Beschluss vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 7 AS 178/16

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Gründe

 
I.
Umstritten ist ein Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten nach § 34 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der 1979 geborene, ledige Kläger war bis Februar 2014 versicherungspflichtig beschäftigt und seit dem 1. März 2014 arbeitslos. Die Agentur für Arbeit… bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2014 bis zum 30. Oktober 2014 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 23,00 EUR nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (SGB III). Durch Bescheid vom 11. August 2014 stellte die Agentur für Arbeit ... fest, dass eine Sperrzeit von zwei Wochen eingetreten und sein Anspruch auf Arbeitslosengeld erloschen ist, und hob die Entscheidung über Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 22. Juli 2014 auf.
Bereits am 28. Juli 2014 hatte der Kläger bei dem Beklagten vorgesprochen und geltend gemacht, sein Anspruch auf Arbeitslosengeld sei wegen des Eintritts einer Sperrzeit erloschen. Er beantragte bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab an, seit der Einstellung der Arbeitslosengeldzahlungen im Mai 2014 und dem endgültigen Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Juli 2014 habe er von seinem Ersparten gelebt und kein sonstiges Einkommen erzielt.
Durch Bescheid vom 23. September 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 607,23 EUR (Juli 2014), 529,03 EUR (August und September 2014), 564,22 EUR (Oktober 2014) und 646,33 EUR (November und Dezember 2014) und berücksichtigte dabei den Regelsatz in Höhe von monatlich 391,00 EUR sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 255,33 EUR (tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung monatlich 295,00 EUR) und setzte Minderungsbeträge auf Grund von Sanktionen in Höhe von monatlich 39,10 EUR (Juli 2014), 117,30 EUR (August und September 2014) und 82,11 EUR (Oktober 2014) ab. Mit Bescheid vom 24. September 2014 stellte der Beklagte für die Zeit vom 22. Juli 2014 bis zum 21. Oktober 2014 eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs in Höhe von monatlich 117,30 EUR fest, weil der Kläger seine Hilfebedürftigkeit grob fahrlässig herbeigeführt habe, da der Anspruch auf Arbeitslosengeld auf Grund von insgesamt 21 Wochen Sperrzeit erloschen sei (unter Hinweis auf § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung). Mit Schreiben vom 24. September 2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass dieser seine Hilfebedürftigkeit selbst herbeigeführt habe und er daher die Leistungen nach dem SGB II einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung nach § 34 Abs. 1 SGB II zu erstatten habe. Er gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.
Nachdem der Kläger am 24. September 2014 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen und im Oktober 2014 aus dieser Beschäftigung sein erstes Arbeitsentgelt bezogen hatte, hob der Beklagte durch Bescheid vom 4. Dezember 2014 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2014 ganz auf. Wegen des im Oktober 2014 zugeflossenen Erwerbseinkommens hob er außerdem durch Bescheid vom 5. Januar 2015 die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Oktober 2014 teilweise in Höhe von 148,82 EUR auf und forderte die Erstattung dieses Betrages. Mit diesen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden erklärte sich der Kläger einverstanden.
Zum Schreiben des Beklagten vom 24. September 2014 nahm der Kläger mit Schreiben vom 22. Oktober 2014 dahingehend Stellung, dass er bei seiner Vorsprache im September 2014 das ganze Thema angesprochen und gefragt habe, ob er mit Sanktionen zu rechnen habe. Ihm sei vermittelt worden, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Er habe weder grob fahrlässig noch vorsätzlich seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt. Im Februar 2014 sei er unverschuldet aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung arbeitslos geworden. Im März 2014 habe er mit einem Mitarbeiter der Agentur für Arbeit seine Situation besprochen und diesem mitgeteilt, dass er sich drei bis vier Monate - entsprechend seinem Studienabschluss - gezielt auf Stellen als Wirtschaftsingenieur, speziell im Telekommunikationsbereich, bewerben werde. Dies habe zur Folge gehabt, dass er die in der Eingliederungsvereinbarung festgehaltenen zwölf Bewerbungen in jeweils zwei Wochen nicht geschafft habe. Dass dadurch jeweils zweiwöchige Sperrzeiten entstanden seien, habe er in Kauf genommen und von seinem Ersparten gelebt. Dass es zu einer Sperrzeit von 21 Wochen und somit zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gekommen sei, habe einen anderen Hintergrund. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass es einerseits unverbindliche, andererseits verbindliche Vermittlungsvorschläge gebe. Er habe sich auf drei verbindliche Vermittlungsvorschläge nicht beworben. Daraus hätten Sperrzeiten in Höhe von drei, sechs und zwölf Wochen resultiert, wobei ihm nicht bekannt gewesen sei, dass sich diese Sperrzeiten aufaddierten. Dies sei ihm erst im Juli 2014 mitgeteilt worden. Er habe sich um Arbeit bemüht mit der Folge, dass er seit Ende September 2014 wieder in Arbeit sei. Er werde selbstverständlich das erhaltene Arbeitslosengeld II für Oktober 2014 und auch einen Teil des September 2014 zurückerstatten. Da er einen Fehler gemacht habe, sehe er auch ein, dass er eine Sanktion über 30 % erhalte. Jedoch fehle ihm jedes Verständnis dafür, dass ihm sozialwidriges Verhalten, gepaart mit grober Fahrlässigkeit und Absicht, unterstellt werde.
