - abzustellen (std. Rspr. d. BGH, Beschl. v. 01.06.1976 - VI ZR 154/75). Hierzu ist, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigend, der Wert des Rechtsverhältnisses zugrunde zu legen und - regelmäßig - ein Abschlag von 20 % gegenüber dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage vorzunehmen (vgl. statt vieler: BGH NJW-RR 2000, 1266).
Dementsprechend ist vorliegend zunächst Maßstab für die Festsetzung des Streitwerts das objektive wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses der Parteien. Maß und Richtung des wirtschaftlichen Interesses orientieren sich dabei grundsätzlich an den in der Klagschrift dargelegten objektiven Erwartungen des jeweiligen Klägers, wenn sich hierfür hinreichend objektive Anhaltspunkte ergeben (vgl. BGH NJW 2006, 3060).
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Zu berücksichtigen ist damit nicht, wie der Beschwerdeführer zu meinen scheint, die vereinbarte Bausparsumme, sondern das Interesse, den Bausparvertrag weiterhin in der Ansparphase belassen und unter Inanspruchnahme der vereinbarten Guthabenverzinsung fortführen zu können (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2016 - 9 U 171/15; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.06.2015 - 9 W 25/15; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.02.2016 - 17 W 3/16; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.01.2016 - 8 U 1064/15; OLG Koblenz, Beschl. v. 20.08.2015 - 8 W 536/15;OLG Hamm, Beschl. v. 20.10.2015 - 31 W 74/15). Da es sich bei Zinsen um wiederkehrende Leistungen handelt, ist im Rahmen der Feststellungsklage zudem der Rechtsgedanke des § 9 S. 1 ZPO zu berücksichtigen, wonach sich das wirtschaftliche Interesse des Klägers aus dem 3,5-fachen Wert der einjährigen Zinserwartung berechnet (vgl. BGH NVwZ-RR 2008, 741; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2016 - 9 U 171/15; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.06.2015 - 9 W 25/15; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.02.2016 - 17 W 3/16; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.01.2016 - 8 U 1064/15; OLG Koblenz, Beschl. v. 20.08.2015 - 8 W 536/15; OLG Hamm, Beschl. v. 20.10.2015 - 31 W 74/15).
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Dementsprechend hat das Amtsgericht - grundsätzlich richtig - auch den 3,5-fachen Wert des vorliegend in Betracht kommenden jährlichen Gesamt- Zinserlöses, also inkl. des Bonuszinses, angesetzt.
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2.2. Fehlerhaft nicht berücksichtigt wurde jedoch das klägerische Interesse am Erhalt des Bauspardarlehens.
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Dieses Interesse ist regelmäßig auch zu berücksichtigen, weil mit der begehrten Feststellung, also dem Fortbestand des in Frage stehenden Bausparvertrages, wegen der darin eingebetteten Option eines Bauspardarlehens auch die Möglichkeit , ein solches in Höhe der Differenz zwischen dem (angesparten) Guthaben (inkl. des angefallenen Bonuszinses) und der Bausparsumme in Anspruch nehmen zu können, einhergeht.
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Hieran ändert nichts, dass die Klägerin das ihr von der Beklagten vorgerichtlich mehrfach angebotene Bauspardarlehen (bislang) nicht in Anspruch nehmen wollte (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.02.2016 - 17 W 3/16). Es geht nicht um eine schematische Einbeziehung des theoretisch bestehenden Anspruchs auf Ausreichung eines Bauspardarlehens gegen den erklärten Willen des Anspruchsberechtigten, sondern um den konkret bestehenden Anspruch bzw. die in dem in Frage stehenden Bausparvertrag wesensgemäß eingebettete Option.
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Das wirtschaftliche Interesse des Bausparers am Fortbestand seines Bausparvertrags kann sich wegen der Eigenart des Bausparvertrages für denselben Zeitraum sowohl auf die Guthabenverzinsung als auch auf die Ausreichung eines Bauspardarlehens richten. Zwar mag es sich dabei - abstrakt - um sich natur- bzw. vertragsgemäß ausschließende Alternativen handeln. Würde man dem Anspruchsberechtigten das Interesse an der Ausreichung des Bauspardarlehens in dieser Situation aber allein schon wegen bisheriger Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens absprechen, wäre er quasi gezwungen, die Option zu ziehen, um sein Interesse darzulegen. Es liegt damit mit Blick auf das in Frage stehende Interesse kein sich ausschließenden Alternativverhältnis, sondern ein von vornherein zu berücksichtigendes Alternativverhältnis vor (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2016 - 9 U 171/15). Etwas anderes mag im Einzelfall gelten, wenn der Bausparer ausdrücklich erklärt, das Bauspardarlehen nicht mehr in Anspruch zu nehmen und/oder die zwischen dem Guthaben und der Bausparsumme im Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Differenz, anders als vorliegend der Fall, nur noch so gering ist, dass absehbar kein Darlehn mehr wird in Anspruch genommen werden.
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2.3. Wegen des Alternativverhältnisses der Interessen und der Ungewissheit, wann und ob das Bauspardarlehen in Anspruch genommen wird, hält es die Kammer im Rahmen der Feststellungsklage für gerechtfertigt, das wirtschaftliche Interesse der am Erhalt der Zinszahlungen und dasjenige daran, ein Bauspardarlehen zu beanspruchen, zu kumulieren und sie (jeweils) mit einem Abschlag von 50 % zu berücksichtigen.
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Somit ist der Streitwert vorliegend unter Berücksichtigung der Summe aus dem 3,5 fachen Zinsjahresertrag (inkl. des Bonuszins) und der offenen Differenz zwischen der Bausparsumme und dem angesparten Guthaben (inkl. der aufgelaufenen Bonuszinsen) abzüglich eines Abschlags in Höhe von 50 % zu errechnen: (150,66 +120) * 3,5= 947,31 + (15.338,760 - ((10.643,72 +3.273,92)) = 1421,12 = 2.368,43, davon 1/2 . Er beläuft sich damit auf 1.184,22 EUR.

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