Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 KR 714/20

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.01.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung der durch die Beklagte der Klägerin erstatteten Arbeitgeberaufwendung für eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an deren Geschäftsführer streitig.
Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in B. Alleinige Gesellschafterin ist die R mit Sitz in O (I). Gegenstand des Unternehmens sind die Entwicklung, die Herstellung, der Vertrieb und der Handel von Bauteilen, Komponenten und Zubehör für industrielle verarbeitende Maschinen (§ 2 Abs 1 des Gesellschaftsvertrages vom 09.12.2010). Der Gesellschaftsvertrag enthält ua folgende Regelungen:
„§ 4 Geschäftsführung und Vertretung
1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Einem oder mehreren Geschäftsführern kann Einzelvertretungsbefugnis und Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden. Einem oder mehreren Geschäftsführern kann entgeltliche oder unentgeltliche Befreiung vom Wettbewerbsverbot erteilt werden.
2. Die Geschäftsführer sind im Innenverhältnis ausschließlich zur ordentlichen Verwaltung befugt.
Zur Ausführung von Handlungen der außerordentlichen Verwaltung ist die vorherige Genehmigung erforderlich, die sich aus dem Beschluss der Gesellschafter ergibt, der durch die Jastimmen der Mehrheit des Gesellschaftskapitals gefasst wurde. Auf jeden Fall sind die nachstehend aufgeführten Handlungen als außerordentliche Verwaltung zu betrachten:
- der Kauf und Verkauf von Immobilien, sowie die Bildung, die Änderung und das Erlöschen von dinglichen Grundstücksrechten;
- Hypothekenbestellung auf Immobilien der Gesellschaft, sowie das Stellen von Bürgschaften und Sicherheiten zu Gunsten Dritter, das Ausstellen von Wechseln und die Akzeptierung von Passivwechseln;
- der Kauf und die Abtretung von Beteiligungen;
- die Anstellung und Entlassung leitender Mitarbeiter;
- die Festlegung von Bezügen für Geschäftsführer oder eventuellen anderen Zulagen;
- die Abtretung des Gesellschaftsunternehmens oder Zweig desselben an Dritte als Eigentum oder zur Verwaltung;
- die Aufnahme von Finanzierungen oder Hypothekendarlehen auch in Form von Krediteröffnungen;
- die Gründung von Gesellschaften, Konsortien oder Körperschaften, einschließlich von Arbeitsgemeinschaften mit Unternehmen.
§ 5 Gesellschafterversammlung
1. Die Versammlung wird durch einen oder mehrere Gesellschafter oder durch einen Geschäftsführer einberufen. Die Einberufung der Versammlung erfolgt durch eingeschriebenen Brief. Die Frist zur Einberufung beträgt sieben Tage. Maßgeblich für den Beginn der Frist ist der Zugang bei den einzuladenden Gesellschaftern. Die Einberufung kann auch durch Mitteilung per Telefax oder elektronischer Post, die wenigstens acht Tage vor der Versammlung abzusenden ist, erfolgen, vorausgesetzt, die Nummer des empfangenden Telefax oder die Adresse der elektronischen Post sind dem Geschäftsführer vorher bekanntgegeben.
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2. Die Gesellschafterversammlung kann auch außerhalb des Gesellschaftssitzes einberufen werden. Bei Fehlen der Einberufungsformalitäten wird die Versammlung als regulär konstituiert angesehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
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3. Jeder Gesellschafter kann sich vertreten lassen, auch durch einen Nichtgesellschafter, vorausgesetzt es wird eine schriftliche Vollmacht vorgelegt.
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4. Die Versammlung wird von einer von der Versammlung bestimmten Person als Vorsitzendem abgehalten. Die Sitzungen der Versammlung werden durch ein Protokoll festgestellt, das von dem von der Versammlung beauftragten Schriftführer erstellt wird, und von diesem und vom Vorsitzenden unterschrieben wird.
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5. Zustimmende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden durch einfache Mehrheit des Gesellschaftskapitals gefasst, ausgenommen Entscheidungen, für die das Gesetz unabdingbar eine größere Mehrheit vorschreibt.
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§ 8 Bilanz, Gewinnverwendung
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Die Geschäftsführung hat am Ende eines jeden Geschäftsjahres im Rahmen der gesetzlichen Fristen den Jahresabschluss gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu erstellen. Nach Abschlusserstellung ist der Jahresabschluss mit Bilanz unverzüglich den Gesellschaftern zuzuleiten. Die Gesellschafterversammlung entscheidet über die Gewinnverwendung.“
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Zum Geschäftsführer der Klägerin ist V (Geschäftsführer) bestellt. Die Klägerin und der Geschäftsführer schlossen am 22.12.2010 ein in englischer Sprache verfasstes Management Agreement, das ausweislich der beglaubigten Übersetzung ua folgende Regelungen enthält:
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„1. Tätigkeiten
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1.1 Die Firma ernennt hiermit den Geschäftsführer zu ihrem Geschäftsführer. Der Geschäftsführer vertritt die Firma nach den geltenden Gesetzen, nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung, die für die Geschäftsführung gelten und nach den Anweisungen, die durch die Gesellschafter erteilt wurden.
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1.2 Der Geschäftsführer führt die Firmengeschäfte in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen, mit den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, mit den Bestimmungen der Geschäftsordnung, die für die Geschäftsführung gelten und mit den Anweisungen, die durch die Gesellschafter erteilt wurden.
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2. Laufzeit
...
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3. Geschäftsvorgänge, die der Genehmigung bedürfen
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3.1 Die Genehmigung zur Durchführung von Firmengeschäften erstreckt sich auf sämtliche Maßnahmen, die im normalen Geschäftsverlauf, wie er von der Firma durchgeführt wird, üblich sind.
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3.2 Jeder Geschäftsvorgang über den normalen Umfang der von der Firma durchgeführten Geschäftstätigkeit hinaus unterliegt der vorherigen Genehmigung der Hauptversammlung. Dies umfasst insbesondere:
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- den Kauf, die Veräußerung und die Belastung von Grundstücken;
- die Aufnahme neuer Geschäftstätigkeiten der Firma und die Aufgabe existierender Geschäftstätigkeiten der Firma;
- die Gründung und die Einstellung von Niederlassungen und Filialgeschäften;
- den Kauf und die Veräußerung von Betrieben und ständigen Beteiligungen;
- den Abschluss, die Änderung und den Widerruf von Verträgen über die Pacht von laufenden Betrieben und von Ergebnisabführungsverträgen;
- die Aufnahme und die Rückzahlung von Darlehen;
- die Vereinbarung von Kreditlinien für Kontokorrentkonten und die Annahme von Krediten sowie die Änderungen solcher Verträge;
- die Gewährung von Darlehen über die normalen Firmentätigkeiten hinaus;
- die Bereitstellung von Sicherheiten für einen Dritten, insbesondere die Übernahme einer Bürgschaft und die Gewährung von Garantien;
- die Gewährung und den Widerruf einer Handelsvertretungsbefugnis oder einer allgemeinen Vertretungsbefugnis;
- den Abschluss, die Änderung und die Kündigung von Dienstverträgen mit Managern, die eine Handelsvertretungsbefugnis oder eine allgemeine Vertretungsbefugnis haben, oder mit Mitarbeitern, die ähnliche Funktionen haben.
