Urteil vom Landessozialgericht für das Saarland - L 5 VG 6/05

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 13. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger, der Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist, weitere Schädigungsfolgen festzustellen und ob ihm Versorgungsleistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 07. Januar 1985 (BGBl. I, 1), geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung von Erstattungsvorschriften im sozialen Entschädigungsrecht vom 25. Juli 1996 (BGBl. I, 1118) und durch Art. 30 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 07. August 1996 (BGBl. I, 1254, 1316) nach einer Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) von mindestens 30 v. H. zu gewähren sind.

Der 1970 in F. geborene, nunmehr in B. (Departement A.) lebende Kläger besuchte am 05. Mai 1996 gegen 0:30 Uhr die K. in S.. Als er sich auf der Tanzfläche befand, wurde er am rechten Auge von einer fliegenden Billardkugel (orange/Aufschrift „5“), in die eine Schraube hineingedreht war, getroffen.

Der Kläger gab zu dem Hergang an, er sei „zwischen die Fronten zweier streitender Gruppen (Bosnier, Serben, Italiener)“ geraten. Er sei, nachdem er getroffen worden sei, ohnmächtig geworden. Als er sein Bewusstsein wieder erlangt habe, habe sein Bruder Ch. ihn aufgerichtet (Vermerk der Polizeiinspektion S./Mitte vom 09. Mai 1996 und vom 23. Juli 1996 in der Strafakte 20 ..., ). Ein herbeigerufener Rettungswagen brachte den Kläger zur Erstversorgung in das E. Krankenhaus nach S. (Schreiben des Chefarztes der Chirurgie Dr. O. des E. Krankenhauses S. vom 15. Dezember 1999, dessen Inhalt zu Folge der Kläger angegeben hatte, durch einen Schlag mit einem Bierkrug verletzt worden zu sein).

Nachdem im E. Krankenhaus eine Unterlid- und zwei Stirnplatzwunden versorgt und eine Tetanusimpfung verabreicht worden waren, wurde der Kläger in die Augenklinik der S. W. Kliniken gGmbH geschickt. Bei der Erstvorstellung am 05. Mai 1996 wurde dabei folgende Diagnose getroffen:

„RA: Contusio bulbi mit Hyposhagma und Hornhauterosio sowie drei kleinen streifigen Netzhautblutungen peripapillär und traumatischer Mydriasis;

Visus: RA: sc = 0,2 p – 0,25 pp;

LA: sc = 1,0;

Tensio: RA: 14 mm Hg.“

Der Kläger suchte am selben Tag erneut die Augenklinik um 23.20 Uhr auf. Einer Empfehlung, in einer Woche noch einmal in der Ambulanz vorzusprechen, kam er nicht nach (Befundbericht des Chefarztes der Augenklinik der S. W. Kliniken gGmbH Prof. Dr. T. vom 06. Januar 2000).

Noch in der Nacht des Vorfalls begab sich der Kläger in das Centre Hospitalier M.-M. in F., wo er einer ärztlichen Bescheinigung des Dr. G.-G., Chirurg, Orthopäde, Traumatologe, Mikrochirurg, F., zu Folge stationär vom 05. bis 17. Mai 1996 behandelt wurde. Eine am 16. Mai 1996 durchgeführte Gehirncomputertomographie war unauffällig (Befundbericht vom 17. Juni 1996).

Der Kläger suchte noch mehrere Fachärzte an seinem Heimatort auf, so den Augenarzt Dr. T., F. (Befundbericht vom 06. März 2000, vom 22. Juni 1996 und vom 24. Juli 1996). Der ebenfalls vom Kläger konsultierte Facharzt für Gesichtschirurgie, Dr. C., F. bescheinigte, dass die im Jahr 1996 durchgeführte Computertomographie der Nasen- und Nebenhöhlen keine Knochenfraktur offenbart habe; das Gehör sei normal; es sei aber ein Hörgeräusch in Form von Pfeifen rechts ohne objektive Hörstörung gegeben (Befundbericht vom 04. Juli 1996, vom 12. Juni 1996, vom 17. Juni 1996 und vom 02. März 2000).

Die Allgemeinmedizinerin Dr. B.-M. behandelte den Kläger wegen psychologischer Störung in Form von Angst und Depression auf Grund eines „Unfalls vom 09. Juni 1996“ und wegen Kopfschmerzen (Befundbericht vom 20. März 2000).

Der Kläger hatte vor dem Vorfall in Frankreich ein Studium des Technicien en Construction Mécanique begonnen, das dem Maschinenbaustudium entspricht.

Heute ist der Kläger als Lehrer im Bereich der Mechanik tätig.

Am 09. Mai 1996 stellte der Kläger Strafantrag. Das daraufhin eingeleitete Strafverfahren wurde am 08. November 1996 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, da der Verursacher nicht habe ermittelt werden können. Nachdem der Kläger dagegen Beschwerde eingelegt hatte, ergaben weitere Ermittlungen, dass ein Bosnier mit dem Namen „Che.“ immer eine Billardkugel bei sich zu tragen pflege, in welche eine Schraube eingedreht sei. Bei dem Bosnier „Che.“ handelte es sich um G. J., der am 30. September 1998 nach Bosnien ausgereist und zur Fahndung ausgeschrieben war (Vfg. vom 14. Juli 1999). Am 19. Juni 2001 wurde das Verfahren wegen Verjährung eingestellt.

Am 15. Mai 1997 beantragte der Kläger Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Zu seinem Beruf befragt gab der Kläger an, er sei früher Maschinenbautechniker gewesen, nunmehr sei er Student (Fernstudium) und zugleich „Maitre d´internat“.

Der Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei und holte ein augenärztliches Gutachten des Prof. Dr. T. vom 04. Dezember 2000 ein, der beim Kläger folgende Diagnosen stellte:

„Rechtes Auge: 1.  Reduktion der Sehschärfe auf 0,8 mit eigener Brille;

2. ausgedehnter zentraler und parazentraler Gesichtsfeldausfall (Skotom);

3. posttraumatische Netzhaut-Aderhaut-Narbe oberhalb des rechten Sehnervs als Ursache für den bestehenden Gesichts felddefekt. “

Die MdE bewertete er mit 20 v. H.

Mit Bescheid vom 08. Juni 2001 erkannte der Beklagte als Schädigungsfolge im Sinne des § 1 OEG an:

„Ausgedehnte chorioretinale Narbe oberhalb des Sehnervs mit fortbestehenden Gesichtsfeldausfällen“ im Sinne der Entstehung.

Weitere Schädigungsfolgen lägen nicht vor. Die Gesundheitsstörung bedinge eine MdE von 20 v. H. Deshalb könne eine Rente nicht gewährt werden. Ab 01. Mai 1997 habe er, der Kläger, Anspruch auf Heilbehandlung nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Die als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung sei durch den vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff vom 05. Mai 1996 im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG verursacht worden.

Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 02. Juli 2001. Der Kläger rügte, die MdE bezüglich der Gesundheitsstörung am Auge sei zu gering bemessen. Der großflächige Ausfall der Sehfähigkeit auf dem rechten Auge stelle eine ständige Beeinträchtigung dar. Durch die Gesichtsfeldausfälle nehme er Personen und Gegenstände, die sich von rechts näherten, erst mit erheblicher Verzögerung wahr. Deshalb sei eine MdE von mindestens 40 v. H. angemessen.

Außerdem habe er nach dem Unfall eine traumatisch bedingte depressive Phase durchlebt, Anpassungsstörungen und Angstzustände, bedingt durch den Teilverlust der Sehfähigkeit auf dem rechten Auge, beeinträchtigten ihn noch heute. Er fürchte, auch die Sehfähigkeit auf dem linken Auge zu verlieren.

Zudem sei die MdE schon deshalb höher zu bewerten, weil er durch die Schädigung den von ihm angestrebten Beruf nicht habe ausüben können. Er habe das Studium 1991 in M. begonnen und den theoretischen Bereich erfolgreich abgeschlossen. Sein Bruder habe unmittelbar nach ihm mit dem gleichen Studiengang begonnen und sei heute in einem Ingenieurbüro tätig. Dabei müsse dieser als Konstrukteur den überwiegenden Teil seiner Tätigkeit an einem Computer ausführen. Er, der Kläger, habe bereits studienbegleitende Tätigkeiten ausgeübt und sei dazu in einem Ingenieurbüro als Praktikant tätig gewesen. Er habe zwar den theoretischen Teil des Studiums abgeschlossen, habe aber verletzungsbedingt den praktischen Teil nicht beenden können. Er habe dann eine pädagogische Zusatzausbildung absolviert. Heute sei er Lehrer. Er erziele ein Einkommen, welches weit unter dem erwarteten eines Maschinenbauers liege.

Mit Bescheid vom 08. November 2001 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Weitere Gesundheitsstörungen, die als Schädigungsfolge anzuerkennen seien, lägen nicht vor. Die von ihm geschilderte traumatisch bedingte depressive Phase sei eine normale Verarbeitung nach einem erlittenen Trauma. Die Notwendigkeit einer diesbezüglichen ärztlichen Behandlung sei nicht erwähnt und nicht belegt.

Die Gesundheitsstörung am rechten Auge sei mit einer MdE von 20 v.H. hinreichend bewertet. Die Zuerkennung einer MdE von 30 v. H. bedeute eine Gleichsetzung mit der Blindheit des betroffenen Auges, die bei ihm, dem Kläger, nicht vorliege. Hinsichtlich seines Begehrens der beruflichen Betroffenheit sei stets zu prüfen, ob berufliche Reha-Maßnahmen zumutbar und möglich seien. Nach § 29 BVG entstehe ein Anspruch nach § 30 Abs. 2 BVG frühestens in dem Monat, in dem die Reha-Maßnahme abgeschlossen sei. Falls der von ihm, dem Kläger, selbst gewählte Beruf des Lehrers weit hinter seiner früheren beruflichen Erwartung bleibe, werde ihm anheim gestellt, eine berufliche Reha-Maßnahme durchzuführen, die geeignet sei, seinem früheren Berufswunsch sozial und wirtschaftlich zu entsprechen. Außerdem sei es nicht nachvollziehbar, wieso der Beruf des Lehrers nicht sozial und wirtschaftlich zumindest annähernd mit den von ihm zunächst angestrebten Berufsziel zu vergleichen sei. Letztlich sei auch nicht belegt, dass der Abbruch des Maschinenbaustudiums und die berufliche Umorientierung allein oder zumindest überwiegend auf Grund des erkannten Schädigungsleidens erfolgt seien.

Hiergegen hat sich die Klage vom 05. Dezember 2001, am 07. Dezember 2001 beim Sozialgericht (SG) für das Saarland eingegangen, gerichtet.

Der Kläger hat sowohl die Anerkennung begehrt, dass weitere Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 OEG vorlägen, als auch die Gewährung von Leistungen nach dem OEG nach einer MdE von mindestens 30 v. H. Zu der Bewertung der anerkannten Schädigungsfolge hat der Kläger eingewandt, aus den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, damaliger Rechtsstand: 1996 (AHP), ergebe sich, dass bereits bei Gesichtsfeldausfällen in unterschiedlicher Intensität eine MdE zwischen 10 und 40 v.H. in Betracht komme. Die bei ihm vorliegenden Gesichtsfeldeinschränkungen rechtfertigten mindestens eine MdE von 30 bis 40 v.H. Es liege schließlich ein Gesichtsfelddefekt auf Grund einer Sehbahnläsion vor.

Das SG für das Saarland hat zunächst ein augenärztliches Gutachten des Augenarztes Dr. Tr., S., vom 30. Mai 2002 eingeholt. In der Sozialanamnese hat der Kläger angegeben, von 1991 bis 1995 Maschinenbau studiert zu haben, danach in einem Ingenieurbüro in V. beschäftigt gewesen und seit 1998 Lehrer am Technologiegymnasium in F. zu sein.

Der Sachverständige hat beim Kläger am rechten Auge parazentrale Netzhautnarben und einen parazentralen Gesichtsfeldausfall temporal unten, einen Visusverlust von 0,5, die Notwendigkeit, eine Brille zu tragen, und den Verlust des räumlichen Sehens diagnostiziert.

Für die parazentralen Netzhautnarben mit konsekutivem Gesichtsfelddefekt hat er eine Einzel-MdE von 0 v. H. empfohlen, da das binokulare Gesichtsfeld keine Ausfälle habe. Den Visusverlust auf dem rechten Auge mit 0,5 hat er mit einer Einzel-MdE von 5 v. H., die Notwendigkeit, eine Brille zu tragen, mit einer Einzel-MdE von 0 v. H. bewertet. Als Gesamt-MdE hat er 10 v. H. für ausreichend gehalten und zu bedenken gegeben, dass bei der teilweisen Schädigung des einzelnen Auges die Gesamt-MdE nie höher sein könne als die für den kompletten Verlust eines Auges (MdE 25 v.H.) und in angemessener Relation dazu stehen müsse.

Der Kläger hat dagegen eingewandt, das binokulare Sehen sei ebenfalls beeinträchtigt. Im Übrigen lasse das Gutachten unberücksichtigt, dass die Deutsche Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) empfohlen habe, Gesichtsfeldausfälle und Blickfeldbeeinträchtigungen einzeln zu berücksichtigen. Das ergebe sich aus den AHP (Ziff. 26.4).

In der dazu erbetenen Stellungnahme hat der Sachverständige Dr. Tr. in einem vom 07. Februar 2002 datierenden Schreiben (falsches Datum) ausgeführt, das binokulare Gesichtsfeld sei vollständig und lückenlos, weil der Gesichtsfelddefekt des rechten Auges vollständig durch das intakte Gesichtsfeld des linken Auges ausgeglichen werde. Im vorliegenden Fall besitze das verletzte Auge noch eine gute Restfunktion mit einem Visus mit Korrektur von 0,5 und könne nicht annähernd mit einem Totalverlust eines Auges gleichgesetzt werden, für den nach der Tabelle der DOG und den AHP die MdE 25 v. H. betrage.

