Beschluss vom Landessozialgericht NRW - L 10 SB 57/15 B
Tenor
Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors als Vertreter der Staatskasse wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 23.01.2015 geändert. Die dem Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf insgesamt 693,18 Euro festgesetzt. Die weitergehende Anschlussbeschwerde wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
1
Gründe:
21.
3Streitig ist die Höhe der Vergütung für die Tätigkeit des der Klägerin im vorausgegangenen Klageverfahren S 28 SB 42/14 im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH; Beschluss vom 29.07.2014) beigeordneten Beschwerdegegners.
4Mit der am 10.01.2014 beim Sozialgericht Köln (SG) erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung eines GdB von mindestens 80 statt 50. Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. C unterbreitete die Beklagte folgenden Regelungsvorschlag:
51) Die Beklagte verpflichtet sich, die in dem Bescheid vom 04.10.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2013 zum Grad der Behinderung (GdB) getroffenen Feststellungen aufzuheben und insoweit über den am 08.08.2013 rechtswirksam gestellten Antrag neu zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung wird davon ausgegangen werden, dass der Grad der Behinderung ab 08.08.2013 -60- (in Worten: Sechzig) beträgt.
62) Die Beklagte übernimmt die gemäß § 193 SGG erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Gegenseite zu 1/4.
73) Die Gegenseite ist hiermit einverstanden und sieht den Rechtsstreit als erledigt an.
8Mit Schriftsatz vom 18.07.2014 nahm der Beschwerdegegner diesen Vorschlag für die Klägerin an. Mit Schreiben vom 28.07.2014 machte er folgende Kosten für das Vorverfahren geltend:
9Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG EUR 300,00 Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG EUR 20,00 EUR = 320,00 19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG EUR 60,80 Summe EUR 380,80 davon 1/4: EUR 95,20
10Den hiervon auf sie entfallenen Betrag von 95,20 Euro erstattete die Beklagte im Folgenden.
11Der Beschwerdegegner reichte am 28.07.2014 seine Kostenrechnung ein und beantragte, seine Vergütung aus der Staatskasse folgendermaßen festzusetzten:
12Einigungs-/Erledigungsgebühr (VV 1006) EUR 300,00 Verfahrensgebühr (VV3102) EUR 150,00 (=EUR 300,00./. EUR 150,00 Anrechnung Vorbem. 2.3 IV) Terminsgebühr (VV 3106) EUR 270,00 Pauschale (VV 7002) EUR 20,00 EUR = 740,00 Umsatzsteuer EUR 140,60 Summe EUR 880,60
13Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) setzte die Vergütung nach Maßgabe des Rechtsanwaltsgebührengesetzes (RVG) in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV RVG) mit Beschluss vom 08.08.2014 auf insgesamt 559,30 Euro wie folgt fest:
14Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG EUR 300,00 Abzgl der Anrechnung 2302 VV zu ½ EUR 150,00 Einigungsgebühr Nr.: 1006 VV RVG EUR 300,00 Entg. F. Post/Telekom. Dienstlstg. Nr.: 17701 VV RVG EUR 20,00 Zwischensumme netto EUR 470,00 19 % Umsatzsteuer gem. 7008 VV RVG EUR 89,30 Summe brutto: EUR 559,30
15Eine Terminsgebühr nach der Nr. 3106 VV RVG sei nicht angefallen. Es habe weder ein Termin stattgefunden, noch liege ein Anerkenntnis der Beklagten vor. Das Verfahren sei auch nicht im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden worden. Gemäß § 101 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei es erforderlich, dass die Beteiligten einen Vergleich zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden schließen. Überdies könne ein Vergleich auch in der Art und Weise geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts annehmen. Auch diese Voraussetzungen lägen nicht vor.
16Hiergegen legte der Beschwerdegegner am 11.08.2014 Erinnerung ein und trug zur Begründung vor, die Terminsgebühr sei zu Unrecht abgesetzt worden. Im vorliegenden Verfahren sei Nr. 3106 VV RVG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung anzuwenden. Diese Regelung bestimme, dass die Terminsgebühr in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist auch dann anfalle, wenn in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen werde. Der Gesetzgeber habe insofern eine Angleichung an Nr. 3104 VV RVG vorgenommen. Darüber hinaus dürfe auch die Geschäftsgebühr nicht mit 150,00 Euro auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden. Diese sei durch die Klägerin nicht gezahlt worden und könne aufgrund ihrer Vermögenslage auch nicht gezahlt werden. Es werde insoweit darum gebeten, die Verfahrensgebühr um 150,00 Euro zu erhöhen, so dass sich unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer ein weiterer Betrag von 178,50 Euro ergebe.