Durch Bescheid vom 4. Dezember 2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass dieser die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zumindest grob fahrlässig herbeigeführt habe und er deshalb zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet sei. Durch Bescheid vom 5. Januar 2015 stellte der Beklagte sodann fest, dass der Kläger zum Ersatz der für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Oktober 2014 gezahlten Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 2.731,33 EUR verpflichtet sei. Nach den vorliegenden Unterlagen habe der Kläger seine Bedürftigkeit herbeigeführt, indem er durch sein Verhalten die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nach dem SGB III erfüllt habe mit der Folge, dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe oder erloschen sei. Er habe dabei zumindest grob fahrlässig gehandelt, weil er insgesamt 21 Wochen Sperrzeit erhalten habe, was zum Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld geführt habe. Gegen diesen Bescheid vom 5. Januar 2015 legte der Kläger Widerspruch ein (Schreiben vom 4. Februar 2015 und vom 9. März 2015; vgl. ferner Schreiben vom 21. Dezember 2014) und berief sich auf „den Vertrauenstatbestand“ nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Er merkte an, dass er zur Rückzahlung der Leistungen, die er verbraucht habe, gar nicht im Stande wäre, über kein Vermögen verfüge und seine aktuellen Einkommensverhältnisse nur sehr wenig Spielraum zuließen.
Der Beklagte nahm im Widerspruchsverfahren einen Ausdruck aus dem Vermittlungs-, Beratungs- und Informationssystem der Bundesagentur für Arbeit (VerBIS) zu den Akten, wonach der Kläger in der Zeit vom 1. März 2014 bis zum 18. April 2014 Arbeitslosengeld bezogen und für die Zeit vom 29. April 2014 bis zum 19. Mai 2014 eine Sperrzeit bei Arbeitsablehnung nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III, für die Zeit vom 20. Mai 2014 bis zum 2. Juni 2014 eine Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III, für die Zeit vom 3. Juni 2014 bis zum 14. Juli 2014 eine Sperrzeit bei Arbeitsablehnung nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III, für die Zeit vom 15. Juli 2014 bis zum 28. Juli 2014 eine Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III, für die Zeit vom 29. Juli 2014 bis zum 11. August 2014 eine Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III, für die Zeit vom 12. August 2014 bis zum 25. August 2014 eine Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III, für die Zeit vom 26. August 2014 bis zum 8. September 2014 eine Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III, für die Zeit vom 9. September 2014 bis zum 15. September 2014 eine Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III sowie für die Zeit vom 16. September 2014 bis zum 29. September 2014 eine Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III festgestellt worden sei. Weiterhin hat er den Bescheid der Agentur für Arbeit ... vom 10. März 2014 über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 1. März 2014 mit einer Anspruchsdauer von 240 Kalendertagen und einem täglichen Leistungsbetrag von 23,00 EUR zu den Akten genommen. Mit Änderungsbescheid vom 17. März 2015 setzte der Beklagte den Erstattungsbetrag für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 23. September 2014 auf 2.085,28 EUR fest. Anschließend wies er durch Widerspruchsbescheid vom 19. März 2015 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nachdem die Agentur für Arbeit den Eintritt mehrerer Sperrzeiten festgestellt habe und der Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 22. Juli 2014 endgültig erloschen sei, habe der Kläger zumindest grob fahrlässig seine Hilfebedürftigkeit verursacht. Der Kläger sei seinen Pflichten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit nicht nachgekommen. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass er darüber belehrt worden sei, welche Rechtsfolgen eintreten würden, sollte er diesen Verpflichtungen nicht nachkommen. Es sei dem Kläger klar gewesen, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe bzw. sogar ganz erlösche, sollte er Anlass zum Eintritt einer Sperrzeit nach § 159 SGB III geben.
Dagegen hat der Kläger am 20. April 2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er mit dem Vermittler der Bundesagentur für Arbeit besprochen habe, dass er zunächst drei bis vier Monate selbst versuchen solle, eine Arbeitsstelle zu finden, und zwar in seinem erlernten Beruf als Wirtschaftsingenieur. Trotz dieser Absprache habe der Vermittler ihm - dem Kläger - Vermittlungsvorschläge für Stellen in Call-Centern übersandt, auf die er sich aufgrund der Absprache mit dem Vermittler nicht beworben habe. Obwohl er den Beklagten von Anfang an über diesen Sachverhalt informiert habe, habe der Beklagte ihm Leistungen bewilligt. Er habe nicht grob fahrlässig gehandelt, da er mit seinem Vermittler bei der Agentur für Arbeit besprochen habe, dass es für die langfristige Stabilisierung auf dem Arbeitsmarkt sinnvoll sei, dass er eine Stelle in seinem Ausbildungsberuf Wirtschaftsingenieur finde und sich hierum intensiv bemühe, anstatt wieder eine Stelle in einem Call-Center anzunehmen.
