Urteil vom Landessozialgericht NRW - L 21 R 826/20
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.9.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente ohne Berücksichtigung eines Abschlags aufgrund eines Versorgungsausgleichs aus dem Jahr 1994.
3Die im Jahr 1979 geschlossene Ehe des Klägers wurde mit Entscheidung des Familiengerichts vom 12.1.1994 geschieden; diese Entscheidung ist seit dem 26.2.1994 formell rechtskräftig. Zur Umsetzung des Versorgungsausgleichs vermerkte die Beklagte im Versicherungsverlauf des Klägers zulasten des Klägers einen Abschlag von 6,1154 Entgeltpunkten für die Ehezeit vom 1.4.1979 bis zum 28.2.1993 zu Gunsten seiner geschiedenen Frau.
4Der am 00.00.1953 geborene Kläger beantragte am 6.8.2019 bei der Beklagten die Gewährung seiner Regelaltersrente. Er sei 50 Jahre und 10 Monate bei der Stadt C beschäftigt gewesen. Seine geschiedene Frau erreiche die Grenze für die Gewährung einer Altersrente hingegen erst am 31.3.2026. Bis dahin beantrage er die Zahlung seiner vollen Rente ohne Berücksichtigung eines Abschlags aus dem Versorgungsausgleich. Nach Erreichen des Rentenalters seiner geschiedenen Frau solle der entsprechende Versorgungsanteil selbstverständlich an diese entrichtet werden.
5Mit Bescheid vom 23.8.2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf Aussetzung der Kürzung der Regelaltersrente aufgrund des Versorgungsausgleichs ab, da die rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Nach den gesetzlichen Vorgaben in § 33 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG), § 35 VersAusglG und § 37 VersAusglG werde die Rente der ausgleichspflichtigen Person nicht oder nur teilweise gemindert, sofern die Voraussetzungen für die Anpassung wegen Unterhalts oder die Anpassung wegen Invalidität oder Erreichens einer besonderen Altersgrenze oder die Anpassung wegen Todes erfüllt seien. Da derzeit keine dieser Voraussetzungen erfüllt sei, werde die Rente weiterhin um den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich gekürzt.
6Am 28.8.2019 übermittelte die Beklagte dem Kläger den Rentenbescheid über die Zahlung einer Altersrente ab dem 1.6.2019. bei der Rentenberechnung berücksichtigte die Beklagte einen Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich i.H.v. 6,1154 Entgeltpunkten.
7Hiergegen erhob der Kläger am 5.9.2019 Widerspruch. Er wende sich gegen den Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich i.H.v. 6,1154 Punkten (ca. 200 € monatlich). Seine Ex-Ehefrau werde erst zum 1.2.2026 ihre Rentenansprüche geltend machen und mit Beginn der Rente seiner Ex-Ehefrau falle selbstverständlich der Versorgungsausgleich an diese. Er habe zu seiner Ex-Ehefrau ein gutes Verhältnis. Jedoch sei nicht nachvollziehbar, dass bis zum Beginn der Rente am 1.2.2026 bei ihm die Entgeltpunkte abgezogen würden bzw. wer bis dahin das Geld aus dem Versorgungsausgleich erhalte.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Rente der ausgleichspflichtigen Person werde nur dann nicht oder nur teilweise gemindert, sofern die Voraussetzungen für die Anpassung wegen Unterhalts (§ 33 VersAusglG) oder die Anpassung wegen Invalidität oder Erreichens einer besonderen Altersgrenze (§ 35 VersAusglG) oder die Anpassung wegen Todes (§ 37 VersAusglG) erfüllt seien. Die Rente werde daher nur dann nicht oder teilweise gemindert, sofern die frühere Ehegattin ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt habe und selbst noch keine Rente aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalte. Darüber hinaus werde eine Rente wegen Erwerbsminderung oder Altersrente vor Erreichen der Regelaltersrente nicht oder teilweise gemindert, wenn aufgrund des Versorgungsausgleichs Anrechte außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung erworben wurden, aus denen noch keine Leistung bezogen werden könne. Im Übrigen könne eine ungeminderte Rente gezahlt werden, wenn der frühere Ehegatte verstorben sei und höchstens 36 Monate eine Rente aus den im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechten erhalten habe.
