Beschluss vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (8. Senat) - L 8 AS 78/20 NZB

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 28. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Dem im Hause seiner Eltern wohnhaften Kläger bewilligte der Beklagte SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung der anteiligen tatsächlich anfallenden Nebenkosten für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2018.

2

Mit seiner Klage hat der Kläger gegen den Beklagten für den Zeitraum von Januar bis Juni 2018 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe einer monatlichen Gesamtmiete von 110 € auf der Grundlage eines Mietvertrages mit seiner Mutter, der Zeugin A., geltend gemacht.

3

Mit Urteil vom 28. Januar 2020 hat das Sozialgericht Stralsund die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass nach Vernehmung der Zeugin A. feststehe, dass der Kläger einem ernsthaften Mietzinsverlangen von Seiten der Zeugin im Streitzeitraum nicht ausgesetzt gewesen sei. Im Ergebnis sei daher die Leistungsbewilligung des Beklagten auf der Grundlage der Berücksichtigung der anteiligen tatsächlich anfallenden Nebenkosten nicht zu beanstanden.

4

Gegen das am 5. Februar 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. März 2020 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Berufung sei bereits statthaft, weil er für den gesamten Leistungszeitraum bis einschließlich Dezember 2018 höhere Kosten für Unterkunft und Heizung begehre und er mit der Klage ein Feststellungsinteresse dahingehend verbinde, dass ihm die Kosten für Unterkunft und Heizung auf der Grundlage des nach wie vor bestehenden Mietvertrages bis zum heutigen Tage zu gewähren seien. Ferner leide das angefochtene Urteil an einem Verfahrensmangel, auf dem die erstinstanzliche Entscheidung beruhen könne. Der Kläger sei im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2020 nicht gehört worden. So sei er insbesondere nicht im Rahmen einer gebotenen Parteianhörung zu den Umständen des Mietvertrages sowie den weiteren Einzelheiten zu seinen geleisteten Zahlungen und seinen weiterhin bestehenden Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Zeugin A. persönlich angehört worden. Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in einer geschlossenen Unterbringung in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Hanseklinikums B. befunden und sei daher an einer Teilnahme im Termin verhindert gewesen. Dies sei dem Sozialgericht mit Schriftsatz vom 22. Januar 2020 mitgeteilt und nachgewiesen worden. Daher werde für den Kläger die Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz gerügt.

5

Der Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

6

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

7

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere nach § 144 Abs. 1 SGG statthaft, weil der Beschwerdewert von 750 € nicht überschritten wird und keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind. Denn der Kläger hat mit seinem in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2020 gestellten Klagantrag weitere SGB II-Leistungen ausschließlich für den Zeitraum von Januar bis Juni 2018 auf der Grundlage des Mietvertrages mit seiner Mutter geltend gemacht. Nach dessen Inhalt hätte der Kläger – unabhängig von den seitens des Beklagten anerkannten anteiligen tatsächlichen Nebenkosten – seiner Mutter monatlich eine Gesamtmiete in Höhe von 110 € und damit für den streitigen Zeitraum insgesamt maximal 660 € geschuldet.

8

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet.

9

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

10

Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensfehler im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt nicht vor. Ein Verfahrensmangel liegt immer dann vor, wenn das Sozialgericht bei seinem prozessualen Vorgehen auf dem Weg zum Urteil gegen eine das sozialgerichtliche Verfahren regelnde Vorschrift verstößt (vgl. Roos/Wahrendorf, SGG, § 144 Rn. 39). Ein Verfahrensmangel kann in der Berufungs- oder Revisionsinstanz jedoch nur dann zur Zulassung des Rechtsmittels führen, wenn es sich um einen Mangel handelt, der nicht auf andere Weise hätte behoben werden können. Mit der Rüge, in der Vorinstanz sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, kann ein Verfahrensbeteiligter nur dann durchdringen, wenn er selbst alle ihm verfahrensrechtlich eröffneten und zumutbaren Möglichkeiten ausgenutzt hat, sich schon in dieser Instanz rechtliches Gehör zu verschaffen. Hat er hingegen eine ihm hierfür offen stehende Möglichkeit ungenutzt gelassen, ist er nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2011 – L 28 B 2198/08 AS NZB –, Rn. 13, juris). Bestandteil des Anspruchs des Beteiligten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. § 62 SGG) in der Form der mündlichen Verhandlung ist auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung, wenn dies aus erheblichen Gründen notwendig ist (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 5. Mai 2020 – L 3 AS 1015/19 NZB –, Rn. 23, juris).

11

Nach diesen Maßstäben ist der von dem Kläger gerügte Verfahrensmangel nicht gegeben. Zwar hat sein Prozessbevollmächtigter, der ihn im Verhandlungstermin von 28. Januar 2020 anwaltlich vertreten hat, zuvor mit Schreiben vom 22. Januar 2020 dem Sozialgericht gegenüber nachgewiesen, dass der Kläger wegen eines Klinikaufenthaltes krankheitsbedingt an der Teilnahme am Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2020 verhindert sei. Der Prozessbevollmächtigte hat es jedoch unterlassen, aus diesem Grund die Verlegung des Verhandlungstermins zu beantragen. Stattdessen hat er im vorgenannten Schreiben erklärt, dass er mit umfassender Vollmacht auch zum Abschluss eines Vergleiches befugt sei und einer Durchführung des Termins zur mündlichen Verhandlung nichts entgegenstehe. Damit hat der Kläger – vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten – selbst auf eine Teilnahme am Termin verzichtet.

12

Im Übrigen hat der Kläger keine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen. Eine solche stellt sich auch aus Sicht des Senats in der vorliegenden Rechtssache nicht, sodass eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht gegeben ist. Schließlich ist eine Abweichung zu obergerichtlichen Entscheidungen im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG weder dargetan noch ersichtlich.

13

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist unbegründet, da die Beschwerde aus den vorgenannten Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO in Verbindung mit § 73a SGG hat.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

15

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

16

Mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde wird das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

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