Urteil vom Sächsisches Landessozialgericht (4. Senat) - L 4 AS 272/16

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die endgültige Festsetzung und Erstattung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Januar 2014.

2

Die am ... 1986 geborene Klägerin und Berufungsklägerin zu 1 beantragte am ...2013 für sich und ihre am ...2005, ...2006, ... 2009 und ... 2013 geborenen Kinder, die Berufungskläger und Kläger zu 2 bis 5 (im Folgenden: Kläger), die Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) ab Dezember 2013. In diesem Zusammenhang gaben sie im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und Heizung an, dass keine Änderungen eingetreten seien, wobei die Wohnung mit Strom beheizt werde.

3

Daraufhin bewilligte der Beklagte und Berufungsbeklagter (im Folgenden: Beklagter) mit Bescheid vom 22. Oktober 2013 nur für die Monate März bis Mai 2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; eine Bewilligung für Dezember 2013 bis Februar 2014 erfolgte nicht. Die Vorläufigkeit begründete er mit der unbekannten Höhe des Einkommens aus einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 1. Dabei berücksichtigte er keine Heizkosten. Mit Schreiben vom selben Tag forderte der Beklagte die Klägerin zu 1 u.a. auf, die Jahresrechnung des Energieversorgers bis zum 5. November 2013 einzureichen, weil der Anspruch (auf Heizstrom) sonst nicht geprüft werden könne.

4

Die Abrechnung vom 5. November 2013 ging am 14. November 2013 beim Beklagten ein. Danach sei der neue Abschlag für Heizstrom i.H.v. 131,00 EUR erstmals am 23. November 2013 und in der Folge jeweils zum 23. eines Monats bis einschließlich Oktober 2014 fällig. Der erste Abschlag werde jedoch mit dem Guthaben der Klägerin zu 1 i.H.v. 297,20 EUR verrechnet, sodass ein Guthaben vom 166,20 EUR verbleibe. Gleichzeitig bat der Versorger um Auskunft, ob das Restguthaben ausgezahlt oder mit künftigen Abschlägen verrechnet werden solle.

5

Aufgrund der Regelsatzanpassung zum 1. Januar 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 17. November 2013 erneut vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wobei er Heizkosten erneut nicht berücksichtigte.

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Die Kläger erhoben mit anwaltlichem Schreiben am 21. November 2013 u.a. Widerspruch mit dem Ziel, auch Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 28. Februar 2014 und höhere Leistungen für die Zeit vom 1. März bis zum 31. Mai 2014 jeweils unter Einschluss von Heizkosten zu erhalten. Zur Begründung führten sie u.a. aus: Die Klägerin zu 1 habe die für die Berücksichtigung von Heizkosten erforderlichen Unterlagen zwischenzeitlich eingereicht, sodass für die Zeit von März bis Mai 2014 höhere Leistungen zu bewilligen seien. Darüber hinaus stünden den Klägern auch für die ersten drei Monate des Bewilligungszeitraumes Grundsicherungsleistungen zu.

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Daraufhin erließ der Beklagte mit Datum vom 27. November 2013 einen weiteren Änderungsbescheid für Dezember 2013 bis Mai 2014 und berücksichtigte dabei die Heizkostenabschläge. Das Guthaben der Klägerin zu 1 bei ihrem Energieversorger ließ er hingegen unberücksichtigt. Bedarfsmindernd berücksichtigte er lediglich das Kindergeld. Mit Schreiben vom 28. November 2013 bat der Beklagte um ergänzende Informationen bezüglich der Verwendung des Guthabens. In der Folge teilte die Klägerin zu 1 am 3. Dezember 2013 mit, dass keine Auszahlung, sondern eine Aufrechnung mit den in den Monaten Dezember 2013 und Januar 2014 zu zahlenden Abschlägen erfolge.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2014 wies der Beklagte die Widersprüche der Kläger zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig, soweit er die Leistungsbewilligung betraf.

9

Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes bat der Beklagte die Klägerin zu 1, diverse Unterlagen zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit einzureichen. Dieser Aufforderung kam sie nach. Auf Grundlage dieser und weiterer Informationen setzte der Beklagte die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Mai 2014 mit Bescheid vom 29. Oktober 2014 endgültig fest, wobei er für Dezember 2013 1.440,36 EUR und für Januar 2014 1.571,48 EUR bewilligte. Neben dem Kindergeld für die Kläger zu 2 bis 5 rechnete der Beklagte lediglich das Restguthaben aus der Abrechnung der Stadtwerke i.H.v. 166,20 EUR auf die Bedarfe der Unterkunft und Heizung an.