9Am 11.11.2019 erhob er hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen. Zur Begründung hat der Kläger auf seine Angaben und die Korrespondenz im Verwaltungsverfahren Bezug genommen.
10Der Kläger hat beantragt,
11die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 28.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2019 zu verurteilen, ihm eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung weiterer 6,1154 Entgeltpunkte zu zahlen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte hat zur Begründung auf die Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid verwiesen.
15Nach Durchführung eines Erörterungstermins, in dem der Kläger bestätigte, dass seine geschiedene Frau keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen ihn hat und wieder verheiratet ist, hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.9.2020 abgewiesen. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt habe, seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anpassung nach Rechtskraft gem. §§ 33ff. VersAusglG nicht erfüllt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anpassung wegen Unterhalts, wofür gem. § 34 VersAusglG die Zuständigkeit des Familiengerichts bestehe, wegen Invalidität der ausgleichspflichtigen Person oder einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze sowie wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person lägen erkennbar nicht vor. Sie würden auch nicht vom Kläger behauptet. Soweit der Kläger Rechte aus § 5 Abs. 1 Versorgungsausgleichshärtegesetz herzuleiten vermöge, so weise das Gericht darauf hin, dass dieses Gesetz am 1.9.2009 durch das nunmehr geltende VersAusglG abgeändert worden sei. Die Abschaffung des sogenannten Rentnerprivilegs sei verfassungsrechtlich zulässig gewesen.
16Gegen den am 26.9.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 1.10.2020 Berufung eingelegt. Seine Ex-Ehefrau solle selbstverständlich beim Renteneintritt im Februar 2026 den Versorgungsanteil bekommen. Bis dahin beanspruche er jedoch den bis dahin einbehaltenen Teil für sich.
17Der Kläger beantragt,
18den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.9.2020 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 23.08.2019 und vom 28.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2019 zu verurteilen, eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung weiterer 6,1154 Entgeltpunkte zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Die Beklagte nimmt zur Begründung Bezug auf die bisherigen Ausführungen und die zutreffenden Gründe im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen; diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
23Entscheidungsgründe:
24Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
25Das Sozialgericht hat der zulässig erhobene, auf Zuerkennung einer höheren Altersrente gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Abs. 4, § 56 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) zu Recht nicht stattgegeben. Die hier streitgegenständlichen Bescheide vom 23.8.2019 und vom 28.8.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2019 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
26I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren bzw. einer nicht um den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich verminderten Altersrente.
271. Die Beklagte hat bei der Berechnung der Altersrente des Klägers zutreffend einen Abschlag beim Versorgungsausgleich nach § 76 SGB VI berücksichtigt. Nach seinem Absatz 1 wird ein zugunsten oder zulasten von Versicherten durchgeführter Versorgungsausgleich durch einen Zuschlag oder Abschlag an Entgeltpunkten berücksichtigt. Die Übertragung von Rentenanwartschaften zu Lasten des Versicherten führt gem. § 76 Abs. 3 SGB VI zu einem Abschlag an Entgeltpunkten. Hierbei ist unerheblich, dass der hier streitige Versorgungsausgleich bereits im Jahr 1994 rechtskräftig und somit noch vor dem Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes zum 01.09.2009 durch das Familiengericht festgestellt worden ist, da die Regelungen in § 76 Abs. 1 und Abs. 3 SGB VI (insofern) unverändert seit dem 01.01.1992 in Kraft sind.
28Bei der Höhe der Rente des Klägers war daher – der Höhe und dem Grunde nach unstreitig – ein Abschlag von 6,1154 Entgeltpunkten zu berücksichtigen. Der Zuschlag an Entgeltpunkten zugunsten des Ausgleichsberechtigten (nach § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) korreliert damit mit einem Abschlag zu Lasten des Ausgleichsverpflichteten, mindert also unmittelbar den Wert seines Rentenanwartschaftsrechts bzw. zukünftigen Rentenrechts (Blüggel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 76, Rn. 37)
29Diesen Abschlag hat die Beklagte im streitigen Bescheid vom 23.8.2019 bzw. im Rentenbescheid vom 28.8.2019 nach § 76 Abs. 1 und Abs. 3 SGB VI zutreffend berücksichtigt.