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Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Zum Eintritt der Sperrzeiten bei der Agentur für Arbeit könne keine Stellung genommen werden. Offensichtlich seien die Sperrzeitbescheide bestandskräftig. Soweit für den Beklagten erkennbar, seien Sperrzeiten überwiegend wegen unzureichenden Eigenbemühungen eingetreten.
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Das SG hat die Akten der Akten der Agentur für Arbeit Rastatt beigezogen und durch Urteil vom 14. Dezember 2015 den Bescheid des Beklagten vom 5. Januar 2015 in der Fassung des Bescheids vom 17. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2015 aufgehoben. Dem Kläger sei kein sozialwidriges Verhalten, welches seine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II herbeigeführt habe, vorzuwerfen. Die Bundesagentur für Arbeit habe zu Unrecht das ihm bewilligte Arbeitslosengeld ab dem 22. Juli 2014 aufgehoben. Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld sei nicht gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 2 SGB III erloschen. Die gegenüber dem Kläger von Seiten der Bundesagentur für Arbeit festgestellten Sperrzeiten erreichten zwar eine Dauer von insgesamt 21 Wochen. Diese Sperrzeiten seien jedoch teilweise zu Unrecht festgestellt. Der Beklagte könne sich nicht auf die Bestandskraft der gegenüber dem Kläger ergangenen Sperrzeitbescheide berufen. Eine Bindung an die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit müsste gesetzlich ausreichend normiert sein. Allein das Nichteinlegen von Rechtsbehelfen gegen die teilweise zu Unrecht festgestellten Sperrzeiten begründe nicht den Vorwurf sozialwidrigen Verhaltens (Hinweis auf Bayerisches Landessozialgericht , Urteil vom 21. März 2012 - L 16 AS 616/10 - Rdnr. 39). Die Bescheide der Bundesagentur für Arbeit über den Eintritt von Sperrzeiten für die Zeit vom 13. Mai 2014 bis zum 26. Mai 2014, 28. Mai 2014 bis zum 10. Juni 2014, 11. Juni 2014 bis zum 24. Juni 2014, 1. Juli 2014 bis zum 14. Juli 2014, 15. Juli 2014 bis zum 28. Juli 2014, 29. Juli 2014 bis zum 11. August 2014, 26. August 2014 bis zum 8. September 2014 und 12. August 2014 bis zum 25. August 2014 wegen fehlender Nachweise von Eigenbemühungen zur Beendigung seiner Arbeitslosigkeit (Bescheide vom 18. Juni 2014, 23. Juni 2014 und 11. August 2014) seien rechtswidrig. Zu Unrecht habe die Bundesagentur für Arbeit des Weiteren durch Bescheid vom 11. August 2014 gegenüber dem Kläger den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer von sechs Wochen wegen des Nichtbewerbens auf einen Vermittlungsvorschlag festgestellt, da die beigefügte Rechtsfolgenbelehrung unzureichend gewesen sei.
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Gegen das dem Beklagten am 22. Dezember 2015 zugestellte Urteil wendet sich dieser mit seiner am 14. Januar 2016 beim LSG Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Durch die Agentur für Arbeit seien mehrere Sperrzeiten festgestellt worden: 29. April 2014 bis zum 19. Mai 2014 drei Wochen Nichtbewerbung Vermittlungsvorschlag Firma B.; 20. Mai 2014 bis zum 2. Juni 2014 zwei Wochen fehlende Eigenbemühungen zum 12. Mai 2014, 3. Juni 2014 bis zum 14. Juli 2014 sechs Wochen Nichtbewerbung Firma T. AG, 15. Juli 2014 bis zum 28. Juli 2014 zwei Wochen fehlende Eigenbemühungen zum 27. Mai 2014, 29. Juli 2014 bis zum 11. August 2014 zwei Wochen fehlende Eigenbemühungen zum 10. Juni 2014, 12. August 2014 bis zum 25. August 2014 zwei Wochen fehlende Eigenbemühungen zum 23. Juni 2014, 26. August 2014 bis zum 8. September 2014 zwei Wochen fehlende Eigenbemühungen zum 7. Juli 2014, 9. September 2014 bis zum 15. September 2014 eine Woche Meldeversäumnis zum 14. Juli 2014, 16. September 2014 bis zum 29. September 2014 zwei Wochen fehlende Eigenbemühungen zum 21. Juli 2014. Unter Vorlage der von der Agentur für Arbeit ... am 24. April 2014 erstellten Eingliederungsvereinbarung hat der Beklagte weiter ausgeführt, dass diese den Vorgaben des SGB III entspreche. Auch die Rechtsfolgenbelehrung des Vermittlungsvorschlages der Agentur für Arbeit ... für die Firma T. AG entspreche den Regelungen des SGB III. Die Agentur für Arbeit habe zu Recht das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld festgestellt. Der Beklagte hat verschiedene VerBIS-Ausdrucke vorgelegt.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Dezember 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
17 
Der Kläger verweist zur Begründung auf das Urteil des SG.