10

Mit weiterem Bescheid vom 30. Oktober 2014 forderte der Beklagte zu viel gezahlte Bedarfe der Unterkunft und Heizung aufgrund der nunmehr erfolgten Berücksichtigung des Guthabens zurück. Dabei schlüsselte er seine Forderung sowohl bezogen auf die einzelnen Kläger als auch auf die einzelnen Bewilligungsmonate auf.

11

Mit Schreiben vom 30. November 2014 erhoben die Kläger u.a. hinsichtlich der endgültigen Festsetzung der Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate Dezember 2013 und Januar 2014 Widerspruch. Zur Begründung führten sie aus: Auch in diesen Monaten seien die vollen Heizkosten in Höhe von jeweils 131,00 EUR zu berücksichtigen. Mit Änderungsbescheid vom 27. November 2013 seien im Rahmen der vorläufigen Bewilligung Heizkosten in dieser Höhe berücksichtigt worden. Das Guthaben hätte bereits im vorläufigen Bescheid vom 27. November 2013 Berücksichtigung finden müssen. Mit weiterem Schreiben vom selben Tag erhoben die Kläger auch gegen den Erstattungsbescheid vom 30. Oktober 2014 Widerspruch. Einerseits sei der Erstattungszeitraum für den Kläger zu 2 fehlerhaft angegeben worden. Andererseits sei die Gesamtsumme rechnerisch fehlerhaft.

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Der Beklagte hielt im Widerspruchsbescheid vom 2. März 2015 an seinen Entscheidungen vom 29. und 30. Oktober 2014 fest. Den Klägern stünden keine höheren Leistungsansprüche zu. Das Guthaben der e. M. Energie AG (e. M) aus deren Abrechnung vom 5. November 2013 sei bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Das (Rest-) Guthaben in Höhe von 166,20 EUR sei aufgrund des Schreibens der Klägerin zu 1 vom 3. Dezember 2013 zu recht mit den Abschlägen für Dezember in Höhe von 131,00 EUR und Januar 2014 in Höhe von 35,20 EUR verrechnet worden. Heizkosten seien gem. § 22 Abs. 3 SGB II nicht (vollständig) zu berücksichtigen. Entgegen der klägerischen Ansicht ergebe sich auch nichts Anderes aus der Tatsache, dass im Rahmen der vorläufigen Bewilligung der volle Abschlag als Bedarf berücksichtigt worden sei. Die Erstattungsentscheidung sei im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenngleich sie formale Fehler aufweise.

13

Die Kläger haben am 2. April 2015 zwei Klagen beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben, wobei das ursprüngliche Klageverfahren S 34 AS 1202/15 die Erstattungsforderung und das Verfahren S 34 AS 1203/15 die endgültige Festsetzung betroffen hat. Zur Begründung der Klage gegen die endgültige Festsetzung haben die Kläger ausgeführt, die im Rahmen der vorläufigen Bewilligung mit Änderungsbescheid vom 27. November 2013 berücksichtigten Heizkosten seien auch im Rahmen der endgültigen Festsetzung als Bedarf anzuerkennen. Dem Beklagten sei bei der vorläufigen Bewilligung vom 27. November 2013 bekannt gewesen, dass der Klägerin zu 1 ein Guthaben in Höhe von 166,20 EUR aus Heizkostenabschlägen zugestanden habe. Die Vorläufigkeit der Bescheide habe nicht den Bescheid in seiner Gesamtheit betroffen, weil die Berechnungselemente bereits festgestanden hätten. Die Vorläufigkeit habe sich lediglich auf die "Einnahmen bzw. Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit im Bewilligungszeitraum" bezogen. Daher sei der Beklagte verpflichtet gewesen, bereits im Rahmen der vorläufigen Entscheidungen alle feststehenden Kostenpositionen korrekt zu berücksichtigen. Demgemäß bestünde auch kein Erstattungsanspruch des Beklagten in dieser Höhe. Im Übrigen sei der Erstattungszeitraum für den Kläger zu 2 fehlerhaft angegeben worden. Letztlich habe der Beklagte auch eine falsche Summe (199,44 EUR statt 166,20 EUR) angegeben. Beide Fehler seien nicht offensichtlich.