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4. Vergütung, Spesen
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4.1 Für seine Dienste unter diesem Vertrag erhält der Geschäftsführer ein Jahresgehalt in Höhe von EUR 60.000.-- brutto, das in zwölf gleichen monatlichen Raten zahlbar ist, wobei die gesetzlich festgesetzten Abzüge einbehalten werden und die monatliche Rate zum 15. eines Kalendermonats bargeldlos ausbezahlt wird.
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4.2 Der Geschäftsführer erhält zusätzlich zu seinem Festgehalt eine zusätzliche Provision / einen Bonus in Höhe von 3 % eines Betrages, der EUR 500.000,00 bis zu der Grenze von Euro 1.000.000,00 an Rechnungen für Drehdurchführungen übersteigt, die von der Firma R in Rechnung gestellt worden sind, und von den Kunden in dem Gebiet von Deutschland in dem Kalenderzeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember vollständig bezahlt worden sind. Der Begriff ''Betrag'' umfasst nicht die Steuern und Versandkosten. Die Umsätze mit der Firma H sind in dem Volumen nicht enthalten. Die Umsätze oder die Leistungen für andere Produkte als die Drehdurchführungen (rotary unions) sind in dem Volumen nicht enthalten. Die Umsätze außerhalb des Gebietes von Deutschland sind nur dann in dem Volumen enthalten, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist. Der Bonus wird bis zum 31. Januar des Folgejahres oder bei Vertragsende - je nach dem, welcher Zeitpunkt früher eintritt - ausbezahlt.
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4.3 Die Reisekosten, die dem Geschäftsführer bei der Ausübung seiner Pflichten im Rahmen dieses Vertrages entstanden sind, werden gegen Rechnung /Quittung (beispielsweise Hotel, Bus und Zug, Parkgebühren, Internetzugang, Verpflegungskosten ...) erstattet.
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4.4 Für die Ausübung seiner Pflichten im Rahmen dieses Vertrages erhält der Geschäftsführer einen angemessenen Firmenwagen, der auch privat genutzt werden kann. Die Firma trägt sämtliche Fahrzeug- und Wartungskosten. Der Geschäftsführer übernimmt die Versteuerung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung. Falls der Geschäftsführer seinen eigenen Wagen für die Ausübung seiner Pflichten im Rahmen dieses Vertrages nutzen muss, erhält er eine Kilometerpauschale.
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4.5 Der Geschäftsführer hat Anspruch auf ein geeignetes Geschäftshandy mit Internet-Flatrate, das auch privat genutzt werden kann.
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5. Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit
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5.1 Bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers aufgrund von Krankheit oder aus einem anderen Grund, für den der Geschäftsführer nicht verantwortlich ist, wird die Vergütung gemäß obiger Bestimmung für einen Zeitraum von sechs Wochen gezahlt, aber in keinem Fall länger als bis zur Beendigung dieses Vertrages, wobei das Krankengeld, das von einer Krankenversicherung des Geschäftsführers gezahlt wird, abgezogen wird.
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6. Versicherungen und Pensionsplan
...
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7. Urlaub
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7.1 Der Geschäftsführer hat einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen pro Jahr.
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7.2 Bei seiner Urlaubsplanung muss der Geschäftsführer die Geschäftstätigkeit der Firma angemessen berücksichtigen, wobei diese Geschäftstätigkeit der Firma in speziellen Fällen Vorrang genießt.
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7.3 Falls der Geschäftsführer nicht in der Lage sein sollte, aufgrund der Anforderungen in der Firma seinen Urlaub ganz oder teilweise zu nehmen, kann er diesen in das nächste Kalenderjahr übertragen oder sich den Resturlaub auszahlen lassen.
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8. Geheimhaltung
...
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9. Wettbewerbsbeschränkung
...
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10. Arbeitszeit, Nebentätigkeit
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10.1 Der Geschäftsführer wird seine gesamte Arbeitskraft und sein ganzes technisches Know-how und seine ganzen Erfahrungen ausschließlich der Firma zur Verfügung stellen.
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11. Aushändigung von Dokumenten
...
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12. Vertragsänderungen
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12.1 Änderungen an oder Ergänzungen zu diesem Vertrag müssen schriftlich erfolgen. Dies schließt Änderungen dieser Schriftformklausel ein.
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13. Schlussbestimmungen
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...“
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Die Klägerin entrichtete seit 2011 für ihren Geschäftsführer Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Umlagen U 1 und U 2 nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG); für die Zeit vom 01.01.2015 bis 30.04.2019 Umlagen U 1 und U 2 in Höhe von insgesamt 8.648,03 EUR. Auf Antrag der Klägerin erstattete die Beklagte für die Zeit vom 02.02. bis 04.02.2015, 23.03. bis 25.04.2015, 11.04. bis 30.04.2016, 09.05. bis 27.05.2016, 08.09.2017, 09.11.2017 bis 20.12.2017, 26.03.2018 bis 29.03.2018, 30.04.2018, 01.05.2018 bis 27.05.2018 sowie vom 25.10.bis 31.10.2018 - jeweils durch Auszahlung und ohne gesonderten Verwaltungsakt - Arbeitgeberaufwendungen für die in diesen Zeiträumen an ihren Geschäftsführer erbrachte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von insgesamt 31.440,88 EUR.
