Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 2. November 2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
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| Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Begleitung für den Schulbesuch des Antragstellers streitig. |
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| Der 2012 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin familienversichert. Er leidet an einem im Februar 2018 diagnostizierten Diabetes mellitus. Er ist mit einer Insulinpumpe und einem Flash Glucose Monitoring (FGM)-System versorgt, mit dem eine kontinuierliche Glucosemessung erfolgt. Die Insulintherapie erfolgt durch regelmäßige Messungen bzw. Ablesungen des Blutzuckers vor und nach den Mahlzeiten, die Errechnung der erforderlichen Insulindosis anhand des Kohlenhydratgehalts der Mahlzeit und des aktuellen Blutzuckers, die Abgabe der errechneten Insulinmenge über die Insulinpumpe sowie durch zusätzliche Messungen des Blutzuckers und dessen Interpretation in Sondersituationen, wie bspw. bei Symptomen einer Über- oder Unterzuckerung, vor dem Schulsport, längeren Ausflügen oder akut einsetzenden Erkrankungen. Beim Antragsteller wurde darüber hinaus eine Aufmerksamkeitsdefizit (hyperaktivitäts)störung AD(H)S festgestellt. Die bei der Antragsgegnerin errichtete Pflegekasse stufte den Antragsteller in Pflegegrad 2 ein. Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Merkzeichen H festgestellt. |
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| Der Antragsteller besucht seit April 2019 die R.-Grundschule in U.-G.. Nach Schuleintritt wurde im Laufe des ersten Schuljahres deutlich, dass der Antragsteller mit der Bewältigung der im Rahmen der Insulintherapie erforderlichen Maßnahmen überfordert war. Durch seinen Vater beantragte er am 19. August 2019 deshalb bei der Beigeladenen, ihm im Rahmen des Schulbesuchs für das im September 2019 beginnende 2. Schuljahr eine Begleitung zu gewähren. Zur Begründung führte er aus, sein Blutzucker sei schwer einstellbar und in der Schule komme es immer wieder zu Problemen mit der Blutzuckermessung und der entsprechenden Insulingabe, weshalb er bereits mehrfach den Unterricht vorzeitig habe verlassen müssen. Ein insoweit geschulter Lehrer sei an der Schule nicht vorhanden. Die Klassenlehrerin halte eine Schulbegleitung für sinnvoll. Mit Schreiben vom 23. August 2019 leitete die Beigeladene diesen Antrag gemäß § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) an die Antragsgegnerin mit dem Hinweis weiter, beantragt werde aus ihrer Sicht Behandlungspflege und ggf. Behandlungssicherungspflege. Da die Notwendigkeit einer pädagogischen Hilfe nicht erkennbar sei, falle der Antrag nicht in ihren Zuständigkeitsbereich. Nach Vorlage der „Verordnung häuslicher Krankenpflege“ des Prof. Dr. W., Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums U., vom 27. August 2019 für den Zeitraum vom 1. September 2019 bis 31. Juli 2020 und einer ärztlichen Stellungnahme des PD Dr. D., Oberarzt in der genannten Klinik, wandte sich die Antragsgegnerin im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen mit ergänzenden Fragen an die behandelnden Ärzte (Schreiben vom 11. September 2019), die sich trotz mehrfacher telefonischer Erinnerungen nicht äußerten. |
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| Am 25. September 2019 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht U. (SG; S 16 KR 3397/19 ER), die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Schulbegleitung zu gewähren. Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erhielten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sei. Nach Nr. 24 des Leistungsverzeichnisses zu der „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung häuslicher Krankenpflege“ (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie, HKP-RL) sei eine spezielle Krankenbeobachtung verordnungsfähig, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich sei und nur die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden könnten. Diese Voraussetzungen seien beim Antragsteller nicht gegeben. Die Übernahme der Kosten für den Einsatz einer Schulbegleitung falle gemäß §§ 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen. Die Beigeladene vertrat die Auffassung, die Zuständigkeit der Antragsgegnerin sei begründet, da von einer Behandlungs- und Behandlungssicherungspflege auszugehen sei. |
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| Mit Beschluss vom 12. November 2019 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin, dem Antragsteller vorläufig bis zum 31. Juli 2020, längstens aber bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag vom 19. August 2019, Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege für den Besuch der Grundschule zu gewähren. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sei § 37 Abs. 2 Satz 1 HS 1 SGB V. Die Blutzuckermessungen und die dabei notwendigen Insulingaben seien als Behandlungspflege zu qualifizieren und bei der Beobachtung des Antragstellers sowie der Überwachung des Sensors und der Insulinpumpe handele es sich ausschließlich um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation, nämlich der Behandlungssicherungspflege. Sämtliche Leistungen der Assistenz bzw. Schulbegleitung setzten daran an, die Diabeteserkrankung des Antragstellers auszugleichen und ihre Verschlimmerung zu verhüten. Die begehrte Maßnahme diene nicht unmittelbar dem Ziel der Eingliederungshilfe, soziale Folgen einer Behinderung zu beseitigen oder zu mildern. Letztlich könne jedoch dahingestellt bleiben, ob der Anspruch aus § 37 Abs. 2 SGB V herzuleiten sei. Denn die Antragsgegnerin sei gemäß § 14 SGB IX für die Leistungserbringung zuständig, auch wenn der Anspruch auf Assistenz während des Schulbesuchs als Leistung der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB XII anzusehen wäre. |
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| Eine Entscheidung über den Antrag des Antragstellers vom 19. August 2019 traf die Antragsgegnerin nachfolgend nicht. |