17Mit Beschluss vom 23.01.2015 hat das SG die dem Beschwerdegegner zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 880,60 Euro festgesetzt. Entgegen der Auffassung des UdG sei die Terminsgebühr nach Ziffer 3106 VV RVG angefallen. Danach entstehe die Terminsgebühr u.a., wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen werde. Ein solcher Vergleich liege mit der Annahme des Regelungsvorschlags der Beklagte durch den Beschwerdegegner vor. Es habe sich auch um einen schriftlichen Vergleich im Sinne der Ziffer 3106 VV RVG gehandelt. Nicht erforderlich sei es, dass ein gerichtlichter Vergleich im Sinne des § 101 SGG geschlossen werde. Denn ein solcher Vergleich könne grundsätzlich nicht schriftlich, sondern nur zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters geschlossen werden. Auch der Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs im Sinne des § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) sei nicht notwendig. Die Kammer schließe sich der in der Literatur vertretenen Auffassung an, dass nicht bloß gerichtliche Vergleiche, sondern auch Vergleiche ohne Gericht mit nachfolgender Erledigungserklärung die Gebühr entstehen lassen. Für die Existenz der fiktiven Terminsgebühr würden unterschiedliche Begründungen gegeben. So solle das Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung nicht dadurch erschwert werden, dass dem Rechtsanwalt zugemutet werde, die Terminsgebühr zu opfern. Ferner werde angenommen, dass in dem Fall, in dem von einer mündlichen Verhandlung, die eigentlich vorgesehen ist, abgesehen wird, dem Rechtsanwalt eine erhöhte Verantwortung treffe, da die Sache nicht mündlich erörtert würde. Auch solle der Rechtsanwalt keine Nachteile erleiden, wenn seine Schriftsätze das Verfahren so gründlich vorbereitet hätten, dass eine mündliche Erörterung entbehrlich sei. Der Rechtsanwalt solle dahingehend gesteuert werden, jederzeit auf eine gütliche Einigung hinzuwirken ohne einen Gebührenverlust in Kauf nehmen zu müssen. Auch werde angenommen, dass die Ausarbeitung eines schriftlichen Vergleichs oftmals schwieriger sei, als dessen mündliches Aushandeln. Schließlich entlaste die so verstandene Regelung der fiktiven Terminsgebühr nach dem Gesetzeszweck die Gerichte. Sämtliche geschilderte Wirkungen und Effekte träten aber auch bei dem Abschluss eines schriftlichen (außergerichtlichen) Vergleichs ein. Die Kammer könne nicht erkennen, aus welchem Grunde ein gerichtlicher Vergleich im Sinne des § 202 SGG i.V.m. 278 Abs. 6 ZPO notwendig sei. Es spreche nichts dafür, eine von den Beteiligten gefundene gütliche Einigung erst noch durch einen Akt des Gerichts feststellen zu lassen, damit eine Terminsgebühr anfalle. Hierdurch würde nachgerade ein Gesichtspunkt des Zwecks der gesetzlichen Regelung konterkariert. Gegen eine einengende Auslegung der Ziffer 3106 VV RVG spräche auch der Wortlaut der Vorschrift als Grenze jedweder Auslegung, soweit es dort "schriftlicher" Vergleich und gerade nicht "gerichtlicher" Vergleich heißt. Der Gesetzgeber habe es in der Hand gehabt, eine insofern eindeutige gesetzliche Regelung zu schaffen, soweit die Formulierung "schriftlicher" Vergleich gewählt worden sei.
18Gegen den am 02.02.2015 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 04.02.2015 Beschwerde eingelegt und zunächst beantragt, die PKH-Vergütung auf 559,30 Euro festzusetzen. Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens hat er seinen Antrag geändert. Er beantragt nunmehr, die Vergütung wie folgt festzusetzen:
19VV 3102 RVG EUR 300,00 Euro Abzüglich Anrechnung - EUR 37,50 Euro VV 1006 RVG EUR 300,00 Euro VV 7002 RVG EUR 20,00 Euro VV 7008 RVG EUR 110,68 Euro Summe EUR 693,18 Euro
20Zur Begründung verweist er auf den Beschluss des 9. Senats im Hause vom 11.03.2015 (L 9 AL 277/14 B, in juris). Demnach liege ein "schriftlicher Vergleich" nur vor, wenn er unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts gemäß § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO und ab dem 25.10.2013 nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG geschlossen worden sei. Überdies seien die Zahlungen auf die Geschäftsgebühr durch die Beklagte zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Die Beklagte habe ¼ der Geschäftsgebühr in Höhe von 300,00 Euro erstattet. Die Hälfte dieses Betrages in Höhe von 75,00 Euro ergäbe den abzugsfähigen Betrag von 37,50 Euro.