Das SG für das Saarland hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Dr. N. R., S., vom 28. Oktober 2002, der sein Gutachten mit einer Stellungnahme vom 02. Dezember 2002 ergänzt hat. Der Sachverständige hat das Vorliegen einer Sehbahnläsion verneint. Vielmehr habe ein isolierter Netzhautschaden vorgelegen. Anhaltspunkte für eine abgelaufene intracerebrale Contusionsblutung ergäben sich nicht.

Nach einem schädigenden Ereignis wie dem vorliegenden komme es zu einer psychischen Traumatisierung, die sich in einer akuten Belastungsreaktion äußere. Nicht selten seien aber auch Anpassungsstörungen; d. h. reaktiv auf den äußeren Auslöser entwickele sich eine überwiegend depressive Reaktionsbereitschaft, die aber selten länger als 6 Monate anhalte, abgesehen von depressiven Reaktionen, die höchstens auf 2 Jahre befristet seien. Vorliegend könne beim Kläger keine relevante Psychopathologie, sondern nur eine Verunsicherung im allgemeinen Lebensgefühl beobachtet werden. Aus neurologischer Seite sei keine zusätzliche MdE festzusetzen, aus psychiatrischer Sicht liege die MdE unter 10 v. H.

Diese Auffassung hat der Kläger nicht geteilt und will seine psychische Belastung mit einem Schreiben seines ehemaligen Vorgesetzten F. G. vom 14. Januar 2003 belegt wissen.

Letzterer beschreibt den Kläger nach dem Vorfall 1996, als er am N.-Gymnasium in Sa. gearbeitet habe, als müde und traurig. Direkt nach dem Ereignis sei es zu einer Umstellung seiner Arbeit gekommen. Er habe nicht mehr am Computer arbeiten dürfen. Erst 1997/1998 sei es besser geworden.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG für das Saarland ein augenärztliches Gutachten des Prof. Dr. T. vom 04. Juni 2003 eingeholt. In der Sozialanamnese gab der Kläger an, er habe auf Grund der Unfallfolgen das Studium abbrechen müssen. Nachdem er Gelegenheitsarbeiter (Bauzeichner) gewesen sei, habe er auf Wartungstechnik umgeschult und 1997/1998 ein Diplom abgelegt. Seit 1998 sei er Lehrer für Technologie am Collège in St. A..

Der Sachverständige hat unfallbedingt am rechten Auge eine Reduktion der Sehschärfe auf 0,4 mit eigener Brille, einen ausgedehnten zentralen und parazentralen Gesichtsfeldausfall (Skotom), eine posttraumatische Netzhaut-Aderhautnarbe ausgehend von Sehnervenkopf auch im papillomaculären Bündel bis in die mittlere Peripherie nach cranial reichend diagnostiziert. Der Sachverständige hat für die Herabsetzung der Sehschärfe eine MdE von 5 v. H. und für den Gesichtsfeldausfall eine MdE von 15 v. H. empfohlen. Die Gesamt-MdE will er mit 20 v. H. bewertet wissen.

Mit Schriftsatz vom 16. September 2003 hat der Kläger sodann vorgetragen, er leide an rheumatologischen Beeinträchtigungen bei Wetterwechsel, die er auf die Verletzung „1995“ zurückführe. Außerdem habe er eine Verletzung des Schädels und der Ohren davongetragen.

Das SG für das Saarland hat daraufhin ein fachorthopädisch-rheumatologisches Gutachten des Dr. So. vom 14. Januar 2004 eingeholt. In der Berufsanamnese ist festgehalten, der Kläger habe von 1992 bis 1994 an der Universität St. A. und ab 1994 bis 1998 an der Universität M. Maschinenbau studiert. Er habe vorher als Maschinenbauingenieur in V. gearbeitet, seit 1998 sei er Lehrer im technischen Bereich auf dem Gymnasium gewesen.

Schädigungsbedingt hat der Sachverständige Dr. So. keine rheumatologischen Gesundheitsstörungen festgestellt. Eine Verletzung des Schädels und der Ohren hat er verneint und insgesamt eine MdE von 20 v. H. empfohlen.

Auf Antrag des Klägers ist sodann ein weiteres Gutachten des Chefarztes der rheumatologischen Abteilung des Knappschaftskrankenhauses P. Dr. v. W. vom 06. Dezember 2004 eingeholt worden. Der Sachverständige hat rheumatologische Schädigungsfolgen verneint. Er hat degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule feststellen können, die aber schadensunabhängig seien. Schädigungsbedingt hat er eine Gesamt-MdE von 20 v.H. empfohlen.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. Mai 2005 hat das SG für das Saarland die Klage abgewiesen und sich auf die übereinstimmenden Empfehlungen aller Sachverständigen einer Gesamt-MdE von 20 v.H. berufen.

Gegen diesen Gerichtsbescheid, der dem Kläger am 20. Mai 2005 zugestellt worden ist, hat dieser mit Schriftsatz vom 20. Juni 2005, am selben Tag beim Landessozialgericht (LSG) für das Saarland eingegangen, Berufung eingelegt.

Der Kläger verfolgt sein ursprüngliches Begehren weiter und trägt ergänzend dazu vor:

Durch die auftreffende Billardkugel sei sein Kopf in eine Schleuderbewegung versetzt worden, was vielleicht auch zu einer Verdrehung der Wirbelsäule geführt habe. Daraus resultierten die rheumatologischen Erkrankungen. Es sei deshalb zu klären, wie stark der Aufprall der Billardkugel auf den Körper und die dadurch entstandene Schleuderbewegung gewesen seien. Auch in Bezug auf die Anpassungsstörung sei ihm, dem Kläger, Gelegenheit zu geben, den Vorfall selbst zu schildern.

Nach einer Aufforderung durch den Senat hat der Kläger mit einem als Lebenslauf bezeichneten Schreiben vom 20. April 2007 zu seinem beruflichen Werdegang u.a. folgende Angaben gemacht:

Diplom und Titel

        

1984 Realschulabschluss

        

1985 Facharbeiterbrief Wartungsmechaniker

        

1986 Facharbeiterbrief Maschinenschlosser

        

1988 Berufsbildungszeugnis Wartung Mechanische Produktionssysteme

        

1988 Facharbeiterbrief Mechaniker für
Produktionssysteme

        

1991 Abitur F 1 Maschinenbau

        

1994 Technikerdiplom Konzeption von
Industrieprodukten

        

1998 Technikerdiplom Industriewartung

        
                 

Berufliche Laufbahn in der staatlichen
Bildung

        

05. Dezember 1994 bis 16. September 1998

Internatsaufseher

17. September 1998 bis 31. August 2002

Vertragslehrer für Wartung von automatisierten, mechanischen Systemen (dritte Kategorie)

01. September 2002 bis 31. August 2004

zertifizierter Lehrer für Technologie, seit 01. September 2002 der normalen Kategorie

                 

Einsätze

        

05. Dezember 1994 bis 31. August 1995

Collège G. H. Fa.