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| Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der vom Vater des Antragstellers mit Schreiben vom 8. August 2020 bei der Antragsgegnerin gestellte weitere Antrag („Erneuter Antrag Schulbegleitung“), dem Antragsteller eine Schulbegleitung zu gewähren. Hierzu legte er die „Verordnung häuslicher Krankenpflege“ des Prof. Dr. W. vom 14. Juli 2020 für die Zeit vom 14. September 2020 bis 31. Juli 2021 vor, mit der dieser die Medikamentengabe (Insulinversorgung über Insulinpumpe) und die Blutzuckermessung, jeweils fünfmal täglich sowie „Überprüfen der Insulinpumpenfunktion, Überwachen der Mahlzeiten, Beurteilung und Beobachtung der Blutzuckereinstellung“ verordnete. Diesen Antrag leitete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12. August 2020 an die Beigeladene weiter und führte aus, die beantragten behandlungspflegerischen Einzelleistungen (Blutzuckermessungen und Insulingaben) seien voraussichtlich als Kassenleistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege möglich, eine entsprechende Leistungsprüfung sei zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht möglich. Allerdings sei neben der Behandlungspflege auch eine Schulbegleitung beantragt, weshalb der Antrag zur Prüfung der eigenen Zuständigkeit weitergeleitet werde. Integrationsleistungen bzw. die Begleitung durch einen Integrationshelfer/Schulbegleiter seien generell keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Hiergegen wandte die Beigeladene mit Schreiben vom 21. August 2020 ein, sie – die Antragsgegnerin – gewähre dem Antragsteller nach richterlicher Anordnung für den beantragten Zweck bereits Leistungen, weshalb es sich bei dem Schreiben vom 12. August 2020 nicht um eine Weiterleitung gemäß § 14 SGB IX handeln könne. Die Antragsgegnerin sei leistender Rehabilitationsträger. Da mit dem Verlängerungsantrag inhaltlich der gleiche Teilhabebedarf postuliert werde, gehe sie davon aus, dass die Antragsgegnerin als leistender Rehabilitationsträger über den Verlängerungsantrag entscheide. Soweit sie neue Erkenntnisse andeutete, dass nun auch ein sozialer Teilhabebedarf infrage kommen könne, werde sie gebeten, die entsprechenden neuen Erkenntnisse mitzuteilen. Sie - die Beigeladene - werde selbstverständlich den eigenen Anteil an dem Bedarf prüfen. Mit Schreiben vom 31. August 2020 führte die Antragsgegnerin sodann aus, bei dem weitergeleiteten Antrag auf Schulbegleitung handele es sich nicht um einen Verlängerungsantrag, sondern um einen separaten Leistungsantrag für den Zeitraum des Schuljahres 2020/2021. Bei der angesprochenen richterlichen Anordnung handele es sich lediglich um einen Beschluss im ER-Verfahren, der nur vorläufigen Charakter habe. Eine abschließende Entscheidung werde erst im Hauptsacheverfahren getroffen. Im Vergleich zum abgelaufenen Schuljahr habe sich am Sachverhalt inhaltlich nichts geändert. Über die medizinischen Verrichtungen der Behandlungspflege (Blutzuckermessungen und Insulingaben) hinaus bedürfe der Antragsteller weiterhin der allgemeinen Krankenbeobachtung. Dies sei von dem bisherigen Leistungserbringer nochmals bestätigt worden. Wie bereits erläutert, sei die allgemeine Krankenbeobachtung oder Begleitung keine gesondert verordnungsfähige Leistung der häuslichen Krankenpflege. Es handele sich um Integrationsleistungen bzw. die Begleitung durch einen Integrationshelfer/Schulbegleiter, die in den Zuständigkeitsbereich des Jugendhilfeträgers bzw. des Trägers der Eingliederungshilfe fielen. Mit Schreiben vom 31. August 2020 äußerte sich die Antragsgegnerin auch gegenüber dem Antragsteller in diesem Sinne und führte weiter aus, die verordneten Blutzuckermessungen und Insulingaben gehörten zum Leistungskatalog der häuslichen Krankenpflege und im Falle der Leistungserbringung durch einen zugelassenen Pflegedienst würde sie die Kosten entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen für fünf Einsätze täglich übernehmen. Für den Einsatz einer Laienkraft ohne medizinische Ausbildung erachte sie einen täglichen Betrag von 32,79 EUR als angemessen. Dies entspreche 60 % des Vertragspreises für fünf Einsätze zur Blutzuckermessung durch einen zugelassenen Pflegedienst (zurzeit 10,93 EUR pro Einsatz). Mit E-Mail vom 14. September 2020 erläuterte die Beigeladene der Antragsgegnerin die von ihr vertretene Rechtsauffassung, wonach die neue Verordnung und der gestellte Folgeantrag zeige, dass Teilhabeleistungen auch im neuen Schuljahr erforderlich seien und das bei der Antragsgegnerin begonnene Teilhabeplanverfahren nicht geendet habe. Ein Verlängerungsantrag sei grundsätzlich nicht nach § 14 SGB IX zu behandeln. Sie bitte daher im Sinne des dringlichen Teilhabebedarfs des Antragstellers um Fortführung der Teilhabeplanung und Bearbeitung des Antrags als leistender Rehabilitationsträger. Es bleibe ihr unbenommen, Kostenerstattung anzumelden. Die Antragsgegnerin wandte mit Schreiben vom 15. September 2020 hiergegen ein, den Antrag auf Schulbegleitung mit Schreiben vom 12. August 2020 gemäß § 15 SGB IX an die Beigeladene „teilweise“ weitergeleitet zu haben; insoweit berichtige sie ihre Aussage im Schreiben vom 31. August 2020. Inhaltlich halte sie an ihrer Rechtsauffassung fest. Es handele sich nicht um einen Verlängerungsantrag. Mit der neuen ärztlichen Verordnung sei für einen neuen Zeitraum ein neuer Leistungsantrag für das Schuljahr 2020/2021 gestellt. Für den Bereich der Behandlungspflege stelle sie die Leistungen als punktuelle Einzelleistungen zur Verfügung. Den Leistungsumfang habe sie bereits im Schreiben vom 12. August 2020 benannt. Über die ebenfalls beantragte Schulbegleitung habe die Beigeladene in eigener Zuständigkeit zu entscheiden. Sie sei weiterhin bereit, im Falle einer positiven Leistungsentscheidung die Leistungen zu kombinieren bzw. zu koordinieren. Die Beigeladene hielt im Rahmen ihrer E-Mail vom 15. September 2020 gleichermaßen an ihrer Auffassung fest. |
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| Am 2. Oktober 2020 beantragte der Antragsteller beim SG, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig bis längstens 31. Juli 2021, längstens aber bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag vom 8. August 2020 Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege für den Besuch der Grundschule zu gewähren. Zur Begründung führte er aus, er besuche jetzt die Klasse 3b der R.-Grundschule und eine weitere Schulbegleitung sei notwendig. Über seinen Antrag vom 8. August 2020 habe die Antragsgegnerin bisher nicht entschieden. Sie habe mitgeteilt, den Antrag an die Beigeladene weitergeleitet zu haben, da die beantragte Leistung in deren Zuständigkeitsbereich falle. Auch die Beigeladene habe sich nicht bereit erklärt, die Kosten zu übernehmen und ihre Zuständigkeit verneint, da die Antragsgegnerin als leistender Rehabilitationsträger (auch) für die Weitergewährung der Leistung zuständig sei. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene hätten sich wohl nicht einigen können, weshalb keine Entscheidung erfolgt sei. Zur weiteren Begründung verwies er auf die Ausführungen des SG im Beschluss vom 12. November 2019 im Verfahren S 16 KR 3397/19 ER. Er habe einen Rechtsanspruch auf die beantragte Leistung und teile die Auffassung der Beigeladenen, dass die Antragsgegnerin als Rehabilitationsträgern zuständig sei. Er benötige dringend die beantragten Leistungen und die internen Aufteilungen zwischen den Sozialleistungsträgern fielen nicht in seine Verantwortung. Ein Zuwarten bis die Kostentragung und Kostenverteilung für die Schulbegleitung zwischen den Sozialleistungsträgern untereinander geklärt sei, sei ihm nicht zumutbar. Die begehrte Schulbegleitung könne sinnvollerweise auch nicht in verschiedene Leistungsgruppen aufgeteilt werden. Eine Bewilligung der Leistung müsse zu seinen Gunsten erfolgen und es müsse rechtlich geklärt werden, wer für die Bewilligung der beantragten Leistung zuständig sei. Eilbedürftigkeit liege vor. Seine und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seiner gesetzlichen Vertreter hätten sich seit dem Vorjahr nicht geändert. Er legte u.a. die Bestätigung der Schulleiterin über die Notwendigkeit der Schulbegleitung vom 24. September 2020 vor. |