18 
Der Berichterstatter hat den Beklagten durch Verfügung vom 15. Dezember 2016 darauf hingewiesen, dass weder ersichtlich noch den angefochtenen Bescheiden zu entnehmen sei, auf welchen konkreten Sachverhalt der Beklagte den streitigen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II stützten möchte. Der Beklagte habe offensichtlich ohne hinreichende Ermittlungen und ohne Auswertung der vollständigen Verwaltungsakten der Bundesagentur für Arbeit einen Ersatzanspruch angenommen. Auf welchen konkreten Sachverhalt er diesen stützen möchte, sei nicht im Anhörungsschreiben vom 24. September 2014 und in den Bescheiden vom 5. Januar 2015 und 17. März 2015 umrissen. Im Widerspruchsbescheid vom 19. März 2015 werde lediglich pauschal auf das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zum 23. Juli 2014 Bezug genommen. Der Verweis auf bestandskräftige Entscheidungen der Bundesagentur für Arbeit dürfte zu kurz greifen.
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Der Beklagte hat insbesondere auf eine Bindung an die Entscheidungen der Agentur für Arbeit ... verwiesen (Schreiben vom 9. März 2017).
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Der Berichterstatter hat die Beteiligten durch Verfügung vom 26. April 2018 darauf hingewiesen, dass das LSG die Berufung durch Beschluss zurückweisen kann, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz ), und beabsichtigt sei, entsprechend zu verfahren. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und den Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
II.
22 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
23 
1. Der Senat hat über die Berufung gegen das Urteil des SG vom 14. Dezember 2015 ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden können, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 SGG). Der Beklagte hat keine Gründe vorgebracht, die eine mündliche Verhandlung notwendig erscheinen lassen, zumal das SG am 14. Dezember 2015 eine mündliche Verhandlung und der Berichterstatter am 31. März 2017 einen Erörterungstermin durchgeführt haben und der Beklage in diesem Rahmen jeweils die Möglichkeit hatte, sich zu äußern.
24 
2. Die gem. § 143 SGG statthafte und gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG, denn die Klage betrifft einen Ersatzanspruch in Höhe von 2.085,28 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
25 
3. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das SG hat in der Sache zu Recht den Bescheid vom 5. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2015 aufgehoben.
26 
a. Gegenstand des Rechtsstreits bildet der Bescheid vom 5. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2015, mit dem der Beklagte gegenüber dem Kläger hinsichtlich der für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 23. September 2014 erbrachten Leistungen nach dem SGB II einen Ersatzanspruch in Höhe von 2.085,28 EUR festgesetzt hat. Dieser Bescheid hat, unabhängig von der Frage, ob der Beklagte zum Erlass eines Feststellungsbescheids überhaupt ermächtigt gewesen ist (verneinend Sozialgericht Augsburg, Urteil vom 20. November 2017 - S 8 AS 1095/17 - juris Rdnrn. 24 ff.; Sozialgericht Oldenburg, Urteil vom 14. September 2016 - S 47 AS 422/14 - juris Rdnrn. 24 ff.; vgl. ferner Bundessozialgericht , Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 55/12 R - juris Rdnr. 12 zur Befugnis zum Erlass eines sog. Leistungsbescheids), den Feststellungsbescheid vom 4. Dezember 2014 ersetzt und den Rechtsweg insofern neu eröffnet (sog. Zweitbescheid; vgl. dazu z.B. nur BSG, Urteil vom 7. April 2016 - B 5 R 26/15 R - juris Rdnr. 21), da er ohne Bezugnahme auf den zuvor erlassenen Bescheid vom 4. Dezember 2014 in dem Bescheid vom 5. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2015 über den festgesetzten Erstattungsanspruch nunmehr sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach entschieden hat. Dagegen wendet sich der Kläger mit der isolierten Anfechtungsklage.
27 
b. Das SG hat der Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben und den Bescheid vom 5. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2015 aufgehoben. Denn dieser belastende Verwaltungsakt war im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2015 rechtwidrig und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt.
28 
aa. Als Rechtsgrundlage für den vom Beklagten festgesetzten Ersatzanspruch kommt § 34 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung in Betracht (BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 - B 14 AS 3/16 R - juris Rdnrn. 14 f.). Dieser lautet:
29 
„(1) Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Von der Geltendmachung des Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.
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(2) Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. Sie ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.