302. Der Kläger kann aus den weiteren gesetzlichen Vorgaben keinen Anspruch auf Zahlung einer abschlagsfreien Rente herleiten.
31Der Kläger kann sich insofern nicht auf einen Vertrauensschutz unter Berücksichtigung des sog. Rentnerprivilegs nach § 101 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung (dazu a.) oder auf etwaige Übergangsregelungen zu § 101 Abs. 3 SGB VI berufen (dazu b.). Aus § 101 Abs. 3b SGB VI folgt nichts anderes (dazu c.).
32a. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Rente ohne Abschläge unter Berücksichtigung des sog. Rentnerprivilegs nach § 101 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung (im Folgenden § 101 Abs. 3 SGB VI a.F.), der lautete:
33„Wird nach Beginn der Rente eine Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich zu Lasten des Versicherten wirksam, wird die Rente oder eine unmittelbar anschließende gleich hohe oder niedrigere Rente erst zu dem Zeitpunkt um einen Abschlag verändert, zu dem bei einer Rente aus der Versicherung des Ausgleichsberechtigten ein Zuschlag berücksichtigt wird.“
34Hier ist die Entscheidung des Familiengerichts aber bereits im Jahr 1994 ergangen und somit vor Beginn der Rente des Klägers wirksam geworden. Mithin liegen schon die Voraussetzungen des § 101 Abs. 3 SGB VI a.F. nicht vor. Unabhängig davon sind die Vorgaben in § 101 Abs. 3 bis 3b SGB VI jedoch mit dem Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs mit Wirkung zum 01.09.2009 neu gefasst worden. Die Regelung in § 101 Abs. 3 SGB VI a.F. wurde aufgehoben bzw. ist entfallen, so dass der Kläger sich hierauf nicht berufen kann. Die Änderungen waren notwendig geworden, nachdem das Versorgungsausgleichsrecht neu geregelt worden ist. Der Fortbestand des sog. Rentnerprivilegs war durch die Neuregelungen im Versorgungsausgleich nicht weiter vertretbar und führte auch zu ungerechtfertigten Belastungen des Versorgungsträger (Kador in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 101 Rn. 38). Der Grund für die Aufhebung des § 101 Abs. 3 SGB VI a.F. ergibt sich zudem aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/10144, S. 100):
35„Die bisherige Begünstigung von Personen, die zum Zeitpunkt der Scheidung bereits eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen und bei denen bis zum Beginn der Rente der ausgleichsberechtigten Person (das heißt übergangsweise) keine Kürzung der Rente erfolgte, ist ohnehin eine Ausnahme von den den Versorgungsausgleich prägenden Grundsätzen, nach denen mit dem Versorgungsausgleich die beidseitig erworbenen Anrechte ausgeglichen werden. Das Rentnerprivileg wurde daher schon seit Längerem von verschiedenen Seiten in Frage gestellt. Das Rentnerprivileg führte in der bisherigen Form auch zu an sich schwer zu rechtfertigenden Belastungen des Versorgungsträgers der ausgleichspflichtigen Person. Hinzu kommt, dass mit der nun vorgesehenen neuen Struktur des Versorgungsausgleichs, insbesondere mit dem Grundsatz der internen Teilung aller Anrechte, das bisherige Rentnerprivileg in dieser Form ohnehin nicht aufrechterhalten werden kann. Denn künftig ist es möglich, dass eine Person zwar bezogen auf Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung ausgleichspflichtig, im Hinblick auf andere Anrechte jedoch zugleich ausgleichsberechtigt sein kann (in Folge der Abkehr vom „Einmalausgleich“). Die zeitweise Aussetzung einer Kürzung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung darf jedoch nicht dazu führen, dass gleichzeitig Leistungen aus anderen Anrechten bezogen werden können, die im Versorgungsausgleich erworben wurden.