01. September 1995 bis zum 31 August 1997

Lycée général et technoloique Henri N. Sa.

17. September 1998 bis 31. Dezember 1999

Lycée professionnel Blaise Pascal F.

01. September 2002 bis 31. August 2004

Einsatz beim Rektor von Na. M.

Seit 01. September 2004

Austauschbereich Zr A. Est

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger erklärt, es sei für ihn so, als habe er das Auge verloren. Er fürchte sich davor, auch das andere Auge zu verlieren und dann blind zu sein. Diese Angst belaste ihn psychisch.

Seine Tätigkeit an der Schule in Sa. Habe mit einem bestimmten Berufsziel nichts zu tun gehabt. Er sei dort neben seinem Studium beschäftigt gewesen. Er habe Schüler beaufsichtigen, die Bereitung der Hausaufgaben überwachen und gelegentlich die Anwesenheitslisten am Computer überprüfen müssen.

1997 und 1998 habe er zwar noch zeitweilig Vorlesungen in seinem Studium gehört, aber er habe sich in einem Loch befunden. Er habe Antidepressiva genommen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte anerkannt, dass die von Dr. R. festgestellte Anpassungsstörung depressiv ängstlicher Ausprägung – ungeachtet des niedrigen Grades der MdE – weitere Schädigungsfolge des vorsätzlich rechtswidrigen tätlichen Angriffs auf den Kläger vom 05. Mai 1996 ist.

Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und beantragt nunmehr nur noch,

1. den Gerichtsbescheid des SG für das Saarland vom 13. Mai 2005 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 08. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2001 zu ändern sowie

2. den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, wegen der Folgen des Vorfalls vom 05. Mai 1996 Versorgungsleistungen nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes zu gewähren unter Bemessung der MdE mit mindestens 30 v. H., und zwar auch unter Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Der Senat hat die Strafakte 20 ... der Staatsanwaltschaft S. beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrensganges wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten mit der Geschäftsnummer... und auf die Beiakte mit dem Aktenzeichen 20 ... Bezug genommen.

Die Beiakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben. Im Übrigen haben sich zur Zulässigkeit keine Bedenken ergeben.

II.

Über das in der mündlichen Verhandlung von dem Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnis, das der Kläger auch angenommen hat, hinaus konnte die Berufung nicht zum Erfolg führen.

Die noch anhängige Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG für das Saarland vom 13. Mai 2005 war zurückzuweisen.

Zwar steht der Geltendmachung der Ansprüche nicht entgegen, dass der Kläger kein Deutscher, sondern Franzose ist. Denn nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 OEG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 1991 (BGBl. I, 1262) haben Ausländer Anspruch auf Versorgung, wenn sie unter anderem Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften sind, was vorliegend der Fall ist.

Indessen sind die geltend gemachten Ansprüche nicht begründet.

1. Denn der Kläger hat weder einen Anspruch auf Feststellung, dass die Gesundheitsstörungen „Verletzung des Schädels und der Ohren“ und „rheumatologische Beeinträchtigungen bei Wetterwechsel“ weitere Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 30 Abs. 1 BVG in entsprechender Anwendung sind.

2. Über die bereits gewährte Heilbehandlung hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Versorgung durch Leistung einer Beschädigtenrente nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. den §§ 9 Nr. 3, 30 Abs. 1 und 2, 31 BVG in entsprechender Anwendung, weil die durch den Vorfall vom 05. Mai 1996 erlittenen Gesundheitsstörungen keinen rentenberechtigenden Grad von mindestens 25 v.H. erreichen. Vielmehr liegt nur eine MdE von 20 v.H. vor.

Zu 1.) Das Vorliegen der weiter behaupteten Gesundheitsstörungen am Schädel und an den Ohren sowie die rheumatologischen Beschwerden bei Wetterwechsel konnten nicht festgestellt werden.

Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält der, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Erschädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.

Nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 BVG in entsprechender Anwendung sind vorübergehende Gesundheitsstörungen nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu 6 Monaten (§ 30 Abs. 1 Satz 4 BVG in entsprechender Anwendung).

Während zwischen dem schädigenden Ereignis und der gesundheitlichen Schädigung ein Ursachenzusammenhang bestehen muss, genügt bei der gesundheitlichen Schädigung und der Gesundheitsstörung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 12 OEG i. V. m. § 1 Abs. 3 BVG in entsprechender Anwendung).

Eine Verletzung des Schädels und der Ohren durch den streitbefangenen Vorfall ist nicht bewiesen. Die Sachverständigen Dres. R. und So. haben ausgeführt, eine knöcherne Verletzung des Schädels sei nicht dokumentiert. Dies ergibt sich auch aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten Befundberichten. So ist in dem Befundbericht des Dr. G.-G. festgehalten, dass unmittelbar nach dem Vorfall angefertigte Röntgenbilder keinen Hinweis auf das Vorliegen einer Knochenläsion ergeben hätten. In einem Befundbericht des Dr. C. vom 04. Juni 1996 ist beschrieben, dass die otoneurologische Untersuchung ohne Befund geblieben sei. Eine Computertomographie des Nasennebenhöhlenbereichs ist ebenfalls unauffällig geblieben (Befundbericht des Dr. G.-G. vom 17. Juni 1996).

Auch die vom Kläger behaupteten rheumatologischen Beschwerden bei Wetterwechsel konnten weder von dem von Amts wegen berufenen Gutachter Dr. So. noch von dem nach § 109 SGG beauftragten Sachverständigen Dr. v. W. bestätigt werden. Beide Sachverständigen haben rheumatologische Gesundheitsstörungen beim Kläger verneint. Der Sachverständige Dr. v. W. hat ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom und eine Epikondylitis diagnostiziert, die allerdings schädigungsunabhängig seien. Ob diese ggfls. mit einem am 24. April 1999 erlittenen schweren Verkehrsunfall im Zusammenhang stehen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

zu 2.) Ein Anspruch auf Versorgungsleistungen in Form einer Beschädigtenrente nach § 1 Abs. 1 OEG i.V. mit §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 und 2 BVG in entsprechender Anwendung besteht nicht, da für die Schädigungsfolgen nur eine MdE von 20 v.H. angemessen ist und damit der rentenberechtigende Grad von 25 v.H. nicht erreicht wird.

Die bereits anerkannte Schädigungsfolge „ausgedehnte chorioretinale Narbe oberhalb des Sehnervens mit fortbestehenden Gesichtsfeldausfällen“ ist mit einer MdE von 20 v. H. angemessen bewertet.

Die weitere, nunmehr vom Beklagten anerkannte Schädigungsfolge „Anpassungsstörung depressiv ängstlicher Ausprägung“ ist mit einer MdE von unter 10 v.H. zu bewerten und führt deshalb im Ergebnis nicht zu einer höheren Gesamt-MdE.

Eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVG in entsprechender Anwendung kommt nicht in Betracht, da dafür die Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG in entsprechender Anwendung ist die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Für die Beurteilung ist maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt sind.

