Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 4 KR 2253/19

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Februar 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der Kosten für ambulant durchgeführte Liposuktionen streitig.
Die 1979 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an einem Lipödem, wobei insbesondere Ober- und Unterschenkel beidseits sowie Ober- und Unterarme betroffen sind.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2014, bei der Beklagten eingegangen am 2. Juli 2014, beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für Liposuktionen im Bereich von Ober- und Unterschenkeln sowie Ober- und Unterarmen und legte ausführlich die Entwicklung ihrer Erkrankung und ihre Beschwerden (Bewegungseinschränkungen, Druck- und Spannungsschmerzen, Berührungsempfindlichkeit) dar. Mit gesunder Ernährung sowie viel Bewegung und regelmäßigem Sport sei eine Besserung nicht zu erzielen. Auch Lymphdrainage und das Tragen von Kompressionsstrümpfen führe zu keiner Schmerzlinderung oder Besserung des Lipödems. Im Übrigen sei das konsequente Tragen von Kompressionsstrumpfhosen an heißen Tagen nicht möglich, da wegen der sich stauenden Hitze mehrmals täglich eine Intimpflege notwendig sei und gehäuft Vaginalpilze aufträten. Sie legte die ärztlichen Bescheinigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin/Phlebologie, Lymphologie Dr. K. vom 10. Juni 2014, der Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe F. vom 24. Juni 2014 und der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. H. vom 24. Juli 2014 vor. Dr. K. beschrieb ein Lipödem beidseits (ausgeprägtes Ödem vom Ober- und Unterschenkeltyp sowie an Ober- und Unterarmen) ohne Zeichen einer Lymphabflussstörung und führte aus, dieses könne im Wesentlichen weder diätisch noch durch Sport beeinflusst werden. Eine Therapie sei letztlich nur durch Liposuktion möglich. Mit Schreiben vom 3. Juli 2014 veranlasste die Beklagte ein Gutachten durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Mit Schreiben vom selben Tag teilte sie der Klägerin mit, dass sie zur Prüfung der Kostenübernahme ein Gutachten benötige. Nach Weiterleitung der vom MDK noch für erforderlich erachteten und von der Klägerin vorgelegten medizinischen Unterlagen empfahl Dr. Sch. die Kostenübernahme für die Liposuktionen nicht (Gutachten vom 10. Juli 2014). Bei der Klägerin liege ein Übergewicht vor, weshalb zunächst eine Gewichtsabnahme erfolgen solle. Zudem sollte sich die Klägerin im Hinblick auf ihre Ernährung und ihre sportlichen Aktivitäten fachkundig beraten lassen. Eine umfangreiche internistisch/endokrinologische Abklärung sei bisher nicht erfolgt, weshalb diese angesichts der angegebenen generalisierten Ödembildung empfohlen werde.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung ab, bei der beantragten Liposuktion handele es sich um eine außervertragliche Behandlungsmethode. Die Ödembildung sei keine lebensbedrohliche Erkrankung. Eine Dokumentation über eine qualifizierte Bewegungs- oder Ernährungsberatung liege nicht vor. Ärztliche Befunde über eine umfangreiche internistische, endokrinologische oder rheumatologische Abklärung seien nicht dokumentiert. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und wandte sich gegen das Gutachten der Dr. Sch. Diese habe ein Übergewicht diagnostiziert, ohne zu berücksichtigen, dass angesichts der krankhaft erhöhten Konzentration des Unterfettgewebes und der angesammelten Lymphflüssigkeit kein aussagekräftiger BMI zu ermitteln sei. Sie habe qualifizierte Ernährungs- und Bewegungsberatung in Anspruch genommen und erhalte regelmäßig Lymphdrainage. Die Beklagte veranlasste ein weiteres Gutachten des MDK, wobei Dr. Me. im Rahmen ihrer Ausführungen vom 18. August 2014 die Kostenübernahme gleichermaßen nicht empfahl. Nach Vorlage des Berichts des Dr. C., CG Lympha - Fachklinik für Operative Lymphologie - vom 21. August 2014, der die Klägerin am 12. August 2014 untersucht hatte, zog die Beklagte erneut den MDK hinzu, wobei Dr. Me. die Kostenübernahme für die begehrte Liposuktion weiterhin nicht befürwortete (Gutachten vom 24. September 2014). Daraufhin informierte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 30. September 2014 unter der Überschrift „Ihr Widerspruch vom 02.08.2018 gegen die Ablehnung der beantragten Liposuktion“, dass die Kostenübernahme der beantragten Liposuktion nicht möglich sei. Zwei Gutachter seien unabhängig voneinander zu keiner anderen Beurteilung gelangt. Das Schreiben enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung (einmonatige Widerspruchsmöglichkeit).
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 beantragte die Klägerin ihren „Antrag auf Liposuktion vorübergehend“ ruhend zu stellen, was die Beklagte der Klägerin wunschgemäß bestätigte.
Nach Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen veranlasste die Beklagte eine erneute Stellungnahme des MDK, wobei Dr. Me. die Übernahme der Kosten von Liposuktionen weiterhin nicht empfahl (Gutachten vom 9. April 2015). Mit Schreiben vom 14. April 2015 teilte die Beklagte der Klägerin unter der Überschrift „Ablehnung der Liposuktion - Einreichung weiterer Unterlagen“ und unter Bezugnahme auf den am 2. August 2014 eingelegten Widerspruch daraufhin mit, dass der MDK auch nach Prüfung der nachgereichten Unterlagen zu keiner anderen Beurteilung gelangt sei. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme der Liposuktion durch die gesetzliche Krankenversicherung seien nicht gegeben. Auch dieses Schreiben enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung (einmonatige Widerspruchsmöglichkeit).
Mit Schreiben vom 10. Mai 2015 bat die Klägerin erneut, ihren Antrag vorübergehend ruhend zu stellen, was die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 28. Mai 2015 erneut wunschgemäß bestätigte.