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Das Sozialgericht hat diverse Verfahren der Kläger – unter anderem auch die Verfahren S 34 AS 1202/15 und S 34 AS 1203/15 – mit Beschluss vom 23. September 2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Kläger haben diesbezüglich beantragt, ihnen für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Mai 2014 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren (insbesondere ohne Reduzierung durch eine nachträgliche Korrektur der tatsächlichen Heizkosten) und den Erstattungsbescheid aufzuheben.

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Mit Urteil vom selben Tag hat das SG – soweit hier relevant – die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die angefochtenen Entscheidungen seien nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe den Leistungsanspruch der Kläger zutreffend ermittelt; insbesondere habe er dabei das Guthaben aus der Heizkostenabrechnung zu Lasten der Kläger berücksichtigt. Auch die Tatsache, dass der Beklagte das Guthaben im Rahmen der vorläufigen Bewilligung unberücksichtigt gelassen habe, begründe keinen Vertrauensschutz. Der Vorläufigkeitsvorbehalt in den Bescheiden vom 22. Oktober und 27. November 2013 erfasse die gesamte Leistungsbewilligung. Dies ergebe sich aus den Verfügungssätzen. Auf die Begründung der Vorläufigkeit komme es nicht an.

16

Darüber hinaus hat es u.a. auch Klagen der Kläger zu 2 und 3 auf Übernahme von Kosten außerschulischer Lernförderungen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2015 in Höhe von 1.950,00 EUR abgewiesen.

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Gegen das ihnen am 29. Dezember 2015 zugestellte Urteil haben die Kläger umfänglich am 21. Januar 2016 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) eingelegt. Mit Beschluss vom 4. Mai 2016 hat der seinerzeit zuständige zweite Senat des LSG die hier streitigen Ursprungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung abgetrennt.

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Zur Begründung ihrer Berufung haben die Kläger ausgeführt, sie hätten für die Monate Dezember 2013 und Januar 2014 höhere Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, weil der Beklagte nicht berechtigt sei, ein Heizkostenguthaben aus der Abrechnung vom 5. November 2013 zu ihren Lasten zu berücksichtigen. Zudem greife die Argumentation des SG zur Vorläufigkeit des gesamten Bescheides zu kurz. Für Leistungsbezieher sei auch die Begründung ein wesentlicher Bestandteil des Bescheides. Andernfalls ergebe § 35 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) keinen Sinn. Vorliegend sei der Grund für die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung das unbekannte Einkommen der Klägerin zu 1 gewesen, was sich den Formulierungen eindeutig entnehmen lasse. Die Kläger seien davon ausgegangen, dass – sofern keine Änderungen im zu berücksichtigen Einkommen einträten – der Bescheid auch in Zukunft Bestand habe. Letztlich ergäbe sich auch aus den gesetzlichen Regelungen, dass nicht nur Grund, sondern auch der Umfang der Vorläufigkeit anzugeben sei. Insofern verbiete sich ein Automatismus dahingehend, allein aus der Erklärung des Bescheides als vorläufig auf den Umfang zu schließen. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich mit der Neuregelung der vorläufigen Bewilligung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende gemäß § 41a Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Danach sei nur noch der Grund der Vorläufigkeit anzugeben. Einer derartigen gesetzlichen Änderung hätte es nicht bedurft, wenn sich bereits aus der Vorläufigkeit im Verfügungssatz deren Umfang ergebe. Auch der Erstattungsbescheid sei rechtswidrig, weil der ausgewiesene Gesamtbetrag rechnerisch falsch sei.

19

Sie haben nach einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage ergänzend vorgetragen: Soweit dem Berufungsbeklagten am 27. November 2013 der Zuflusszeitpunkt des Heizkostenguthabens unbekannt gewesen sei, habe er die Möglichkeit gehabt, diesen Sachverhalt. aufzuklären und erst dann einen Änderungsbescheid zu erlassen. Insbesondere sei es hinsichtlich des Erstattungsbescheides auch unerheblich, dass sich aus der Addition der einzelnen Forderungsbeträge ein Wert von 166,20 EUR ergebe. Maßgeblich sei der im Bescheid genannte Betrag von 199,44 EUR. Dieser Betrag sei durch die Klägerin zu überweisen. Man könne nicht davon ausgehen, dass die Leistungsbezieher die Einzelbeträge überprüften.