Zur inhaltlichen Bemessung und konkreten Bestimmung der MdE ist im Einzelfall regelmäßig zum Zweck der Gleichbehandlung der Antragsteller von den AHP auszugehen, die umfassend als eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zur Bemessung sowohl des Umfangs als auch der Schwere der Gesundheitsbeeinträchtigung anerkannt sind. Die in den AHP angenommenen MdE-Werte beruhen auf den neuesten medizinischen Erkenntnissen (vgl. zur Problematik: Rohr/Strässer, Handkommentar zum Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Stand: März 2006, § 30 BVG Anmerkung 2).

Beide in der ersten Instanz befassten Sachverständigen haben den Visusverlust auf dem rechten Auge, den der Sachverständige Dr. Tr. mit 0,5, der Sachverständige Prof. Dr. T. mit 0,4 bemessen hat, mit einer Einzel-MdE von 5 v. H. bewertet.

Das entspricht Ziff. 26.4 der AHP (dort: MdE-Tabelle der DOG). Neben der Beeinträchtigung der Sehschärfe sind nach den AHP auch z.B. Ausfälle des Gesichtsfeldes zu berücksichtigen.

Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat den Gesichtsfeldausfall mit einer MdE von 15 v.H. und damit höher als der Sachverständige Dr. Tr. bewertet. Letzterer berücksichtigt den parazentralen Gesichtsfeldverlust und empfiehlt für die Gesundheitsstörung am rechten Auge insgesamt eine MdE von 10 v.H.

Der Sachverständige Prof. Dr. T. führt hingegen aus, bei dem normalen Gesichtsfeld des Partnerauges links bestehe eine Einengung auf 0 Grad im temporal unteren, auf 5 Grad im temporal oberen Gesichtsfeldquadranten. Insgesamt hat der Sachverständige Prof. Dr. T. eine MdE von 20 v.H. empfohlen, was auch der Bewertung des Beklagten entspricht.

Eine höhere Bewertung des Gesichtsfeldausfalls als die von Prof. Dr. T. empfohlene steht nicht im Einklang mit Ziffer 26.4 der AHP (dort: Gesichtsfeldausfälle). Dort ist bei vollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen bei Verlust des beidseitigen Sehens eine MdE von 30 v.H. vorgesehen. Bei unvollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen sind die MdE-Sätze entsprechend niedriger anzusetzen, so dass die Bewertung des Prof. Dr. T. mit einer MdE von 15 v.H. stimmig ist.

Der Einwand des Klägers, es sei darüber hinaus bei ihm zu einer Sehbahnläsion gekommen, ist unbegründet. Denn der Sachverständige Dr. R. hat dies ausdrücklich in seinem Gutachten verneint.

Letztlich ist bei der MdE von 20 v.H. auch zu berücksichtigen, dass das binokulare Gesichtsfeld nach den überzeugenden Äußerungen des Sachverständigen Dr. Tr. vollständig und lückenlos ist, weil der Gesichtsfelddefekt des rechten Auges vollständig durch das intakte Gesichtsfeld des linken Auges ausgeglichen ist. Bei noch ausreichend vorhandener Restfunktion des rechten Auges kann die MdE im Ergebnis nicht höher sein als bei vollständigem Sehschärfenverlust, bei dem die MdE 25 v. H. beträgt. Darauf hat auch der Sachverständige Dr. Tr. hingewiesen und zu Recht ausgeführt, die vorliegende Gesundheitsstörung müsse in ihrer Bewertung zu dem kompletten Verlust des Auges in angemessener Relation stehen.

Die MdE für diese Schädigungsfolge kann nicht mehr als 20 v. H. betragen.

Die Bewertung der Schädigungsfolge „Anpassungsstörung depressiv ängstlicher Ausprägung“ mit einer MdE von unter 10 v.H. entspricht Ziff. 26.3 AHP (dort: Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen).

Denn der Sachverständige Dr. R. hat überzeugend ausgeführt, dass sich selbst die aus der Traumatisierung entstandenen Anpassungsstörung im Laufe der Zeit kompensiert habe. Damit korreliert, dass diese Belastungen nicht so schwer erträglich für den Kläger waren, dass er psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen musste. Es ist nur eine vorübergehende Konsultation seiner Hausärztin bekannt. Zudem konnte er trotz dieser psychischen Störungen seine Tätigkeit am N.-Gymnasium weiter verrichten (Schreiben vom 14. Januar 2003).

Da somit die Beeinträchtigungen nach einem Zeitraum von 6 Monaten leichterer Natur waren, ist eine MdE von unter 10 v.H. nicht zu beanstanden.

Nach Ziff. 19 Abs. 4 AHP führen aber MdE-Grade von 10 v.H. nicht zu einer Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung, so dass es bei einer Gesamt-MdE von 20 v.H. verbleibt.

Auch eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG in entsprechender Anwendung kommt nicht in Betracht.

Danach ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist besonders der Fall, wenn er

a) in Folge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann,

b) zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruft erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist, oder

c) in Folge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist.

Im Versorgungsrecht gilt, wie im Sozialrecht überhaupt (§ 5 Abs. 1 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil ), der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“. Dieser Grundsatz findet seinen Ausdruck in § 29 BVG. Nach dieser Vorschrift entsteht ein Anspruch auf höhere Bewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG nur in dem Fall, dass Maßnahmen zur Rehabilitation Erfolg versprechend und zumutbar sind, frühestens in dem Monat, in dem diese Maßnahmen abgeschlossen worden sind (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 18. Oktober 1995, 9 RV 18/94).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er hat, das ist der Befragung im Termin zu entnehmen, jedenfalls keine Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation im Sinne dieser Vorschrift durchgeführt. Er hat zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgebracht, er habe, auch durch den Wechsel des Studiums, seine Rehabilitation, so gut er dies habe tun können, selbst durchgeführt. Diese allgemein gehaltene Erklärung kann indes nur so verstanden werden, dass er selbst bemüht war, sich beruflich zu orientieren. Der Rückschluss, dass er aber Maßnahmen im Sinne des § 29 BVG durchgeführt hat, verbietet sich.

Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf höhere Bewertung in der MdE.

Unabhängig davon sind die Voraussetzungen für die Höherbewertung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins nicht gegeben.

Denn die Angaben des Klägers zu seinem beruflichen Werdegang sind widersprüchlich. Die vom Senat erbetene schriftliche Aufstellung hat zu keiner weiteren Klärung geführt.

So ist schon nicht ersichtlich, ob der Beruf des Maschinenbautechnikers der nachweisbar angestrebte Beruf war. Der Kläger hat sich in der Vergangenheit mehrfach bei Befragungen zu seiner beruflichen Vita dahingehend geäußert, er sei Lehrer.

So hat er in seinem Antrag auf Versorgungsleistungen nach dem OEG angegeben, er sei früher Maschinenbautechniker gewesen, nunmehr sei er Student und zugleich Maitre d`internat.

In der Widerspruchsbegründung macht er geltend, er habe 1991 in M. das Studium des Maschinenbautechnikers begonnen, während sich aus der Berufsanamnese des Dr. So. ergibt, er sei von 1992 bis 1994 an der Universität St. A. und ab 1994 bis 1998 an der Universität M. gewesen. Bei der Untersuchung durch Dr. Tr. hat der Kläger angegeben, von 1991 bis 1995 Maschinenbau studiert zu haben und seit 1998 Lehrer am Technologiegymnasium in F. zu sein.