31 
(3) Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Leistung erbracht worden ist. Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß; der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.“
32 
Nach der Rechtsprechung des BSG führt nicht jedes verwerfliche Verhalten, das eine Hilfebedürftigkeit oder Leistungserbringung nach dem SGB II verursacht, zur Erstattungspflicht nach § 34 SGB II (Urteil vom 2. November 2012 - B 4 AS 39/12 R - BSGE 112, 135 - juris Rdnr.16). Erfasst wird nur ein Verhalten mit spezifischem Bezug, d.h. "innerem Zusammenhang", zur Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit bzw. Leistungserbringung (BSG, Urteil vom 2. November 2012, a.a.O. Rdnr. 15). § 34 SGB XII stellt einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand dar (BSG, Urteil vom 2. November 2012, a.a.O. Rdnr. 17) und normiert eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass existenzsichernde und bedarfsabhängige Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, regelmäßig unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit zu leisten sind. Dieser Grundsatz darf nicht durch eine weitreichende und nicht nur auf begründete und eng zu fassende Ausnahmefälle begrenzte Ersatzpflicht der Leistungsberechtigten konterkariert werden (BSG, Urteil vom 8. Februar 2017, a.a.O. Rdnr. 25; Urteil vom 16. April 2013, a.a.O. Rdnr. 18; Urteil vom 2. November 2012, a.a.O. Rdnr. 19; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juni 2017 - L 19 AS 822/16 - juris Rdnr. 33). Der - mit einer höheren Belastung verbundene - Ersatzanspruch nach § 34 Abs. 1 SGB II setzt nicht nur ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten voraus, vielmehr muss das konkret vorgeworfene Verhalten nach den Wertungen des SGB II sozialwidrig sein, was nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 2. November 2012, a.a.O. Rdnr. 21; Bayerisches LSG, Urteil vom 21. März 2012 - L 16 AS 616/10 - juris Rdnr. 34; Silbermann in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 34 Rdnr. 27). Es muss ein spezifischer Bezug zwischen dem Verhalten und dem Erfolg bestehen, um das Verhalten selbst als "sozialwidrig" bewerten zu können. Die Sozialwidrigkeit des Verhaltens ist deshalb auch nicht erst eine Frage des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes im Einzelfall (BSG, Urteil vom 16. April 2013, a.a.O. Rdnr. 18; Silbermann, a.a.O. Rdnr. 26). Das BSG hat das Tatbestandsmerkmal des "sozialwidrigen Verhaltens" dahingehend umschrieben, dass nur ein Verhalten umfasst wird und damit sozialwidrig ist, das (1) in seiner Handlungstendenz auf die Einschränkung bzw. den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder der Erwerbsmöglichkeit oder (2) die Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit bzw. der Leistungserbringung gerichtet war bzw. hiermit in "innerem Zusammenhang" stand oder (3) ein spezifischer Bezug zu anderen nach den Wertungen des SGB II zu missbilligenden Verhaltensweisen bestand (BSG, Urteil vom 16. April 2013, a.a.O. Rdnr. 20; Urteil vom 2. November 2012, a.a.O. Rdnr. 20). Entgegen den Grundsätzen des SGB II und damit sozialwidrig verhält sich der Betroffene, wenn es ihm aus eigener Kraft möglich gewesen wäre, die Hilfebedürftigkeit i.S. des §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 SGB II abzuwenden und sein Verhalten diesen Möglichkeiten zuwiderläuft. Diesem Verständnis von sozialwidrigem Verhalten entsprechen u.a. die in § 31 SGB II genannten Tatbestände, die zur Absenkung bzw. zum Wegfall des Arbeitslosengeldes II führen. In den dort genannten Fallgruppen drückt sich aus, welches Verhalten als dem Grundsatz der Eigenverantwortung vor Inanspruchnahme der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zuwiderlaufend angesehen wird und damit sozialwidrig ist (BSG, Urteil vom 16. April 2013, a.a.O. Rdnr. 22). Dabei ist die Anwendbarkeit des § 34 SGB II nicht dadurch ausgeschlossen, dass der SGB II-Träger wegen des dem Ersatzanspruch zugrunde liegenden Lebenssachverhalts bereits auf Grundlage des § 31 SGB II eine Pflichtverletzung festgestellt und das Arbeitslosengeld II gemindert hat (BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 - B 14 AS 3/16 R - juris Rdnr. 18). Ein Verhalten, das die Voraussetzungen für die Minderung eines Leistungsanspruchs nach § 31 SGB II erfüllt, kann, muss aber nicht ein sozialwidriges Verhalten i.S. des § 34 SGB II darstellen.
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bb. Die dargestellten Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch lassen sich nicht dem Bescheid vom 5. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2015 entnehmen. Der Beklagte hat in dem Bescheid vom 4. Dezember 2014 auf den Eintritt einer Sperrzeit nach den Vorschriften des SGB III und das Ruhen bzw. Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld verwiesen und in der Sache die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II wiederholt. Ein konkretes Verhalten des Klägers hat er nicht beschrieben. Auch seinen Bescheid vom 5. Januar 2015 hat er mit im Wesentlichen vergleichbaren Gründen versehen. Auch dort wird in der Sache lediglich auf die Feststellung einer Sperrzeit und des Erlöschens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld durch den SGB III-Träger verwiesen. Durch Änderungsbescheid vom 17. März 2015 hat der Beklagte lediglich die Höhe der Ersatzforderung reduziert. Im Widerspruchsbescheid vom 19. März 2015 hat der Beklagte auf seinen Minderungsbescheid vom 24. September 2014 sowie das von der Agentur für Arbeit ... festgestellte Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen des Eintritts von Sperrzeiten nach dem SGB III mit einer Gesamtdauer von mindestens 21 Wochen verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass der Kläger grob fahrlässig seinen Pflichten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit nicht nachgekommen sei. Ein ansatzweise umrissenes konkretes Verhalten des Klägers, das er - der Beklagte - als sozialwidrig werten will, hat er nicht aufgeführt. Dies war ihm auch schon deshalb nicht möglich, weil er sich damit begnügt hat, die Bescheide der Agentur für Arbeit ... vom 10. März 2014 und 11. August 2014 sowie VerBIS-Vermerke der Agentur für Arbeit ... über Beginn, Dauer und Rechtsgrundlage der von der Agentur festgestellten Sperrzeiten beizuziehen. Wie sich das Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Agentur für Arbeit ... konkret entwickelt und wie sich der Kläger in diesem Rahmen im Einzelnen verhalten hat, hat der Beklagte weder ermittelt noch festgestellt. Vor diesem Hintergrund war er von vornherein nicht in der Lage, ein konkretes Verhalten des Klägers in dem angefochtenen Bescheid zu benennen und als sozialwidrig zu bewerten. Mithin hat der Beklagte dem Kläger in der Sache lediglich die durch Bescheid der Agentur für Arbeit ... vom 11. August 2014 getroffene Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit von zwei Wochen und des Erlöschens seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld sowie die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld zum 22. Juli 2014 entgegengehalten. Diese Begründung trägt jedoch nicht den durch den Beklagten verfügten Ersatzanspruch nach § 34 SGB II.