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| Die Antragsgegnerin trat dem Antrag mit der Begründung entgegen, bei der begehrten Schulbegleitung handele es sich nicht um eine Leistung der häuslichen Krankenpflege. Zwar sei als Behandlungspflege auch eine spezielle Krankenbeobachtung verordnungsfähig, jedoch lägen die entsprechenden Voraussetzungen nicht vor. Auch unter Berücksichtigung wiederholt auftretender Hypoglykämien könne die Erkrankung an Diabetes mellitus nicht als lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung angesehen werden. Die Kosten für die Schulbegleitung fielen gemäß § 102 SGB IX ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen. Sie habe den Antrag des Antragstellers zu Recht gemäß §§ 14, 15 SGB IX an die Beigeladene weitergeleitet. Diese sei zum Erlass eines Gesamtbescheides verpflichtet. Deren gegenteiliger Auffassung könne nicht gefolgt werden. Soweit sie in dem Verfahren S 16 KR 3397/19 ER durch Beschluss des SG vom 12. November 2019 vorläufig zur Übernahme der Schulbegleitung verpflichtet worden sei, habe dies lediglich die Zeit bis 31. Juli 2020 betroffen. Die vorliegend im Streit stehende Verordnung vom 14. Juli 2020 betreffe einen späteren Zeitraum und stelle daher einen eigenständigen Leistungsantrag dar, der erneut zu verbescheiden sei. Es gebe keine Regelung, wonach jede Folgeverordnung automatisch wie der Erstantrag zu behandeln sei. Der Antragsteller habe auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da nicht ersichtlich sei, weshalb es ihm unzumutbar sei, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Allein der Umstand, dass der Antragsteller in Kürze eine Entscheidung erlangen möchte, genüge nicht. |
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| Die Beigeladene vertrat die Auffassung, die Antragsgegnerin sei für die Leistungsgewährung zuständig. Im Hinblick auf den vom Antragsteller bei unveränderter Sachlage gestellten Verlängerungsantrag sei keine Zuständigkeitsprüfung nach § 14 SGB IX angezeigt, da die einmal begründete Zuständigkeit des leistenden Trägers bestehen bleibe. Dieser habe kein schützenswertes Interesse daran, die bei ihm begründete Zuständigkeit anlässlich eines Verlängerungsantrags im Außenverhältnis erneut zur Prüfung zu stellen. Nach dem Beschluss des SG vom 12. November 2019 in dem Verfahren S 16 KR 3397/19 ER sei eine Weiterleitung des Antrags an sie - die Beigeladene - nicht möglich gewesen. Dies mache auch Sinn, da die Zuständigkeit des Leistungsträgers ansonsten jedes Schuljahr wechseln würde. Sie verwies im Übrigen auf ihre Ausführungen in dem Verfahren S 16 KR 3397/19. |
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| Mit Beschluss vom 2. November 2020 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Antragsteller vorläufig bis zum 31. Juli 2021, längstens aber bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag vom 8. August 2020, Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege für den Besuch der Grundschule zu gewähren. Der Antragsteller habe sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er habe einen Anspruch gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 HS 1 SGB V in Form der Behandlungssicherungspflege. Unstreitig habe der Antragsteller während des Schulbesuchs Anspruch auf Blutzuckermessungen und die dabei notwendigen Insulingaben als Behandlungspflege. Darüber hinaus handele es sich aber auch bei der Beobachtung des Antragstellers und Überwachung des Sensors und der Insulinpumpe um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation, nämlich der Behandlungssicherungspflege. Sämtliche Leistungen der Assistenz bzw. Schulbegleitung setzten daran an, die Diabetes-Erkrankung des Antragstellers auszugleichen und ihre Verschlimmerung zu verhüten. Dies gelte insbesondere für die Krankenbeobachtung. Denn die Feststellung und Beobachtung des jeweiligen Krankenzustandes und der Krankheitsentwicklung sowie die Reaktion hierauf, also die Krankenbeobachtung und die Krisenintervention, stellten Pflegemaßnahmen dar, die nur durch eine bestimmte Krankheit verursacht würden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet seien und dazu beitrügen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht würden. Auch die ständige Beobachtung eines Patienten, um jederzeit medizinisch-pflegerisch eingreifen zu können, wenn es zu einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation komme, sei eine behandlungspflegerische Maßnahme. Die im Streit stehende Maßnahme diene damit nicht unmittelbar dem Ziel der Eingliederungshilfe, soziale Folgen einer Behinderung des Antragstellers zu beseitigen oder zu mildern. Daran ändere auch die positive Auswirkung auf den Schulbesuch des Antragstellers nichts. Die Notwendigkeit einer jederzeitigen Interventionsmöglichkeit sei weiterhin gegeben. Insoweit habe sich seit dem Beschluss des SG vom 12. November 2019 nichts geändert. Es lägen alterstypisch schwankende Blutzuckerwerte, bedingt etwa durch wechselnde körperliche Aktivität, unregelmäßigen Tagesrhythmus und Infekte vor. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit träten im Tagesverlauf Blutzuckerwerte auf, die nach Beurteilung des aktuellen Blutzuckerverlaufs und der jeweiligen Situation gegebenenfalls ein Eingreifen erforderlich machten. Während des Grundschulbesuchs sei die gesamte medizinische Betreuung des Antragstellers als Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 HS 1 SGB V zu qualifizieren. Auf die zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen aufgeworfene Rechtsfrage, ob der vorliegende Antrag als Verlängerungsantrag anzusehen und ggf. nicht gemäß § 14 SGB IX zu behandeln sei, komme es daher nicht an. |