36Nach dem Wegfall des Rentnerprivilegs ist es erforderlich, Regelungen zu schaffen, die den Rentenversicherungsträger vor Überzahlungen schützen, wenn zulasten der leistungsberechtigten Person ein Versorgungsausgleich oder eine Ab- änderung des Versorgungsausgleichs durchgeführt wurde. Dies geschieht mit den neuen Sätzen 1 bis 3.“
37Auch verfassungsrechtlich bestehen insofern keine Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu mit Beschluss vom 11.12.2014 (1 BvR 1485/12) ausgeführt (Rn. 16):
38„Auch ist es verfassungsrechtlich zulässig, die Kürzung der Versorgungsbezüge nicht an den tatsächlichen Beginn des Rentenbezugs des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu koppeln. Dass der Gesetzgeber das Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs mit der Einführung des Rentner- beziehungsweise Pensionistenprivilegs zunächst selbst teilweise durchbrochen hatte, war verfassungsrechtlich zwar vertretbar, aber nicht geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1995 - 2 BvR 1762/92 -, juris, Rn. 20 f., 27). Der Gedanke, die spürbare Kürzung bei der ausgleichspflichtigen Person müsse sich, um mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar zu sein, für die ausgleichsberechtigte Person angemessen auswirken (vgl. BVerfGE 53, 257 <302>), steht der Kürzung der Versorgungsbezüge vor dem tatsächlichen Beginn des Rentenbezugs des ausgleichsberechtigten Ehegatten bereits deshalb nicht entgegen, weil die Teilung des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person hier unvermindert ihren Zweck erfüllt, der versorgungsausgleichsberechtigten Person ein eigenständiges Versorgungsanrecht zu verschaffen.“
39Aufgrund des Wegfalls des sog. Rentnerprivilegs zum 01.09.2009 kann der Kläger somit für seine zum 01.06.2018 beginnende Altersrente aus § 101 Abs. 3 SGB VI a.F. keinen höheren Rentenanspruch ohne Berücksichtigung eines Abschlags herleiten.
40Der Kläger kann auch nach der Übergangsregelung in § 268a Abs. 2 SGB VI keine abschlagsfreie Rente beanspruchen. Nach § 268a Abs. 2 SGB VI ist § 101 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden, wenn vor dem 1.9.2009 das Verfahren über den Versorgungsausgleich eingeleitet worden ist und die auf Grund des Versorgungsausgleichs zu kürzende Rente begonnen hat. Die Rente des Klägers hat jedoch erst zum 1.6.2018 und somit nicht vor dem 1.9.2009 begonnen. Dieser Fall wird somit von der Übergangsregelung nicht erfasst.
41c. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus § 101 Abs. 3b SGB VI.
42Hiernach ist Rentenbescheid der leistungsberechtigten Person aufzuheben
431. in den Fällen des § 33 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt
44a) des Beginns einer Leistung an die ausgleichsberechtigte Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 33 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes),
45b) des Beginns einer Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 33 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes) oder
46c) der vollständigen Einstellung der Unterhaltszahlungen der ausgleichspflichtigen Person (§ 34 Abs. 5 des Versorgungsausgleichsgesetzes),
472. in den Fällen des § 35 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns einer Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 36 Abs. 4 des Versorgungsausgleichsgesetzes) und
483. in den Fällen des § 37 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Aufhebung der Kürzung des Anrechts (§ 37 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes).
49Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
50aa. Eine Anpassung des Versorgungsausgleichs wegen der Zahlung von Unterhalt nach § 101 Abs.3b S. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 33 VersAusglG ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht vorgetragen. Im Übrigen entscheidet über die Anpassung wegen der Zahlung von Unterhalt nach § 34 VersAusglG auf Antrag das Familiengericht, d.h. eine etwaige Anpassung nach § 101 Abs. 3b S. 1 Nr. 1 SGB VI i.Vm. mit § 33 VersAusglG würde eine Entscheidung des Familiengerichts voraussetzen, die hier nicht ersichtlich ist.
51bb. Für eine Anpassung der Rente nach § 101 Abs. 3b S. 1 Nr. 2 SGB VI i.V.m § 35 VersAusglG sind die Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt.