Bei Prof. Dr. T. hat er geschildert, seit 1998 Lehrer für Technologie am Collège in St. A. zu sein. Er habe zuvor auf Wartungstechnik umgeschult.

Aus dem vorgelegten Schreiben des F. G. vom 14. Januar 2003 ergibt sich erneut eine andere Version. Dieses Schreiben bezieht sich auf die Zeit im Juni 1996. Zu dieser Zeit, so der Verfasser G., sei er direkter Vorgesetzter des Klägers im N.-Gymnasium in Sa. gewesen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dies nach Vorhalt relativiert; die Tätigkeit habe nur darin bestanden, Schüler zu beaufsichtigen und die Fertigung der Hausaufgaben zu überwachen. Gelegentlich habe er Anwesenheitslisten am Computer überprüft. Dass die Beschäftigung in den Schulen nur eine bloße Hilfstätigkeit gewesen sein soll, überzeugt angesichts des früheren Vorbringens des Klägers nicht. So hat der Kläger mehrfach im Laufe von gutachtlichen Untersuchungen bei Fragen nach seinem Beruf die pädagogische Tätigkeit hervorgehoben. Dass er diese als bloße Aushilfstätigkeit neben seinem Studium verstanden wissen wollte, wie er nunmehr vorträgt, ergibt sich aus seinen früheren Angaben gerade nicht. Mithin muss davon ausgegangen werden, dass er bereits vor dem streitgegenständlichen Vorfall die Ausübung einer pädagogischen Tätigkeit als seinen Beruf angesehen hat. Nichts anderes kann dem schriftlich gefertigten Werdegang entnommen werden, in welchem er der pädagogischen Tätigkeit eine eigene Rubrik mit der Überschrift „ berufliche Laufbahn in der staatlichen Bildung“ widmet. Schon allein aus dieser Formulierung wird deutlich, dass er sich mit dem Beruf des Lehrers identifiziert hat und bereits zu einer Zeit, die vor dem streitbefangenen Ereignis lag. Denn aus seinem Lebenslauf wird ersichtlich, dass er weit vor dem Vorfall, nämlich bereits 1994, mit pädagogischen Aufgaben betraut war.

Selbst wenn dem aber so wäre, dass der Kläger den nachweisbar angestrebten Beruf des Maschinenbautechnikers schädigungsbedingt nicht mehr habe ausführen können, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht, dass er derzeit keinen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann. Denn für die Fragen der sozialen Gleichwertigkeit eines Berufs sind nicht nur die Einkommensverhältnisse ausschlaggebend. Auch unabhängig von diesen kann ein Beruf nach seiner gesellschaftlichen Bedeutung einem anderen gegenüber sozial gleichwertig sein (vgl. zur Problematik: Rohr/Strässer, a. a. O., § 30 BVG Anmerkung 3b).

Es ist nicht erkennbar, dass der angestrebte Beruf des Maschinenbautechnikers in seiner gesellschaftlichen Bedeutung den derzeit ausgeübten Beruf des Lehrers überragen soll. Ein gesellschaftlich geringeres Ansehen des Berufs des Lehrers gegenüber dem des Maschinenbautechnikers vermag der Senat nicht zu erkennen. Vielmehr ist die Wertschätzung, die dem Lehrerberuf und dem damit verbundenen Erziehungs- und Bildungsauftrag zuteil wird, sogar gewachsen, weil das Bewusstsein um die Bedeutung einer Ausbildung mit den damit einhergehenden gesamtgesellschaftlichen Folgen gestiegen ist. Nach alledem muss der Beruf des Lehrers, den der Kläger ausübt, als zumindest gleichrangig mit dem eines Maschinenbautechnikers angesehen werden.

Eine Erhöhung der MdE aus diesem Gesichtspunkt kommt nicht in Betracht.

Die Berufung war deshalb, soweit sie noch rechtshängig war, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Trotz des teilweisen Obsiegens des Klägers bezüglich der Anerkennung einer weiteren Schädigungsfolge ist eine Kostenteilung nicht veranlasst. Denn damit ändert sich an dem Begehren des Klägers, Versorgungsleistungen nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu erlangen, nichts. Nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Zivilprozessordnung ist das Obsiegen des Klägers als geringfügig anzusehen, so dass er auch keine teilweise Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten von dem Beklagten verlangen kann.

Gründe, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Gründe

I.

Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben. Im Übrigen haben sich zur Zulässigkeit keine Bedenken ergeben.

II.

Über das in der mündlichen Verhandlung von dem Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnis, das der Kläger auch angenommen hat, hinaus konnte die Berufung nicht zum Erfolg führen.

Die noch anhängige Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG für das Saarland vom 13. Mai 2005 war zurückzuweisen.

Zwar steht der Geltendmachung der Ansprüche nicht entgegen, dass der Kläger kein Deutscher, sondern Franzose ist. Denn nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 OEG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 1991 (BGBl. I, 1262) haben Ausländer Anspruch auf Versorgung, wenn sie unter anderem Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften sind, was vorliegend der Fall ist.

Indessen sind die geltend gemachten Ansprüche nicht begründet.

1. Denn der Kläger hat weder einen Anspruch auf Feststellung, dass die Gesundheitsstörungen „Verletzung des Schädels und der Ohren“ und „rheumatologische Beeinträchtigungen bei Wetterwechsel“ weitere Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 30 Abs. 1 BVG in entsprechender Anwendung sind.

2. Über die bereits gewährte Heilbehandlung hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Versorgung durch Leistung einer Beschädigtenrente nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. den §§ 9 Nr. 3, 30 Abs. 1 und 2, 31 BVG in entsprechender Anwendung, weil die durch den Vorfall vom 05. Mai 1996 erlittenen Gesundheitsstörungen keinen rentenberechtigenden Grad von mindestens 25 v.H. erreichen. Vielmehr liegt nur eine MdE von 20 v.H. vor.

Zu 1.) Das Vorliegen der weiter behaupteten Gesundheitsstörungen am Schädel und an den Ohren sowie die rheumatologischen Beschwerden bei Wetterwechsel konnten nicht festgestellt werden.

Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält der, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Erschädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.

Nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 BVG in entsprechender Anwendung sind vorübergehende Gesundheitsstörungen nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu 6 Monaten (§ 30 Abs. 1 Satz 4 BVG in entsprechender Anwendung).

Während zwischen dem schädigenden Ereignis und der gesundheitlichen Schädigung ein Ursachenzusammenhang bestehen muss, genügt bei der gesundheitlichen Schädigung und der Gesundheitsstörung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 12 OEG i. V. m. § 1 Abs. 3 BVG in entsprechender Anwendung).