Am 3. November 2015 ging bei der Beklagten der Schriftsatz des von der Klägerin nunmehr Bevollmächtigten Rechtsanwalts vom 2. November 2015 ein, mit dem dieser zunächst auf das anhängige Widerspruchsverfahren Bezug nahm und sodann weiter ausführte, der Zustand der Klägerin habe sich „drastisch verschlechtert, womit insgesamt eine neue Antragstellung erforderlich wird“. Die Klägerin sei am 22. Oktober 2015 in der S. Clinik M. (Tochterunternehmen der S. H. GmbH) untersucht worden, wobei nunmehr ein Lipödem der Beine Grad 3 und ein Lipödem an den Oberarmen und dem Abdomen Grad 2 festgestellt worden sei. Sie beantragte die Kosten für die notwendigen Liposuktionseingriffe zu übernehmen, und legte den Befundbericht der S. Clinik sowie Kostenvoranschläge vom 27. Oktober 2015 für ambulante Liposuktionen in einer Gesamthöhe von 16.000,00 EUR (Oberschenkel beidseits: 6.000,00 EUR, Unterschenkel beidseits: 2.500,00 EUR, Oberarme beidseits: 2.000,00 EUR, Unterarme beidseits: 1.000,00 EUR, Abdomen, Flanke: 4.500,00 EUR) vor. Mit Schreiben vom 3. November 2015 teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten der Klägerin mit, dass der „Widerspruch vom 02.11.2015“ eingegangen und an die Widerspruchsstelle weitergeleitet worden sei. Mit Schreiben vom 10. November 2015 wies dieser darauf hin, dass aufgrund der Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustandes der Klägerin nicht nur ein Widerspruch über die bisher verweigerte Kostenübernahme vorliege, sondern insgesamt ein neuer Antrag gestellt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch gegen den „Bescheid vom 18. Juli 2014“ zurück und führte zur Begründung aus, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien so lange von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, bis der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) sie als zweckmäßig anerkannt habe. Über die Zulassung der Liposuktion habe der GBA bisher noch nicht entschieden. Mit Beschluss vom 22. Mai 2014 sei ein Beratungsverfahren zu Bewertung der Liposuktion bei Lipödem eingeleitet worden. Soweit eine Behandlungsmethode ausnahmsweise außerhalb der Zulassung unter den engen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung begründe, lägen die entsprechenden Voraussetzungen nicht vor. Weder liege eine lebensbedrohliche Erkrankung vor, noch fehle es an alternativen Therapiemöglichkeiten und es seien auch keine Forschungsergebnisse vorhanden, die erwarten ließen, dass die Liposuktion für die in Rede stehende Indikation zugelassen werden könne, da wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken nicht vorlägen.
Am 5. Februar 2016 erhob die anwaltlich vertretene Klägerin gegen den Bescheid vom 18. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2016 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) mit dem Begehren Klage, sie mit Liposuktionen zur Behandlung beider Arme und Beine sowie von Abdomen und Gesäßregion zu versorgen. Sie legte ausführlich ihre Beschwerden dar, durch die ihre Lebensqualität stark eingeschränkt sei und machte geltend, konservative Maßnahmen könnten die Beschwerden zwar stellenweise lindern, jedoch reichten diese nicht aus, das krankhafte Fettzellverteilungsmuster nachhaltig zu beseitigen. Trotz einer unterkalorischen Ernährung von 1.200 kcal pro Tag komme es immer wieder zu einer schubweisen Gewichtszunahme. Ihr sei nicht zumutbar zuzuwarten, bis weitere Schübe aufträten. Der geltend gemachte Anspruch stehe ihr bereits deshalb zu, weil die Beklagte ihren Antrag vom 2. November 2015 nicht innerhalb von drei bzw. fünf Wochen beschieden habe. Dieser Antrag sei ausdrücklich als Neuantrag bezeichnet worden, weshalb gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V die Genehmigungsfiktion eingetreten sei, und zwar bereits vor Bekanntgabe des Bescheids vom 18. Januar 2016. Dieser sei daher rechtswidrig.
10 
In der S. Clinik S. (Tochterunternehmen der S. H. GmbH, Betreiber L. Ä. GMbH & Co. KG) wurden bei der Klägerin am 18. Februar, 14. und 29. September 2016 im Rahmen ambulanter Behandlungen Liposuktionen im Bereich der Oberschenkel durchgeführt.
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Die Beklagte trat der Klage mit dem Hinweis entgegen, dass die gesetzliche Krankenversicherung Kosten für eine Liposuktion nicht übernehmen dürfe, da die in Rede stehende Behandlungsmethode bisher nicht vom GBA bewertet und zugelassen sei. Der geltend gemachte Anspruch stehe der Klägerin auch nicht Kraft Genehmigungsfiktion zu. Soweit im Widerspruchsverfahren weitere Unterlagen vorgelegt und ein Neuantrag formuliert worden sei, sei dies Inhalt des Widerspruchsverfahrens geworden.
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Das SG hörte die Internistin/Endokrinologie Dr. F., die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. N., den Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologe Dr. B., die Ärztin für Psychiatrie P., den Arzt für Chirurgie Dr. Wa. und den Chirurgen L. (Leitender Arzt der S. Lounge in M.) schriftlich als sachverständige Zeugen an. Letzterer berichtete in seiner am 18. Oktober 2016 beim SG eingegangenen Auskunft (ohne Datum) von ambulant durchgeführten Liposuktionen in Stuttgart am 18. Februar sowie 14. und 29. September 2016 im Bereich der Oberschenkel.
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Mit Gerichtsbescheid vom 6. Februar 2017 wies das SG die Klage, die die Klägerin im Hinblick auf die Liposuktionen im Bereich der Oberschenkel auf Kostenerstattung umgestellt hatte, ab. Der der Klägerin stehe hinsichtlich der streitigen Leistungen kein Naturalleistungsanspruch zu, so dass weder ein Kostenerstattungsanspruch noch ein Sachleistungsanspruch bestehe. Im Hinblick auf das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V normierte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt scheide ein Naturalleistungsanspruch aus. Denn neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden - wie die vorliegend streitige Liposuktion - gehörten in der vertragsärztlichen Versorgung nur dann zu den von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben habe. Dies sei hinsichtlich der Liposuktion nicht der Fall. Der geltend gemachte Anspruch lasse sich auch nicht auf § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V stützen. Diese Regelung greife nicht bei jeglichen Leistungsansprüchen ein, sondern nur dann, wenn sich der Antrag auf Leistungen beziehe, die grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten, was hinsichtlich der streitigen Liposuktionen gerade nicht der Fall sei.
14 
Am 7. März 2017 hat die anwaltlich vertretene Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung (L 4 KR 880/17) eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, bezüglich der durchgeführten Liposuktionen sei die Genehmigungsfiktion eingetreten. Gestützt auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. März 2016 (B 1 KR 25/15 R) hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, die Fiktionswirkung beschränke sich nicht auf Leistungen, die bereits Gegenstand des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung seien. Die Begrenzung auf „erforderliche“ Leistungen führe lediglich zu einer Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung lägen. Sie führe damit lediglich zu einer Missbrauchskontrolle. Liposuktionen seien dem Grunde nach Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung lägen. Hierfür spreche auch der Umstand, dass der GBA derzeit ein Bewertungsverfahren durchführe.