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| Am 26. November 2020 hat die Antragsgegnerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit dem Begehren Beschwerde eingelegt, den Beschluss des SG vom 2. November 2020 aufzuheben „bzw. die Beigeladene zur vorläufigen Leistung zu verpflichten“. Das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Antragsteller gegen sie einen Anspruch auf Behandlungssicherungspflege habe. Die begehrte Schulbegleitung sei ärztlicherseits nicht verordnet worden und selbst wenn man davon ausginge, dass in der Gesamtschau der vorliegenden Antragsunterlagen eine solche Verordnung liege, habe der Antragsteller gegen sie keinen entsprechenden Anspruch. Das SG habe übersehen, dass der Antragsteller auch an AD(H)S leide und dies sei eine klassische Diagnose für Leistungen der Eingliederungshilfe. Insoweit verwies sie auf das beigefügte Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 4. November 2019. Jede ärztliche Verordnung auf häusliche Krankenpflege stelle ein isoliert zu betrachtender Leistungsantrag dar und der Antrag vom 8. August 2020, den der Antragsteller auch ausdrücklich als „Erneuter Antrag Schulbegleitung“ bezeichnet habe, sei von ihr formal korrekt im Sinne des § 15 SGB IX gesplittet worden. Über die von ihr zu erbringenden Leistungen habe sie entschieden. Der Bescheid datiere vom 1. September 2020 und er sei mangels Widerspruch rechtskräftig geworden. Der Teil des Antrags vom 8. August 2020, der ihrer Auffassung nach nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung falle, sei form- und fristgerecht an die Beigeladene weitergeleitet worden. Hierdurch sei die Beigeladene final zuständig geworden, den Rehabedarf des Antragstellers abschließend festzustellen und den erforderlichen Gesamtbescheid zu erlassen. Dies verweigere die Beigeladene. Der angefochtene Beschluss laufe ins Leere, da sie den Antrag des Antragstellers vom 8. August 2020 mit Bescheid vom 1. September 2020 verbeschieden und dieser Rechtskraft erlangt habe. |
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| Die Antragsgegnerin beantragt ausdrücklich (sachgerecht gefasst), |
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| den Beschluss des Sozialgerichts U. vom 2. November 2020 aufzuheben und „den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung“ zurückzuweisen „bzw. die Beigeladene zur vorläufigen Leistung zu verpflichten“. |
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| Der Antragsteller beantragt, |
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| die Beschwerde zurückzuweisen. |
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| Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und hat vorgebracht, den von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheid vom 1. September 2020 nicht erhalten zu haben. Dieser sei ihm nicht bekannt gegeben und er sei daher nicht wirksam geworden. Auch habe er im Rahmen des mit der Beigeladenen geführten Schriftwechsels keine Erwähnung gefunden, ebenso wenig im vorausgegangenen Antragsverfahren, weshalb dessen plötzliches Auftauchen im Beschwerdeverfahren nicht nachvollziehbar sei. Selbst wenn der Bescheid wirksam geworden sein sollte, sei die Antragsgegnerin nicht berechtigt gewesen, den Antrag gemäß § 15 SGB IX zu splitten. Er halte an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Antragsgegnerin die beantragte Leistung zu bewilligen habe. Das Gutachten des MDK vom 4. November 2019 habe die Antragsgegnerin bereits in dem Verfahren S 16 KR 3397/19 ER vorgelegt und sie sei gleichwohl verurteilt worden, die beantragte Schulbegleitung gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 HS 1 SGB V als häusliche Krankenpflege zu gewähren. Es könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene sich hinsichtlich der Aufteilung bzw. Kostenerstattung von Leistungen nicht einigen könnten. |
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| Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass die begehrte Schulbegleitung vom 14. September 2020 bis 31. Juli 2021 eine Leistung der Behandlungssicherungspflege gemäß § 37 SGB V darstelle und keine Leistung der sozialen Teilhabe nach dem SGB IX. Die von der Antragsgegnerin angesprochene Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII gebe es nicht mehr. Der Antragsteller benötige während der gesamten Unterrichtszeit eine Schulbegleitung, da er die im Zusammenhang mit seiner Diabeteserkrankung erforderliche Kontrolle des Blutzuckerspiegels und die Konsequenzen der vorliegenden Werte noch nicht selbstständig handhaben könne. Diese Leistungen seien der Behandlungssicherungspflege zuzuordnen, wie das SG in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt habe. Unzutreffend sei, dass der Antragsteller wegen der Diagnose AD(H)S Anspruch auf Eingliederungshilfe habe. Einschränkungen des Antragstellers, die auf diese Erkrankung zurückgingen, seien ihr nicht bekannt. Schulbegleitung benötige der Antragsteller allein wegen der Diabetes-Erkrankung. Der MDK gehe in seinem Gutachten vom 4. November 2019 im Übrigen von falschen Tatsachen aus. Denn Aufgabe der Schulbegleitung sei es nicht, den Antragsteller im Umgang mit seiner Diabetes-Erkrankung zu schulen, sondern vielmehr unmittelbar den Besuch der Schule zu ermöglichen, indem diese die Aufgaben im Zusammenhang mit der Blutzuckerkontrolle und Insulingabe übernehme. Da die Antragsgegnerin in dem Verfahren S 16 KR 3397/19 ER durch Beschluss des SG vom 12. November 2019 als zweitangegangener Träger verpflichtet worden sei, die Kosten der Schulbegleitung vorläufig bis 31. Juli 2020 zu übernehmen, sei sie im Außenverhältnis zum Antragsteller auch für den nachfolgend am 8. August 2020 gestellten Antrag zuständiger Leistungsträger. Eine Weiterleitung an sie - die Beigeladene - sei unzulässig gewesen, weshalb sie die Annahme des Antrags unter Hinweis auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) N.-W. vom 22. Oktober 2018 (12 B 1348/18) abgelehnt habe. Es sei sinnvoll und folgerichtig den Verlängerungsantrag nicht nach § 14 SGB IX zu behandeln, wenn dieser bei dem leistenden und damit im Außenverhältnis zum Antragsteller zuständig gewordenen Rehabilitationsträger gestellt werde. Bei einem einheitlichen Leistungsfall sei das Reha-Verfahren von dem zunächst leistenden Träger zu Ende zu führen. Bei unveränderter Sachlage sei auf einen Verlängerungsantrag hin keine Zuständigkeitsprüfung nach § 14 SGB IX angezeigt, da die einmal begründete Zuständigkeit des leistenden Trägers bestehen bleibe. Folglich könne auch kein Antragssplitting im Sinne des § 15 SGB IX durchgeführt werden, weil die Zuständigkeit als Ganzes bereits durch den Vorantrag begründet worden sei. |