20

Die Kläger beantragen nach einer ausdrücklichen Beschränkung der Berufung auf die Monate Dezember 2013 und Januar 2014,

21

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. November 2015 hinsichtlich der Ursprungsverfahren S 34 AS 1202/15 und S 34 AS 1203/15 sowie den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 30. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 29. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2015 zu verpflichten, die Leistungen für Dezember 2013 und Januar 2014 in Höhe der mit Bescheid vom 27. November 2013 vorläufig bewilligten Leistungen festzusetzen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er hat sich nicht geäußert.

25

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die statthafte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Die Beschwer der Kläger überschreitet die maßgebliche Berufungssumme von 750 EUR des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil die Ansprüche der Kläger gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) auch bei subjektiver Klagehäufung zu addieren sind (vergleiche auch Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Auflage, zu § 144, Rn. 16). Zudem hat der Kindesvater die Klägerin zu 1 ermächtigt, Ansprüche der gemeinsamen Kinder, der Kläger zu 2 bis 5, gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.

27

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das klageabweisende Urteil ist im Ergebnis zu Recht ergangen.

28

Rechtsgrundlage für die endgültige Festsetzung vom 29. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2015 bildet aufgrund der Verweisungsnorm des § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) § 328 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III). Danach ist eine vorläufige Entscheidung nur auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist. Hier hat sich jedoch die bestandskräftig gewordene vorläufige Entscheidung nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes jedenfalls für den streitigen Zeitraum als unrichtig erwiesen und war zu ändern. Denn den Klägern stehen geringere Leistungen zu als ihnen vorläufig bewilligt worden sind (vgl. auch § 328 Abs. 3 SGB III).

29

Im Einzelnen:

30

Zwar weisen die Kläger im Grunde zutreffend darauf hin, dass der Beklagte im Rahmen der vorläufigen Bewilligung das Heizkostenguthaben aus der Abrechnung vom 5. November 2013 im Rahmen der Anspruchsermittlung hätte berücksichtigen müssen, weil auch im Rahmen einer vorläufigen Bewilligung sämtliche leistungserheblichen und bekannten Tatsachen zu berücksichtigen sind. Konkret war auch die Aufrechnung in Höhe von 131,00 EUR mit dem Abschlag für November 2013 bekannt. Allerdings folgt daraus nicht, dass der Beklagte gehindert wäre, dies im Rahmen der hier streitigen endgültigen Festsetzung nachzuholen. Den Klägern kann nicht darin zugestimmt werden, dass der vorläufigen Bewilligung eine Bindungswirkung dergestalt zukommt, dass ein Grundsicherungsträger gehindert wäre, Leistungen entsprechend der materiellen Rechtslage endgültig festzusetzen, falls vorläufig zu hohe Leistungen bewilligt wurden (so aber in der Tendenz Schmidt-De Caluwe in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 6. Auflage, zu § 328, Rn. 43 ff., Rn. 47; ähnlich auch Schaumberg in: jurisPK, zu § 328 SGB III, Rn. 97 ff. (100); ähnlich auch Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, zu § 328, Stand 2/2013, Rn.5f.).

31

Vielmehr schließt sich der Senat nach eigener Prüfung der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, nach der vorläufigen Entscheidungen nach dem Sozialgesetzbuch [vergleiche etwa auch § 42 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I)] nach Zweck und Bindungswirkung allein die Funktion zukommt, eine (Zwischen-) Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen. Vorläufig bewilligte Leistungen sind daher als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen, wobei ihre Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (vergleiche BSG – Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 31/14 R – Rn. 23 m.w.N.; ähnlich bereits BSG – Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R – Rn. 15 – juris). Insbesondere hat der Gesetzgeber auch darauf verzichtet, Vertrauensschutzregelungen entsprechend der §§ 44 ff. SGB X zu erlassen. Hätte er Vertrauensschutzgesichtspunkte berücksichtigen wollen, so hätte er dies angesichts der unterschiedlichen Zielsetzungen von vorläufigen und endgültigen Bewilligungen ausdrücklich regeln müssen. Letztlich ist im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch zu berücksichtigen, dass es zumindest im Hinblick auf die Leistungshöhe keine Teilregelungen im Sinne eigenständiger (beschränkter) Verwaltungsakte geben kann, auf die sich der Vertrauensschutz gründen könnte. Sowohl der Bedarf als auch das auf dieses anzurechnende Einkommen stellen letztlich nur Berechnungselemente der Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dar (vgl. auch Gesetzesbegründung zu § 41 a SGB II BT-Drs. 18/8041, Nr. 36, S. 52). Ob etwas Anderes gilt, wenn es z.B. um die Frage der Erwerbsfähigkeit oder das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft geht, ist hier nicht zu entscheiden.