21Der Beschwerdegegner vertritt weiterhin die Auffassung, eine Terminsgebühr sei entstanden. Der Vergleich sei unter Mitwirkung des Gerichts zustande gekommen, da er erst nach Einholung eines Gutachtens aufgrund gerichtlicher Beweisanordnung geschlossen worden sei. Mit Schriftsatz vom 26.08.2015 hat er Anschlussbeschwerde eingelegt, mit der er weitere 178,50 Euro wegen Nichtanrechenbarkeit der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr geltend macht.
222.
23Der Senat entscheidet die Beschwerde durch seine Berufsrichter, nachdem der Berichterstatter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 3 RVG auf den Senat übertragen hat.
24Die Beschwerde ist zulässig.
25Nach § 1 Abs. 3 RVG gehen die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Vorschriften vor. Ziel der Gesetzesänderung war es, die Vorschrift des § 178 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als nicht anwendbar auf Verfahren nach §§ 55, 56 RVG zu erklären (BT-Drucks 17/11471, Seite 266). Der Senat hält daher an der bisherigen Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Beschwerde bei Streitigkeiten um die festzusetzende Anwaltsvergütung im Rahmen der PKH (Beschluss vom 02.05.2011, L 10 P 112/10 B, in Juris)nicht mehr fest (vgl Beschluss des erkennenden Senats vom 29.10.2014, L 10 SB 115/14 B). Die Neuregelung findet auf den vorliegenden Fall Anwendung, weil der angefochtene Beschluss vom 23.01.2015 datiert.
26Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, weil der Wert des ursprünglichen Beschwerdegegenstandes mit 321,30 Euro den gemäß § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG maßgebenden Wert von 200,00 Euro übersteigt. Sie ist auch innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG erhoben worden.
27Die Beschwerde ist begründet. Der Kostenerstattungsanspruch ist auf den mit der Beschwerde des Bezirksrevisors zugestandenen Betrag von 693,18 Euro festzusetzten.
28Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des RVG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung gemäß dem 2. Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl. S. 2586, 2681 ff.). Der unbedingte Auftrag im Sinne des § 60 Abs. 1 RVG ist dem Beschwerdegegner nach dem 31.07.2013 erteilt worden.
29Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners und des SG ist eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG nicht angefallen.
30Gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Ziffer 3106 VV RVG sieht in Satz 2 vor, dass die Terminsgebühr auch entsteht, wenn 1) in einem Verfahren für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, 2) nach § 105 Abs.1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann oder 3) das Verfahren für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenen Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
31Im vorliegenden Fall endete das Klageverfahren, ohne dass zuvor eine mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht stattgefunden hatte. Die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen durch den Beschwerdegegner wurde wieder vorgetragen, noch ist sie ersichtlich. Für die Entstehung der Terminsgebühr ist hier daher allein eine Prüfung der Ziffer 3106 S. 2 VV RVG maßgeblich. Von den dort genannten drei Varianten kommt lediglich die Ziffer 3106 S. 2 Nr. 1, 2. Alt. VV RVG in Betracht, da weder eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erfolgt ist, noch durch Gerichtsbescheid entschieden wurde oder das Verfahren durch angenommenes Anerkenntnis endete.
32Voraussetzung für die Entstehung der Terminsgebühr ist damit, dass ein "schriftlicher Vergleich" im Sinne der Ziffer 3106 VV RVG S. 2 Ziffer 1 geschlossen worden ist.
33Ein "schriftlicher Vergleich" im Sinne der Ziffer 3106 S. 2 Nr. 1, 2. Alt. VV RVG ist nur ein unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) und ab dem 25.10.2013 nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 11.03.2015, L 9 AL 277/14 B, in Juris Rn 18 ff., Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.05.2015, L 15 SF 115/14 E, in Juris Rn 21 ff. sowie Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.07.2015, L 7/14 AS 64/14 B, in Juris Rn 18 ff.). Erforderlich ist insofern, dass der Vergleich auf einem Beschlussvorschlag (§ 101 Abs.1 S. 2 SGG) oder auf einer schriftlichen Initiative (§ 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO) mit nachfolgendem deklaratorischen Beschluss des Gerichts im Sinne von § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO beruht. Nur ein schriftlicher Vergleich in diesem Sinne löst die Gebühr nach Nr. 3106 S. 1 Nr. 1 2. Alternative VV RVG aus. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Gebührenziffer. Der Senat nimmt insofern auf die zutreffenden und ausführlichen Gründe der oben genannten Beschlüsse des LSG NRW, des Bayerischen LSG sowie des LSG Niedersachsen-Bremen Bezug.