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| Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie die dem vorliegenden Verfahren und dem Verfahren S 16 KR 3397/19 ER zu Grunde liegenden Verwaltungsakten der Antragsgegnerin. |
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| 1. Die gemäß § 173 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, weil die Berufung in der Hauptsache nicht der Zulassung bedürfte. Denn die Beschwer der Antragsgegnerin durch die vom SG ausgesprochene Verpflichtung übersteigt 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). |
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| 2. Gegenstand des Beschwerdeverfahren ist die vom SG ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin, vorläufig bis 31. Juli 2021, d.h. bis zum Abschluss des dritten Schuljahres des Antragstellers Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege für den Besuch der Grundschule zu gewähren, längstens jedoch bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den vom Antragsteller am 8. August 2020 gestellten Antrag. |
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| Hinsichtlich der vom SG ausgesprochenen Verpflichtung ist die Antragsgegnerin rechtsmittelbefugt. Soweit ihr (Beschwerde-)Antrag allerdings („bzw.“) die Verpflichtung der Beigeladenen umfasst, fehlt ihr hierfür die Befugnis. Zwar kann ein Beigeladener entsprechend § 75 Abs. 5 SGG auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtet werden. Voraussetzung ist aber, dass der Antragsteller dies (zumindest hilfsweise) beantragt hat (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 75 Rn. 18a). Einen solchen Antrag hat der rechtskundig vertretene Antragsteller weder in erster noch in zweiter Instanz gestellt (zur Dispositionsbefugnis des Antragstellers s. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 123 Rn. 4a). Der Antragsgegnerin steht ein solcher Antrag nicht zu. Etwaige Ansprüche gegen die Beigeladene sind ggf. im Erstattungsverfahren gemäß § 16 SGB IX geltend zu machen. |
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| 3. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Das SG verpflichtete die Antragsgegnerin zu Recht, dem Antragsteller in dem angefochtenen Umfang vorläufig als häusliche Krankenpflege eine Begleitung für den Besuch der Grundschule zu gewähren. |
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| a) Dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der ausgesprochenen Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung häuslicher Krankenpflege für den Besuch der Grundschule im angefochtenen Umfang steht ein bestandskräftiger Bescheid der Antragsgegnerin nicht entgegen. |
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| Eine Entscheidung der Antragsgegnerin über die Gewährung von häuslicher Krankenpflege für den Besuch der Grundschule liegt nicht vor. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin geht der angefochtene Beschluss des SG daher auch nicht ins Leere. Die Antragsgegnerin traf mit Bescheid vom 1. September 2020 keine bestandskräftig (vgl. § 77 SGG) gewordene Entscheidung über die Bewilligung von Blutzuckermessungen und Insulingaben während des Schulbesuchs. Dieser Bescheid wurde nicht wirksam und ist damit rechtlich nicht existent. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen der Antragsgegnerin in diesem Bescheid, wonach die Kosten für die weiteren Hilfen „Arzneien verabreichen und überwachen“ und „Tagpauschale“ nicht übernommen werden könnten, als Ablehnung der beantragten Schulbegleitung auszulegen wäre. |
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| Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wird ein Verwaltungsakt demjenigen gegenüber, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, indem er ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe von Verwaltungsakten gegenüber Minderjährigen erfolgt gegenüber deren gesetzlichen Vertretern. Denn die elterliche Sorge umfasst gemäß § 1629 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch die gesetzliche Vertretung des Minderjährigen. Minderjährige Kinder werden dabei von ihren Eltern gemeinschaftlich vertreten (vgl. § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB). Hinsichtlich der Bekanntgabe von Verwaltungsakten gegenüber Minderjährigen genügt jedoch die Bekanntgabe an einen der gesetzlichen Vertreter (BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 2/08 R - juris, Rn. 23; BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R - juris, Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 2/08 R - juris, Rn. 21). Ein Verwaltungsakt ist gegenüber einem Minderjährigen wirksam bekannt gegeben, wenn die Behörde die getroffene Verfügung zielgerichtet dem Regelungsadressaten über seinen gesetzlichen Vertreter bekannt gibt. |
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| Vorliegend ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 26. November 2020 vorgelegte Bescheid vom 1. September 2020 dem gesetzlichen Vertreter des Antragstellers bekannt gegeben wurde. Dieser Bescheid ist weder Gegenstand der dem Senat von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakte und der Verwaltungsakte sind auch keine Hinweise darauf zu entnehmen, dass am 1. September 2020 ein Bescheid erging. Ein solcher Bescheid findet weder im Rahmen eines Aktenvermerks Erwähnung noch in dem Schriftwechsel, den die Antragsgegnerin mit dem Antragsteller und der Beigeladenen führte. Aktenkundig ist lediglich das am Vortag von der Antragsgegnerin an den Antragsteller gerichtete Schreiben vom 31. August 2020, mit dem diese unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 12. August 2020 ausführte, dass die verordneten Blutzuckermessungen und Insulingaben zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten und sie im Falle der Leistungserbringung durch einen zugelassenen Pflegedienst die Kosten entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen für fünf Einsätze täglich übernehmen würde und sie beim Einsatz einer Laienkraft ohne medizinische Ausbildung 60 % dieses Vertragspreises für angemessen erachte. Nachfolgend findet sich in der Verwaltungsakte lediglich noch der Schriftwechsel mit der Beigeladenen, im Rahmen dessen ein Bescheid vom 1. September 2020 keine Erwähnung findet. Soweit der Antragsteller im Rahmen seiner Beschwerdeerwiderung daher ausgeführt hat, einen Bescheid vom 1. September 2020 nicht erhalten zu haben, hat der Senat an der Richtigkeit dessen keine Zweifel, zumal dieser Bescheid im Antragsverfahren von keinem der Verfahrensbeteiligten erwähnt wurde und die Antragsgegnerin sich erstmals im Beschwerdeverfahren darauf berufen und ihn vorgelegt hat. Zudem enthält das Schriftstück keinen Abgangsvermerk und die Antragsgegnerin hat keinen Zustellnachweis vorlegen können. Eine Bekanntgabe an den Antragsteller liegt auch nicht darin, dass der Bescheid dem Antragsteller bzw. dessen Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren durch den Senat als Anlage zu dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 26. November 2020 zur Kenntnis gegeben wurde. Denn eine wirksame Bekanntgabe setzt - wie dargelegt - die zielgerichtete Übermittlung der getroffenen Verfügung an den Regelungsadressaten voraus. Dem genügt die Übermittlung in einem gerichtlichen Verfahren durch das Gericht als Anlage zu einem vorgelegten Schriftsatz nicht. |
