1. Die Beklagten zu 1 und 2 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 11.977,26 EUR zuzüglich Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 9.10.2020 zu bezahlen.
2. Die Beklagten zu 1 und 2 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 254,80 EUR zuzüglich Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 9.10.2020 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagten zu 1 und 2 1/3.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3 und von denen der Beklagten zu 1 und 2 1/2. Die Beklagten zu 1 und 2 tragen von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin 1/3. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
5. Das Urteil vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 115 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
6. Der Streitwert wird auf bis 40.000,00 EUR festgesetzt.
| |
| Die Klägerin fordert Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. |
|
| Die Klägerin ist Halterin des VW T6 California Beach, der von der Zeugin N. gesteuert wurde. Die Beklagte zu 2 ist Halterin eines Rettungswagens der Marke Mercedes Benz Sprinter. Der Rettungswagen ist bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversichert. Der Beklagte zu 3 war am Unfalltag Fahrer des Rettungswagens. |
|
| Am 10.06.2020 gegen 11.00 Uhr befuhr die Zeugin N. mit dem VW die B 295 in Fahrtrichtung Stuttgart. An der Kreuzung mit der Flachterstraße fuhr sie auf der rechten von zwei Geradeausspuren, für die eine maximale Geschwindigkeit von 60 km/h gilt. Der Rettungswagen fuhr von der Flachterstraße über die Kreuzung geradeaus in Richtung Gerlinger Straße. Dabei kam der Rettungswagen aus Sicht der Zeugin N. von links. Im Kreuzungsbereich kollidierten die beiden Fahrzeuge, wobei die Zeugin N. auf den vor ihr querende Rettungswagen auffuhr. Am VW T6 entstand hierdurch ein Totalschaden. |
|
| Die Klägerin behauptet, die Zeugin N. habe bei Grünlicht die Kreuzung überquert. Der Rettungswagen sei bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren. Die Zeugin N. habe weder ein Blaulicht gesehen noch ein Martinshorn vernommen. Auf der linken Geradeausspur sei ein Baustellensicherungsfahrzeug gestanden und habe diese Fahrspur aufgrund einer sich nach der Kreuzung in Richtung Stuttgart befindlichen Baustelle gesperrt. |
|
| Die Klägerin ist der Auffassung, der Unfall sei für die Zeugin N. unvermeidbar gewesen, da das Baustellensicherungsfahrzeug mit Anhänger die Sicht auf den Rettungswagen versperrt und schallversperrend gewirkt habe. |
|
| Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünde ausgehend von einem Wiederbeschaffungswert von 57.400,00 EUR netto unter Berücksichtigung des Restwerts ein Fahrzeugschaden von 39.363,79 EUR zu. Weiterhin schuldeten die Beklagten Nutzungsausfall vom 10.06. - 29.09.2020 bis zur Begutachtung (= 19 Tage) sowie bis zur voraussichtlichen Wiederbeschaffung (14 Tage) aus der Gruppe J mit 79,00 EUR/Tag. Ferner seien Mietwagenkosten vom 22.6.2020 - 29.06.2020 von 475,70 EUR zu erstatten. Darüber hinaus habe sie Anspruch auf Erstattung der Standkosten für das beschädigte Fahrzeug vom 10.06.2020 bis 27.08.2021 von insgesamt 7.828,00 EUR. Hinzu kämen Abschleppkosten von 191,24 EUR (unstreitig) sowie eine Kostenpauschale von 25,00 EUR (unstreitig). Vom Gesamtschaden von 50.490,73 EUR seien die zwischenzeitlich bezahlten 21.777,14 EUR (unstreitig) abzuziehen, so dass noch ein Schadensersatzanspruch von 28.713,59 EUR verbleibe. |
|
| Die Klägerin beantragt zuletzt: |
|
| 1. Die Beklagten zu 1 und 2 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag i.H.v. 28.713,59 EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins aus 22.310,59 EUR seit dem 9.10.2020 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszins aus 6.403,00 EUR seit dem 28.08.2021 zu bezahlen. |
|
| 2. Die Beklagten zu 1 und 2 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.531,90 EUR netto nebst Zinsen 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2020 zu bezahlen. |
|
| Die Beklagten beantragen: |
|
| |
| Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 3 sei allenfalls mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren. Die Zeugin N. sei hingegen mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h und damit für die Gesamtsituation viel zu schnell in den Kreuzungsbereich eingefahren. Das Martinshorn des Rettungswagens sei zum Unfallzeitpunkt mit Druckluft betrieben worden und daher weithin hörbar gewesen. Mehr als eine Mithaftung von 25 % aus Betriebsgefahr komme nicht in Betracht. |
|
| Der Wiederbeschaffungswert betrage 48.235,29 EUR netto. Der Klägerin stehe kein Nutzungsausfallanspruch zu, weil sie den VW T6 als Geschäftsfahrzeug nutze. Im Hinblick auf die fiktive Abrechnung bestehe ein Nutzungsausfallanspruch nur für den Wiederbeschaffungszeitraum laut Gutachten von 10 Tagen. Mietwagenkosten und Nutzungsausfall würden sich ausschließen. Aufgrund des Schadensgutachtens vom 29.06.2020 bestehe kein Anspruch wegen der Standkosten für das Wrack. |
|
