Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (5. Senat) - L 5 KR 11/13

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 9. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger hat sich erstinstanzlich mit seiner Vollstreckungsabwehrklage im Sinne des § 767 Zivilprozessordnung (ZPO) vom 29. April 2011 gegen die vermeintliche Zwangsvollstreckung der Beklagten aus den Beschlüssen des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2011 (S 3 KR 226/11 ER), vom 23. September 2011 (S 3 KR 489/11 ER) und vom 10. November 2011 (S 33 KR 778/11 ER) gewandt, mit denen die zuvor vom Kläger begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Beitragsbescheiden versagt worden war.

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Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. Januar 2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Vollstreckungsgrundlage bilde der jeweilige von der Beklagten erlassene Verwaltungsakt und nicht der Beschluss, mit dem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung versagt worden sei. Da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung versagt worden sei, könne die Beklagte unmittelbar aus den Beitragsbescheiden vollstrecken. Für die Anwendung des § 769 ZPO bestehe bereits nach seinem Wortlaut kein Raum. Wegen der weiteren Begründung werde auf den im Verfahren L 5 KR 12/12 B ER ergangenen Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. Januar 2012 Bezug genommen.

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Gegen den ihm am 11. Januar 2013 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 14. Januar 2013 beim Sozialgericht Lübeck eingegangen ist. Zur Begründung trägt er vor, das Sozialgericht habe wesentlichen Streitstoff übersehen. Mit Bescheid vom 17. Februar 2012 habe die Beklagte rückwirkend ab 1. Januar 2011 die monatliche Beitragsforderung zu seinen Gunsten korrigiert. Das habe zur Folge, dass die Zwangsvollstreckung rechtswidrig gewesen sei und die Beklagte die ihm entstandenen Kosten nebst der üblichen Zinsen aus §§ 247, 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie die gesamten Prozesskosten zu tragen habe. Allerdings habe sich „die Sache L 5 KR 11/13 = S 5 KR 1287/11 (Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die rechtswidrige Willkür-Vollstreckung der Beklagten) … zudem längst von selbst erledigt“ denn es sei ja am 19. Januar 2012 vollstreckt worden.

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Der Kläger beantragt nach Aktenlage sinngemäß,

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die Beklagte zu verurteilen, ihm den durch Zwangsvollstreckung im Februar 2012 beigetriebenen Betrag von 1.111,52 EUR nebst Zinsen aus §§ 247, 288 BGB zu erstatten und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung entstandenen Kosten zuzüglich Zinsen aus §§ 247, 288 BGB zu erstatten.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Sie ist mangels Rechtsschutzbedürfnis infolge beendeter Zwangsvollstreckung zurückzuweisen

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Der erkennende Senat geht davon aus, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Februar 2015 weder eine einseitige Erledigungserklärung abgeben noch die Klagerücknahme erklären wollte, indem er ausführte, dass sich die Sache L 5 KR 11/13 längst von selbst erledigt habe, da bereits am 19. Januar 2012 vollstreckt worden sei. Vielmehr hat er wegen der Beendigung der Zwangsvollstreckung seine Anträge im Berufungsverfahren korrigiert und macht nunmehr die Erstattung des durch die Zwangsvollstreckung beigetriebenen Betrages geltend. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte zum Schadenersatz verpflichtet sei.

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Zu Recht ist das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid davon ausgegangen, dass für eine Vollstreckungsabwehrklage im Sinne des § 767 ZPO gegen die vom Kläger angeführten Beschlüsse des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2011 (S 3 KR 226/11 ER), vom 23. September 2011 (S 3 KR 489/11 ER) und vom 10. November 2011 (S 33 KR 778/11 ER) keine gesetzliche Grundlage gegeben war, denn die Beklagte hat die Zwangsvollstreckung nicht aus den Beschlüssen, sondern aus den von ihr selbst erlassenen Verwaltungsentscheidungen betrieben, und zwar aus den Leistungsbescheiden vom 17. Dezember 2010, 19. Januar 2011, 17. Februar 2011, 23. Mai 2011, 17. Juni 2011, 18. Juli 2011, 17. August 2011, 17. September 2011, 19. Oktober 2011, 16. November 2011 und 16. Dezember 2011. Diese betrafen Sozialversicherungsbeiträge aus der Zeit von Juni 2010 bis November 2011. Insoweit hat die Beklagte dem Obergerichtsvollzieher K... am 5. Januar 2012 vollstreckbare Ausfertigungen der Bescheide mit dem Auftrag der Zwangsvollstreckung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 955,95 EUR und Säumniszuschlägen gemäß § 24 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Höhe von 80,50 EUR sowie Mahn- und Portokosten in Höhe von 9,02 EUR (Gesamtrückstand 1.045,47 EUR) zuzüglich Säumniszuschläge gemäß § 24 SGB IV ab 16. Januar 2012 aus 950,00 EUR erteilt. In diesem Zusammenhang kann der Senat dahingestellt lassen, ob die Beitragsbescheide nicht ebenfalls als Vollstreckungstitel von der Vorschrift des § 767 ZPO umfasst sind und das Sozialgericht den Antrag des Klägers dahingehend hätte auslegen können bzw. zeitnah auf eine entsprechende Antragstellung hinwirken müssen, denn zum Zeitpunkt des angefochtenen Gerichtsbescheides war in jedem Fall ein Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsabwehrklage entfallen, weil die Zwangsvollstreckung als Ganzes beendet war.

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Vor diesem Hintergrund hat der Kläger auch seine Anträge im Berufungsverfahren korrigiert. Er macht nunmehr die Erstattung des durch die Zwangsvollstreckung beigetriebenen Betrages geltend und begehrt die gerichtliche Feststellung, dass die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Rechtswidrigkeit der Zwangsvollstreckung ist jedoch bereits Streitgegenstand des Verfahrens S 3 KR 1112/10 / L 5 KR 62/11 geworden, welches der Senat mit Urteil vom gleichen Tag entschieden hat. In diesem Verfahren hatte der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 3. März 2012 gerügt, dass die Beklagte die Zwangsvollstreckung zumindest in ungerechtfertigter Höhe betrieben habe und insbesondere auch gefordert, dass die Beklagte ihm den Schaden zu ersetzen habe, der durch die Zwangsvollstreckung vor dem Hintergrund überhöhter Forderungen entstanden sei. Deshalb ist das Erstattungs- und Feststellungsbegehren bereits im Verfahren S 3 KR 1112/10 / L 5 KR 62/11 zu einem Zeitpunkt rechtshängig geworden, als die hier zu entscheidende Berufung, in der die spätere Antragskorrektur erfolgte, noch nicht eingelegt war. Bei einer Klageänderung beginnt für neue Anträge eine neue Rechtshängigkeit, und zwar gemäß § 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 261 Abs. 2 ZPO bei erst im Laufe des Prozesses erhobenen Ansprüchen mit Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung oder Einreichung eines Schriftsatzes (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 94 Rn. 3a). Daraus folgt, dass die Klageänderung hier unzulässig war, weil bereits anderweitige Rechtshängigkeit bestand. Deshalb war die Berufung mangels Rechtsschutzbedürfnis infolge beendeter Zwangsvollstreckung zurückzuweisen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

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Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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