Eine Verletzung des Schädels und der Ohren durch den streitbefangenen Vorfall ist nicht bewiesen. Die Sachverständigen Dres. R. und So. haben ausgeführt, eine knöcherne Verletzung des Schädels sei nicht dokumentiert. Dies ergibt sich auch aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten Befundberichten. So ist in dem Befundbericht des Dr. G.-G. festgehalten, dass unmittelbar nach dem Vorfall angefertigte Röntgenbilder keinen Hinweis auf das Vorliegen einer Knochenläsion ergeben hätten. In einem Befundbericht des Dr. C. vom 04. Juni 1996 ist beschrieben, dass die otoneurologische Untersuchung ohne Befund geblieben sei. Eine Computertomographie des Nasennebenhöhlenbereichs ist ebenfalls unauffällig geblieben (Befundbericht des Dr. G.-G. vom 17. Juni 1996).

Auch die vom Kläger behaupteten rheumatologischen Beschwerden bei Wetterwechsel konnten weder von dem von Amts wegen berufenen Gutachter Dr. So. noch von dem nach § 109 SGG beauftragten Sachverständigen Dr. v. W. bestätigt werden. Beide Sachverständigen haben rheumatologische Gesundheitsstörungen beim Kläger verneint. Der Sachverständige Dr. v. W. hat ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom und eine Epikondylitis diagnostiziert, die allerdings schädigungsunabhängig seien. Ob diese ggfls. mit einem am 24. April 1999 erlittenen schweren Verkehrsunfall im Zusammenhang stehen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

zu 2.) Ein Anspruch auf Versorgungsleistungen in Form einer Beschädigtenrente nach § 1 Abs. 1 OEG i.V. mit §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 und 2 BVG in entsprechender Anwendung besteht nicht, da für die Schädigungsfolgen nur eine MdE von 20 v.H. angemessen ist und damit der rentenberechtigende Grad von 25 v.H. nicht erreicht wird.

Die bereits anerkannte Schädigungsfolge „ausgedehnte chorioretinale Narbe oberhalb des Sehnervens mit fortbestehenden Gesichtsfeldausfällen“ ist mit einer MdE von 20 v. H. angemessen bewertet.

Die weitere, nunmehr vom Beklagten anerkannte Schädigungsfolge „Anpassungsstörung depressiv ängstlicher Ausprägung“ ist mit einer MdE von unter 10 v.H. zu bewerten und führt deshalb im Ergebnis nicht zu einer höheren Gesamt-MdE.

Eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVG in entsprechender Anwendung kommt nicht in Betracht, da dafür die Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG in entsprechender Anwendung ist die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Für die Beurteilung ist maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt sind.

Zur inhaltlichen Bemessung und konkreten Bestimmung der MdE ist im Einzelfall regelmäßig zum Zweck der Gleichbehandlung der Antragsteller von den AHP auszugehen, die umfassend als eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zur Bemessung sowohl des Umfangs als auch der Schwere der Gesundheitsbeeinträchtigung anerkannt sind. Die in den AHP angenommenen MdE-Werte beruhen auf den neuesten medizinischen Erkenntnissen (vgl. zur Problematik: Rohr/Strässer, Handkommentar zum Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Stand: März 2006, § 30 BVG Anmerkung 2).

Beide in der ersten Instanz befassten Sachverständigen haben den Visusverlust auf dem rechten Auge, den der Sachverständige Dr. Tr. mit 0,5, der Sachverständige Prof. Dr. T. mit 0,4 bemessen hat, mit einer Einzel-MdE von 5 v. H. bewertet.

Das entspricht Ziff. 26.4 der AHP (dort: MdE-Tabelle der DOG). Neben der Beeinträchtigung der Sehschärfe sind nach den AHP auch z.B. Ausfälle des Gesichtsfeldes zu berücksichtigen.

Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat den Gesichtsfeldausfall mit einer MdE von 15 v.H. und damit höher als der Sachverständige Dr. Tr. bewertet. Letzterer berücksichtigt den parazentralen Gesichtsfeldverlust und empfiehlt für die Gesundheitsstörung am rechten Auge insgesamt eine MdE von 10 v.H.

Der Sachverständige Prof. Dr. T. führt hingegen aus, bei dem normalen Gesichtsfeld des Partnerauges links bestehe eine Einengung auf 0 Grad im temporal unteren, auf 5 Grad im temporal oberen Gesichtsfeldquadranten. Insgesamt hat der Sachverständige Prof. Dr. T. eine MdE von 20 v.H. empfohlen, was auch der Bewertung des Beklagten entspricht.

Eine höhere Bewertung des Gesichtsfeldausfalls als die von Prof. Dr. T. empfohlene steht nicht im Einklang mit Ziffer 26.4 der AHP (dort: Gesichtsfeldausfälle). Dort ist bei vollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen bei Verlust des beidseitigen Sehens eine MdE von 30 v.H. vorgesehen. Bei unvollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen sind die MdE-Sätze entsprechend niedriger anzusetzen, so dass die Bewertung des Prof. Dr. T. mit einer MdE von 15 v.H. stimmig ist.

Der Einwand des Klägers, es sei darüber hinaus bei ihm zu einer Sehbahnläsion gekommen, ist unbegründet. Denn der Sachverständige Dr. R. hat dies ausdrücklich in seinem Gutachten verneint.

Letztlich ist bei der MdE von 20 v.H. auch zu berücksichtigen, dass das binokulare Gesichtsfeld nach den überzeugenden Äußerungen des Sachverständigen Dr. Tr. vollständig und lückenlos ist, weil der Gesichtsfelddefekt des rechten Auges vollständig durch das intakte Gesichtsfeld des linken Auges ausgeglichen ist. Bei noch ausreichend vorhandener Restfunktion des rechten Auges kann die MdE im Ergebnis nicht höher sein als bei vollständigem Sehschärfenverlust, bei dem die MdE 25 v. H. beträgt. Darauf hat auch der Sachverständige Dr. Tr. hingewiesen und zu Recht ausgeführt, die vorliegende Gesundheitsstörung müsse in ihrer Bewertung zu dem kompletten Verlust des Auges in angemessener Relation stehen.

Die MdE für diese Schädigungsfolge kann nicht mehr als 20 v. H. betragen.

Die Bewertung der Schädigungsfolge „Anpassungsstörung depressiv ängstlicher Ausprägung“ mit einer MdE von unter 10 v.H. entspricht Ziff. 26.3 AHP (dort: Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen).

Denn der Sachverständige Dr. R. hat überzeugend ausgeführt, dass sich selbst die aus der Traumatisierung entstandenen Anpassungsstörung im Laufe der Zeit kompensiert habe. Damit korreliert, dass diese Belastungen nicht so schwer erträglich für den Kläger waren, dass er psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen musste. Es ist nur eine vorübergehende Konsultation seiner Hausärztin bekannt. Zudem konnte er trotz dieser psychischen Störungen seine Tätigkeit am N.-Gymnasium weiter verrichten (Schreiben vom 14. Januar 2003).

Da somit die Beeinträchtigungen nach einem Zeitraum von 6 Monaten leichterer Natur waren, ist eine MdE von unter 10 v.H. nicht zu beanstanden.

Nach Ziff. 19 Abs. 4 AHP führen aber MdE-Grade von 10 v.H. nicht zu einer Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung, so dass es bei einer Gesamt-MdE von 20 v.H. verbleibt.