| Die Klägerin hat die Klage im Hinblick auf die Zahlung von 7.020,94 EUR durch die Beklagte nach Anhängigkeit und vor Rechtshängigkeit in dieser Höhe zurückgenommen. Ferner hat die Klägerin die Klage gegen den Beklagten zu 3 zurückgenommen. Sie hat die Anträge im Schriftsatz vom 26.11.2021 neu gefasst und dabei den ursprünglichen Feststellungsantrag nicht weiterverfolgt. Beide Parteien haben sich mit der Verwertung der Zeugenaussagen bei der Polizei ausweislich der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 61 Js 75287/20 im Wege des Urkundenbeweises einverstanden erklärt. |
|
| Es wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2022 und vom 10.05.2022 Bezug genommen. Es ist Beweis erhoben worden durch ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen R. vom 16.06.2021 mit Ergänzungsgutachten vom 22.10.2021, auf die Bezug genommen wird. Der Sachverständige R. hat seine Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2022 und vom 10.05.2022 erläutert. |
|
| |
| Der Klägerin steht gegen die Beklagten 1 und 2 ein weiterer Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 PflVG von 11.977,26 EUR zuzüglich Zinsen und weiterer 254,80 EUR bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Die Haftungsquote aus dem Verkehrsunfall vom 10.06.2020 beträgt 25 % zu 75 % zu Lasten der Beklagten. |
|
| |
| Der Beklagte zu 3 hätte den Unfall vermeiden können, wenn er beim Überqueren der Kreuzung langsamer gefahren wäre und sich vor dem Kreuzen der Geradeausspur der Zeugin N. versichert hätte, dass von dort kein Fahrzeug kommt. Davon gehen auch die Beklagten aus, wenn sie eine Mithaftung von 25 % aus Betriebsgefahr zugestehen. |
|
| Auch die Zeugin N. hätte den Unfall vermeiden können. Davon ist bereits deshalb auszugehen, weil nach den Zeugenaussagen der Rettungswagen mit Martinshorn und Blaulicht unterwegs war. Ob das Martinshorn zu diesem Zeitpunkt mit Druckluft betrieben wurde, ist irrelevant. Denn laut den Ausführungen des Sachverständigen R. macht es im Nahbereich von 40 - 50 m für die Vernehmbarkeit keinen Unterschied, auf welcher Stufe das Martinshorn betrieben wird. Erst bei einer größeren Entfernung ist das mit Druckluft betriebene Martinshorn besser hörbar. |
|
| Zwar konnte der Sachverständige R. aus technischer Sicht nicht sicher feststellen, ob die Zeugin N. das Martinshorn hören konnte oder nicht. Denn nach seinen Feststellungen wäre beides je nach der Größe und den Standorten der sich zwischen dem Krankenwagen und dem VW T 6 befindlichen Fahrzeuge möglich gewesen. Da somit die genauen Umstände für die Verbreitung des akustischen Signals nicht mehr rekonstruierbar sind, kann die für das Vorliegen der Unvermeidbarkeit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht nachweisen, dass die Zeugin N. das Martinshorn nicht hören konnte. Dabei kann unterstellt werden, dass die Zeugin N. subjektiv das Martinshorn nicht wahrgenommen hat. Denn aufgrund der Unsicherheit, ob eine Wahrnehmbarkeit möglich war, ist davon auszugehen, dass der Idealfahrer das Martinshorn gehört und dann erst einmal abgebremst und geschaut hätte, von woher das Rettungsfahrzeug kommt. |
|
| Hinsichtlich des Beklagten zu 3 liegt ein schuldhaftes Verhalten vor, während die Zeugin N. den Unfall nicht verschuldet hat. |
|
| Den Beklagten zu 3 trifft ein Verschulden am Unfall, weil er zu früh nach dem Einfahren in den Kreuzungsbereich wieder beschleunigt und daher mit einer zu hohen Geschwindigkeit die Geradeausfahrbahn der Zeugin N. überquert hat. Insoweit liegt ein Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1 und 1 Abs. 2 StVO vor. |
|
| Gemäß § 35 Abs. 5a StVO war der Beklagte zu 3 zum Unfallzeitpunkt von den Vorschriften der StVO befreit. Allerdings dürfen diese Sonderrechte gemäß § 35 Abs. 7 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Zwar bedeutet nicht jede leichte Fahrlässigkeit einen Verstoß gegen § 35 Abs. 7 StVO. Allerdings verpflichtet die gebotene Rücksichtnahme den privilegierten Fahrer, sich zunächst langsam in die Kreuzung „hineinzutasten“. Der Fahrer muss also zunächst mit so geringer Geschwindigkeit fahren, dass er sofort anhalten kann, wenn er ein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug erkennt. Erst wenn er sich hinreichend vergewissert hat, dass der Querverkehr das privilegierte Fahrzeug erkannt hat und ihm den Vorrang einräumt, darf er wieder beschleunigen (Rogler in jurisPK-Straßenverkehrsrecht 2. Aufl., § 35 StVO Rn. 170 f). |
|
| Nach den Zeugenaussagen und der Bilder in der Ermittlungsakte (insbesondere Bild 5 und Bild 9) steht fest, dass die linke Geradeausspur aus Sicht der Zeugin N. durch das Baustellenfahrzeug gesperrt war, um die sich an die Kreuzung anschließende Baustelle abzusichern. |
|
| Aufgrund dieses Umstands war der Beklagte zu 3 beim Überfahren der Kreuzung zu schnell. Infolge des Baustellenfahrzeugs war die rechts Geradeausspur, auf welcher die Zeugin N. unterwegs war, erst unmittelbar bei Erreichen der Fahrspur in ausreichender Weite nach rechts für den Beklagten zu 3 einsehbar. Bis zu diesem Punkt hätte er nicht beschleunigen dürfen, sondern hätte sich mit der vom Sachverständigen R. festgestellten Ausgangsgeschwindigkeit von ca. 12 km/h bei Überschreiten der Haltelinie weiter bis zum Erreichen der Sichtlinie bezüglich der rechten Geradeausspur in die Kreuzung hineintasten müssen. Er hat somit beschleunigt, obwohl er sich gerade nicht ausreichend vergewissern konnte, dass der Querverkehr den Rettungswagen wahrgenommen hat und die Durchfahrt ermöglichen wird. |