15 
Mit Beschluss vom 27. April 2017 ordnete die frühere Berichterstatterin des Verfahrens im Hinblick auf das beim BSG anhängig gewesene Verfahren B 1 KR 1/17 R das Ruhen des Verfahrens an.
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Nach Wiederanrufung des Verfahrens am 9. Juli 2019 bekräftigte die Klägerin unter Berufung auf das Urteil des BSG vom 11. Juli 2017 (B 1 KR 1/17 R) ihre Auffassung, wonach die Genehmigungsfiktion eingetreten und die Beklagte zur Leistung verpflichtet sei. Ihr Anspruch ergebe sich aus § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V. Die Klägerin legte Quittungen der L – Z. für S. und Ä. (L. Ä. GmbH & Co. KG) vom 18. Februar 2016 („Beschreibung“ der erbrachten Leistung: 4-Body-Treatment, Bruttobetrag: 6.000,00 EUR) und 27. Oktober 2016 („Beschreibung“ der erbrachten Leistung: 4-Body-Treatment, Bruttobetrag: 4.500,00 EUR) sowie Rechnungen der L. Ä. GmbH & Co. KG vom 31. Januar 2018 über 3.500,00 EUR („Beschreibung“ der erbrachten Leistung: Slimlipo OP), 18. Mai 2018 über 2.000,00 EUR („Beschreibung“ der erbrachten Leistung: Slimlipo OP, Waden, Knie) und 14. November 2018 über 2.900,00 EUR („Beschreibung“ der erbrachten Leistung: Slimlipo) vor.
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Die Klägerin beantragt (vgl. Bl. 27 Senatsakte), teilweise sachdienlich gefasst,
18 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Februar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 19.300,00 EUR nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 6.000,00 EUR seit 18. Februar 2016, aus weiteren 4.500,00 EUR seit 27. Oktober 2016, aus weiteren 3.500,00 EUR seit 5. Februar 2018, aus weiteren 2.000,00 EUR seit 14. Mai 2018 sowie aus weiteren 2.900,00 EUR seit 12. November 2018 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Sie ist der Auffassung, dass eine Genehmigungsfiktion nicht eingetreten sei, da sie über den Antrag der Klägerin vom 26. Juni 2014 nach Information vom 3. Juli 2014, dass der MDK eingeschaltet werde, mit Bescheid vom 18. Juli 2014 vor Ablauf der Frist von fünf Wochen entschieden habe. Im nachfolgendem Widerspruchsverfahren, das auf Antrag der Klägerin zweimal ruhend gestellt worden sei, habe die Klägerin weitere Unterlagen vorgelegt, wobei dieses dann durch Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2016 beendet worden sei. Soweit ihr Bevollmächtigter am 2. November 2015 Bezug genommen habe auf das Widerspruchsverfahren und wegen der Verschlechterung des Zustandes der Klägerin einen neuen Antrag gestellt habe, habe es sich um denselben Antrag gehandelt, dessentwegen das Widerspruchsverfahren geruht habe. Das Ruhen sei daraufhin beendet und das Widerspruchsverfahren mit Widerspruchsbescheid abgeschlossen worden. Der Antrag vom 2. November 2015, der bereits in dieser Form vorgelegen habe, sei Inhalt des Widerspruchsverfahrens geworden und habe keine neue Genehmigungsfrist ausgelöst. Abweichend von dem Urteil des BSG vom 11. Juli 2017 (B 1 KR 1/17 R), das sich mit der Frage beschäftigt habe, ob eine Leistung offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liege, sei vorliegend bereits ein Ablehnungsbescheid ergangen.
22 
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
23 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Klägerin begehrt die Zahlung von 19.300,00 EUR.
25 
2. Mit der Berufung begehrt die anwaltlich vertretene Klägerin zuletzt allein im Wege der allgemeinen Leistungsklage die Kostenerstattung i.H. von 19.300 EUR für die in den Jahren 2016 und 2018 durchgeführten Liposuktionen aufgrund der von ihr angenommenen Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Sätze 6 und 7 SGB V. Die ursprünglich gegebene objektive Klagehäufung (§ 56 SGG), nämlich die allgemeine Leistungsklage auf Kostenerstattung und die (isolierte) Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 1/18 R – juris, Rn. 8; Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 18/18 R – juris, Rn. 8 ff.; Urteile vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 21/19 R – juris, Rn. 7, und B 1 KR 9/18 R – juris, Rn. 8), wurde in der Berufung nicht mehr aufrechterhalten. Das von der Klägerin im Klageverfahren zunächst mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Begehren, die Liposuktionen als Sachleistungen zu gewähren, stellte die Klägerin im Hinblick auf die im Februar und Oktober 2016 durchgeführten Behandlungen im Wege der zulässigen Klageänderung (vgl. § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG) insoweit auf Kostenerstattung um. Nachdem die Klägerin dieses Begehren zunächst auch noch im Berufungsverfahren weiterführte, stellte sie ihr Klagebegehren im Hinblick auf die im Jahr 2018 erfolgten weiteren Liposuktionen - erneut im Wege der zulässigen Klageänderung - schließlich auch insoweit auf Kostenerstattung um und beschränkte ihren Antrag (gestützt auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V und den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V) dabei gleichzeitig auf ihr Erstattungsbegehren, ohne die Anfechtungsklage weiterzuführen (vgl. Schriftsatz vom 9. Juni 2020). Damit sind die Bescheide vom 18. Juli 2014, 30. September 2014 und 14 April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (§§ 86, 95 SGG) vom 18. Januar 2016 bestandskräftig und in der Sache bindend geworden (vgl. § 77 SGG). Nachdem die Klägerin aber keine zukünftigen Naturalleistungsansprüche (Liposuktionen), sondern nur die Kostenerstattung für bereits während des Klage- und Berufungsverfahren durchgeführte Liposuktionen aufgrund der von ihr angenommenen Genehmigungsfiktion begehrt, steht die Bestandskraft der Ablehnungsentscheidung dem nunmehr geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen.
26 
Die allgemeine Leistungsklage ist gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Darauf, dass nach der neuesten Rechtsprechung des BSG § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V keinen eigenständigen Anspruch auf Versorgung mit einer Naturalleistung begründet (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R – juris, Rn. 10 ff.), kommt es vorliegend nicht an. Denn die Klägerin stützt ihr Kostenerstattungsbegehren allein auf die Kostenerstattungspflicht nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V und begehrt keine zukünftigen Leistungen.
27 
3. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage in Bezug auf ihr Erstattungsbegehren, das alleiniger Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, zu Recht abgewiesen. Denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Versorgung mit der beanspruchten Liposuktion kraft fingierter Genehmigung nicht zu.