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Mit Schreiben vom 31.01.2019 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Rückforderung der Erstattungsbeträge nach dem AAG abzüglich der bezahlten Umlagebeiträge (31.440,88 EUR - 8.648,03 EUR = 22.792,85 EUR) an. Die Klägerin nahm dazu mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 21.02.2019 dahingehend Stellung, dass sie seit 2011 Umlagebeiträge zu U 1 für den Geschäftsführer abgeführt habe. Sie sei während des gesamten Zeitraums davon ausgegangen, dass diese Umlagebeiträge auch geschuldet seien. Daher lägen die Voraussetzungen des § 4 AAG nicht vor. Im Übrigen würden seit November 2017 einige Krankenkassen die Auffassung vertreten, dass Geschäftsführer, die sozialrechtlich als Beschäftigte einzustufen seien, an der Umlage U 1 und U 2 teilnehmen müssten. Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) gehe in seiner Rechtsprechung davon aus, dass GmbH-Geschäftsführer durchaus Arbeitnehmer sein könnten. Die Beklagte erwiderte (Schreiben vom 01.04.2019), dass Geschäftsführer einer GmbH entweder sozialversicherungsrechtlich abhängig beschäftigt oder sozialversicherungsfrei sein könnten. Gleichwohl seien Geschäftsführer grundsätzlich nicht verpflichtet, Umlagebeiträge zu zahlen. Denn die Verpflichtung zur Zahlung von Umlagebeiträgen richte sich ausschließlich nach dem arbeitsrechtlichen Status und daher nicht dem sozialversicherungsrechtlichen Status eines Geschäftsführers. Fremdgeschäftsführer einer GmbH würden sozialversicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigte im Sinne von § 7 Abs 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) angesehen. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH nehme jedoch Arbeitgeberfunktion wahr und sei deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person (Hinweis auf BAG 21.01.2019, 9 AZB 23/18). Entsprechend dem arbeitsrechtlichen Status eines Fremd-Geschäftsführers als arbeitgeberähnliche Person nehme dieser grundsätzlich nicht am Umlageverfahren teil. Die entsprechenden Meldungen seien durch die Klägerin veranlasst. Vorliegend sei weder die Klägerin noch der Geschäftsführer an die Beklagte herangetreten, um versicherungsrechtliche Fragen bzw den Status klären zu lassen. Also habe für die Beklagte auch keine Veranlassung und Verpflichtung bestanden, wegen der Meldungen zum Umlageverfahren weiter tätig zu werden, zumal es sich bei der An- bzw Abmeldung von Personen von der Sozialversicherungspflicht um einen Vorgang der Massenverwaltung handele. Auch stelle die Tatsache, dass Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich nicht am Umlageverfahren teilnehmen würden, eine für den betroffenen Personenkreis allgemein bekannte Tatsache dar. Die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 AAG lägen vor. Es liege ein schuldhaftes Verhalten im Sinne von § 4 Abs 2 Nr 1 AAG vor, wobei leichte Fahrlässigkeit genüge. Vom Arbeitgeber müsse die erforderliche Sorgfalt für eine richtige und vollständige Meldung erwartet werden. Im Übrigen regele § 4 Abs 2 Satz 1 AAG die Rückforderungstatbestände nicht abschließend (Hinweis auf BSG 31.05.2016, B 1 KR 17/15 R). Aus § 4 Abs 2 Satz 3 AAG folge, dass ein Verzicht auf eine Rückforderung nur dann zulässig sei, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering und der entstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sei. Die Klägerin habe insgesamt 22.792,85 EUR Aufwandserstattung ohne Rechtsgrund erhalten.
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Mit Bescheid vom 03.05.2019 beanstandete die Beklagte die Erstattungen und forderte den Betrag von 22.130,55 EUR zurück. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2019 als unbegründet zurück.
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Dagegen hat die Klägerin am 25.07.2019 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Sie führe seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses ihres Geschäftsführers am 01.12.2011 Umlagebeiträge an die Beklagte ab. Daher seien auch Leistungen für den Geschäftsführer im Rahmen des AAG in Anspruch genommen worden. Die Auffassung der Beklagten, dass Geschäftsführer grundsätzlich nicht zur Zahlung von Umlagebeiträgen verpflichtet seien, weil diese Verpflichtung sich ausschließlich nach dem arbeitsrechtlichen Status und nicht nach dem sozialversicherungsrechtlichen Status des Geschäftsführers einer GmbH richte, überzeuge nicht. Fremdgeschäftsführer einer GmbH seien sozialversicherungspflichtig und nähmen somit auch am Umlageverfahren U 1/U 2 teil. Ihr Geschäftsführer sei Fremdgeschäftsführer, da er keine Geschäftsanteile an der GmbH halte. In der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BAG vom 21.01.2019 werde das Umlageverfahren nicht thematisiert, sondern lediglich im Allgemeinen die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 AAG nicht vor. Falsche Angaben habe sie - die Klägerin - nicht gemacht. Sie habe lediglich Abgaben für ihren Geschäftsführer entrichtet. Einige Krankenkassen würden seit November 2016 die Auffassung vertreten, dass Geschäftsführer, die sozialversicherungsrechtlich als Beschäftigte einzustufen seien, ab 01.01.2018 an den Umlageverfahren U 1 und U 2 teilnehmen müssten.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
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Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2020 die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Rechtsgrundlage für die von der Beklagten geltend gemachte Forderung sei § 4 Abs 2 AAG. Die Krankenkasse habe danach Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber insbesondere zurückzufordern, soweit der Arbeitgeber schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben gemacht habe oder Erstattungsbeträge gefordert habe, obwohl er gewusst habe oder habe wissen müssen, dass ein Anspruch nach § 3 Abs 1 und 2 oder § 9 Abs 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) oder nach § 18 oder § 20 Abs 1 Mutterschutzgesetz (MuSchuG) nicht bestehe. Der Arbeitgeber könne sich nicht darauf berufen, dass er durch die zu Unrecht gezahlten Beträge nicht mehr bereichert sei. Von der Rückforderung könne abgesehen werden, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering sei und der entsprechende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sei. Die Klägerin habe die von der Beklagten erbrachten Erstattungsbeträge zu Unrecht bezogen, weil ihr Geschäftsführer nicht Arbeitnehmer im Sinne des AAG sei und damit nicht am Umlageverfahren teilnehmen könne. Das BSG habe mit Urteil vom 26.09.2017 (B 1 KR 31/16 R) bereits klargestellt, dass sich die Frage, wer Arbeitnehmer im Sinne von § 7 Abs 2 Satz 1 AAG sei, nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts bestimme. Das BAG habe insoweit mit Urteil vom 21.01.2019 (9 AZB 23/18) die ständige Rechtsprechung bestätigt, nach der die Geschäftsführer einer GmbH keine Arbeitnehmer seien. Dem schließe sich die Kammer an. Die Klägerin treffe auch zumindest einfache Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Teilnahme ihres Geschäftsführers am Umlageverfahren. Das BSG habe insoweit bereits entschieden, dass der Arbeitgeber, der Leistungen des Aufwendungsausgleichs empfangen habe, sich nicht auf Vertrauensschutz wegen bloß einfacher Fahrlässigkeit oder Gutgläubigkeit berufen könne (BSG 31.05.2016, B 1 KR 17/15 R), zumal die Formulierung „insbesondere“ in § 4 Abs 2 Satz 1 AAG deutlich mache, dass eine Rückforderung nicht nur unter den in Satz 1 Nr 1 und 2 genannten Voraussetzungen in Betracht komme. Angesichts einer viele Jahre zurückreichenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Einstufung von Geschäftsführern einer GmbH als Arbeitgeber und nicht als Arbeitnehmer (Hinweis auf BAG 20.08.2013, 4 AZB 79/02) hätte die Klägerin bei sorgfältiger Prüfung der Rechtslage Zweifel an ihrer Rechtsauffassung haben können. Vertrauensschutz komme der Klägerin nicht zu. Aus § 4 Abs 2 Satz 3 AAG folge, dass ein Verzicht auf die Rückforderung nur dann zulässig sei, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering sei und der entsprechende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sei. Ein solcher Fall sei vorliegend nicht gegeben.