|
| Dagegen ist ein Verschulden der Zeugin N. nicht nachgewiesen und ergibt sich auch nicht aus den sonstigen Umständen. |
|
| Nach den Aussagen der Zeugen und den Feststellungen des Sachverständigen R. ist es plausibel, dass die Zeugin N. bei der Einfahrt in den Kreuzungsbereich Grünlicht hatte. |
|
| Ferner ist davon auszugehen, dass die Zeugin N. mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h in die Kreuzung eingefahren ist. So hat es der Sachverständige R. anhand der Beschädigungen an den beiden Unfallfahrzeugen überzeugend dargelegt. Aufgrund der Geschwindigkeit des Krankenwagens von ca. 35 - 40 km/h und der eingeschränkten Einsehbarkeit des linken Kreuzungsbereichs für die Zeugin N. aufgrund des die linke Geradeausspur sperrenden Baustellenfahrzeugs konnte die Zeugin N. den Krankenwagen erst etwa 1 s vor der Kollision erkennen. Bei einer Wahrnehmungs- und Reaktionszeit von etwa 1 s war es ihr bei der Geschwindigkeit von ca. 60 km/h nicht mehr möglich, vor der Kollision eine Abwehrhandlung einzuleiten. |
|
| Es ist davon auszugehen, dass die Zeugin N. das Martinshorn des Krankenwagens nicht gehört hat, weil die Beklagten für den Nachweis der Umstände, die ein Verschulden begründen, darlegungs- und nachweispflichtig sind. Den Beklagten ist der Nachweis der Hörbarkeit des Martinshorns für die Zeugin N. nicht gelungen. |
|
| Der Sachverständige R. hat unter Berücksichtigung der im Unfallzeitpunkt nassen Fahrbahn festgestellt, dass die Zeugin N. das Martinshorn ca. 38 m vor der Kollision hätte wahrnehmen müssen, um mit einem darauffolgenden Bremsmanöver das Unfallgeschehen vermeiden zu können. Jedoch kann der Sachverständige R. aus technischer Sicht nicht sicher feststellen, dass an dieser Stelle das Martinshorn für die Zeugin N. hörbar war. Denn es sind Konstellationen von Fahrzeugstellungen möglich, die eine ausreichende Schallweiterleitung zu diesem Punkt verhindern. Diese Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten. |
|
| Die Zeugin N. war unmittelbar vor der Kollision mit der in dieser Stelle erlaubten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h unterwegs. |
|
| Zwar war diese Geschwindigkeit im Hinblick auf die infolge des auf der linken Geradeausspur stehenden Baustellenfahrzeugs und die damit verbundene eingeschränkte Einsehbarkeit sehr hoch. Jedoch durfte die Zeugin N. davon ausgehen, dass die Baustelle keine erheblichen Auswirkungen für den Verkehrsablauf hat, weil sonst neben der Sperrung der linken Geradeausspur auch die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h durch die Straßenverkehrsbehörde herabgesetzt worden wäre. Dies ist jedoch nicht geschehen. |
|
| Ferner wäre der Unfall nach den Feststellungen des Sachverständigen R. nur bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 32 km/h für die Zeugin N. durch eine Bremsung vermeidbar gewesen. Eine solch niedrige Annäherungsgeschwindigkeit war jedoch auch unter der Berücksichtigung der Baustelle nicht geboten, weil dies den bereits durch den Wegfall der linken Geradeausspur bereits eingeschränkten Verkehrsfluss zusätzlich behindert hätte. |
|
| Die Abwägung der Betriebsgefahr des VW T6 und der um das Verschulden des Beklagten zu 3 erhöhten Betriebsgefahr des Krankenwagens führt zu einer Haftungsquote von 25 % zu 75 % zu Lasten der Beklagten. |
|
| Die vom Rettungswagen und vom VW T6 ausgehenden Betriebsgefahren sind aufgrund der ähnlichen Größe und des ähnlichen Gewichts gleich zu bewerten. |
|
| Zudem fällt dem Beklagten zu 3 ein Verschulden zur Last. Dieses ist aber nicht so schwerwiegend, dass dahinter die vom VW ausgehende Betriebsgefahr vollständig zurücktritt. Denn das Fehlverhalten des Beklagten zu 3 ist nachvollziehbar, weil er es als Fahrer eines sich im Einsatz befindlichen Rettungswagens buchstäblich „eilig“ hat. Es ist zwar nicht richtig, schon bei Überfahren des Haltestreifens zu beschleunigen, aber es ist verständlich, weil der Beklagten zu 3 an diesem Punkt regelmäßig davon ausgeht, dass das eingeschaltete Martinshorn von allen herannahenden Fahrzeugen gehört und beachtet wird. Das lässt das Verschulden als normal und nicht als schwerwiegend erscheinen. Es ist aber auch nicht so gering, dass es unbeachtlich wäre, weil gerade das Überfahren einer großen Verkehrskreuzung mit Blaulicht und Martinshorn bei Rotlicht eine ganz besonders schwerwiegende Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer darstellt. Dies war dem Beklagten zu 3 als beruflichem Rettungswagenfahrer bekannt. |
|
| Die Klägerin hat unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 25 % zu 75 % und der bereits erfolgten Zahlungen der Beklagten einen weiteren Schadensersatzanspruch von 11.977,26 EUR. |
|
| Der Schaden am Fahrzeug beläuft sich auf 39.363,79 EUR. Dabei ist vom Wiederbeschaffungswert von 57.400,00 EUR netto auszugehen. Dieser Wert ergibt sich aus dem Gutachten M. vom 29.06.2020 auf Seite 3. Der Sachverständige R. hat diesen Wert als Netto-Wert bestätigt. Danach wäre ausgehend von einem Brutto-Wert von 57.400,00 EUR der Netto-Wert mit 48.300,00 EUR anzusetzen. Dieser Netto-Wert wäre im Hinblick auf das Fahrzeugalter, der Laufleistung und die Ausstattung unrealistisch niedrig. Dagegen würde der Brutto-Wert von 68.300,00 EUR dem Marktgeschehen entsprechen. |
|