34Da es vorliegend an einem entsprechenden Beschlussvorschlag des Sozialgerichts oder einer schriftlichen Initiative mit nachfolgendem deklaratorischem Beschluss des Gerichts fehlt, fällt die "fiktive Terminsgebühr" im o.g. Sinne nicht an. Unerheblich ist insofern, dass die einvernehmliche Regelung nach Einholung eines Gutachtens durch das SG erfolgt ist. Die Mitwirkung beim Vergleichsabschluss kann nicht in der zuvor erfolgten Ermittlungstätigkeit des Gerichts gesehen werden. Erforderlich ist vielmehr die Mitwirkung unmittelbar bei Abschluss des Vergleichs.
35Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer zu Recht einen auf die im Vorverfahren unstreitig entstandene Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV RVG gezahlten Betrag in Höhe von 37,50 Euro auf die für die Vertretung im Klageverfahren zu zahlenden Verfahrensgebühr gemäß Nr 3102 VV RVG angerechnet. Gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG wird, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 entsteht, diese Gebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungsbetrag höchstens 175,00 Euro.
36Die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung führt dazu, dass im Rahmen der Kostenerstattung auch § 15a RVG unmittelbar Anwendung findet. Danach kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, wenn das RVG die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, jedoch nicht mehr, als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Die Anrechnungsvorschrift des § 15a Abs. 1 RVG gilt auch dann, wenn der Anwalt im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist. Die Staatskasse, die in diesem Fall nach § 45 Abs. 1 S. 1 RVG Gebührenschuldner wird, tritt insoweit an die Stelle des Mandanten (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 03.02.2015, L 2 AS 605/14 B, in Juris Rn 19 mwN). Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr kann aber nur vorgenommen werden, wenn die Geschäftsgebühr auch gezahlt worden ist. Dies folgt aus § 55 Abs. 5 S. 2 bis 4 RVG. Danach hat der Rechtsanwalt anzugeben, welche Zahlung auf etwaig anzurechnende Gebühren geleistet worden sind, wie hoch diese Gebühren sind und aus welchem Wert sie entstanden sind. Durch diese Angaben sollen für die Festsetzung der Vergütung die Daten zur Verfügung gestellt werden, die benötigt werden, um zu ermitteln in welchem Umfang die Zahlungen nach § 58 Abs. 1 S. 2 RVG auf die anzurechnende Gebühr als Zahlung auf die festgesetzte Gebühr zu behandeln sind. § 55 Abs. 6 RVG schließlich sieht Sanktionen gegen den Rechtsanwalt für den Fall vor, dass er zu "empfangenen Zahlungen" gegenüber dem Urkundsbeamten keine Erklärung abgegeben hat. Damit ist ersichtlich, dass bei der Kostenfestsetzung nur geleistete Zahlungen zu berücksichtigen sind. Denn andernfalls dürfte es der Angabe, welche Zahlungen der Rechtsanwalt empfangen hat, nicht (vgl. Hessisches LSG, aaO, in Juris Rn 20).
37Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind im vorliegenden Falle 37,50 Euro von der Verfahrensgebühr in Abzug zu bringen. Die Beklagte hat auf die Geschäftsgebühr in Höhe von 300,00 Euro 1/4, d.h. 75,00 Euro gezahlt. Diese Zahlung ist zur Hälfte von der Verfahrensgebühr in Abzug zu bringen. Dem steht entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdegegners auch nicht die in § 15a Abs. 2 RVG getroffene Regelung entgegen. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Gebühren gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht, oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Die Staatskasse, die nach § 45 Abs. 1 S. 1 RVG Gebührenschuldner wird, tritt insoweit an die Stelle des Mandanten und ist damit kein "Dritter", sondern Kostenschuldner des Rechtsanwalts (vgl. Hessisches LSG, aaO, in Juris Rn 22).
38Der Vergütungsanspruch des Beschwerdegegners errechnet sich damit wie folgt:
39VV 3102 RVG EUR 300,00 Euro Abzüglich Anrechnung - EUR 37,50 Euro VV 1006 RVG EUR 300,00 Euro VV 7002 RVG EUR 20,00 Euro VV 7008 RVG EUR 110,68 Euro Summe EUR 693,18 Euro
40Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten sind nicht zu erstatten (§ 56 Abs. 2 RVG).
41Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
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- SGG § 105 1x
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