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Gegen den ihrer Bevollmächtigten am 03.02.2020 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin - unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens - mit ihrer am 28.02.2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Sie hat am 01.03.2021 ein in englischer Sprache verfasstes „Management Agreement“ zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer vom 22.12.2010, den Gesellschaftsvertrag sowie einen Meeting report vom 01.10.2010 vorgelegt. Darin werde eindeutig geregelt, dass Investitionen und Aufgaben, die höher als 500,00 EUR ausfielen, „der Zustimmung der Geschäftsführung“ bedürften. Der Geschäftsführer dürfe keinerlei Einstellungen von Mitarbeitern vornehmen und sei dem Weisungsrecht seiner Arbeitgeber unterworfen. Dies ergebe sich aus dem Innenverhältnis zu den „GmbH Geschäftsführern“.
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Die Klägerin beantragt,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.01.2020 und den Bescheid der Beklagten vom 03.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verweist auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
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Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig.
62 
Den Gegenstand des Verfahrens bildet der Bescheid vom 03.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die in dem Zeitraum vom 02.02.2015 bis zum 31.10.2018 erbrachten Leistungen unter Anrechnung der für den Geschäftsführer der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.01.2019 entrichteten Umlagen U 1 und U 2 nach § 4 Abs 2 AAG zurückgefordert hat. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).
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Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 03.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist zur Rückzahlung der von der Beklagten erbrachten Erstattungsbeträge in Höhe von 22.330,55 EUR verpflichtet.
64 
Der Bescheid vom 03.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Bescheids mit Schreiben vom 31.01.2019 und 01.04.2019 angehört (§ 10 AAG iVm § 24 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ).
65 
Der Bescheid vom 03.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 ist auch materiell rechtmäßig.
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Als Rechtsgrundlage für die streitige Rückforderung kommt allein § 4 Abs 2 AAG in Betracht. Danach hat die Krankenkasse Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber insbesondere zurückzufordern, soweit der Arbeitgeber 1. schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat oder 2. Erstattungsbeträge gefordert hat, obwohl er wusste oder wissen musste, dass ein Anspruch nach § 3 Abs 1 und 2 oder § 9 Abs 1 EFZG nicht besteht (Satz 1). Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass er durch die zu Unrecht gezahlten Beträge nicht mehr bereichert sei (§ 4 Abs 2 Satz 2 AAG). Von der Rückforderung kann gemäß § 4 Abs 2 Satz 3 AAG abgesehen werden, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering ist und der entstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sein würde.
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Der im öffentlichen Recht ohne ausdrückliche Normierung seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (dazu und zum Folgenden BSG 31.05.2016, B 1 KR 17/15 R, BSGE 121, 185; ferner Feichtinger in Feichtinger/Malkmus, EFZG, 2. Aufl 2010, § 4 Rn 7, 14; Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung , § 4 Rn 4; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl 2018, § 4 Rn 8 ff). Die Regelung des § 4 Abs 2 AAG setzt den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch als Rechtsgrundlage voraus, ergänzt ihn und formt ihn näher für die Rückforderung geleisteten Aufwendungsersatzes aus. Abgesehen von den Bagatellfällen hat die nach dem AAG zuständige Stelle nach § 4 Abs 2 AAG jede ohne Rechtsgrund erfolgte Erstattungsleistung zwingend zurückzufordern; Ermessen ist der Krankenkasse nicht eingeräumt. Diese eigene, abschließende Regelung des AAG geht den allgemeinen Vorschriften des § 50 SGB X vor (§ 37 S 1 SGB I) und schließt deren Anwendung aus. Der Arbeitgeber, der Leistungen des Aufwendungsausgleichs empfangen hat, kann sich nicht auf Vertrauensschutz wegen bloß einfacher Fahrlässigkeit oder Gutgläubigkeit berufen. Die Einrede der Entreicherung in entsprechender Anwendung des § 818 Abs 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist ausgeschlossen. Auch ist die Rückforderung nicht daran geknüpft, dass eine der in § 4 Abs 2 Satz 1 AAG ausdrücklich aufgeführten Fälle erfüllt ist. Mit der bewussten Einfügung des Wortes „insbesondere“ in § 11 Abs 2 Satz 1 LFZG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass neben den dort zwingend vorgeschriebenen Fällen die Rückforderung von Erstattungsbeträgen aus anderen Gründen nicht ausgeschlossen werden soll.
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Nach diesen Maßstäben hat die beklagte Krankenkasse als Trägerin des Ausgleichs für Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit und in Mutterschaftsfällen (§ 1 AAG) zu Recht die an die Klägerin erbrachten Arbeitgeberaufwendungen wegen Arbeitsunfähigkeit ihres Geschäftsführers in dem Zeitraum vom 02.02.2015 bis zum 31.10.2018 nach § 4 Abs 2 AAG zurückgefordert.
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Zunächst stehen der Rückforderung durch die Beklagte keine bestandskräftigen Bewilligungsverwaltungsakte betreffend die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an ihren Geschäftsführer entgegen, da die Erstattung durch die Beklagte jeweils ohne gesonderte Bewilligungsentscheidung erfolgt ist (vgl dazu BSG 31.05.2016, B 1 KR 17/15 R, BSGE 121, 185). Weiterhin war die Beklagte berechtigt, über die Rückforderung sowie deren Höhe mittels Verwaltungsakt (vgl § 31 SGB X) zu entscheiden (BSG 31.05.2016, B 1 KR 17/15 R, BSGE 121, 185).
70 
Die Klägerin hat auf Kosten der Beklagten ohne Rechtsgrund Erstattungsleistungen nach § 1 Abs 1 AAG für Entgeltfortzahlung an ihren Geschäftsführer erhalten. Denn die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 EFZG lagen in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor. Der Geschäftsführer der Klägerin war kein Arbeitnehmer und hatte deshalb keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG gegen die Klägerin.