34 
Zunächst begründet der auf § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II gestützte Minderungsbescheid vom 24. September 2014 kein sozialwidriges Verhalten. Zwar schließt ein Sanktionsbescheid nach §§ 31 ff. SGB II eine an dasselbe Verhalten anknüpfende Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach § 34 SGB II nicht aus, jedoch unterscheiden sich die Regelungen der §§ 31 ff. SGB II einerseits und § 34 SGB II andererseits nach Systematik, Sinn und Zweck; sie stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis nur insoweit, als Leistungsminderungen nach §§ 31 ff. SGB II einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II mindern, weil dieser nur die tatsächlich gezahlten Leistungen erfasst (BSG, Urteil vom 8. Februar 2017, a.a.O. Rdnr. 18). Der Sanktionsbescheid des Beklagten vom 24. September 2014 führt also lediglich dazu, dass der Kläger von vornherein ein gemindertes Arbeitslosengeld II bezogen hat und der Minderungsbetrag nicht der Erstattung nach § 34 SGB II unterliegen kann. Weiterhin begründet allein der Umstand, dass die Agentur für Arbeit ... durch Bescheid vom 11. August 2014 das Erlöschen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer (weiteren) Sperrzeit zum 22. Juli 2014 festgestellt und die Bewilligung von Arbeitslosengeld zum 22. Juli 2014 aufgehoben hat, kein sozialwidriges Verhalten. Diese Entscheidung der Agentur für Arbeit entfaltet keine Feststellungswirkung (so im Ergebnis LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. April 2013 - L 19 AS 1303/12 - juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Juni 2012 - L 3 AS 159/12 - juris; Sozialgericht Braunschweig, Urteil vom 23. November 2016 - S 52 AS 456/16 - juris; SG Kassel, Urteil vom 2. Juli 2014 - S 6 AS 873/12 - juris; Reichel in jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014 , § 161 Rdnr. 30.1). Vielmehr hatte der Beklagte einzelfallbezogene Feststellungen und Bewertungen zu dem konkreten Verhalten des Klägers, das er diesem als vorsätzliches oder grob fahrlässiges sozialwidriges Verhalten entgegenhalten möchte, zu treffen.
35 
Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt dem Bescheid der Agentur für Arbeit ... vom 11. August 2014 sowie den vorangegangenen Sperrzeitbescheiden keine Feststellungswirkung zu. Gem. § 77 SGG ist der Verwaltungsakt, gegen den ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt worden ist, für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Danach binden die bestandskräftigen Entscheidungen der Agentur für Arbeit ... bezogen auf den jeweiligen Verfügungssatz über den Eintritt einer Sperrzeit bzw. das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, nicht jedoch hinsichtlich der Begründungselemente und der zugrunde gelegten Sachverhalte (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 1997 – 3 RK 15/96 - BSGE 80, 136 - juris Rdnr. 12; Urteil vom 26. Juni 1990 - 5 RJ 62/89 - juris Rdnr. 19; Urteil vom 26. November 1992 - 7 RAr 38/92 - BSGE 71, 256 - juris Rdnr.18) den Kläger als jeweiligen Adressaten der Verwaltungsakte sowie die Agentur für Arbeit (vgl. § 12 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ). Eine Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten besagt lediglich, dass Behörden und Gerichte die in einem bindenden Bescheid getroffene Regelung, solange sie Bestand hat, als verbindlich hinzunehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit ihren Entscheidungen zugrunde zu legen haben (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 - B 1 KR 25/16 R - juris Rdnr.11; Urteil vom 8. September 2015 - B 1 KR 16/15 R - BSGE 119, 298 - juris Rdnr. 22; Urteil vom 17. September 2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 - juris Rdnr. 42; Urteil vom 19. März 1998 - B 7 AL 86/96 R - juris Rdnr. 21; vgl. ferner zur Bindungswirkung von Entscheidungen des SGB III-Trägers im Rahmen des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. Juni 2016 - L 5 AS 838/15 - juris Rdnr. 33; Berlit in LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 31 Rdnr. 101; S. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, a.a.O., § 31 Rdnr. 81). Im Gegensatz zur sog. Tatbestandswirkung, bei der eine Rechtsvorschrift an die Tatsache anknüpft, dass eine bestimmte Entscheidung, sei es Verwaltungsakt oder Urteil, ergangen ist, zieht die Feststellungswirkung auch Sachverhaltsmerkmale und rechtliche Wertungen in die Bindung mit ein; durch sie wird die betroffene Behörde (oder das Gericht) daran gehindert, über einen Sachverhalt oder eine Rechtsfrage abweichend von dieser Feststellung zu entscheiden (BSG, Urteil vom 19. März 1998, a.a.O.). Eine Feststellungswirkung hinsichtlich der einem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Sachverhaltsmerkmale und rechtlichen Wertungen bedarf einer gesetzlichen Grundlage (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016, a.a.O.; Urteil vom 8. September 2015, a.a.O.; Urteil vom 19. März 1998, a.a.O. Rdnr. 22), die vorliegend aber nicht gegeben ist. Wie bereits dargelegt, unterscheiden sich die Regelungen der §§ 31 ff. SGB II einerseits und § 34 SGB II andererseits nach Systematik, Sinn und Zweck, sodass die im Rahmen des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II angenommene Bindungswirkung nicht auf § 34 SGB II übertragen werden kann, zumal der Tatbestand des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ausdrücklich an eine entsprechende Feststellung der Agentur für Arbeit anknüpft.