28 
Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (Satz 4). Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (Satz 9).
29 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin erfüllt zwar die Eingangsvoraussetzungen dieser Regelung (dazu aa). Die Beklagte lehnte jedoch den Leistungsantrag der Klägerin fristgerecht ab (dazu bb). Soweit die Klägerin während des Widerspruchsverfahrens ausdrücklich einen „neuen“ Antrag auf Gewährung der Liposuktionen stellte, löst dieser eine Genehmigungsfiktion nicht aus (dazu cc).
30 
aa) Der zeitliche Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V ist eröffnet, da die Klägerin ihren Antrag auf künftig zu erbringende Leistungen am 2. Juli 2014, mithin nach dem 26. Februar 2013 stellte (BSG, Urteil vom 26. September 2017 – B 1 KR 6/17 R – juris, Rn. 12). Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn die Klägerin verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung. Sie ist als bei der Beklagten gesetzlich Krankenversicherte auch Leistungsberechtigte im Sinne dieser Vorschrift. Sie beantragte als Leistung hinreichend bestimmt Liposuktionen an den Ober- und Unterschenkeln beidseits und den Ober- und Unterarmen beidseits und untermauerte ihr Begehren mit dem ihrem Antrag beigefügten Attest des von ihr konsultierten Mediziners, Facharzt für Allgemeinmedizin/Phlebologie und Lymphologie Dr. K. vom 10. Juni 2014, der eine Therapie des Lipödems letztendlich nur durch eine Liposuktion für möglich erachtete. Der Antrag ist mithin ausreichend konkretisiert, um als Grundlage für eine fingierte Genehmigung dienen zu können. Die Klägerin durfte schließlich aufgrund der fachlichen Befürwortung ihres Antrags durch ihren Arzt Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems für geeignet und erforderlich halten (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R – juris, Rn. 22; Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R – juris, Rn. 22 ff.).
31 
bb) Die Beklagte lehnte den Antrag jedoch innerhalb der mit dem 3. Juli 2014 (dazu (1)) beginnenden Fünf-Wochen-Frist (dazu (2)), fristgerecht ab (dazu (3)).
32 
(1) Maßgeblich für den Fristbeginn war der Eingang des Antrags bei der Beklagten. Danach begann die Frist am 3. Juli 2014 zu laufen (vgl. § 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Denn der mit Schreiben vom 26. Juni 2014 gestellte Antrag der Klägerin ging der Beklagten am 2. Juli 2014 zu. Dies entnimmt der Senat dem Eingangsstempel der Beklagten auf dem Antragsschreiben der Klägerin.
33 
(2) Die Frist endete am 6. August 2014 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB).
34 
Nach dem aufgezeigten Regelungssystem galt die gesetzliche Fünf-Wochen-Frist (vgl. § 13 Abs. 3a Satz 1 Fall 2 SGB V). Denn die Beklagte informierte die Klägerin innerhalb der drei Wochen nach Antragseingang darüber, dass sie eine Stellungnahme des MDK einhole (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R – juris, Rn. 29). Die Drei-Wochen-Frist endete am 23. Juli 2014. Die Beklagte informierte die Klägerin vorliegend mit Schreiben vom 3. Juli 2014 und nahm am Folgetag zudem telefonisch Kontakt mit der Klägerin auf, um weitere medizinische Unterlagen anzufordern, die die Klägerin mit E-Mail vom 6. Juli 2014 nachreichte.
35 
(3) Die Beklagte lehnte den Antrag innerhalb der danach maßgeblichen Fünf-Wochen-Frist fristgerecht ab.
36 
Maßgeblich für die Wahrung der Fristen des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V ist die Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides, also dessen Zugang (§ 37 Abs. 1 SGB X; BSG, Urteile vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R – juris, Rn. 29 und 26. September 2017 – B 1 KR 8/17 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Die Verwaltungsakte der Beklagten enthält zwar hinsichtlich des Bescheides vom 18. Juli 2014 keinen Absendevermerk, so dass die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X nicht greift. Jedoch bestätigte die Klägerin mit ihrem Widerspruchsschreiben vom 2. August 2014 den Zugang des Bescheides am 19. Juli 2014, mithin innerhalb der am 6. August 2014 endenden Fünf-Wochen-Frist.
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cc. Aufgrund des mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 2. November 2015 gestellten „neuen“ Antrags trat eine Genehmigungsfiktion nicht ein.
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(1) Die Regelung des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V findet auf den während des Widerspruchsverfahrens vom Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 2. November 2015 gestellten „neuen“ Antrag keine Anwendung. Mit diesem Schreiben stellte die Klägerin keinen neuen „Antrag auf Leistungen“ im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V. Sie nahm damit Bezug auf den bereits gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten für Liposuktionen, machte eine drastische Verschlechterung ihres Zustandes geltend und schloss daraus („womit“), dass „insgesamt eine neue Antragstellung erforderlich wird“. Die Verschlechterung begründete sie nachfolgend damit, dass anlässlich der Untersuchung in der S. Clinik M. am 22. Oktober 2015 ein Lipödem Grad 3 (bisher Grad 2) im Bereich der Beine und ein Lipödem Grad 2 an den Oberarmen und dem Abdomen festgestellt worden sei. Zum Zeitpunkt dieser „neuen Antragstellung“ hatte die Beklagte bereits über den am 2. Juli 2014 gestellten und gleichermaßen auf die Gewährung von Liposuktionen gerichteten Leistungsantrag der Klägerin entschieden und diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Juli 2014 fristgerecht abgelehnt. Durch ihren Widerspruch gegen diesen Bescheid war das von der Klägerin mit ihrem Antrag vom 2. Juli 2014 zuvor eröffnete Verwaltungsverfahren (vgl. § 8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) noch nicht abgeschlossen und das durch den Widerspruch eingeleitete Vorverfahren ruhte (erneut) auf den ausdrücklichen Wunsch der Klägerin. Damit stellte sich die mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 2. November 2015 vorgebrachte Verschlimmerung der Lipödeme der Sache nach auch nicht als Leistungsantrag dar, sondern vor dem Hintergrund der zur Begründung aufgeführten, zuvor am 22. Oktober 2015 erfolgten Vorstellung der Klägerin in der S. Clinik M. vielmehr als ergänzender Sachvortrag im Widerspruchsverfahren im Hinblick auf den am 2. Juli 2014 gestellten Leistungsantrag, zumal das Leistungsziel (Liposuktion) immer gleich blieb.