71 
Der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nach § 1 Abs 1 AAG knüpft an den Anspruch des bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers nach § 3 Abs 1 und 2, § 9 Abs 1 EFZG an. Das AAG enthält keinen eigenständigen Begriff des Arbeitnehmers, sondern bestimmt diesen nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts, da die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen und deren Umlagefinanzierung in einem Regelungszusammenhang mit der Entgeltfahrtzahlung im Krankheitsfall steht (dazu BSG 26.09.2017, B 1 KR 31/16 R, BSGE 124, 162; ferner Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl 2018, § 1 Rn 14; Vogelsang in Hensseler/Willemsen/Kalb, 9. Aufl 2020, § 12 AAG Rn 9). Nach § 3 Abs 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Gemäß § 1 Abs 2 EFZG sind Arbeitnehmer iSd EFZG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Geschäftsführer als Vertretungsorgan der juristischen Person (GmbH) und arbeitgeberähnliche Personen gehören grundsätzlich nicht zu dem Kreis, auf den das EFZG Anwendung findet (vgl zB BAG 21.01.2019, 9 AZB 23/18, BAGE 165, 61; BAG 24.11.2005, 2 AZR 614/04, BAGE 115, 254; Bundesgerichtshof 20.05.2010, II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288; Haase, GmbHR 2005, 1260 ff; Mävers, ArbRAktuell 2018, 591/593; Reinhard in Erfurter Kommentar, 21. Aufl 2021, § 1 EFZG Rn 2; Schmitt/Küfner-Schmitt in Schmitt, EFZG, 8. Aufl 2018, § 1 Rn 24). In Einklang mit dieser Rechtslage hatten die Spitzenverbände der Krankenkassen in ihren „Gemeinsamen Rundschreiben“ zum AAG vom 21.12.2005 (S 21, 23 f) bereits 2005 auf die maßgebliche arbeitsrechtliche Bestimmung des Begriffs des Arbeitnehmers und die Rechtsprechung des BAG zur - abgesehen von wenigen eng begrenzten Ausnahmefällen - Verneinung der Arbeitnehmereigenschaft bei (Fremd-)Geschäftsführern einer GmbH hingewiesen. In den aktuellen „Grundsätzliche Hinweise zum Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit (U1-Verfahren) und für Mutterschaftsleistungen (U2-Verfahren)“ vom 07.11.2017 (S 9), auf die die Klägerin Bezug genommen hat, werden ua auch GmbH-Geschäftsführer ausdrücklich als Personen benannt, die keine Arbeitnehmer iSd AAG sind.
72 
Unter Zugrundelegung des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs ist der Geschäftsführer der Klägerin kein Arbeitnehmer iSd § 1 Abs 1 AAG. Eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lässt, kommt allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht (BAG 27.04.2021, 2 AZR 540/20). Ein solcher Ausnahmefall, der zu einer ausnahmsweisen Zuordnung zum Personenkreis der Arbeitnehmer führt (vgl zB BAG 21.01.2019, 9 AZB 23/18, BAGE 165, 61; BAG 24.11.2005, 2 AZR 614/04, BAGE 116, 254), liegt hier nicht vor. Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel auf der Grundlage eines Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Dies gilt unabhängig davon, ob der (Fremd-)Geschäftsführer einen starken Anteilseigner, Mitgeschäftsführer etc neben sich hat, der die konkrete Geschäftstätigkeit bestimmend mitgestaltet. Es kommt insoweit nicht entscheidend darauf an, welchen Gebrauch der GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis nach § 37 Abs 1 GmbHG von seiner im Außenverhältnis wegen § 44, § 35, § 37 Abs 2 GmbHG unbeschränkten Vertretungsbefugnis machen darf. § 37 Abs 1 GmbHG ist eine Norm zur Abgrenzung der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane untereinander. Ein unternehmerisches Weisungsrecht hat die Gesellschaft auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer (BAG 26.05.1999, 5 AZR 664/98). Wird berücksichtigt, dass der Gesellschaft jedenfalls ein unternehmerisches Weisungsrecht zusteht, so kann eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie darüber hinaus auf einen Status des betroffenen GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer schließen lässt, allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen (BAG 24.11.2005, 2 AZR 614/04, BAG 116, 254). Ein solcher Ausnahmefall setzt jedoch voraus, dass ein über das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht hinausgehendes Weisungsrecht auch bezüglich der Umstände, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat, besteht (BAG 26.05.1999, 5 AZR 664/98, NJW 1999, 1026). Ein Arbeitsverhältnis liegt nur vor, wenn die Gesellschaft dem Geschäftsführer auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese Weise die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung bestimmen kann (BAG 26.05.1999, 5 AZR 664/98, NJW 1999, 1026).
73 
Der von der Klägerin vorgelegte Geschäftsführervertrag regelt ua die Ernennung zum Geschäftsführer, dessen Bindung an die gesetzlichen Regelungen, eine Satzung der Klägerin und Weisungen ihrer Gesellschafter (Ziffer 1), Beginn und Ende des Vertrages (Ziffer 2), die Vertretung im normalen Geschäftsbetrieb und zustimmungspflichtige Geschäfte bzw Handlungen (Ziffer 3), Vergütung (Ziffer 4), Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit (Ziffer 5), eine Unfallversicherung (Ziffer 6), Urlaub (Ziffer 7), Geheimhaltung (Ziffer 8) sowie Wettbewerbsbeschränkungen. Dieser trifft mithin typische Regelungen eines Geschäftsführerdienstvertrages und unterwirft den Geschäftsführer nicht so starken Bindungen und Weisungen der Gesellschafterversammlung, die eine Zuordnung zum Status eines Arbeitnehmers rechtfertigen. Die vereinzelte Verwendung des Begriffs „contract of employment“ begründet nicht den Schluss, dass es sich um einen Arbeitsvertrag handelt. Denn das Wort „employment“ entspricht in der deutschen Sprache den Begriffen Beschäftigung, Arbeit, Anstellung, Arbeitsverhältnis, Vollbeschäftigung, Beruf, Tätigkeit, Geschäft etc. Ein arbeitsrechtliches Weisungsrecht iSd der dargestellten Rechtsprechung des BAG stand der Klägerin gegenüber ihrem Geschäftsführer nicht zu. Der Geschäftsführervertrag unterwirft den Geschäftsführer nicht einem Weisungsrecht hinsichtlich Ort und Zeit der Leistungserbringung. Insofern begründet dieser Vertrag kein Weisungsrecht, sondern ermöglicht dem Geschäftsführer, seine Arbeitszeit im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse frei und eigenverantwortlich zu gestalten (vgl Ziff 10). Seinen Urlaub kann der Geschäftsführer nach Ziff 7.2 unter Berücksichtigung der Geschäftstätigkeit der Klägerin zeitlich selbst festlegen. Soweit unter Ziff 1 und 3 die Rechte und Pflichten und der Umfang der Entscheidungsbefugnisse des Geschäftsführers an die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, einer Geschäftsordnung und die Weisungen durch die Gesellschafter gekoppelt werden, werden allein die nach § 37 Abs 1 GmbHG möglichen internen Beschränkungen der Befugnisse eines Geschäftsführers wiedergegeben (vgl BAG 21.01.2019, 9 AZB 23/18, BAGE 165, 61). Auch Ziff 3.1 des Geschäftsführervertrages setzt im Wesentlichen die Regelung des § 4 Abs 2 des Gesellschaftsvertrages um, um das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht der Gesellschafter abzusichern sowie die ordentliche Verwaltung (Geschäftsführung) von der außerordentlichen Verwaltung abzugrenzen. So ist der Geschäftsführer nach der Regelung der Ziff 3.1 zur Durchführung von Firmengeschäften entsprechend dem Geschäftsgegenstand der Klägerin (vgl § 2 Abs 1 des Gesellschaftsvertrages) zu sämtlichen Maßnahmen, die im „normalen Geschäftsverlauf“ üblich sind, befugt. Dafür wurde ihm im Geschäftsführervertrag ausdrücklich „die Genehmigung“ erteilt. Lediglich in Bezug auf Geschäftsvorgänge, die über den „normalen Umfang“ der von der Klägerin durchgeführten Geschäftstätigkeit hinausgehen, bedarf der Geschäftsführer der vorherigen Genehmigung der Hauptversammlung.