| Die unstreitigen Abschleppkosten sind mit 191,24 EUR anzusetzen. |
|
| Die Klägerin hat Anspruch auf die Standkosten für den Zeitraum vom 10.06.2020 bis zum 30.09.2020. Das sind 112 Tage. Bei 19,00 EUR pro Tag ergibt sich ein Betrag von 2.128,00 EUR netto. |
|
| Grundsätzlich stellen die Standkosten ebenfalls einen kausalen Schaden gemäß § 251 Abs. 1 BGB dar. Allerdings hat die Klägerin gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit gemäß § 254 Abs. 2 BGB verstoßen. Demnach ist der Geschädigte verpflichtet, den Schaden möglichst gering zu halten. Dies bedeutet für den Fall eines Totalschadens, dass der Geschädigte das Fahrzeug nur so lange unterstellen darf, bis ihm ein Weiterverkauf möglich ist und der Schaden ausreichend festgestellt und dokumentiert ist. Weitere Standkosten sind nur ersatzfähig, sofern der Unfallhergang selbst streitig und eine beweissichere Dokumentation nicht möglich ist. In diesem Fall wären dem Geschädigten die entstehenden Beweisnachteile nicht zumutbar (vgl. OLG München, Urteil vom 27. Mai 2020 – 6 O 1674). |
|
| Vorliegend wurden zwar vom Gutachter M. mehrere Bilder vom VW T6 gefertigt. Weitere Bilder von beiden Unfallfahrzeugen sind in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte enthalten. Nach den Feststellungen des Sachverständigen R. war aus der ex post Betrachtung heraus diese Bilddokumentation für das Unfallrekonstruktionsgutachten ausreichend. |
|
| Jedoch war die staatsanwaltliche Ermittlungsakte erst im September 2020 verfügbar, nachdem sich die Beklagten zu 1 im Schreiben vom 18.09.2020 (Anlage K 8) hierauf bezieht. Ende August 2020 lag sie ausweislich des Schreibens vom 27.08.2020 (Anlage K 6) noch nicht vor. Im Schreiben vom 18.09.2020 hat sich die Beklagten zu 1 auf den Standpunkt gestellt, dass die Zeugin N. trotz des Vernehmens des Martinshorns ungebremst in die Kreuzung gefahren sei. Damit war für die Klägerin erkennbar, dass es vor allem auf die Vernehmbarkeit des Martinshorns und auf die Geschwindigkeit ihres Fahrzeugs im Zeitpunkt der Kollision ankommen wird. Für die Geschwindigkeitsfeststellung lagen mit den Bildern und Feststellungen im Gutachten M. und der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte ausreichende Grundlagen für ein Unfallrekonstruktionsgutachten vor. Davon ist auch der Sachverständige R. ausgegangen. Daher konnte und musste die Klägerin jedenfalls nach Kenntnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte bis Ende September 2020 das Unfallfahrzeug verkaufen und damit den weiteren Schaden begrenzen. Ansonsten müssten praktisch bei jedem Verkehrsunfall, bei dem der Unfallhergang streitig ist, die Unfallfahrzeuge zumindest bis zu einer gerichtlichen Begutachtung eingelagert werden. Das wäre mit exorbitanten Kosten verbunden und wird daher so nicht praktiziert. |
|
| Dass der Sachverständige R. am 11.05.2021 den VW T6 besichtigt hat, nachdem er noch vorhanden war, steht dem nicht entgegen. Denn es entspricht der üblichen Sorgfalt bei einer Begutachtung, den zu begutachtenden Gegenstand in Augenschein zu nehmen, wenn er noch vorhanden ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend eine Inaugenscheinnahme des VW T6 notwendig war, hat der Sachverständige R. aber nicht genannt. |
|
| Es ist ein Nutzungsausfallschaden für 19 Tage a´ 79,00 EUR zu berücksichtigen, was 1.501,00 EUR entspricht. |
|
| Die Klägerin hat sich unwidersprochen und glaubhaft dahin eingelassen, dass der VW T6 ihr einziges Fahrzeug ist und der Geschäftsführer der Komplementärin als einziger Mitarbeiter der Klägerin diesen laufend zur Erlangung des betrieblichen Gewinns nutzt. Er kann dabei nicht auf einen Fuhrpark zurückgreifen. Damit dient der VW T 6 unmittelbar zur Gewinnerzielung. In einem solchen Fall kann ein pauschalierter (abstrakter) Nutzungsausfall angesetzt werden (OLG Zweibrücken, Urteil vom 11.06.2014 - 1 U 157/13). |
|
| Ferner wird der VW T 6 auch als Familienfahrzeug vom Geschäftsführer der Komplementärin und der Zeugin N. als seiner Lebensgefährtin genutzt. Insoweit lassen sich die gewerbliche und die private Nutzung praktisch nicht trennen. |
|
| Mit den Ausführungen zur gewerblichen und privaten Nutzung hat die Klägerin glaubhaft einen ausreichenden Nutzungswillen dargelegt. |
|
| Der pauschalierte Nutzungsausfall für die gewerbliche und die private Nutzung wird gemäß § 287 ZPO anhand des für den privaten Nutzungsausfall vorhandenen Tabellenwerts für die Gruppe J mit 79,00 EUR pro Tag angesetzt. |
|
| Der Zeitraum für den Nutzungsausfall umfasst den Unfallzeitpunkt 10.06.2020 bis zur Begutachtung am 29.06.2020, was 19 Tage sind. Allerdings sind die Tage vom 22.06.2020 bis zum 29.06.2020 nicht ansetzbar, weil die Klägerin in dieser Zeit einen Mietwagen genutzt hat. Dies schließt die Geltendmachung von zusätzlichem Nutzungsausfall aus. |
|
| Hinzu kommt ein weiterer Zeitraum von sieben Tagen für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs. Denn es war von Anfang an klar, dass hier ein wirtschaftlicher Totalschaden vorlag, so dass die Klägerin schon vor der Begutachtung mit der Beschaffung des Ersatzfahrzeugs beginnen konnte. |
|
| Für die Nutzung des Mietwagens vom 22.06.2020 bis zum 29.06.2020 sind die hierfür entstandenen Kosten von 475,70 EUR zu berücksichtigen. |
|