39 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass die Klägerin nach den Ausführungen ihres Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 2. November 2015 angesichts der Verschlimmerung die Stellung eines „neuen“ Antrags für erforderlich erachtete und ein neuer Antrag - wie im nachfolgenden Schreiben vom 10. November 2015 ausdrücklich bekräftigt - auch tatsächlich gewollt war. Schon das Vorgehen der Klägerin im Anschluss an den in Rede stehenden Antrag vom 2. November 2015 lässt erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass die Klägerin mit dem gestellten „neuen Antrag“ tatsächlich das Ziel verfolgte, im Hinblick auf die Gewährung der beanspruchten Liposuktionen ein weiteres Verwaltungsverfahren mit dem Ziel der Verbescheidung dieses Antrags einzuleiten. Denn das neue Vorbringen, wonach es zu einer Verschlimmerung gekommen sei, war von der Beklagten ohnehin in dem laufenden Vorverfahren bzw. vom Widerspruchsausschuss im Hinblick auf den das Widerspruchsverfahren abschließenden Widerspruchsbescheids zu berücksichtigen, weshalb die Vermutung naheliegt, dass eigentliches Ziel dieses „neuen“ Antrags war, im Hinblick auf die beanspruchte Liposuktion eine günstige Entscheidung kraft Genehmigungsfiktion zu erreichen. Entsprechend mahnte die Klägerin im Anschluss an das Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10. November 2015, mit dem sie die neue Antragstellung nochmals bestätigt hatte, auch zu keinem Zeitpunkt die Erledigung dieses „neuen Antrags“ an. So erinnerte sie weder im Anschluss an das Schreiben der Beklagten vom 23. Dezember 2015, mit dem diese mitgeteilt hatte, dass der Widerspruchsausschuss voraussichtlich am 18. Januar 2016 über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 18. Juli 2014 entscheiden werde, an dessen Erledigung noch nach Erlass des Widerspruchsbescheids am 18. Januar 2016, der ihrem Bevollmächtigten am 22. Januar 2016 zuging. Stattdessen findet der Antrag vom 2. November 2015 erstmals wieder Erwähnung im Klagebegründungsschriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 5. Februar 2016, mit dem die Klägerin nunmehr geltend machte, die Beklagte habe über ihren Antrag vom 2. November 2015 nicht innerhalb von drei bzw. fünf Wochen entschieden, weshalb die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten sei. Vor diesem Hintergrund stellt sich letztlich der „neue“ Antrag während des laufenden Widerspruchsverfahren zur Generierung einer Genehmigungsfiktion als rechtsmissbräuchlich dar (vgl. allg. zur Rechtsmissbräuchlichkeit in diesem Zusammenhang Felix, SGb 2020, 517, 518 II 2a) m.w.N.).
40 
(2) Ein Kostenerstattungsanspruch kraft fingierter Genehmigung ließe sich auch dann nicht begründen, wenn man in dem am 2. November 2015 gestellten Antrag einen „Antrag auf Leistungen“ im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V sehen wollte. Denn dieser Antrag stellt sich als missbräuchlich und einer Genehmigungsfiktion nicht fähig dar.
41 
Nach der Rechtsprechung des BSG setzt der Eintritt der Genehmigungsfiktion voraus, dass der Antrag eine Leistung betrifft, die der Versicherte für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkung zwar nicht ausdrücklich, aber - so das BSG - sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht zur Selbstbeschaffung auf Kosten der Kranklenkasse besteht bei materieller Rechtswidrigkeit der selbstbeschafften Leistung, sofern der Versicherte „im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung“ keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Nichtbestehen des materiellen Leistungsanspruchs hat ("Gutgläubigkeit"; BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R – juris, Rn. 22 in Fortentwicklung von BSG vom 8. März 2016 - B 1 KR 25/15 R juris, Rn. 26; Urteil vom 27. August 2019 - B 1 KR 9/19 R - juris, Rn. 29). Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R – juris, Rn. 22 ff.; Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 18/18 R – juris, Rn. 22; BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R – juris, Rn. 26). So sprechen die Gesetzesmaterialien beispielhaft den Fall an, dass die Krankenkasse auch im Falle der selbstbeschafften Leistung, bspw. bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat. Für die Annahme von Rechtsmissbräuchlichkeit genügt es, dass das Gesetz formale oder jedem deutliche Anspruchsvoraussetzungen wie etwa Altersgrenzen regelt, die bei Antragstellung nicht erfüllt sind oder später entfallen. Entsprechendes hat das BSG für die In-Vitro-Fertilisation einer Versicherten ab Vollendung des 40. Lebensjahres bejaht (BSG, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 8/19 R – juris) und auch für eine die Regelleistungen übersteigende Versorgung mit Zahnersatz angenommen, wenn die plangestützte Eingliederung nicht binnen sechs Monaten ab Eintritt einer fingierten Genehmigung durchgeführt worden ist (BSG, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 9/19 R – juris). Für die (fehlende) Gutgläubigkeit kommt es allerdings nicht auf formale Ablehnungsentscheidungen an, sondern auf die Qualität der fachlichen Argumente und ihre Nachvollziehbarkeit durch die Versicherten (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R –, Rn. 25, juris). Die Gutgläubigkeit ist zudem ein tatsächlicher Umstand, der sich jederzeit hin zur Bösgläubigkeit verändern kann. Daher kommt ein Kostenerstattungsanspruch auch dann noch in Betracht, wenn sich der Versicherte die Leistung erst während eines anhängigen Rechtsstreits beschafft. Allerdings muss bei jedem Beschaffungsvorgang "Gutgläubigkeit" vorliegen; die beschaffungsbezogene Unkenntnis, dass materiell-rechtlich kein Anspruch auf die Leistung besteht, darf nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhen (BSG, a.a.O.; Rn. 26).