Auch eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG in entsprechender Anwendung kommt nicht in Betracht.

Danach ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist besonders der Fall, wenn er

a) in Folge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann,

b) zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruft erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist, oder

c) in Folge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist.

Im Versorgungsrecht gilt, wie im Sozialrecht überhaupt (§ 5 Abs. 1 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil ), der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“. Dieser Grundsatz findet seinen Ausdruck in § 29 BVG. Nach dieser Vorschrift entsteht ein Anspruch auf höhere Bewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG nur in dem Fall, dass Maßnahmen zur Rehabilitation Erfolg versprechend und zumutbar sind, frühestens in dem Monat, in dem diese Maßnahmen abgeschlossen worden sind (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 18. Oktober 1995, 9 RV 18/94).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er hat, das ist der Befragung im Termin zu entnehmen, jedenfalls keine Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation im Sinne dieser Vorschrift durchgeführt. Er hat zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgebracht, er habe, auch durch den Wechsel des Studiums, seine Rehabilitation, so gut er dies habe tun können, selbst durchgeführt. Diese allgemein gehaltene Erklärung kann indes nur so verstanden werden, dass er selbst bemüht war, sich beruflich zu orientieren. Der Rückschluss, dass er aber Maßnahmen im Sinne des § 29 BVG durchgeführt hat, verbietet sich.

Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf höhere Bewertung in der MdE.

Unabhängig davon sind die Voraussetzungen für die Höherbewertung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins nicht gegeben.

Denn die Angaben des Klägers zu seinem beruflichen Werdegang sind widersprüchlich. Die vom Senat erbetene schriftliche Aufstellung hat zu keiner weiteren Klärung geführt.

So ist schon nicht ersichtlich, ob der Beruf des Maschinenbautechnikers der nachweisbar angestrebte Beruf war. Der Kläger hat sich in der Vergangenheit mehrfach bei Befragungen zu seiner beruflichen Vita dahingehend geäußert, er sei Lehrer.

So hat er in seinem Antrag auf Versorgungsleistungen nach dem OEG angegeben, er sei früher Maschinenbautechniker gewesen, nunmehr sei er Student und zugleich Maitre d`internat.

In der Widerspruchsbegründung macht er geltend, er habe 1991 in M. das Studium des Maschinenbautechnikers begonnen, während sich aus der Berufsanamnese des Dr. So. ergibt, er sei von 1992 bis 1994 an der Universität St. A. und ab 1994 bis 1998 an der Universität M. gewesen. Bei der Untersuchung durch Dr. Tr. hat der Kläger angegeben, von 1991 bis 1995 Maschinenbau studiert zu haben und seit 1998 Lehrer am Technologiegymnasium in F. zu sein.

Bei Prof. Dr. T. hat er geschildert, seit 1998 Lehrer für Technologie am Collège in St. A. zu sein. Er habe zuvor auf Wartungstechnik umgeschult.

Aus dem vorgelegten Schreiben des F. G. vom 14. Januar 2003 ergibt sich erneut eine andere Version. Dieses Schreiben bezieht sich auf die Zeit im Juni 1996. Zu dieser Zeit, so der Verfasser G., sei er direkter Vorgesetzter des Klägers im N.-Gymnasium in Sa. gewesen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dies nach Vorhalt relativiert; die Tätigkeit habe nur darin bestanden, Schüler zu beaufsichtigen und die Fertigung der Hausaufgaben zu überwachen. Gelegentlich habe er Anwesenheitslisten am Computer überprüft. Dass die Beschäftigung in den Schulen nur eine bloße Hilfstätigkeit gewesen sein soll, überzeugt angesichts des früheren Vorbringens des Klägers nicht. So hat der Kläger mehrfach im Laufe von gutachtlichen Untersuchungen bei Fragen nach seinem Beruf die pädagogische Tätigkeit hervorgehoben. Dass er diese als bloße Aushilfstätigkeit neben seinem Studium verstanden wissen wollte, wie er nunmehr vorträgt, ergibt sich aus seinen früheren Angaben gerade nicht. Mithin muss davon ausgegangen werden, dass er bereits vor dem streitgegenständlichen Vorfall die Ausübung einer pädagogischen Tätigkeit als seinen Beruf angesehen hat. Nichts anderes kann dem schriftlich gefertigten Werdegang entnommen werden, in welchem er der pädagogischen Tätigkeit eine eigene Rubrik mit der Überschrift „ berufliche Laufbahn in der staatlichen Bildung“ widmet. Schon allein aus dieser Formulierung wird deutlich, dass er sich mit dem Beruf des Lehrers identifiziert hat und bereits zu einer Zeit, die vor dem streitbefangenen Ereignis lag. Denn aus seinem Lebenslauf wird ersichtlich, dass er weit vor dem Vorfall, nämlich bereits 1994, mit pädagogischen Aufgaben betraut war.

Selbst wenn dem aber so wäre, dass der Kläger den nachweisbar angestrebten Beruf des Maschinenbautechnikers schädigungsbedingt nicht mehr habe ausführen können, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht, dass er derzeit keinen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann. Denn für die Fragen der sozialen Gleichwertigkeit eines Berufs sind nicht nur die Einkommensverhältnisse ausschlaggebend. Auch unabhängig von diesen kann ein Beruf nach seiner gesellschaftlichen Bedeutung einem anderen gegenüber sozial gleichwertig sein (vgl. zur Problematik: Rohr/Strässer, a. a. O., § 30 BVG Anmerkung 3b).

Es ist nicht erkennbar, dass der angestrebte Beruf des Maschinenbautechnikers in seiner gesellschaftlichen Bedeutung den derzeit ausgeübten Beruf des Lehrers überragen soll. Ein gesellschaftlich geringeres Ansehen des Berufs des Lehrers gegenüber dem des Maschinenbautechnikers vermag der Senat nicht zu erkennen. Vielmehr ist die Wertschätzung, die dem Lehrerberuf und dem damit verbundenen Erziehungs- und Bildungsauftrag zuteil wird, sogar gewachsen, weil das Bewusstsein um die Bedeutung einer Ausbildung mit den damit einhergehenden gesamtgesellschaftlichen Folgen gestiegen ist. Nach alledem muss der Beruf des Lehrers, den der Kläger ausübt, als zumindest gleichrangig mit dem eines Maschinenbautechnikers angesehen werden.

Eine Erhöhung der MdE aus diesem Gesichtspunkt kommt nicht in Betracht.

Die Berufung war deshalb, soweit sie noch rechtshängig war, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Trotz des teilweisen Obsiegens des Klägers bezüglich der Anerkennung einer weiteren Schädigungsfolge ist eine Kostenteilung nicht veranlasst. Denn damit ändert sich an dem Begehren des Klägers, Versorgungsleistungen nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu erlangen, nichts. Nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Zivilprozessordnung ist das Obsiegen des Klägers als geringfügig anzusehen, so dass er auch keine teilweise Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten von dem Beklagten verlangen kann.

Gründe, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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