| Hinzu kommt die Kostenpauschale von 25,00 EUR, die unabhängig von der Haftungsquote geschuldet ist. |
|
| Von den Zahlungen der Beklagten von 21.777,14 EUR sind die auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezahlten 984,60 EUR abzuziehen, nachdem die Beklagte in der Abrechnung vom 15.10.2020 (Anlage B 1) eine entsprechende Zahlungsbestimmung vorgenommen hatte. Es verbleibt ein beim Schaden zu berücksichtigender Betrag von 20.792,54 EUR. |
|
| Das ergibt folgende Berechnung des Schadensersatzes: |
|
| |
| |
| Weiterhin hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 254,80 EUR gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 PflVG. Dabei ist eine 1,3 fache Gebühr aus einem Schadensbetrag von bis 35.000,00 EUR anzusetzen. Unter Berücksichtigung der Telekommunikationspauschale von 20,00 EUR ergibt das einen Nettobetrag von 1.239,40 EUR. Hiervon sind die bereits bezahlten 984,60 EUR in Abzug zu bringen, so dass noch ein restlicher Anspruch von 254,80 EUR verbleibt. |
|
| |
| Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, die mit der Teilklagerücknahme bezüglich der mit Schreiben vom 15.10.2020 abgerechneten und danach von der Beklagten nach Anhängigkeit der Klage bezahlten 7.020,94 EUR (Anlage B 1) der Beklagten aufzuerlegen. Dabei kann unterstellt werden, dass das vom Klägervertreter behauptete Telefonat mit der Sachbearbeiterin der Beklagten R. nicht stattgefunden hat. Denn auch in diesem Fall war die mit Schriftsatz vom 28.09.2020 bis zum 08.10.2020 gesetzte Frist abgelaufen (Anlage K 9), ohne dass sich die Beklagte innerhalb der Frist geäußert hätte. Aufgrund der dortigen Ankündigung der Klägerin, nach Ablauf des 08.10.2020 Klage erheben zu wollen, war der Beklagten klar, dass sie auf dieses Schreiben innerhalb der Frist reagieren muss, wenn sie noch etwas bezahlen und insoweit die Klageerhebung verhindern will. Diese Frist war im Hinblick auf den Schriftwechsel seit dem Schriftsatz vom 23.06.2020 (Anlage K 1) für die abschließende Entscheidung der Beklagten, noch etwas bezahlen zu wollen, ausreichend. Sollte die Frist jedoch aus Sicht der Beklagten zu kurz bemessen gewesen sein, hätte sie beim Klägervertreter um eine Fristverlängerung bitten können, um mehr Zeit für die Prüfung der Sach- und Rechtslage zu erhalten. Es ist davon auszugehen, dass der Klägervertreter eine entsprechende Fristverlängerung gewährt hätte. Dies hat die Beklagte aber nicht getan, sondern erst eine Woche nach Ablauf der Frist die weitere Zahlung von 7.020,94 EUR angekündigt und ausgelöst. Insoweit ist diese Zahlung bei der Feststellung der Kostenquote zu den 11.977,26 EUR hinzuzurechnen, was bei dem Streitwert von 40.000,00 EUR (siehe nachfolgend) die Hälfte ausmacht. |
|
| |
| Bei der Streitwertfestsetzung wurden der Klageantrag zu 1 in seiner ersten Fassung und der ursprüngliche Feststellungsantrag bezüglich der damals noch nicht bezifferten Standkosten und Finanzierungskosten mit der Differenz zum Gebührensprung von 40.000,00 EUR berücksichtigt. |
|
| |
| Der Klägerin steht gegen die Beklagten 1 und 2 ein weiterer Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 PflVG von 11.977,26 EUR zuzüglich Zinsen und weiterer 254,80 EUR bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Die Haftungsquote aus dem Verkehrsunfall vom 10.06.2020 beträgt 25 % zu 75 % zu Lasten der Beklagten. |
|
| |
| Der Beklagte zu 3 hätte den Unfall vermeiden können, wenn er beim Überqueren der Kreuzung langsamer gefahren wäre und sich vor dem Kreuzen der Geradeausspur der Zeugin N. versichert hätte, dass von dort kein Fahrzeug kommt. Davon gehen auch die Beklagten aus, wenn sie eine Mithaftung von 25 % aus Betriebsgefahr zugestehen. |
|
| Auch die Zeugin N. hätte den Unfall vermeiden können. Davon ist bereits deshalb auszugehen, weil nach den Zeugenaussagen der Rettungswagen mit Martinshorn und Blaulicht unterwegs war. Ob das Martinshorn zu diesem Zeitpunkt mit Druckluft betrieben wurde, ist irrelevant. Denn laut den Ausführungen des Sachverständigen R. macht es im Nahbereich von 40 - 50 m für die Vernehmbarkeit keinen Unterschied, auf welcher Stufe das Martinshorn betrieben wird. Erst bei einer größeren Entfernung ist das mit Druckluft betriebene Martinshorn besser hörbar. |
|
| Zwar konnte der Sachverständige R. aus technischer Sicht nicht sicher feststellen, ob die Zeugin N. das Martinshorn hören konnte oder nicht. Denn nach seinen Feststellungen wäre beides je nach der Größe und den Standorten der sich zwischen dem Krankenwagen und dem VW T 6 befindlichen Fahrzeuge möglich gewesen. Da somit die genauen Umstände für die Verbreitung des akustischen Signals nicht mehr rekonstruierbar sind, kann die für das Vorliegen der Unvermeidbarkeit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht nachweisen, dass die Zeugin N. das Martinshorn nicht hören konnte. Dabei kann unterstellt werden, dass die Zeugin N. subjektiv das Martinshorn nicht wahrgenommen hat. Denn aufgrund der Unsicherheit, ob eine Wahrnehmbarkeit möglich war, ist davon auszugehen, dass der Idealfahrer das Martinshorn gehört und dann erst einmal abgebremst und geschaut hätte, von woher das Rettungsfahrzeug kommt. |
|
| Hinsichtlich des Beklagten zu 3 liegt ein schuldhaftes Verhalten vor, während die Zeugin N. den Unfall nicht verschuldet hat. |