36 
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend davon auszugehen, dass die Agentur für Arbeit ... durch Bescheid vom 11. August 2014 gegenüber dem Kläger das Erlöschen seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld und den Eintritt einer Sperrzeit von zwei Wochen festgestellt und die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 22. Juli 2014 ganz aufgehoben hat, mithin die genannten Regelungen gegenüber dem Kläger verfügt hat. Daraus kann allenfalls abgeleitet werden, dass die Bewilligung des Arbeitslosengeldes mit Wirkung zum 22. Juli 2014 ganz aufgehoben worden ist, der Kläger deshalb kein Einkommen mehr bezogen hat und deshalb Hilfebedürftigkeit eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 - B 14 AS 3/16 R - juris Rdnrn. 19 ff.). Daraus kann jedoch nicht automatisch ein sozialwidriges Verhalten i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II abgeleitet werden. Dazu hätte der Beklagte den der Feststellung einer (weiteren) Sperrzeit und des Erlöschens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zum 22. Juli 2014 zugrunde liegenden Sachverhalt konkret feststellen und einer einzelfallbezogenen Bewertung im Hinblick auf eine Sozialwidrigkeit des Verhaltens des Klägers unterziehen müssen. Dies hat er - wie dargelegt - nicht getan.
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cc. Es ist Aufgabe des Beklagten, alle Tatsachen zu ermitteln, die zum Erlass eines Verwaltungsakts notwendig sind. Dies folgt aus dem in § 20 SGB X festgeschriebenen Untersuchungsgrundsatz, dessen Reichweite sich nach dem jeweiligen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens richtet (BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 - B 14 AS 30/14 R - juris Rdnr. 18 m.w.N.). Es müssen somit alle Tatsachen ermittelt werden, die für die Verwaltungsentscheidung wesentlich im Sinne von entscheidungserheblich sind. Ein Absehen von Ermittlungen ist nur zulässig, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, sie offenkundig ist oder als wahr unterstellt werden kann oder das Beweismittel unerreichbar ist.
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Dementsprechend durfte es der Beklagte bei seiner Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 34 SGB II für einen Ersatzanspruch vorlagen, nicht ungeklärt lassen, wie sich der Kläger im Sozialrechtsverhältnis mit der Agentur für Arbeit ... konkret verhalten hat und welche Verhaltensweisen zur Verfügung der Sperrzeit, des Erlöschens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld und zur Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld zum 22. Juli 2014 geführt haben. Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist der Beklagte nach Beiziehung der Bescheide der Agentur für Arbeit ... vom 10. März 2014 und 11. August 2014 davon ausgegangen, dass die Bewilligung des Arbeitslosengeldes mit Wirkung zum 22. Juli 2014 ganz aufgehoben worden ist und der Kläger deshalb kein Einkommen mehr bezogen hat. Es kam dann bei der weiteren Prüfung eines Ersatzanspruchs nach § 34 SGB II aber nicht - wie der Beklagte offensichtlich meint - auf die vom SGB III-Träger verfügten Sperrzeiten und das festgestellte Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld an, sondern der Beklagte war gehalten, selbst die erforderlichen Ermittlungen zu dem den Entscheidungen der Agentur für Arbeit ... zugrunde liegenden Sachverhalten durchzuführen.