74 
Etwas anderes folgt nicht aus dem meeting report vom 01.10.2010. Die dort niedergelegte Besprechung zwischen dem späteren Geschäftsführer der Klägerin und der R fand vor der Existenz der Klägerin statt und skizziert deren beabsichtigte Gründung. Die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers wurden nach Gründung der Klägerin im Einzelnen im Gesellschaftsvertrag und im Geschäftsführervertrag geregelt. Dass die am 01.10.2010 getroffenen Absprachen betreffend die Gründung der Klägerin und die dem späteren Geschäftsführer übertragenen Aufgaben (zB Suche eines Büros und einer Sekretärin) über die im Gesellschaftsvertrag sowie im Geschäftsführervertrag enthaltenen Regelungen hinaus weiterhin Geltung beanspruchen sollten, ist diesen nicht zu entnehmen. Für den Senat bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass die Vertragsparteien durch die Vertragsdurchführung abweichend von den Bestimmungen des Geschäftsführerdienstvertrags ein Arbeitsverhältnis begründen wollten. Soweit die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, dass der Geschäftsführer seine Tätigkeit für das Unternehmen betreffend Ausgaben, Investitionen und der Einstellung von Mitarbeitern eng mit den Gesellschaftern abstimmen musste, geht dies über unternehmerische Weisungen nicht hinaus.
75 
Die Klägerin beruft sich demgegenüber in erster Linie auf die vom BSG für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung eines GmbH-Geschäftsführers entwickelten Kriterien (zB BSG 10.12.2019, B 12 KR 9/18 R, BSGE 129, 254), die - wie dargelegt - vorliegend aber nicht maßgeblich sind.
76 
Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 Satz 1 Nr 2 AAG vor. Die Klägerin hatte Erstattungsbeträge für eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an ihren Geschäftsführer von der Beklagten gefordert, obwohl sie im Hinblick auf die klare Rechtslage und die unmissverständlichen Hinweise des GKV-Spitzenverbandes hätte wissen müssen, dass ein Anspruch des Geschäftsführers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf Grundlage des § 3 Abs 1 EFZG bereits deshalb ausgeschlossen war, weil der persönliche Anwendungsbereich des EFZG (§ 1 Abs 2 EFZG) nicht eröffnet war. Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz oder Gutgläubigkeit berufen. Die Einrede der Entreicherung in entsprechender Anwendung des § 818 Abs 3 BGB ist ausgeschlossen. Ein Bagatellfall, in der von einer Rückforderung abgesehen werden kann, scheidet bei Erstattungsleistungen der Beklagten an die Klägerin im Umfang von insgesamt 31.440,88 EUR aus.
77 
Für Fehler bei der konkreten Berechnung des Rückforderungsbetrages bestehen keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat insoweit auch keine Einwände erhoben.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Entgegen der Auffassung des SG findet die Regelung des § 197a Abs 1 Satz 1 SGG keine Anwendung, weil die Klägerin als Arbeitgeberin und Leistungsempfängerin iSd § 1 AAG zum Kreis der nach § 183 SGG kostenprivilegierten Beteiligten zählt (BSG 31.05. 2016, B 1 KR 17/15 R, BSGE 121, 185, juris Rn 20 mwN). Daher war der angefochtene Gerichtsbescheid im Kostenausspruch zu ändern.
79 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
60 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
61 
Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig.
62 
Den Gegenstand des Verfahrens bildet der Bescheid vom 03.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die in dem Zeitraum vom 02.02.2015 bis zum 31.10.2018 erbrachten Leistungen unter Anrechnung der für den Geschäftsführer der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.01.2019 entrichteten Umlagen U 1 und U 2 nach § 4 Abs 2 AAG zurückgefordert hat. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).
63 
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 03.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist zur Rückzahlung der von der Beklagten erbrachten Erstattungsbeträge in Höhe von 22.330,55 EUR verpflichtet.
64 
Der Bescheid vom 03.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Bescheids mit Schreiben vom 31.01.2019 und 01.04.2019 angehört (§ 10 AAG iVm § 24 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ).
65 
Der Bescheid vom 03.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 ist auch materiell rechtmäßig.
66 
Als Rechtsgrundlage für die streitige Rückforderung kommt allein § 4 Abs 2 AAG in Betracht. Danach hat die Krankenkasse Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber insbesondere zurückzufordern, soweit der Arbeitgeber 1. schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat oder 2. Erstattungsbeträge gefordert hat, obwohl er wusste oder wissen musste, dass ein Anspruch nach § 3 Abs 1 und 2 oder § 9 Abs 1 EFZG nicht besteht (Satz 1). Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass er durch die zu Unrecht gezahlten Beträge nicht mehr bereichert sei (§ 4 Abs 2 Satz 2 AAG). Von der Rückforderung kann gemäß § 4 Abs 2 Satz 3 AAG abgesehen werden, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering ist und der entstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sein würde.
67 
Der im öffentlichen Recht ohne ausdrückliche Normierung seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (dazu und zum Folgenden BSG 31.05.2016, B 1 KR 17/15 R, BSGE 121, 185; ferner Feichtinger in Feichtinger/Malkmus, EFZG, 2. Aufl 2010, § 4 Rn 7, 14; Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung , § 4 Rn 4; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl 2018, § 4 Rn 8 ff). Die Regelung des § 4 Abs 2 AAG setzt den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch als Rechtsgrundlage voraus, ergänzt ihn und formt ihn näher für die Rückforderung geleisteten Aufwendungsersatzes aus. Abgesehen von den Bagatellfällen hat die nach dem AAG zuständige Stelle nach § 4 Abs 2 AAG jede ohne Rechtsgrund erfolgte Erstattungsleistung zwingend zurückzufordern; Ermessen ist der Krankenkasse nicht eingeräumt. Diese eigene, abschließende Regelung des AAG geht den allgemeinen Vorschriften des § 50 SGB X vor (§ 37 S 1 SGB I) und schließt deren Anwendung aus. Der Arbeitgeber, der Leistungen des Aufwendungsausgleichs empfangen hat, kann sich nicht auf Vertrauensschutz wegen bloß einfacher Fahrlässigkeit oder Gutgläubigkeit berufen. Die Einrede der Entreicherung in entsprechender Anwendung des § 818 Abs 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist ausgeschlossen. Auch ist die Rückforderung nicht daran geknüpft, dass eine der in § 4 Abs 2 Satz 1 AAG ausdrücklich aufgeführten Fälle erfüllt ist. Mit der bewussten Einfügung des Wortes „insbesondere“ in § 11 Abs 2 Satz 1 LFZG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass neben den dort zwingend vorgeschriebenen Fällen die Rückforderung von Erstattungsbeträgen aus anderen Gründen nicht ausgeschlossen werden soll.