|
| Den Beklagten zu 3 trifft ein Verschulden am Unfall, weil er zu früh nach dem Einfahren in den Kreuzungsbereich wieder beschleunigt und daher mit einer zu hohen Geschwindigkeit die Geradeausfahrbahn der Zeugin N. überquert hat. Insoweit liegt ein Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1 und 1 Abs. 2 StVO vor. |
|
| Gemäß § 35 Abs. 5a StVO war der Beklagte zu 3 zum Unfallzeitpunkt von den Vorschriften der StVO befreit. Allerdings dürfen diese Sonderrechte gemäß § 35 Abs. 7 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Zwar bedeutet nicht jede leichte Fahrlässigkeit einen Verstoß gegen § 35 Abs. 7 StVO. Allerdings verpflichtet die gebotene Rücksichtnahme den privilegierten Fahrer, sich zunächst langsam in die Kreuzung „hineinzutasten“. Der Fahrer muss also zunächst mit so geringer Geschwindigkeit fahren, dass er sofort anhalten kann, wenn er ein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug erkennt. Erst wenn er sich hinreichend vergewissert hat, dass der Querverkehr das privilegierte Fahrzeug erkannt hat und ihm den Vorrang einräumt, darf er wieder beschleunigen (Rogler in jurisPK-Straßenverkehrsrecht 2. Aufl., § 35 StVO Rn. 170 f). |
|
| Nach den Zeugenaussagen und der Bilder in der Ermittlungsakte (insbesondere Bild 5 und Bild 9) steht fest, dass die linke Geradeausspur aus Sicht der Zeugin N. durch das Baustellenfahrzeug gesperrt war, um die sich an die Kreuzung anschließende Baustelle abzusichern. |
|
| Aufgrund dieses Umstands war der Beklagte zu 3 beim Überfahren der Kreuzung zu schnell. Infolge des Baustellenfahrzeugs war die rechts Geradeausspur, auf welcher die Zeugin N. unterwegs war, erst unmittelbar bei Erreichen der Fahrspur in ausreichender Weite nach rechts für den Beklagten zu 3 einsehbar. Bis zu diesem Punkt hätte er nicht beschleunigen dürfen, sondern hätte sich mit der vom Sachverständigen R. festgestellten Ausgangsgeschwindigkeit von ca. 12 km/h bei Überschreiten der Haltelinie weiter bis zum Erreichen der Sichtlinie bezüglich der rechten Geradeausspur in die Kreuzung hineintasten müssen. Er hat somit beschleunigt, obwohl er sich gerade nicht ausreichend vergewissern konnte, dass der Querverkehr den Rettungswagen wahrgenommen hat und die Durchfahrt ermöglichen wird. |
|
| Dagegen ist ein Verschulden der Zeugin N. nicht nachgewiesen und ergibt sich auch nicht aus den sonstigen Umständen. |
|
| Nach den Aussagen der Zeugen und den Feststellungen des Sachverständigen R. ist es plausibel, dass die Zeugin N. bei der Einfahrt in den Kreuzungsbereich Grünlicht hatte. |
|
| Ferner ist davon auszugehen, dass die Zeugin N. mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h in die Kreuzung eingefahren ist. So hat es der Sachverständige R. anhand der Beschädigungen an den beiden Unfallfahrzeugen überzeugend dargelegt. Aufgrund der Geschwindigkeit des Krankenwagens von ca. 35 - 40 km/h und der eingeschränkten Einsehbarkeit des linken Kreuzungsbereichs für die Zeugin N. aufgrund des die linke Geradeausspur sperrenden Baustellenfahrzeugs konnte die Zeugin N. den Krankenwagen erst etwa 1 s vor der Kollision erkennen. Bei einer Wahrnehmungs- und Reaktionszeit von etwa 1 s war es ihr bei der Geschwindigkeit von ca. 60 km/h nicht mehr möglich, vor der Kollision eine Abwehrhandlung einzuleiten. |
|
| Es ist davon auszugehen, dass die Zeugin N. das Martinshorn des Krankenwagens nicht gehört hat, weil die Beklagten für den Nachweis der Umstände, die ein Verschulden begründen, darlegungs- und nachweispflichtig sind. Den Beklagten ist der Nachweis der Hörbarkeit des Martinshorns für die Zeugin N. nicht gelungen. |
|
| Der Sachverständige R. hat unter Berücksichtigung der im Unfallzeitpunkt nassen Fahrbahn festgestellt, dass die Zeugin N. das Martinshorn ca. 38 m vor der Kollision hätte wahrnehmen müssen, um mit einem darauffolgenden Bremsmanöver das Unfallgeschehen vermeiden zu können. Jedoch kann der Sachverständige R. aus technischer Sicht nicht sicher feststellen, dass an dieser Stelle das Martinshorn für die Zeugin N. hörbar war. Denn es sind Konstellationen von Fahrzeugstellungen möglich, die eine ausreichende Schallweiterleitung zu diesem Punkt verhindern. Diese Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten. |
|
| Die Zeugin N. war unmittelbar vor der Kollision mit der in dieser Stelle erlaubten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h unterwegs. |
|
| Zwar war diese Geschwindigkeit im Hinblick auf die infolge des auf der linken Geradeausspur stehenden Baustellenfahrzeugs und die damit verbundene eingeschränkte Einsehbarkeit sehr hoch. Jedoch durfte die Zeugin N. davon ausgehen, dass die Baustelle keine erheblichen Auswirkungen für den Verkehrsablauf hat, weil sonst neben der Sperrung der linken Geradeausspur auch die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h durch die Straßenverkehrsbehörde herabgesetzt worden wäre. Dies ist jedoch nicht geschehen. |
|
| Ferner wäre der Unfall nach den Feststellungen des Sachverständigen R. nur bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 32 km/h für die Zeugin N. durch eine Bremsung vermeidbar gewesen. Eine solch niedrige Annäherungsgeschwindigkeit war jedoch auch unter der Berücksichtigung der Baustelle nicht geboten, weil dies den bereits durch den Wegfall der linken Geradeausspur bereits eingeschränkten Verkehrsfluss zusätzlich behindert hätte. |
