Beschluss vom Oberlandesgericht Bamberg - 2 WF 61/21

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Haßfurt vom 31.03.2021, Aktenzeichen 1 F 217/18, wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die der Antragstellerin mit Beschluss vom 20.08.2018 bewilligte Verfahrenskostenhilfe die notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung vom 14.08.2020 kraft Gesetzes umfasst mit Ausnahme des dort vereinbarten Unterhaltsanspruchs für das volljährige Kind der Ehegatten.

2. Die Zurückweisungsgebühr wird nicht erhoben.

Gründe

I

Der Antragstellerin ist für ihr Ehescheidungsverfahren beim Amtsgericht Haßfurt, Az.: 1 F 217/18, mit Beschluss vom 20.08.2018 Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... als Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden.

Am 14.08.2020 schlossen die Antragstellerin und der Antragsgegner eine Scheidungsfolgenvereinbarung vor dem Notar Dr. … in …, URNr. … Darin wurde u. a. der Versorgungsausgleich modifiziert, Trennungsunterhalt und nachehelicher Unterhalt der Antragstellerin geregelt und im übrigen wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet, ferner der Kindesunterhalt für den gemeinsamen minderjährigen Sohn geregelt und für die gemeinsame volljährige Tochter, geb. am …, ein Unterhaltsanspruch gegen den Antragsgegner als echter Vertrag zugunsten Dritter vereinbart. In der Urkunde ist festgehalten, dass die darin enthaltenen Regelungen auf den Angaben des Rechtsanwalts ... beruhen. Auf die Scheidungsfolgenvereinbarung vom 14.08.2020 wird ergänzend Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 28.09.2020 reichte Rechtsanwalt ... diese zum Verfahren ein.

Mit Schriftsatz vom 19.10.2020 beantragte Rechtsanwalt ..., die der Antragstellerin gewährte Verfahrenskostenhilfe auf die am 14.08.2020 getroffene Scheidungsfolgenvereinbarung zu erweitern.

Am 31.03.2021 wies das Amtsgericht den Antrag vom 19.10.2020 zurück. Zur Begründung führte es u. a. aus, dass eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen außergerichtlichen Vergleich über nicht anhängige Verfahrensgegenstände nicht in Betracht komme. § 48 Abs. 3 RVG sei so auszulegen, dass auch außergerichtliche Einigungen erfasst würden, jedoch nur hinsichtlich anhängiger Verfahrensgegenstände.

Soweit die Beteiligten in der Scheidungsfolgenvereinbarung auch den anhängigen Verfahrensgegenstand Versorgungsausgleich geregelt hätten, erstrecke sich die bewilligte Verfahrenskostenhilfe gem. §§ 149 FamFG, 48 Abs. 3 RVG auch ohne ausdrückliche Entscheidung auf die getroffene Vereinbarung.

Mit Schriftsatz vom 01.04.2021, eingegangen am 03.04.2021, nahm die Antragstellerin ihren Scheidungsantrag zurück.

Das Amtsgericht legte der Antragstellerin mit Beschluss vom 06.04.2021 die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Verfahrenswert fest. Die Festsetzung eines Vereinbarungswerts ist nicht erfolgt.

Gegen den ihr am 01.04.2021 zugestellten Beschluss vom 31.03.2021 wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 21.04.2021, eingegangen beim Oberlandesgericht Bamberg am selben Tag. Sie verfolgt ihren Erweiterungsantrag vom 19.10.2020 fort und teilt mit, dass infolge der zwischenzeitlichen Versöhnung der Ehegatten und Rücknahme des Scheidungsantrags auch die Festsetzung des Verfahrenswerts mit Beschluss vom 06.04.2021 abzuändern sei. Das Amtsgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 27.04.2021 nicht ab, sondern legte diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig, jedoch unbegründet, da die der Antragstellerin mit Beschluss vom 20.08.2018 bewilligte Verfahrenskostenhilfe kraft Gesetzes die notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung vom 14.08.2020 umfasst mit Ausnahme des Kindesunterhaltsanspruchs für die bereits volljährige Tochter der Ehegatten.

Dies bedarf der ausdrücklichen Klarstellung, da das Amtsgericht ausweislich des Beschlusses vom 31.03.2021 eine abweichende Auffassung vertritt.

Gemäß § 48 Abs. 3 RVG erstreckt sich die Beiordnung in einer Ehesache im Fall des Abschlusses eines Vertrages im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG auf alle mit der Herbeiführung einer Einigung erforderlichen Tätigkeiten des Rechtsanwalts, soweit der Vertrag den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten (§ 48 Abs. 3 Nr. 1 RVG), den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander (§ 48 Abs. 3 Nr. 2 RVG) oder den Versorgungsausgleich (§ 48 Abs. 3 Nr. 7 RVG) betrifft. Der Gegenstand Versorgungsausgleich ist erst durch das Kostenrechtsänderungsgesetz vom 21.12.2020 mit Wirkung ab 01.01.2021 als neue Ziffer 7 in § 48 Abs. 3 RVG eingefügt worden, daher vorliegend nicht anwendbar, § 60 RVG. Aber auch gemäß § 149 FamFG erstreckt sich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Ehescheidung kraft Gesetzes auf die Folgesache Versorgungsausgleich, soweit nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Eine solche Ausnahme ist in der Verfahrenskostenhilfebewilligung vom 20.08.2018 nicht enthalten.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 3 RVG ist es unerheblich, ob der Einigungsvertrag außergerichtlich oder im gerichtlichen Verfahren abgeschlossen wird (vgl. BGH, 21.10.1987, IVa ZR 170/86; Gerhardt/Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts für Familienrecht, 11. Aufl. 2018, Kap. 16 Rn 168; Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019, § 48 Rn 28; BeckOK RVG/ K. Sommerfeldt / M. Sommerfeldt, 51. Edition 01.03.2021, § 48 RVG Rn 102), wovon auch das Amtsgericht ausgeht. Entsprechendes gilt für den Versorgungsausgleich nach § 149 FamFG.

