Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (5. Senat) - L 5 SF 114/15 B E

Tenor

Auf die Beschwerde der Erinnerungsführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 24. Februar 2015 aufgehoben.

Die Kostenrechnung des Sozialgerichts Kiel vom 15. Mai 2013 wird aufgehoben.

Das Verfahren ist gebührenfrei.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Mit ihrer am 11. April 2013 beim Sozialgericht Kiel erhobenen Klage wenden sich O... G... und F... G... GmbH gegen die Zahlungsaufforderung in dem Bescheid der Techniker-Krankenkasse vom 29. November 2011 in Gestalt des Bescheides vom 14. Mai 2012 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2013. Außerdem begehren sie die Feststellung, dass die Beklagte keinen Anspruch gegen sie auf Rückzahlung der von der Beklagten mit Bescheid vom 8. Juli 2010 festgestellten und ausgeführten Erstattung der 2.943,18 EUR habe. Mit Kostenrechnung vom 15. Mai 2013 hat das Sozialgericht Kiel von der Erinnerungsführerin 267,00 EUR an Gerichtskosten eingefordert. Sie hat daraufhin Erinnerung durch ihre Prozessbevollmächtigten „gegen die Höhe des angenommenen Gegenstandswertes“ eingelegt. Mit weiterem Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 hat die Erinnerungsführerin an ihre Kostenprivilegierung erinnert; das gelte sogar für Streitigkeiten von Selbstständigen um die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge.

2

Der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht hält die Kostenrechnung für rechtmäßig. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 30. September 2013 das Verfahren der Erinnerungsführerin abgetrennt und dieses Verfahren an das Sozialgericht in Schleswig verwiesen. Mit weiterem Beschluss vom 24. Februar 2015 hat das Sozialgericht Kiel die Erinnerung gegen die Kostenrechnung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Erinnerung gegen die Bestimmung des vorläufigen Streitwertes sei nicht zulässig und die Kostenrechnung darüber hinaus sachlich und rechnerisch nicht zu beanstanden. Bei der Berechnung der Gebühr seien die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) beachtet worden.

3

Gegen den ihr am 2. März 2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Erinnerungsführerin, eingegangen beim Sozialgericht Kiel am 1. April 2015. Zur Begründung führt sie aus, dass die Kostenentscheidung nur auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beruhen könne, da der ebenfalls klagende O... G... als Versicherter zum privilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehöre und dies zu einer Kostenfreiheit auch der Erinnerungsführerin führe. Insoweit verweist sie auf Rechtsprechung. Die Trennung der Verfahren zwischen den Klägern ändere hieran nichts.

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Der Erinnerungsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

II.

5

Der Senat entscheidet gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG durch seine Berufsrichter.

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Die zulässige Beschwerde ist begründet, die Einforderung von Gerichtskosten von der Erinnerungsführerin durch das Sozialgericht Kiel ist nicht rechtmäßig.

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Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Bei den in § 183 SGG genannten Personen handelt es sich um Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsfolgen nach § 56 des Erstes Buches Sozialgesetzbuch. Bei O... G... handelt es sich unzweifelhaft um eine in § 183 SGG genannte Person, hingegen bei der Erinnerungsführerin um eine nicht dort genannte Person. Erheben jedoch mehrere Beteiligte Rechtsmittel, von denen einer zum kostenrechtlich begünstigten Personenkreis des § 183 SGG gehört und ein anderer nicht, so richtet sich die Kostenentscheidung im Rechtszug für alle Beteiligten einheitlich nach § 193 SGG und § 197a SGG findet keine Anwendung mit der Folge, dass Gerichtskosten nicht zu erheben sind (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006 – B 2 U 391/05 B; LSG Stuttgart, Urteil vom 10. Oktober 2014 – L 4 R 2204/13; Straßfeld in Jansen, SGG-Kommentar § 183 Rz. 18; Hintz Lowe, § 183 Rz. 18).