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| b) Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet. |
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| Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschlüsse vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris, Rn. 23 ff. und vom 25. Februar 2009 – 1 BvR 120/09 – juris, Rn. 11). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden auf Grund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung des begehrten Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden (Senatsbeschluss vom 27. März 2014 – L 4 KR 3593/13 ER-B – juris, Rn. 30). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. |
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| aa) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt ein Anordnungsanspruch vor. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen materiell-rechtlichen Anspruch gegen die Antragsgegnerin hat. |
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| Hierbei kann im Ergebnis offenbleiben, ob die begehrte Leistung in vollem Umfang der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V zuzuordnen ist, wovon der Antragsteller und die Beigeladene ausgehen, oder in gewissem Umfang (auch) der Eingliederungshilfe als Leistung zur Teilhabe an Bildung nach §§ 75, 112 SGB IX, weil beim Antragsteller neben dem Diabetes mellitus auch eine AD(H)S festgestellt wurde, die grundsätzlich solche Leistungsansprüche begründen könnte. Denn die Antragsgegnerin ist im Außenverhältnis gegenüber dem Antragsteller aus § 14 SGB IX für beide Leistungen zuständig (hierzu (1)), sowohl für Leistungen der häuslichen Krankenpflege – insoweit auch originär als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung, deren Mitglied der Antragsteller ist – (hierzu (2)) als auch für Leistungen der Teilhabe an Bildung (hierzu (3)). |
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| Geboten ist insoweit eine umfassende Prüfung der begehrten Leistung Schulbegleitung. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin verkennt, dass das Begehren des Antragstellers nicht einerseits auf die Gewährung von Blutzuckerkontrollen und Insulingaben im Rahmen der häuslichen Krankenpflege und andererseits auf eine Begleitung zu seiner Beobachtung, jeweils während des Schulbesuchs, gerichtet ist. Die begehrte Leistung vereint und verzahnt diese Leistungen, indem die Begleitperson während des Schulbesuchs einerseits die regelmäßig erforderlichen Blutzuckerkontrollen und Insulingaben übernimmt, gleichermaßen aber auch in Sondersituationen, wie bspw. vor dem Schulsport oder längeren Ausflügen, und gerade auch bei unvorhersehbar auftretenden Symptomen einer Über- oder Unterzuckerung Blutzuckermessungen durchführt und nach Interpretation der Blutzuckerwerte die entsprechende Insulindosis verabreicht. |
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| (1) Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin im Außenverhältnis zum Antragsteller folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX (in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung vom 23. Dezember 2016). |
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| Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 SGB V (Satz 1). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller (Satz 2). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 SGB IX unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Wird der Antrag weitergeleitet, gelten nach Satz 4 der Regelung die Sätze 1 und 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. |
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| Der Antragsteller beantragte erstmals am 19. August 2019 wegen seiner Diabetes-Erkrankung für den Besuch der Grundschule, damals für den Besuch der 2. Klasse, die Gewährung einer Schulbegleitung. Diesen seinerzeit bei der Beigeladenen gestellten Antrag, leitete die Beigeladene mit Schreiben vom 23. August 2019 und dem Hinweis an die Antragsgegnerin weiter, aus ihrer Sicht begehre der Antragsteller Behandlungspflege sowie ggf. Behandlungssicherungspflege, für die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin begründet sei. Durch diese Weiterleitung innerhalb von zwei Wochen wurde die Antragsgegnerin im Außenverhältnis zum Antragsteller im Wege einer aufdrängenden Verweisung endgültig und abschließend zuständig (BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 – B 5 R 54/10 R – juris, Rn. 31; Ulrich, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, Stand 15. Januar 2018, § 14 Rn. 88 mit zahlreichen Hinweisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung). Inhaltlich bewirkte die Weiterleitung, dass sich die Leistungspflicht der Antragsgegnerin als zweitangegangene Trägerin nicht mehr allein nach ihren Leistungsgesetzen und der nach dem gegliederten System vorgegebenen materiell-rechtlichen Zuständigkeit bestimmte, sondern in Durchbrechung von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IX auf alle Anspruchsgrundlagen des SGB erstreckte, die in der jeweiligen Bedarfssituation überhaupt in Betracht kamen. Eingeschlossen war hierbei auch das Leistungsrecht des erstangegangenen Trägers. Entgegen ihrer hiernach begründeten Zuständigkeit und Verpflichtung über den Anspruch innerhalb von drei Wochen zu entscheiden, traf die Antragsgegnerin über den geltend gemachten Anspruch keine fristgerechte Entscheidung. Nachfolgend verpflichtete das SG die Antragsgegnerin in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 2 KR 2536/20 ER mit Beschluss vom 12. November 2019 sodann dem Antragsteller vorläufig bis zum 31. Juli 2020, längstens jedoch bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag vom 19. August 2019, Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege für den Besuch der Grundschule zu gewähren. Über den vom Antragsteller am 19. Februar 2019 gestellten Antrag traf die Antragsgegnerin auch in der Folgezeit keine Entscheidung. |