42 
Die von der Klägerin begehrte Leistung (Liposuktion) liegt, gemessen daran, zwar nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 27. August 2019 a.a.O., Rn. 24). Jedoch liegt die Besonderheit des vorliegenden Falles darin, dass die Krankenkasse bereits einen ersten Antrag der Klägerin auf Gewährung dieser Behandlung (Antrag vom 2. Juli 2014) zeitgerecht abgelehnt (Bescheid vom 18. Juli 2014) und dabei ihre Entscheidung nach Einschaltung des MDK - zutreffend - damit begründet hatte, dass es sich hierbei um eine außervertragliche Behandlungsmethode handele, die nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung falle. Zum Zeitpunkt ihrer neuerlichen Antragstellung am 2. November 2015 war der Klägerin damit bekannt, dass sich ihr wiederholter Antrag auf eine Leistung richtete, die von der Leistungspflicht der Beklagten nicht umfasst war. Aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 30. September 2014 wusste die Klägerin zudem, dass aufgrund der im Widerspruchsverfahren zunächst nachgereichten Unterlagen (Schreiben des Dr. C. vom 21. August 2014) trotz nochmaliger Hinzuziehung des MDK keine abweichende Beurteilung gerechtfertigt war und auch die nachfolgend (nach vorübergehendem Ruhen des Vorverfahrens) vorgelegten weiteren medizinischen Unterlagen nach erneuter Hinzuziehung des MDK - so die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 14. April 2015 - keine Grundlage darstellten, zu einer für die Klägerin günstigen Entscheidung zu gelangen. Die von der Beklagten insoweit vertretene Auffassung war schließlich auch Gegenstand eines am 29. Juli 2015 mit der Klägerin und ihrem Ehemann im Kundencenter in Wi. geführten persönlichen Gesprächs, wie es die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 30. Juli 2015 (vgl. Bl. 154 VerwA) bestätigte. Die nochmalige, im Widerspruchsverfahren erfolgte „neue Antragstellung“ vom 2. November 2015, die mit einer Verschlimmerung der bereits ursprünglich dem Antrag zu Grunde liegenden Erkrankung (Lipödem) begründet wurde, stellt sich im Gesamtkontext der mehrfach erfolgten Äußerungen der Beklagten, wonach ein Anspruch auf die begehrte Leistung nicht bestehe, wertungsmäßig ebenso dar, wie Anträge von Versicherten, die offensichtlich auf eine außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegende Leistung gerichtet sind. Zum Zeitpunkt der Vornahme der Liposuktionen 2016 und 2018 war die Klägerin daher nicht (mehr) gutgläubig. Dieser Antrag stellte sich daher als rechtsmissbräuchlich dar, weshalb er keiner Genehmigungsfiktion zugänglich ist.
43 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
44 
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorlagen.Clini

Gründe

 
24 
1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Klägerin begehrt die Zahlung von 19.300,00 EUR.
25 
2. Mit der Berufung begehrt die anwaltlich vertretene Klägerin zuletzt allein im Wege der allgemeinen Leistungsklage die Kostenerstattung i.H. von 19.300 EUR für die in den Jahren 2016 und 2018 durchgeführten Liposuktionen aufgrund der von ihr angenommenen Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Sätze 6 und 7 SGB V. Die ursprünglich gegebene objektive Klagehäufung (§ 56 SGG), nämlich die allgemeine Leistungsklage auf Kostenerstattung und die (isolierte) Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 1/18 R – juris, Rn. 8; Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 18/18 R – juris, Rn. 8 ff.; Urteile vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 21/19 R – juris, Rn. 7, und B 1 KR 9/18 R – juris, Rn. 8), wurde in der Berufung nicht mehr aufrechterhalten. Das von der Klägerin im Klageverfahren zunächst mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Begehren, die Liposuktionen als Sachleistungen zu gewähren, stellte die Klägerin im Hinblick auf die im Februar und Oktober 2016 durchgeführten Behandlungen im Wege der zulässigen Klageänderung (vgl. § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG) insoweit auf Kostenerstattung um. Nachdem die Klägerin dieses Begehren zunächst auch noch im Berufungsverfahren weiterführte, stellte sie ihr Klagebegehren im Hinblick auf die im Jahr 2018 erfolgten weiteren Liposuktionen - erneut im Wege der zulässigen Klageänderung - schließlich auch insoweit auf Kostenerstattung um und beschränkte ihren Antrag (gestützt auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V und den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V) dabei gleichzeitig auf ihr Erstattungsbegehren, ohne die Anfechtungsklage weiterzuführen (vgl. Schriftsatz vom 9. Juni 2020). Damit sind die Bescheide vom 18. Juli 2014, 30. September 2014 und 14 April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (§§ 86, 95 SGG) vom 18. Januar 2016 bestandskräftig und in der Sache bindend geworden (vgl. § 77 SGG). Nachdem die Klägerin aber keine zukünftigen Naturalleistungsansprüche (Liposuktionen), sondern nur die Kostenerstattung für bereits während des Klage- und Berufungsverfahren durchgeführte Liposuktionen aufgrund der von ihr angenommenen Genehmigungsfiktion begehrt, steht die Bestandskraft der Ablehnungsentscheidung dem nunmehr geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen.
26 
Die allgemeine Leistungsklage ist gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Darauf, dass nach der neuesten Rechtsprechung des BSG § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V keinen eigenständigen Anspruch auf Versorgung mit einer Naturalleistung begründet (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R – juris, Rn. 10 ff.), kommt es vorliegend nicht an. Denn die Klägerin stützt ihr Kostenerstattungsbegehren allein auf die Kostenerstattungspflicht nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V und begehrt keine zukünftigen Leistungen.
27 
3. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage in Bezug auf ihr Erstattungsbegehren, das alleiniger Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, zu Recht abgewiesen. Denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Versorgung mit der beanspruchten Liposuktion kraft fingierter Genehmigung nicht zu.
28 
Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (Satz 4). Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (Satz 9).
29 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin erfüllt zwar die Eingangsvoraussetzungen dieser Regelung (dazu aa). Die Beklagte lehnte jedoch den Leistungsantrag der Klägerin fristgerecht ab (dazu bb). Soweit die Klägerin während des Widerspruchsverfahrens ausdrücklich einen „neuen“ Antrag auf Gewährung der Liposuktionen stellte, löst dieser eine Genehmigungsfiktion nicht aus (dazu cc).
30 
aa) Der zeitliche Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V ist eröffnet, da die Klägerin ihren Antrag auf künftig zu erbringende Leistungen am 2. Juli 2014, mithin nach dem 26. Februar 2013 stellte (BSG, Urteil vom 26. September 2017 – B 1 KR 6/17 R – juris, Rn. 12). Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn die Klägerin verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung. Sie ist als bei der Beklagten gesetzlich Krankenversicherte auch Leistungsberechtigte im Sinne dieser Vorschrift. Sie beantragte als Leistung hinreichend bestimmt Liposuktionen an den Ober- und Unterschenkeln beidseits und den Ober- und Unterarmen beidseits und untermauerte ihr Begehren mit dem ihrem Antrag beigefügten Attest des von ihr konsultierten Mediziners, Facharzt für Allgemeinmedizin/Phlebologie und Lymphologie Dr. K. vom 10. Juni 2014, der eine Therapie des Lipödems letztendlich nur durch eine Liposuktion für möglich erachtete. Der Antrag ist mithin ausreichend konkretisiert, um als Grundlage für eine fingierte Genehmigung dienen zu können. Die Klägerin durfte schließlich aufgrund der fachlichen Befürwortung ihres Antrags durch ihren Arzt Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems für geeignet und erforderlich halten (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R – juris, Rn. 22; Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R – juris, Rn. 22 ff.).