68 
Nach diesen Maßstäben hat die beklagte Krankenkasse als Trägerin des Ausgleichs für Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit und in Mutterschaftsfällen (§ 1 AAG) zu Recht die an die Klägerin erbrachten Arbeitgeberaufwendungen wegen Arbeitsunfähigkeit ihres Geschäftsführers in dem Zeitraum vom 02.02.2015 bis zum 31.10.2018 nach § 4 Abs 2 AAG zurückgefordert.
69 
Zunächst stehen der Rückforderung durch die Beklagte keine bestandskräftigen Bewilligungsverwaltungsakte betreffend die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an ihren Geschäftsführer entgegen, da die Erstattung durch die Beklagte jeweils ohne gesonderte Bewilligungsentscheidung erfolgt ist (vgl dazu BSG 31.05.2016, B 1 KR 17/15 R, BSGE 121, 185). Weiterhin war die Beklagte berechtigt, über die Rückforderung sowie deren Höhe mittels Verwaltungsakt (vgl § 31 SGB X) zu entscheiden (BSG 31.05.2016, B 1 KR 17/15 R, BSGE 121, 185).
70 
Die Klägerin hat auf Kosten der Beklagten ohne Rechtsgrund Erstattungsleistungen nach § 1 Abs 1 AAG für Entgeltfortzahlung an ihren Geschäftsführer erhalten. Denn die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 EFZG lagen in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor. Der Geschäftsführer der Klägerin war kein Arbeitnehmer und hatte deshalb keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG gegen die Klägerin.
71 
Der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nach § 1 Abs 1 AAG knüpft an den Anspruch des bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers nach § 3 Abs 1 und 2, § 9 Abs 1 EFZG an. Das AAG enthält keinen eigenständigen Begriff des Arbeitnehmers, sondern bestimmt diesen nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts, da die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen und deren Umlagefinanzierung in einem Regelungszusammenhang mit der Entgeltfahrtzahlung im Krankheitsfall steht (dazu BSG 26.09.2017, B 1 KR 31/16 R, BSGE 124, 162; ferner Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl 2018, § 1 Rn 14; Vogelsang in Hensseler/Willemsen/Kalb, 9. Aufl 2020, § 12 AAG Rn 9). Nach § 3 Abs 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Gemäß § 1 Abs 2 EFZG sind Arbeitnehmer iSd EFZG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Geschäftsführer als Vertretungsorgan der juristischen Person (GmbH) und arbeitgeberähnliche Personen gehören grundsätzlich nicht zu dem Kreis, auf den das EFZG Anwendung findet (vgl zB BAG 21.01.2019, 9 AZB 23/18, BAGE 165, 61; BAG 24.11.2005, 2 AZR 614/04, BAGE 115, 254; Bundesgerichtshof 20.05.2010, II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288; Haase, GmbHR 2005, 1260 ff; Mävers, ArbRAktuell 2018, 591/593; Reinhard in Erfurter Kommentar, 21. Aufl 2021, § 1 EFZG Rn 2; Schmitt/Küfner-Schmitt in Schmitt, EFZG, 8. Aufl 2018, § 1 Rn 24). In Einklang mit dieser Rechtslage hatten die Spitzenverbände der Krankenkassen in ihren „Gemeinsamen Rundschreiben“ zum AAG vom 21.12.2005 (S 21, 23 f) bereits 2005 auf die maßgebliche arbeitsrechtliche Bestimmung des Begriffs des Arbeitnehmers und die Rechtsprechung des BAG zur - abgesehen von wenigen eng begrenzten Ausnahmefällen - Verneinung der Arbeitnehmereigenschaft bei (Fremd-)Geschäftsführern einer GmbH hingewiesen. In den aktuellen „Grundsätzliche Hinweise zum Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit (U1-Verfahren) und für Mutterschaftsleistungen (U2-Verfahren)“ vom 07.11.2017 (S 9), auf die die Klägerin Bezug genommen hat, werden ua auch GmbH-Geschäftsführer ausdrücklich als Personen benannt, die keine Arbeitnehmer iSd AAG sind.
72 
Unter Zugrundelegung des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs ist der Geschäftsführer der Klägerin kein Arbeitnehmer iSd § 1 Abs 1 AAG. Eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lässt, kommt allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht (BAG 27.04.2021, 2 AZR 540/20). Ein solcher Ausnahmefall, der zu einer ausnahmsweisen Zuordnung zum Personenkreis der Arbeitnehmer führt (vgl zB BAG 21.01.2019, 9 AZB 23/18, BAGE 165, 61; BAG 24.11.2005, 2 AZR 614/04, BAGE 116, 254), liegt hier nicht vor. Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel auf der Grundlage eines Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Dies gilt unabhängig davon, ob der (Fremd-)Geschäftsführer einen starken Anteilseigner, Mitgeschäftsführer etc neben sich hat, der die konkrete Geschäftstätigkeit bestimmend mitgestaltet. Es kommt insoweit nicht entscheidend darauf an, welchen Gebrauch der GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis nach § 37 Abs 1 GmbHG von seiner im Außenverhältnis wegen § 44, § 35, § 37 Abs 2 GmbHG unbeschränkten Vertretungsbefugnis machen darf. § 37 Abs 1 GmbHG ist eine Norm zur Abgrenzung der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane untereinander. Ein unternehmerisches Weisungsrecht hat die Gesellschaft auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer (BAG 26.05.1999, 5 AZR 664/98). Wird berücksichtigt, dass der Gesellschaft jedenfalls ein unternehmerisches Weisungsrecht zusteht, so kann eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie darüber hinaus auf einen Status des betroffenen GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer schließen lässt, allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen (BAG 24.11.2005, 2 AZR 614/04, BAG 116, 254). Ein solcher Ausnahmefall setzt jedoch voraus, dass ein über das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht hinausgehendes Weisungsrecht auch bezüglich der Umstände, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat, besteht (BAG 26.05.1999, 5 AZR 664/98, NJW 1999, 1026). Ein Arbeitsverhältnis liegt nur vor, wenn die Gesellschaft dem Geschäftsführer auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese Weise die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung bestimmen kann (BAG 26.05.1999, 5 AZR 664/98, NJW 1999, 1026).