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| Den vorliegend in Rede stehenden, bei der Antragsgegnerin sodann am 8. August 2020 gestellten (weiteren) Antrag des Antragstellers, ihm Schulbegleitung nunmehr für das 3. Schuljahr zu gewähren, verbeschied die Antragsgegnerin gleichermaßen nicht. Statt eine Entscheidung zu treffen, leitete die Antragsgegnerin diesen Antrag - obwohl das SG ihre Leistungspflicht nach dem für sie geltenden Recht (§ 37 SGB V) in dem Verfahren S 2 KR 2536/20 ER zuvor bejaht hatte - an die Beigeladene weiter und vertrat unter Aufsplittung der beantragten Leistung in die „Einzelleistungen“ Blutzuckermessung und Insulingabe einerseits sowie eine Leistung Begleitung andererseits die Auffassung, für die zuletzt genannte Leistung sei die Zuständigkeit der Beigeladenen begründet. |
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| Durch die mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 12. August 2020 erfolgte Weiterleitung des Antrags vom 8. August 2020 an die Beigeladene wurde eine Zuständigkeit der Beigeladenen als zweitangegangener Leistungsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nicht begründet. Der weitergeleitete Antrag war entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht als neuer Antrag im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu werten. Dies war auch nicht deshalb der Fall, weil der Antragsteller seinen Antrag im Betreff des Schreibens vom 8. August 2020 selbst als neuen Antrag bezeichnete („Erneuter Antrag Schulbegleitung“). Denn der Antragsteller machte mit seinem Antrag der Sache nach keinen neuen Rehabilitationsbedarf geltend. Bei unveränderter Erkrankung begehrte er vielmehr die Fortsetzung der im 2. Schuljahr gewährten Schulbegleitung auch in dem sich nun anschließenden Grundschuljahr (3. Klasse), weil er die erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit seiner Diabetes-Erkrankung altersbedingt auch weiterhin nicht selbstständig zu handhaben vermochte. Der Antrag vom 8. August 2020 stellt sich daher als Verlängerungsantrag im Hinblick auf die seitens der Antragsgegnerin aufgrund des Beschlusses des SG vom 12. November 2019 in dem Verfahren S 16 KR 3397/19 ER für den Schulbesuch des Antragstellers vorläufig bis 31. Juli 2020 als häusliche Krankenpflege gewährte Behandlungspflege dar. Die vom Antragsteller wegen seiner Diabetes-Erkrankung benötigte Begleitung beim Schulbesuch stellt - jedenfalls solange es sich um den Besuch der Grundschule handelt - einen einheitlichen Leistungsfall dar. Dieser ist vom ursprünglich leistenden Träger abzuschließen. Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB IX und dem Grundsatz der Leistungserbringung „aus einer Hand“. Denn nach der genannten Regelung erbringen die Leistungsträger die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalls so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden. Der Senat teilt die Auffassung des OVG N.-W. im Beschluss vom 22. Oktober 2018 (a.a.O.), dass ein Verlängerungsantrag nicht gemäß § 14 SGB IX zu behandeln ist (ebenso Ulrich, a.a.O., § 14 Rn. 58 m.w.N.; a.A. zur Eingliederungshilfe LSG N.-W., Beschluss vom 9. Oktober 2013 – L 20 SO 380/13 B ER – juris, Rn. 35). Zu Recht hat die Beigeladene darauf hingewiesen, dass die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX auch für Folgeanträge dazu führen könne, dass sich der Antragteller in jedem neuen Schuljahr einem anderen Leistungsträger gegenübersieht. |
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| Ausgehend hiervon war die Antragsgegnerin als zweitangegangener und leistender Rehabilitationsträger verpflichtet, auch über den Folgeantrag des Antragstellers vom 8. August 2020 zu entscheiden und die Leistung zu erbringen. Die sachliche Notwendigkeit des mit § 14 SGB IX verfolgten Ziels, eine zeitnahe Entscheidung durch die Begründung der Zuständigkeit eines Leistungsträgers im Außenverhältnis zum Antragsteller zu erwirken, wird anhand der vorliegend zu beurteilende Fallgestaltung mehr als deutlich. So entschied die Antragsgegnerin zeitgerecht nicht über den Antrag vom 19. August 2019 und die von ihr angenommene Unzuständigkeit für den Folgeantrag führte dazu, dass auch über den vom Antragstellers am 8. August 2020 gestellten weiteren Antrag zeitgerecht keine Entscheidung getroffen wurde. Dadurch war der Antragsteller zur Durchsetzung der dringend benötigten Leistungen gezwungen, gerichtliche Hilfe sowohl hinsichtlich seines Erstantrags als auch wegen des nachfolgenden Verlängerungsantrags in Anspruch zu nehmen. |
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| (2) Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen für einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach §§ 27 Abs. 1, 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Danach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). In Richtlinien nach § 92 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können (§ 37 Abs. 6 SGB V). Der GBA hat in Umsetzung seiner gesetzlichen Verpflichtung in der HKP-RL vom 17. September 2009 (BAnz vom 9. Februar 2010, zuletzt geändert am 17. September 2020, BAnz AT 4. Dezember 2020 B3) nähere Festlegungen vorgenommen. Der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung (§ 13 Abs. 2 SGB XI). Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden. Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen verschiedenster Art, wie z.B. Injektionen, Verbandwechsel, Katheterisierung, Einläufe, Spülungen, Einreibungen, Dekubitusversorgung, Krisenintervention, Feststellung und Beobachtung des jeweiligen Krankenstandes und der Krankheitsentwicklung, die Sicherung notwendiger Arztbesuche, die Medikamentengabe sowie die Kontrolle der Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten (BSG, Urteil vom 10. November 2005 – B 3 KR 38/04 R – juris, Rn. 14 m.w.N.). |
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| Diese Art von Leistungen benötigt der Antragsteller. Die begehrte Schulbegleitung dient der Versorgung der Erkrankung des Antragstellers, des Diabetes mellitus. Die Gewährung regelmäßiger Blutzuckermessungen und Insulingaben während des Schulbesuchs zu im Voraus bestimmten Zeiten genügt insoweit nicht. Aufgrund der alterstypisch schwankenden Blutzuckerwerte infolge wechselnder körperlicher Aktivitäten, unregelmäßigem Tagesrhythmus und Infekten besteht die Notwendigkeit einer jederzeitigen Interventionsmöglichkeit. Der Antragsteller benötigt daher auch während des Schulbesuchs eine ständige Beobachtung, damit in den jeweiligen, unvorhersehbar auftretenden Situationen die geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um Über- und Unterzuckerungen zu vermeiden. Zur Handhabung all dessen ist der Antragsteller selbstständig und ohne Hilfe wegen seines Alters nicht in der Lage. Hiervon ist das SG zutreffend ausgegangen. Insoweit sieht der Senat gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. |