31 
bb) Die Beklagte lehnte den Antrag jedoch innerhalb der mit dem 3. Juli 2014 (dazu (1)) beginnenden Fünf-Wochen-Frist (dazu (2)), fristgerecht ab (dazu (3)).
32 
(1) Maßgeblich für den Fristbeginn war der Eingang des Antrags bei der Beklagten. Danach begann die Frist am 3. Juli 2014 zu laufen (vgl. § 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Denn der mit Schreiben vom 26. Juni 2014 gestellte Antrag der Klägerin ging der Beklagten am 2. Juli 2014 zu. Dies entnimmt der Senat dem Eingangsstempel der Beklagten auf dem Antragsschreiben der Klägerin.
33 
(2) Die Frist endete am 6. August 2014 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB).
34 
Nach dem aufgezeigten Regelungssystem galt die gesetzliche Fünf-Wochen-Frist (vgl. § 13 Abs. 3a Satz 1 Fall 2 SGB V). Denn die Beklagte informierte die Klägerin innerhalb der drei Wochen nach Antragseingang darüber, dass sie eine Stellungnahme des MDK einhole (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R – juris, Rn. 29). Die Drei-Wochen-Frist endete am 23. Juli 2014. Die Beklagte informierte die Klägerin vorliegend mit Schreiben vom 3. Juli 2014 und nahm am Folgetag zudem telefonisch Kontakt mit der Klägerin auf, um weitere medizinische Unterlagen anzufordern, die die Klägerin mit E-Mail vom 6. Juli 2014 nachreichte.
35 
(3) Die Beklagte lehnte den Antrag innerhalb der danach maßgeblichen Fünf-Wochen-Frist fristgerecht ab.
36 
Maßgeblich für die Wahrung der Fristen des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V ist die Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides, also dessen Zugang (§ 37 Abs. 1 SGB X; BSG, Urteile vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R – juris, Rn. 29 und 26. September 2017 – B 1 KR 8/17 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Die Verwaltungsakte der Beklagten enthält zwar hinsichtlich des Bescheides vom 18. Juli 2014 keinen Absendevermerk, so dass die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X nicht greift. Jedoch bestätigte die Klägerin mit ihrem Widerspruchsschreiben vom 2. August 2014 den Zugang des Bescheides am 19. Juli 2014, mithin innerhalb der am 6. August 2014 endenden Fünf-Wochen-Frist.
37 
cc. Aufgrund des mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 2. November 2015 gestellten „neuen“ Antrags trat eine Genehmigungsfiktion nicht ein.
38 
(1) Die Regelung des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V findet auf den während des Widerspruchsverfahrens vom Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 2. November 2015 gestellten „neuen“ Antrag keine Anwendung. Mit diesem Schreiben stellte die Klägerin keinen neuen „Antrag auf Leistungen“ im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V. Sie nahm damit Bezug auf den bereits gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten für Liposuktionen, machte eine drastische Verschlechterung ihres Zustandes geltend und schloss daraus („womit“), dass „insgesamt eine neue Antragstellung erforderlich wird“. Die Verschlechterung begründete sie nachfolgend damit, dass anlässlich der Untersuchung in der S. Clinik M. am 22. Oktober 2015 ein Lipödem Grad 3 (bisher Grad 2) im Bereich der Beine und ein Lipödem Grad 2 an den Oberarmen und dem Abdomen festgestellt worden sei. Zum Zeitpunkt dieser „neuen Antragstellung“ hatte die Beklagte bereits über den am 2. Juli 2014 gestellten und gleichermaßen auf die Gewährung von Liposuktionen gerichteten Leistungsantrag der Klägerin entschieden und diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Juli 2014 fristgerecht abgelehnt. Durch ihren Widerspruch gegen diesen Bescheid war das von der Klägerin mit ihrem Antrag vom 2. Juli 2014 zuvor eröffnete Verwaltungsverfahren (vgl. § 8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) noch nicht abgeschlossen und das durch den Widerspruch eingeleitete Vorverfahren ruhte (erneut) auf den ausdrücklichen Wunsch der Klägerin. Damit stellte sich die mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 2. November 2015 vorgebrachte Verschlimmerung der Lipödeme der Sache nach auch nicht als Leistungsantrag dar, sondern vor dem Hintergrund der zur Begründung aufgeführten, zuvor am 22. Oktober 2015 erfolgten Vorstellung der Klägerin in der S. Clinik M. vielmehr als ergänzender Sachvortrag im Widerspruchsverfahren im Hinblick auf den am 2. Juli 2014 gestellten Leistungsantrag, zumal das Leistungsziel (Liposuktion) immer gleich blieb.
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Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass die Klägerin nach den Ausführungen ihres Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 2. November 2015 angesichts der Verschlimmerung die Stellung eines „neuen“ Antrags für erforderlich erachtete und ein neuer Antrag - wie im nachfolgenden Schreiben vom 10. November 2015 ausdrücklich bekräftigt - auch tatsächlich gewollt war. Schon das Vorgehen der Klägerin im Anschluss an den in Rede stehenden Antrag vom 2. November 2015 lässt erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass die Klägerin mit dem gestellten „neuen Antrag“ tatsächlich das Ziel verfolgte, im Hinblick auf die Gewährung der beanspruchten Liposuktionen ein weiteres Verwaltungsverfahren mit dem Ziel der Verbescheidung dieses Antrags einzuleiten. Denn das neue Vorbringen, wonach es zu einer Verschlimmerung gekommen sei, war von der Beklagten ohnehin in dem laufenden Vorverfahren bzw. vom Widerspruchsausschuss im Hinblick auf den das Widerspruchsverfahren abschließenden Widerspruchsbescheids zu berücksichtigen, weshalb die Vermutung naheliegt, dass eigentliches Ziel dieses „neuen“ Antrags war, im Hinblick auf die beanspruchte Liposuktion eine günstige Entscheidung kraft Genehmigungsfiktion zu erreichen. Entsprechend mahnte die Klägerin im Anschluss an das Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10. November 2015, mit dem sie die neue Antragstellung nochmals bestätigt hatte, auch zu keinem Zeitpunkt die Erledigung dieses „neuen Antrags“ an. So erinnerte sie weder im Anschluss an das Schreiben der Beklagten vom 23. Dezember 2015, mit dem diese mitgeteilt hatte, dass der Widerspruchsausschuss voraussichtlich am 18. Januar 2016 über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 18. Juli 2014 entscheiden werde, an dessen Erledigung noch nach Erlass des Widerspruchsbescheids am 18. Januar 2016, der ihrem Bevollmächtigten am 22. Januar 2016 zuging. Stattdessen findet der Antrag vom 2. November 2015 erstmals wieder Erwähnung im Klagebegründungsschriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 5. Februar 2016, mit dem die Klägerin nunmehr geltend machte, die Beklagte habe über ihren Antrag vom 2. November 2015 nicht innerhalb von drei bzw. fünf Wochen entschieden, weshalb die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten sei. Vor diesem Hintergrund stellt sich letztlich der „neue“ Antrag während des laufenden Widerspruchsverfahren zur Generierung einer Genehmigungsfiktion als rechtsmissbräuchlich dar (vgl. allg. zur Rechtsmissbräuchlichkeit in diesem Zusammenhang Felix, SGb 2020, 517, 518 II 2a) m.w.N.).