|
| Die Abwägung der Betriebsgefahr des VW T6 und der um das Verschulden des Beklagten zu 3 erhöhten Betriebsgefahr des Krankenwagens führt zu einer Haftungsquote von 25 % zu 75 % zu Lasten der Beklagten. |
|
| Die vom Rettungswagen und vom VW T6 ausgehenden Betriebsgefahren sind aufgrund der ähnlichen Größe und des ähnlichen Gewichts gleich zu bewerten. |
|
| Zudem fällt dem Beklagten zu 3 ein Verschulden zur Last. Dieses ist aber nicht so schwerwiegend, dass dahinter die vom VW ausgehende Betriebsgefahr vollständig zurücktritt. Denn das Fehlverhalten des Beklagten zu 3 ist nachvollziehbar, weil er es als Fahrer eines sich im Einsatz befindlichen Rettungswagens buchstäblich „eilig“ hat. Es ist zwar nicht richtig, schon bei Überfahren des Haltestreifens zu beschleunigen, aber es ist verständlich, weil der Beklagten zu 3 an diesem Punkt regelmäßig davon ausgeht, dass das eingeschaltete Martinshorn von allen herannahenden Fahrzeugen gehört und beachtet wird. Das lässt das Verschulden als normal und nicht als schwerwiegend erscheinen. Es ist aber auch nicht so gering, dass es unbeachtlich wäre, weil gerade das Überfahren einer großen Verkehrskreuzung mit Blaulicht und Martinshorn bei Rotlicht eine ganz besonders schwerwiegende Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer darstellt. Dies war dem Beklagten zu 3 als beruflichem Rettungswagenfahrer bekannt. |
|
| Die Klägerin hat unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 25 % zu 75 % und der bereits erfolgten Zahlungen der Beklagten einen weiteren Schadensersatzanspruch von 11.977,26 EUR. |
|
| Der Schaden am Fahrzeug beläuft sich auf 39.363,79 EUR. Dabei ist vom Wiederbeschaffungswert von 57.400,00 EUR netto auszugehen. Dieser Wert ergibt sich aus dem Gutachten M. vom 29.06.2020 auf Seite 3. Der Sachverständige R. hat diesen Wert als Netto-Wert bestätigt. Danach wäre ausgehend von einem Brutto-Wert von 57.400,00 EUR der Netto-Wert mit 48.300,00 EUR anzusetzen. Dieser Netto-Wert wäre im Hinblick auf das Fahrzeugalter, der Laufleistung und die Ausstattung unrealistisch niedrig. Dagegen würde der Brutto-Wert von 68.300,00 EUR dem Marktgeschehen entsprechen. |
|
| Die unstreitigen Abschleppkosten sind mit 191,24 EUR anzusetzen. |
|
| Die Klägerin hat Anspruch auf die Standkosten für den Zeitraum vom 10.06.2020 bis zum 30.09.2020. Das sind 112 Tage. Bei 19,00 EUR pro Tag ergibt sich ein Betrag von 2.128,00 EUR netto. |
|
| Grundsätzlich stellen die Standkosten ebenfalls einen kausalen Schaden gemäß § 251 Abs. 1 BGB dar. Allerdings hat die Klägerin gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit gemäß § 254 Abs. 2 BGB verstoßen. Demnach ist der Geschädigte verpflichtet, den Schaden möglichst gering zu halten. Dies bedeutet für den Fall eines Totalschadens, dass der Geschädigte das Fahrzeug nur so lange unterstellen darf, bis ihm ein Weiterverkauf möglich ist und der Schaden ausreichend festgestellt und dokumentiert ist. Weitere Standkosten sind nur ersatzfähig, sofern der Unfallhergang selbst streitig und eine beweissichere Dokumentation nicht möglich ist. In diesem Fall wären dem Geschädigten die entstehenden Beweisnachteile nicht zumutbar (vgl. OLG München, Urteil vom 27. Mai 2020 – 6 O 1674). |
|
| Vorliegend wurden zwar vom Gutachter M. mehrere Bilder vom VW T6 gefertigt. Weitere Bilder von beiden Unfallfahrzeugen sind in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte enthalten. Nach den Feststellungen des Sachverständigen R. war aus der ex post Betrachtung heraus diese Bilddokumentation für das Unfallrekonstruktionsgutachten ausreichend. |
|
| Jedoch war die staatsanwaltliche Ermittlungsakte erst im September 2020 verfügbar, nachdem sich die Beklagten zu 1 im Schreiben vom 18.09.2020 (Anlage K 8) hierauf bezieht. Ende August 2020 lag sie ausweislich des Schreibens vom 27.08.2020 (Anlage K 6) noch nicht vor. Im Schreiben vom 18.09.2020 hat sich die Beklagten zu 1 auf den Standpunkt gestellt, dass die Zeugin N. trotz des Vernehmens des Martinshorns ungebremst in die Kreuzung gefahren sei. Damit war für die Klägerin erkennbar, dass es vor allem auf die Vernehmbarkeit des Martinshorns und auf die Geschwindigkeit ihres Fahrzeugs im Zeitpunkt der Kollision ankommen wird. Für die Geschwindigkeitsfeststellung lagen mit den Bildern und Feststellungen im Gutachten M. und der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte ausreichende Grundlagen für ein Unfallrekonstruktionsgutachten vor. Davon ist auch der Sachverständige R. ausgegangen. Daher konnte und musste die Klägerin jedenfalls nach Kenntnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte bis Ende September 2020 das Unfallfahrzeug verkaufen und damit den weiteren Schaden begrenzen. Ansonsten müssten praktisch bei jedem Verkehrsunfall, bei dem der Unfallhergang streitig ist, die Unfallfahrzeuge zumindest bis zu einer gerichtlichen Begutachtung eingelagert werden. Das wäre mit exorbitanten Kosten verbunden und wird daher so nicht praktiziert. |
|