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| Soweit die Antragsgegnerin auf Nr. 24 des Leistungsverzeichnisses zur HKP-RL verwies und die Auffassung vertrat, die spezielle Krankenbeobachtung sei nur verordnungsfähig, wenn bei voraussichtlich täglich zu erwartenden lebensbedrohlichen Situationen pflegerische Intervention erforderlich sei und ein solcher Fall liege beim Antragsteller nicht vor, ist darauf hinzuweisen, dass ein nach Maßgabe des Gesetzesrechts in § 37 Abs. 2 SGB V bestehender Leistungsanspruch nicht durch möglicherweise entgegenstehendes Richtlinienrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Zwar handelt es sich bei den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGBV um untergesetzliche Normen, die grundsätzlich auch innerhalb des Leistungsrechts zu beachten sind; sie verstoßen aber gegen höherrangiges Recht, soweit sie einen Ausschluss der im Einzelfall gebotenen Krankenbeobachtung aus dem Katalog der verordnungsfähigen Leistungen enthalten. Die HKP-RL binden die Gerichte insoweit nicht (BSG, Urteil vom 10. November 2005 – B 3 KR 38/04 R – juris, Rn. 19). |
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| In Anwendung dieser Grundsätze hält es der Senat für ausreichend wahrscheinlich, dass der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf die Gewährung von häuslicher Krankenpflege nicht nur im Umfange der Blutzuckermessung und Insulingabe hat, sondern auch in Form der Krankenbeobachtung während des Schulbesuchs. Maßgebend ist hierfür, dass die Blutzuckermessung und Anpassung der Insulingabe beim Antragsteller während des Schulbesuchs täglich zu unbestimmten Zeitpunkten nötig wird und die ständige Beobachtung der gesundheitlichen Situation des Antragstellers wegen der Gefahr von gesundheitlichen Komplikationen und die hierdurch gegebene Möglichkeit der jederzeitigen Intervention erfolgen muss (so bereits LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. November 2019 – L 2 SO 3106/19 ER-B). |
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| (3) Ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe an Bildung als Eingliederungshilfe kommt für den Antragsteller nach §§ 75, 90 Abs. 4, 112 SGB IX in Betracht. |
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| (a) Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten Personen nach § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII und den §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung (§ 99 SGB IX in der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung vom 23. Dezember 2016). Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der bis 31. Dezember 2019 geltenden Fassung erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung als Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen (§ 90 Abs. 4 SGB IX). Leistungen zur Teilhabe an Bildung umfassen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt. Die Hilfen nach Satz 1 Nr. 1 schließen Leistungen zur Unterstützung schulischer Ganztagsangebote in der offenen Form ein, die im Einklang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule stehen und unter deren Aufsicht und Verantwortung ausgeführt werden, an den stundenplanmäßigen Unterricht anknüpfen und in der Regel in den Räumlichkeiten der Schule oder in deren Umfeld durchgeführt werden. Hilfen nach Satz 1 Nr. 1 umfassen auch heilpädagogische und sonstige Maßnahmen, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, der leistungsberechtigten Person den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern (§ 112 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IX). Ein Beitrag aus eigenem Einkommen oder Vermögen – des Antragstellers oder seiner Eltern – ist bei Leistungen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nicht zu erbringen (§§ 138 Abs. 1 Nr. 4, 140 Abs. 3 SGB IX). |
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| Beim Antragsteller liegt eine Behinderung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vor, da seine körperliche Funktion durch den Diabetes mellitus und die AD(H)S für länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher dadurch seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, gerade auch beim Besuch der Schule, beeinträchtigt ist. Dies ist hinsichtlich der Diabetes-Erkrankung zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Der Anspruch aus § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX umfasst auch Leistungen der Schulassistenz, soweit diese nicht im Kernbereich der pädagogischen Arbeit liegen (Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., Stand November 2020, § 112 Rn. 45). Ob der Antragsteller auch solcher Leistungen bedarf, ist zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen umstritten. Soweit die Antragsgegnerin auf die AD(H)S hingewiesen hat, hat sie konkret erforderliche Unterstützungsmaßnahmen nicht bezeichnet. Der Antragsteller hat solche nicht geltend gemacht. Deren Notwendigkeit kann jedoch offenbleiben, da die Zuständigkeit der Antragsgegnerin im Außenverhältnis zum Antragsteller auch insoweit gegeben wäre. |
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| bb) Auch ein Anordnungsgrund ist zu bejahen. Ohne die Unterstützung durch eine Schulbegleitung kann der Antragsteller die 3. Klasse der Grundschule nicht besuchen. Dass die Präsenzpflicht wegen der SARS-CoV-2-Pandemie derzeit im Land Baden-Württemberg aufgehoben ist, ändert hieran nichts. Denn die Grundschulen haben derzeit wieder geöffnet, d.h. den Grundschülern wird der Präsenzunterricht grundsätzlich ermöglicht. Zudem wäre eine Schulbegleitung auch bei einer Inanspruchnahme der Notbetreuung in der schulischen Einrichtung notwendig. |
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| Soweit die Antragsgegnerin im Antragverfahren eine Eilbedürftigkeit verneinte, weil dem Antragsteller zumutbar sei, das Hauptsacheverfahren abzuwarten, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller ist nicht in der Lage, auch unter Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen gegen seine Eltern, die für die Schulbegleitung aufzuwendenden Kosten vorläufig selbst zu tragen. Hiervon geht der Senat auf der Grundlage der in dem Verfahren S 16 KR 3397/19 ER ausführlich dargelegten Einkommens- und Vermögensverhältnissen aus, die keine Änderungen erfahren haben. Insoweit hat auch die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren nichts Abweichendes geltend gemacht. |
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| 5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). |
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