52Nach § 35 VersAusglG wird die Kürzung der laufenden Versorgung auf Grund des Versorgungsausgleichs auf Antrag ausgesetzt, solange die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung wegen Invalidität oder Erreichens einer besonderen Altersgrenze erhält und sie aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Leistung beziehen kann. Der Kläger erhält die Regelaltersrente und somit keine „laufende Versorgung wegen Invalidität oder wegen des Erreichens einer „besonderen“ Altersgrenze. Der Gesetzgeber hat in § 35 VersAusglG allein eine Regelung zur Anpassung bei Invalidität oder vorgezogenen Altersrenten geschaffen, um Nachteile zu vermeiden, die dadurch entstehen können, dass die ausgleichspflichtige Person vor Erreichen der Altersgrenze invalide wird und aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur eine um den Ausgleichsbetrag gekürzte Rente wegen Erwerbsminderung bezieht, aber aus einem durch den Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht bei einem anderen Leistungsträger noch keine Leistung erhalten kann, z.B. weil dessen Leistungsvoraussetzungen noch nicht erfüllt sind. In diesen Fällen sieht § 35 VersAusglG bei entsprechender Beantragung eine Aussetzung der Kürzung wegen Invalidität vor. Gleiches gilt für vorgezogene Altersrenten (Kador in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 101, Rn. 61).
53Eine Anpassung nach § 35 VersAusglG würde zudem voraussetzen, dass der Kläger aus „einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Leistung beziehen kann“, z.B. weil er die in diesem Versorgungssystem geltende allgemeine Altersgrenze noch nicht erreicht hat (Breuers in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, § 35 VersAusglG, Rn. 17). Eine solche Versorgung hat der Kläger jedoch nicht erhalten, da er nach dem vor dem 30.9.2009 maßgeblichen Recht zum Versorgungsausgleich vollständig ausgleichspflichtig gewesen ist und kein Anrecht im Rahmen einer im VersAusglG vorgesehenen internen oder externen Teilung erworben hat.
54Da der Kläger eine reguläre Altersrente bezieht und nicht „aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Leistung beziehen kann“, folgt aus § 101 Abs. 3b S. 1 Nr. 2 SGB VI i.V.m. § 35 VersAusglG kein Anspruch auf eine Anpassung.
55cc. Ein Anspruch auf Anpassung folgt darüber hinaus nicht aus § 101 Abs. 3b S. 1 Nr. 3 SGB VI i.V.m. § 37 VersAusglG. Nach § 37 VersAusglG wird ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person, d.h. hier die geschiedene Frau des Kläger, verstorben ist. Dies ist nicht der Fall.
563. Der Kläger hat daher insgesamt keinen Anspruch auf eine Erhöhung seiner Rente. Die Beklagte hat die Kürzung der Regelaltersrente aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs des Klägers in den hier streitigen Bescheiden zu Recht vorgenommen.
57II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
58III. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), weil die maßgeblichen Rechtsfragen, wie zuvor ausgeführt, sich ohne weiteres mit dem Gesetz beantworten lassen bzw. höchstrichterlich bereits beantwortet sind.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- SGG § 160 2x
- SGG § 54 1x
- § 76 Abs. 1 und Abs. 3 SGB VI 1x (nicht zugeordnet)
- § 101 Abs. 3b S. 1 Nr. 1 SGB VI 1x (nicht zugeordnet)
- § 101 Abs. 3b SGB VI 2x (nicht zugeordnet)
- VersAusglG § 33 Anpassung wegen Unterhalt 3x
- § 268a Abs. 2 SGB VI 2x (nicht zugeordnet)
- § 101 Abs. 3b S. 1 Nr. 2 SGB VI 2x (nicht zugeordnet)
- § 101 Abs. 3b S. 1 Nr. 3 SGB VI 1x (nicht zugeordnet)
- Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgericht (1. Senat 1. Kammer) - 1 BvR 1485/12 1x
- § 76 SGB VI 1x (nicht zugeordnet)
- VersAusglG § 37 Anpassung wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person 4x
- § 76 Abs. 3 SGB VI 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 33ff. VersAusglG 1x (nicht zugeordnet)
- VersAusglG § 34 Durchführung einer Anpassung wegen Unterhalt 2x
- SGG § 193 1x
- § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB VI 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 183 1x
- 2 BvR 1762/92 1x (nicht zugeordnet)
- § 101 Abs. 3 SGB VI 7x (nicht zugeordnet)
- VersAusglG § 35 Anpassung wegen Invalidität der ausgleichspflichtigen Person oder einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze 6x