32

Zudem folgt der Senat dem SG darin, dass die vorläufige Bewilligung insgesamt vorläufig ergangen ist. Dies ergibt sich einerseits bereits aus dem Verfügungssatz, der die gesamte Bewilligung für vorläufig erklärt, und andererseits aus der Tatsache, dass das noch unbekannte Einkommen lediglich ein Berechnungselement für den jeweiligen Anspruch darstellt, sodass Leistungen nur insgesamt vorläufig bewilligt werden konnten (vgl. in diesem Sinne für § 41a SGB II n.F. auch BT-Drs. 18/8041, zu § 41a, Nr. 36, S. 52 sowie zur Auslegung der Vorläufigkeit auch Urteile des BSG vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R – Rn. 18 – und vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 – Rn. 15 – juris sowie zum Umfang der Begründung der Vorläufigkeit und ihres Grundes Düe, in: Brand, Kommentar zum SGB III, zu § 328, Rn. 19 ff. sowie Kallert, in: Gagel, Kommentar zum SGB II/SGB III, zu § 328 SGB III, Stand: Juni 2019, Rn. 67 f. m.w.N.).

33

Danach gilt hier: Das von e. M in ihrer Jahresabrechnung vom 5. November 2013 ausgewiesene Guthaben steht im Zeitpunkt seiner Gutschrift einem Einkommenszufluss gleich, der modifiziert durch die Regelung des § 22 Abs. 3 SGB II bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung im danach folgenden Monat zu berücksichtigen ist. Der Energieversorger verrechnete die Forderung der Klägerin zu 1 aus der Jahresabrechnung mit den für November und Dezember 2013 bzw. Januar 2014 fälligen Abschlägen. Hierbei handelt es sich um Aufrechnungen im Sinne von §§ 387 ff. BGB, die dazu führten, dass der jeweilige Anspruch auf die in diesem Monat fälligen Abschläge (teilweise) in Höhe des (Rest)-Guthabens erloschen ist (§ 389 BGB). Aufgrund dessen war die Klägerin zu 1 im November bzw. Dezember 2013 nicht und im Januar 2014 nur anteilig zur Zahlung der Abschläge verpflichtet. § 22 Abs. 3 SGB II stellt insoweit eine Ausnahme von § 19 Satz 3 SGB II dar, als durch ihn die Rangfolge der Leistungen, bei deren Berechnung das Einkommen Berücksichtigung findet, modifiziert wird. Grundsätzlich gilt, dass das zu berücksichtigende Einkommen (und Vermögen) die Geldleistungen der Agentur für Arbeit mindert; soweit Einkommen (oder Vermögen) darüber hinaus zu berücksichtigen ist, mindert es die Geldleistungen der kommunalen Träger. Nach § 22 Abs. 3 SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift entstehenden Aufwendungen. Es findet demnach eine direkte Anrechnung auf die zum überwiegenden Teil von den kommunalen Trägern zu tragenden Kosten für die Unterkunft und Heizung im Folgemonat statt. Dies führt vor dem Hintergrund der Kostentragung im Ergebnis zu einer Entlastung der kommunalen Träger (vgl. BT-Drs. 16/1696, S. 26 f). § 22 Abs. 3 SGB II ist damit eine Spezialvorschrift in Bezug auf die Anrechnung von Einkommen aus Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzurechnen sind. Ebenso modifiziert § 22 Abs. 3 SGB II den Zeitpunkt des Zuflusses des Einkommens. Abweichend vom tatsächlichen "Zufluss" des Einkommens bestimmt § 22 Abs. 3 SGB II, dass für die Einkommensanrechnung erst der Monat nach der Rückzahlung oder Gutschrift maßgeblich ist und die entstehenden Aufwendungen gemindert werden. Ebenso wie die Berechnung bei der Leistungsbewilligung folgt auch die Berücksichtigung der Gutschrift daher den Verhältnissen des jeweiligen Zeitpunktes angepasst kopfteilig, also hier je zu 1/5 bei den Klägern (vergleiche hierzu BSG – Urteil vom 22. Dezember 2012 – B 4 AS 139/11 R – Rn. 16 ff.– juris).