73 
Der von der Klägerin vorgelegte Geschäftsführervertrag regelt ua die Ernennung zum Geschäftsführer, dessen Bindung an die gesetzlichen Regelungen, eine Satzung der Klägerin und Weisungen ihrer Gesellschafter (Ziffer 1), Beginn und Ende des Vertrages (Ziffer 2), die Vertretung im normalen Geschäftsbetrieb und zustimmungspflichtige Geschäfte bzw Handlungen (Ziffer 3), Vergütung (Ziffer 4), Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit (Ziffer 5), eine Unfallversicherung (Ziffer 6), Urlaub (Ziffer 7), Geheimhaltung (Ziffer 8) sowie Wettbewerbsbeschränkungen. Dieser trifft mithin typische Regelungen eines Geschäftsführerdienstvertrages und unterwirft den Geschäftsführer nicht so starken Bindungen und Weisungen der Gesellschafterversammlung, die eine Zuordnung zum Status eines Arbeitnehmers rechtfertigen. Die vereinzelte Verwendung des Begriffs „contract of employment“ begründet nicht den Schluss, dass es sich um einen Arbeitsvertrag handelt. Denn das Wort „employment“ entspricht in der deutschen Sprache den Begriffen Beschäftigung, Arbeit, Anstellung, Arbeitsverhältnis, Vollbeschäftigung, Beruf, Tätigkeit, Geschäft etc. Ein arbeitsrechtliches Weisungsrecht iSd der dargestellten Rechtsprechung des BAG stand der Klägerin gegenüber ihrem Geschäftsführer nicht zu. Der Geschäftsführervertrag unterwirft den Geschäftsführer nicht einem Weisungsrecht hinsichtlich Ort und Zeit der Leistungserbringung. Insofern begründet dieser Vertrag kein Weisungsrecht, sondern ermöglicht dem Geschäftsführer, seine Arbeitszeit im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse frei und eigenverantwortlich zu gestalten (vgl Ziff 10). Seinen Urlaub kann der Geschäftsführer nach Ziff 7.2 unter Berücksichtigung der Geschäftstätigkeit der Klägerin zeitlich selbst festlegen. Soweit unter Ziff 1 und 3 die Rechte und Pflichten und der Umfang der Entscheidungsbefugnisse des Geschäftsführers an die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, einer Geschäftsordnung und die Weisungen durch die Gesellschafter gekoppelt werden, werden allein die nach § 37 Abs 1 GmbHG möglichen internen Beschränkungen der Befugnisse eines Geschäftsführers wiedergegeben (vgl BAG 21.01.2019, 9 AZB 23/18, BAGE 165, 61). Auch Ziff 3.1 des Geschäftsführervertrages setzt im Wesentlichen die Regelung des § 4 Abs 2 des Gesellschaftsvertrages um, um das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht der Gesellschafter abzusichern sowie die ordentliche Verwaltung (Geschäftsführung) von der außerordentlichen Verwaltung abzugrenzen. So ist der Geschäftsführer nach der Regelung der Ziff 3.1 zur Durchführung von Firmengeschäften entsprechend dem Geschäftsgegenstand der Klägerin (vgl § 2 Abs 1 des Gesellschaftsvertrages) zu sämtlichen Maßnahmen, die im „normalen Geschäftsverlauf“ üblich sind, befugt. Dafür wurde ihm im Geschäftsführervertrag ausdrücklich „die Genehmigung“ erteilt. Lediglich in Bezug auf Geschäftsvorgänge, die über den „normalen Umfang“ der von der Klägerin durchgeführten Geschäftstätigkeit hinausgehen, bedarf der Geschäftsführer der vorherigen Genehmigung der Hauptversammlung.
74 
Etwas anderes folgt nicht aus dem meeting report vom 01.10.2010. Die dort niedergelegte Besprechung zwischen dem späteren Geschäftsführer der Klägerin und der R fand vor der Existenz der Klägerin statt und skizziert deren beabsichtigte Gründung. Die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers wurden nach Gründung der Klägerin im Einzelnen im Gesellschaftsvertrag und im Geschäftsführervertrag geregelt. Dass die am 01.10.2010 getroffenen Absprachen betreffend die Gründung der Klägerin und die dem späteren Geschäftsführer übertragenen Aufgaben (zB Suche eines Büros und einer Sekretärin) über die im Gesellschaftsvertrag sowie im Geschäftsführervertrag enthaltenen Regelungen hinaus weiterhin Geltung beanspruchen sollten, ist diesen nicht zu entnehmen. Für den Senat bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass die Vertragsparteien durch die Vertragsdurchführung abweichend von den Bestimmungen des Geschäftsführerdienstvertrags ein Arbeitsverhältnis begründen wollten. Soweit die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, dass der Geschäftsführer seine Tätigkeit für das Unternehmen betreffend Ausgaben, Investitionen und der Einstellung von Mitarbeitern eng mit den Gesellschaftern abstimmen musste, geht dies über unternehmerische Weisungen nicht hinaus.
75 
Die Klägerin beruft sich demgegenüber in erster Linie auf die vom BSG für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung eines GmbH-Geschäftsführers entwickelten Kriterien (zB BSG 10.12.2019, B 12 KR 9/18 R, BSGE 129, 254), die - wie dargelegt - vorliegend aber nicht maßgeblich sind.
76 
Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 Satz 1 Nr 2 AAG vor. Die Klägerin hatte Erstattungsbeträge für eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an ihren Geschäftsführer von der Beklagten gefordert, obwohl sie im Hinblick auf die klare Rechtslage und die unmissverständlichen Hinweise des GKV-Spitzenverbandes hätte wissen müssen, dass ein Anspruch des Geschäftsführers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf Grundlage des § 3 Abs 1 EFZG bereits deshalb ausgeschlossen war, weil der persönliche Anwendungsbereich des EFZG (§ 1 Abs 2 EFZG) nicht eröffnet war. Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz oder Gutgläubigkeit berufen. Die Einrede der Entreicherung in entsprechender Anwendung des § 818 Abs 3 BGB ist ausgeschlossen. Ein Bagatellfall, in der von einer Rückforderung abgesehen werden kann, scheidet bei Erstattungsleistungen der Beklagten an die Klägerin im Umfang von insgesamt 31.440,88 EUR aus.
77 
Für Fehler bei der konkreten Berechnung des Rückforderungsbetrages bestehen keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat insoweit auch keine Einwände erhoben.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Entgegen der Auffassung des SG findet die Regelung des § 197a Abs 1 Satz 1 SGG keine Anwendung, weil die Klägerin als Arbeitgeberin und Leistungsempfängerin iSd § 1 AAG zum Kreis der nach § 183 SGG kostenprivilegierten Beteiligten zählt (BSG 31.05. 2016, B 1 KR 17/15 R, BSGE 121, 185, juris Rn 20 mwN). Daher war der angefochtene Gerichtsbescheid im Kostenausspruch zu ändern.
79 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

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