39 
Nach den allgemeinen Regeln für die Darlegungs- und Beweislast gilt, dass derjenige die objektiven Tatsachen darlegen muss, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Dies betrifft sowohl das Vorhandensein von positiven, als auch das Fehlen von negativen Tatbestandsvoraussetzungen (BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, a.a.O. Rdnr. 20 m.w.N.). Damit trägt der Beklagte nicht nur die objektive Beweislast für die belastende Feststellung des Ersatzanspruchs, sondern er ist bereits im vorherigen Verfahrensstadium verpflichtet, die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Norm, auf die er seine Verwaltungsentscheidung stützt, zu ermitteln und entsprechend festzustellen, damit sich der Leistungsberechtigte im Verfahren mit seiner Argumentation auf die die Entscheidung tragenden Gründe einrichten kann (BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, a.a.O. Rdnr. 20).
40 
Der Senat war aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG nicht verpflichtet, die vom Beklagten unterlassene Ermittlung zu dem Verhalten des Klägers im Sozialrechtsverhältnis nach dem SGB III als Voraussetzung für die Annahme eines sozialwidrigen Verhaltens nachzuholen. Die Gerichte sind grundsätzlich verpflichtet, den angefochtenen Verwaltungsakt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen (vgl. §§ 54 Abs. 2 Satz 1, 103 SGG); die beklagte Behörde kann deshalb im Laufe des Gerichtsverfahrens neue Tatsachen und Rechtsgründe "nachschieben" (BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, a.a.O. Rdnr. 23 m.w.N auch zum Folgenden.). Hinsichtlich eines solchen Nachschiebens von Gründen gibt es jedoch bei belastenden Verwaltungsakten, die im Wege der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, Einschränkungen, wenn die Verwaltungsakte dadurch in ihrem Wesen verändert werden und der Betroffene infolgedessen in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden kann. Da die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsakts mit einer völlig neuen tatsächlichen Begründung dem Erlass eines neuen Verwaltungsakts gleichkommt, würde das Gericht andernfalls entgegen dem Grundsatz der Gewaltentrennung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) selbst aktiv in das Verwaltungsgeschehen eingreifen. Eine solche Änderung des "Wesens" eines Verwaltungsakts, das in Anlehnung an den Streitgegenstand eines Gerichtsverfahrens bestimmt werden kann, ist u.a. angenommen worden, wenn die Regelung auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt wird, z.B. bei einem Streit um die Höhe einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Laufe des Gerichtsverfahrens ein weiteres Element der Rentenberechnung vom Rentenversicherungsträger in Abrede gestellt wird, oder wenn auf eine andere Rechtsgrundlage zurückgegriffen werden soll, die einem anderen Zweck dient. In reinen Anfechtungssachen ist das Nachschieben eines Grundes durch die Behörde regelmäßig unzulässig, wenn dieser umfassende Ermittlungen seitens des Gerichts erfordert, die Behörde ihrerseits insofern keine Ermittlungen angestellt hat und der Verwaltungsakt hierdurch einen anderen Wesenskern erhält, weil dann der angefochtene Verwaltungsakt - bei einem entsprechenden Ergebnis der Ermittlungen - mit einer wesentlich anderen Begründung Bestand hätte.
41 
Nach diesen Voraussetzungen zielt der Vortrag des Beklagten aus dem Schriftsatz vom 24. Februar 2016 unter Vorlage der von der Agentur für Arbeit ... am 24. April 2014 erstellten Eingliederungsvereinbarung, VerBIS-Vermerken zu Stellenangeboten sowie Beratungsvermerken der Agentur für Arbeit ... auf eine Wesensänderung des angefochtenen Bescheids über den Ersatzanspruch ab, weil dieser ausschließlich auf die vorangegangen Entscheidungen des SGB III-Trägers über Sperrzeit, das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld und die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld gestützt und mangels weiterer Ermittlungen des Beklagten zum konkreten Verhalten des Klägers offenkundig rechtswidrig war. Trotz des Zusammenhangs zwischen dem Herbeiführen der Hilfebedürftigkeit infolge der Feststellung des Eintritts einer (weiteren) Sperrzeit und des Erlöschens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld seitens der Agentur für Arbeit ... sowie einem sozialwidrigen Verhalten des Klägers sind es grundlegend verschiedene Prüfungspunkte, bei denen eigenständige Ermittlungen erforderlich sind. Unter Berücksichtigung des Inhalts der angefochtenen Bescheide sowie der Verwaltungsakten des Beklagten ist nicht ersichtlich, von welchem konkreten Verhalten des Klägers der Beklagte ausgeht und was er als sozialwidrig bewerten möchte. Es handelt sich mithin nicht nur um eine Ergänzung des Sachverhalts, auf den der Beklagte seine Entscheidung gestützt hat, sondern um die umfassende Prüfung einer weiteren Voraussetzung für den angefochtenen Bescheid über den Ersatzanspruch, die der Beklagte bisher nicht beachtet hatte und deren Prüfung und Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht in erster Linie von ihm durchzuführen war. Außerdem wären hierdurch die Verteidigungsmöglichkeiten des Klägers erheblich erschwert worden, weil die gesonderte Ermittlung und Bewertung der tatsächlichen Vorkommnisse im Jahr 2014 im Sozialrechtsverhältnis nach dem SGB III allein wegen des Zeitablaufs mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre. Im Rahmen einer Anfechtungsklage ist es Aufgabe des Gerichts, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu überprüfen, nicht aber die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts erst zu schaffen.
42 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
43 
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

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