34

Für Dezember 2013 ist hinsichtlich der allein streitigen Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdUH) in Höhe von 621,00 EUR allein das mit den Abschlägen für November 2013 (und nicht wie der Beklagte meint für Dezember 2013) verrechnete Guthaben bedarfsmindernd als Einkommen zu berücksichtigen. Damit ergibt sich für diesen Monat folgende Berechnung:

35

Tabelle nicht darstellbar

36

Die den Klägern zustehenden Leistungen entsprechen den vom Beklagten in der angefochtenen Entscheidung für Dezember 2013 bewilligten Leistungen, so dass diese nicht zu beanstanden ist.

37

Auf die KdUH der Kläger im Monat Januar 2014 (621,00 EUR) ist erneut ausschließlich das mit den Abschlägen für Dezember 2013 verrechnete Guthaben anzurechnen, so dass sich folgende Berechnung ergibt:

38

Tabelle nicht darstellbar

39

Damit stehen den Klägern für Januar 2014 sogar geringere Leistungen zu als vom Beklagten bewilligt. Die Entscheidung ist damit begünstigend rechtswidrig; eine weitergehende Leistungsbewilligung scheidet aus.

40

Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011 der § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III haben die Kläger die über die endgültig festgesetzten Leistungen hinausgehend erbrachten Leistungen zu erstatten. Die vom Beklagten individuell ermittelten Rückforderungen sind nach den obigen Ausführungen nicht zu beanstanden und bleiben für Januar 2014 sogar hinter den tatsächlichen Rückforderungsansprüchen zurück.

41

Eine Rückforderung der zu viel erbrachten Leistungen scheitert auch nicht daran, dass der Beklagte im Ausgangsbescheid vom 30. Oktober 2014 die Gesamtforderung mit 199,44 EUR beziffert hatte. Insbesondere ist der Erstattungsbescheid hinreichend bestimmt (§ 33 SGB X). Es handelt sich bei der Angabe dieser Gesamtsumme nicht um einen Verfügungssatz im Sinne eines Verwaltungsaktes. Verwaltungsakte im Sinne des § 31 SGB X sind nach Ansicht des Senats lediglich die für die einzelnen Monate aufgeschlüsselten Forderungen. Nur diese enthalten Verfügungen, die auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sind. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass es sich sowohl bei den Leistungsansprüchen der Leistungsempfänger als auch bei den Rückforderungen der Grundsicherungsträger um individuelle Ansprüche der bzw. gegenüber einzelnen Personen handelt und es folglich keinen einheitlichen Rückforderungsanspruch gegenüber allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft gibt. Zudem ist aus dem Gesamtzusammenhang der endgültigen Festsetzung einerseits und des Erstattungsbescheides andererseits ersichtlich, dass es sich bei der Angabe einer Gesamtforderung in Höhe von 199,44 EUR lediglich um eine Addition der individuellen Erstattungsforderungen handelt und nicht – wie die Kläger meinen – um einen Verwaltungsakt (vergleiche auch BSG – Urteil vom 7. Juli 2011 – B 14 AS 153/10 R – Rn. 30 ff. – juris).

42

Letztlich kann sich der Kläger zu 2 auch nicht darauf berufen, dass der Erstattungszeitraum für ihn unzutreffend angegeben worden sei. Es handelt sich hierbei nach Auffassung des Senats um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 38 Satz 1 SGB X. Es kann nach dem Gesamtzusammenhang der angefochtenen Bescheide keinem Zweifel unterliegen, dass wie für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auch bezüglich des Klägers zu 2 jeweils Erstattungsforderungen für Dezember 2013 und Januar 2014 geltend gemacht wurden. Dies hat der Beklagte auch im Widerspruchsbescheid ausdrücklich klargestellt.

43

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

45

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Revisionsgründe nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf geklärter Rechtsgrundlage. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die endgültige Festsetzung bzw. Erstattung von Leistungen nunmehr in § 41a SGB II geregelt ist.


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