| Dass der Sachverständige R. am 11.05.2021 den VW T6 besichtigt hat, nachdem er noch vorhanden war, steht dem nicht entgegen. Denn es entspricht der üblichen Sorgfalt bei einer Begutachtung, den zu begutachtenden Gegenstand in Augenschein zu nehmen, wenn er noch vorhanden ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend eine Inaugenscheinnahme des VW T6 notwendig war, hat der Sachverständige R. aber nicht genannt. |
|
| Es ist ein Nutzungsausfallschaden für 19 Tage a´ 79,00 EUR zu berücksichtigen, was 1.501,00 EUR entspricht. |
|
| Die Klägerin hat sich unwidersprochen und glaubhaft dahin eingelassen, dass der VW T6 ihr einziges Fahrzeug ist und der Geschäftsführer der Komplementärin als einziger Mitarbeiter der Klägerin diesen laufend zur Erlangung des betrieblichen Gewinns nutzt. Er kann dabei nicht auf einen Fuhrpark zurückgreifen. Damit dient der VW T 6 unmittelbar zur Gewinnerzielung. In einem solchen Fall kann ein pauschalierter (abstrakter) Nutzungsausfall angesetzt werden (OLG Zweibrücken, Urteil vom 11.06.2014 - 1 U 157/13). |
|
| Ferner wird der VW T 6 auch als Familienfahrzeug vom Geschäftsführer der Komplementärin und der Zeugin N. als seiner Lebensgefährtin genutzt. Insoweit lassen sich die gewerbliche und die private Nutzung praktisch nicht trennen. |
|
| Mit den Ausführungen zur gewerblichen und privaten Nutzung hat die Klägerin glaubhaft einen ausreichenden Nutzungswillen dargelegt. |
|
| Der pauschalierte Nutzungsausfall für die gewerbliche und die private Nutzung wird gemäß § 287 ZPO anhand des für den privaten Nutzungsausfall vorhandenen Tabellenwerts für die Gruppe J mit 79,00 EUR pro Tag angesetzt. |
|
| Der Zeitraum für den Nutzungsausfall umfasst den Unfallzeitpunkt 10.06.2020 bis zur Begutachtung am 29.06.2020, was 19 Tage sind. Allerdings sind die Tage vom 22.06.2020 bis zum 29.06.2020 nicht ansetzbar, weil die Klägerin in dieser Zeit einen Mietwagen genutzt hat. Dies schließt die Geltendmachung von zusätzlichem Nutzungsausfall aus. |
|
| Hinzu kommt ein weiterer Zeitraum von sieben Tagen für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs. Denn es war von Anfang an klar, dass hier ein wirtschaftlicher Totalschaden vorlag, so dass die Klägerin schon vor der Begutachtung mit der Beschaffung des Ersatzfahrzeugs beginnen konnte. |
|
| Für die Nutzung des Mietwagens vom 22.06.2020 bis zum 29.06.2020 sind die hierfür entstandenen Kosten von 475,70 EUR zu berücksichtigen. |
|
| Hinzu kommt die Kostenpauschale von 25,00 EUR, die unabhängig von der Haftungsquote geschuldet ist. |
|
| Von den Zahlungen der Beklagten von 21.777,14 EUR sind die auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezahlten 984,60 EUR abzuziehen, nachdem die Beklagte in der Abrechnung vom 15.10.2020 (Anlage B 1) eine entsprechende Zahlungsbestimmung vorgenommen hatte. Es verbleibt ein beim Schaden zu berücksichtigender Betrag von 20.792,54 EUR. |
|
| Das ergibt folgende Berechnung des Schadensersatzes: |
|
| |
| |
| Weiterhin hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 254,80 EUR gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 PflVG. Dabei ist eine 1,3 fache Gebühr aus einem Schadensbetrag von bis 35.000,00 EUR anzusetzen. Unter Berücksichtigung der Telekommunikationspauschale von 20,00 EUR ergibt das einen Nettobetrag von 1.239,40 EUR. Hiervon sind die bereits bezahlten 984,60 EUR in Abzug zu bringen, so dass noch ein restlicher Anspruch von 254,80 EUR verbleibt. |
|
| |
| Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, die mit der Teilklagerücknahme bezüglich der mit Schreiben vom 15.10.2020 abgerechneten und danach von der Beklagten nach Anhängigkeit der Klage bezahlten 7.020,94 EUR (Anlage B 1) der Beklagten aufzuerlegen. Dabei kann unterstellt werden, dass das vom Klägervertreter behauptete Telefonat mit der Sachbearbeiterin der Beklagten R. nicht stattgefunden hat. Denn auch in diesem Fall war die mit Schriftsatz vom 28.09.2020 bis zum 08.10.2020 gesetzte Frist abgelaufen (Anlage K 9), ohne dass sich die Beklagte innerhalb der Frist geäußert hätte. Aufgrund der dortigen Ankündigung der Klägerin, nach Ablauf des 08.10.2020 Klage erheben zu wollen, war der Beklagten klar, dass sie auf dieses Schreiben innerhalb der Frist reagieren muss, wenn sie noch etwas bezahlen und insoweit die Klageerhebung verhindern will. Diese Frist war im Hinblick auf den Schriftwechsel seit dem Schriftsatz vom 23.06.2020 (Anlage K 1) für die abschließende Entscheidung der Beklagten, noch etwas bezahlen zu wollen, ausreichend. Sollte die Frist jedoch aus Sicht der Beklagten zu kurz bemessen gewesen sein, hätte sie beim Klägervertreter um eine Fristverlängerung bitten können, um mehr Zeit für die Prüfung der Sach- und Rechtslage zu erhalten. Es ist davon auszugehen, dass der Klägervertreter eine entsprechende Fristverlängerung gewährt hätte. Dies hat die Beklagte aber nicht getan, sondern erst eine Woche nach Ablauf der Frist die weitere Zahlung von 7.020,94 EUR angekündigt und ausgelöst. Insoweit ist diese Zahlung bei der Feststellung der Kostenquote zu den 11.977,26 EUR hinzuzurechnen, was bei dem Streitwert von 40.000,00 EUR (siehe nachfolgend) die Hälfte ausmacht. |
|
| |
| Bei der Streitwertfestsetzung wurden der Klageantrag zu 1 in seiner ersten Fassung und der ursprüngliche Feststellungsantrag bezüglich der damals noch nicht bezifferten Standkosten und Finanzierungskosten mit der Differenz zum Gebührensprung von 40.000,00 EUR berücksichtigt. |
|