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(2) Ein Kostenerstattungsanspruch kraft fingierter Genehmigung ließe sich auch dann nicht begründen, wenn man in dem am 2. November 2015 gestellten Antrag einen „Antrag auf Leistungen“ im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V sehen wollte. Denn dieser Antrag stellt sich als missbräuchlich und einer Genehmigungsfiktion nicht fähig dar.
41 
Nach der Rechtsprechung des BSG setzt der Eintritt der Genehmigungsfiktion voraus, dass der Antrag eine Leistung betrifft, die der Versicherte für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkung zwar nicht ausdrücklich, aber - so das BSG - sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht zur Selbstbeschaffung auf Kosten der Kranklenkasse besteht bei materieller Rechtswidrigkeit der selbstbeschafften Leistung, sofern der Versicherte „im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung“ keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Nichtbestehen des materiellen Leistungsanspruchs hat ("Gutgläubigkeit"; BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R – juris, Rn. 22 in Fortentwicklung von BSG vom 8. März 2016 - B 1 KR 25/15 R juris, Rn. 26; Urteil vom 27. August 2019 - B 1 KR 9/19 R - juris, Rn. 29). Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R – juris, Rn. 22 ff.; Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 18/18 R – juris, Rn. 22; BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R – juris, Rn. 26). So sprechen die Gesetzesmaterialien beispielhaft den Fall an, dass die Krankenkasse auch im Falle der selbstbeschafften Leistung, bspw. bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat. Für die Annahme von Rechtsmissbräuchlichkeit genügt es, dass das Gesetz formale oder jedem deutliche Anspruchsvoraussetzungen wie etwa Altersgrenzen regelt, die bei Antragstellung nicht erfüllt sind oder später entfallen. Entsprechendes hat das BSG für die In-Vitro-Fertilisation einer Versicherten ab Vollendung des 40. Lebensjahres bejaht (BSG, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 8/19 R – juris) und auch für eine die Regelleistungen übersteigende Versorgung mit Zahnersatz angenommen, wenn die plangestützte Eingliederung nicht binnen sechs Monaten ab Eintritt einer fingierten Genehmigung durchgeführt worden ist (BSG, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 9/19 R – juris). Für die (fehlende) Gutgläubigkeit kommt es allerdings nicht auf formale Ablehnungsentscheidungen an, sondern auf die Qualität der fachlichen Argumente und ihre Nachvollziehbarkeit durch die Versicherten (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R –, Rn. 25, juris). Die Gutgläubigkeit ist zudem ein tatsächlicher Umstand, der sich jederzeit hin zur Bösgläubigkeit verändern kann. Daher kommt ein Kostenerstattungsanspruch auch dann noch in Betracht, wenn sich der Versicherte die Leistung erst während eines anhängigen Rechtsstreits beschafft. Allerdings muss bei jedem Beschaffungsvorgang "Gutgläubigkeit" vorliegen; die beschaffungsbezogene Unkenntnis, dass materiell-rechtlich kein Anspruch auf die Leistung besteht, darf nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhen (BSG, a.a.O.; Rn. 26).
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Die von der Klägerin begehrte Leistung (Liposuktion) liegt, gemessen daran, zwar nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 27. August 2019 a.a.O., Rn. 24). Jedoch liegt die Besonderheit des vorliegenden Falles darin, dass die Krankenkasse bereits einen ersten Antrag der Klägerin auf Gewährung dieser Behandlung (Antrag vom 2. Juli 2014) zeitgerecht abgelehnt (Bescheid vom 18. Juli 2014) und dabei ihre Entscheidung nach Einschaltung des MDK - zutreffend - damit begründet hatte, dass es sich hierbei um eine außervertragliche Behandlungsmethode handele, die nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung falle. Zum Zeitpunkt ihrer neuerlichen Antragstellung am 2. November 2015 war der Klägerin damit bekannt, dass sich ihr wiederholter Antrag auf eine Leistung richtete, die von der Leistungspflicht der Beklagten nicht umfasst war. Aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 30. September 2014 wusste die Klägerin zudem, dass aufgrund der im Widerspruchsverfahren zunächst nachgereichten Unterlagen (Schreiben des Dr. C. vom 21. August 2014) trotz nochmaliger Hinzuziehung des MDK keine abweichende Beurteilung gerechtfertigt war und auch die nachfolgend (nach vorübergehendem Ruhen des Vorverfahrens) vorgelegten weiteren medizinischen Unterlagen nach erneuter Hinzuziehung des MDK - so die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 14. April 2015 - keine Grundlage darstellten, zu einer für die Klägerin günstigen Entscheidung zu gelangen. Die von der Beklagten insoweit vertretene Auffassung war schließlich auch Gegenstand eines am 29. Juli 2015 mit der Klägerin und ihrem Ehemann im Kundencenter in Wi. geführten persönlichen Gesprächs, wie es die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 30. Juli 2015 (vgl. Bl. 154 VerwA) bestätigte. Die nochmalige, im Widerspruchsverfahren erfolgte „neue Antragstellung“ vom 2. November 2015, die mit einer Verschlimmerung der bereits ursprünglich dem Antrag zu Grunde liegenden Erkrankung (Lipödem) begründet wurde, stellt sich im Gesamtkontext der mehrfach erfolgten Äußerungen der Beklagten, wonach ein Anspruch auf die begehrte Leistung nicht bestehe, wertungsmäßig ebenso dar, wie Anträge von Versicherten, die offensichtlich auf eine außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegende Leistung gerichtet sind. Zum Zeitpunkt der Vornahme der Liposuktionen 2016 und 2018 war die Klägerin daher nicht (mehr) gutgläubig. Dieser Antrag stellte sich daher als rechtsmissbräuchlich dar, weshalb er keiner Genehmigungsfiktion zugänglich ist.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorlagen.Clini

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