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Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Für eine entsprechende Auslegung des § 197a SGG spricht bereits ihr Wortlaut. Danach werden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personenkreisen gehört, Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben. Und bei dem ebenfalls klagenden O... G... handelt es sich um eine in § 183 SGG genannte Person. Diese Rechtsfolge entnimmt das BSG zudem zutreffend der Systematik der Kostenvorschriften und führt hierzu überzeugend aus:

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„Die beiden unterschiedlichen Konzepte des SGG – Kombination von Kostenfreiheit und Pauschgebührenpflicht auf der einen, Gerichtskosten und Kostentragung durch die unterlegene Partei auf der anderen Seite – lassen sich nicht innerhalb einer Instanz widerspruchsfrei miteinander verbinden. Das zeigt sich besonders bei einem Nebeneinander von Pauschgebühren und Gerichtskosten. Während in den Anwendungsfällen des § 184 SGG auch bei subjektiver Klagehäufung nur eine Pauschgebühr zu entrichten ist und in den Anwendungsfällen des § 197a SGG die nach dem Streitwert berechneten Gerichtskosten auch bei mehreren Rechtsmittelklägern nur einmal anfallen, würden in der vorliegenden Konstellation im Hinblick auf die Beschwerde der Beigeladenen Gerichtskosten und im Hinblick auf die Beschwerde des Klägers zusätzlich eine Pauschgebühr erhoben und damit Kosten der Gerichtshaltung für dieselbe Instanz zweimal abgegolten. Im Unterliegenfall hätte die Beklagte beide Gebühren nebeneinander zu tragen. Da dafür keine sachliche Rechtfertigung erkennbar ist, muss die gesetzliche Regelung so verstanden werden, dass für die jeweilige Instanz eine einheitliche Kostenregelung gelten soll. Bei Beteiligung einer nach § 183 SGG kostenmäßig privilegierten Person kann das nur die Regelung der §§ 184 bis 195 SGG sein.“

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Im vorliegenden Fall ändert sich auch nichts dadurch, dass das Sozialgericht Kiel die Verfahren zwischen den Klägern getrennt hat. Denn zum einen hat das Sozialgericht Kiel bereits vor dem Trennungsbeschluss mit der Kostenberechnung vom 15. Mai 2013 die Gerichtskosten eingefordert. Gegen diese Kostenrechnung hat sich die Erinnerungsführerin mit ihrer Erinnerung vom 27. Mai 2013 gewandt. Darüber hinaus gilt zur Bestimmung des kostenprivilegierten Personenkreises die formale Stellung der Beteiligten und ihre Eigenschaft „im Zeitpunkt der Rechtsbehelfseinlegung“, wobei auf die Verhältnisse in jedem Rechtszug abzustellen ist (Straßfeld a. a. O. Rz. 17 m. w. N.). Und die Klage erhoben haben beide Kläger zur gleichen Zeit.

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Hiervon mag in Ausnahmen abgewichen werden, wenn durch eine willkürliche oder unsachgerechte Klagerhebung mehrerer Kläger bewusst eine Kostenprivilegierung einer in § 183 nicht genannten Person bewirkt werden soll. Ein solches Vorgehen ist hier für den Senat jedoch nicht zu erkennen. So haben sich die Kläger gegen die Forderungsbescheide vom 29. November 2011 und 14. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2013 gewandt. Während sich die Bescheide vom 29. November 2011 und 14. Mai 2012 noch auf die Forderung allein gegen die Erinnerungsführerin beschränkten, heißt es im Widerspruchsbescheid vom 11. März 2013 u. a.: „über die Widersprüche vom 21. Dezember 2011 …, mit denen sie sich gegen die Rückforderung gegen Ihre Mandanten Herrn O... G... und die Firma F... G... GmbH wenden...“. Vor diesem Hintergrund, dass im Widerspruchsbescheid von einer Rückforderung gegen beide Kläger die Rede ist, war eine Klagerhebung durch beide sachgerecht.

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Diese Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar.

13

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).


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