Unerheblich ist ferner, ob die in § 48 Abs. 3 RVG genannten Regelungsgegenstände im Verfahren anhängig sind oder nicht. Denn Zweck der gesetzlichen Erstreckung der Beiordnung auf Einigungsverträge gem. § 48 Abs. 3 RVG ist es gerade, zur Entlastung der Gerichte eine gütliche Einigung zu fördern und ein Anhängigmachen der üblicherweise zu regelnden Folgesachen möglichst zu vermeiden (vgl. BeckOK RVG/ K. Sommerfeldt / M. Sommerfeldt, 51. Edition 01.03.2021, § 48 RVG Rn 102, ebenso im Ergebnis Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019, § 48 Rn 19; Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 48 Rn 30). Die vom Amtsgericht zitierte Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 15.10.2007, 18 WF 104/06, vertritt ausdrücklich die selbst als Mindermeinung gekennzeichnete Auffassung, dass außergerichtliche Einigungen über nicht anhängige Folgesachen nicht von § 48 Abs. 3 RVG umfasst seien. Anders dagegen OLG Köln vom 19.12.2005, 27 WF 126/05 und OLG Koblenz vom 15.10.2008, 7 WF 803/2008, die jeweils von einer Anwendbarkeit des § 48 Abs. 3 RVG auf nicht anhängige Folgesachen ausgehen aus dem oben genannten Grund der Förderung außergerichtlicher Einigungen.

Inhaltlich ist § 48 Abs. 3 RVG nicht auf Vereinbarungen zu Folgesachen im strengen Sinne des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG beschränkt. Es ist also nicht erforderlich, dass ausschließlich Regelungen für den Fall der Scheidung getroffen werden, sondern im Einigungsvertrag nach § 48 Abs. 3 RVG können auch Regelungen der dort genannten Bereiche für die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung getroffen werden (vgl. Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019, § 48 Rn 30; OLG Dresden, 14.01.2021, 20 WF 936/20). Dies ist in der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 14.08.2020 geschehen hinsichtlich Trennungsunterhalt für die Antragstellerin ab dem Monat März 2020 (Abschnitt D Ziffer I) und Kindesunterhalt für den minderjährigen Sohn K., geb. am ... 2004 (Abschnitt E Ziffer I).

Soweit sich der Antragsgegner ferner unter Abschnitt E Ziffer V als echter Vertrag zugunsten Dritter zu Kindesunterhalt für die volljährige Tochter der Beteiligten, geb. am …, verpflichtet hat, kommt eine Erstreckung der Verfahrenskostenhilfebewilligung samt Anwaltsbeiordnung für die Antragstellerin über § 48 Abs. 3 RVG nicht in Betracht, da die Antragstellerin bei Abschluss der diesbezüglichen Einigung aufgrund der Volljährigkeit der Tochter diese nicht mehr gesetzlich vertreten konnte.

Unerheblich ist, dass nach Abschluss des Einigungsvertrags vom 14.08.2020 der Scheidungsantrag zurückgenommen worden ist. Denn § 48 Abs. 3 RVG setzt lediglich voraus, dass nach Beiordnung in einer Ehesache ein Einigungsvertrag über einen der dort genannten Gegenstände geschlossen worden ist. Dies ist vorliegend hinsichtlich aller Gegenstände der Scheidungsfolgenvereinbarung mit Ausnahme des Unterhaltsanspruchs für das volljährige Kind der Ehegatten der Fall. Die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe und der Anwaltsbeiordnung tritt im Zeitpunkt des Abschlusses des Einigungsvertrages kraft Gesetzes ein, ohne dass ein Erstreckungsantrag notwendig ist (OLG Koblenz, 15.10.2014, 13 WF 923/14; OLG Dresden, 14.01.2021, 20 WF 936/20).

Daher wird der Verfahrenswertbeschluss vom 06.04.2021 um einen Vereinbarungswert zu ergänzen sein.

Die Kostenfolge ergibt sich aus Nr. 1912 KV-FamGKG, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO. Aufgrund der Klarstellung zur Wirkung des § 48 Abs. 3 RVG sieht es der Senat für angemessen an, von der Erhebung der Beschwerdegebühr Nr. 1912 KV-FamGKG abzusehen, da der angegriffene Beschluss zwar im Tenor, in der Begründung aber überwiegend nicht zutreffend war.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 574 ZPO liegen nicht vor.

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