Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (3. Strafsenat) - 3 ARs 25/01
Tenor
Der Antrag der Staatsanwaltschaft, Rechtsanwalt ... nach § 138 a StPO als Verteidiger auszuschließen, und der Antrag anzuordnen, dass die Rechte des Verteidigers nach § 138 c Abs. 3 StPO ruhen, werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Rechtsanwalts fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe
I.
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Die Staatsanwaltschaft ... führt ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten ... J... ... H... ... B... und Rechtsanwalt ... wegen des Verdachts der Geldwäsche u. a. Dieses Verfahren steht im Zusammenhang mit einer umfangreichen Strafsache gegen J... u. a. wegen Bandendiebstahls u. a. (Diebstahl von Kraftfahrzeugen, Fälschung ihrer Identität und Veräußerung bzw. Weiterbetrieb der Fahrzeuge); in dem Komplex wurden J... u. a. am 13. April 2000 rechtskräftig abgeurteilt, J... wegen gewerbsmäßiger Hehlerei u. a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. In jenem Verfahren trat Rechtsanwalt ... bereits einen Tag nach der vorläufigen Festnahme des J... am 5. Juli 1999 unter Vorlage einer Vollmacht vom 2. April 1999 als Verteidiger des J... auf. In dem vorliegenden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche u. a. ist er Verteidiger des J... dem in diesem Verfahren weitere Taten der Entwendung, des Ankaufs und der Verfälschung von Kraftfahrzeugen zur Last gelegt werden, sowie mehrfach schriftsätzlich als Verteidiger der Mitbeschuldigten H... und B... - einer früheren bzw. einer späteren Lebensgefährtin des J... - aufgetreten, die der Geldwäsche, Begünstigung u. a. beschuldigt werden, bevor und nachdem auch gegen ihn ein Verfahren eingeleitet und sodann mit dem Verfahren gegen die drei anderen Beschuldigten verbunden worden ist.
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Gegenstand des Vorwurfs der Geldwäsche ist der Verdacht, Beuteerlöse des J... beiseite geschafft und ihre Herkunft verschleiert zu haben. Dabei geht es u. a. um den Inhalt eines auf den Namen der Beschuldigten B... angemieteten Bankschließfaches, für das J... Zugangsvollmacht hatte und nutzte, das - getrennt gebündelt - 50.000 DM und 30.000 DM in bar sowie eine Rolex-Herrenuhr und eine Schatulle mit - zumeist - Herrenschmuck enthielt. Bei der Öffnung des Fachs am 5. Juli 1999 zwischen 9:20 Uhr und 9:45 Uhr im Beisein der Beschuldigten B... bezeichnete sie nach Belehrung über ihr Schweigerecht gegenüber Polizeibeamten den Betrag von 30.000 DM als ihr Geld, den übrigen Inhalt jedoch als dem J... gehörig. In einem vom Telefon-Festanschluss der Mitbeschuldigten B... der auf Grund des in dem Ausgangsverfahren gegen J... u. a. (172 Js 44508/99 StA ... ergangenen Beschlusses des Amtsgerichts ... vom 29. Juni 1999 (270 Gs 2496/99) überwacht wurde, ausgeführten und im Zuge der Überwachung aufgezeichneten Telefongesprächs am selben Tage um 11:45 Uhr teilte die Beschuldigte B... dem Rechtsanwalt ... mit, wie sie den Inhalt des Schließfachs gegenüber der Polizei identifiziert hatte, woraufhin dieser sie rügte, das hätte sie nicht tun, sondern den gesamten Inhalt als ihr gehörig bezeichnen sollen. Durch drei Schreiben an Staatsanwaltschaft, Amts- und Landgericht trug Rechtsanwalt ... für die Beschuldigte B... sodann vor, der gesamte Inhalt des Schließfachs habe ihr gehört, und forderte die Freigabe für seine Mandantin. Dabei meldete er sich mit Schriftsätzen vom 8. Juli 1999 sowohl für die Beschuldigte B... als auch für die Beschuldigte H... bei der ebenfalls Vermögensgegenstände beschlagnahmt worden waren, erklärte für die Beschuldigte B... Prozessbevollmächtigter zur "Geltendmachung ihrer vermögensrechtlichen Interessen" zu sein und legte für sie eine auf den 5. August 1999 datierte Vollmacht vor, die auf "B... J... ./. Ld. Niedersachsen wegen Vertretung" lautete sowie für die Beschuldigte H... eine unbeschränkte Vollmacht. Später teilte er im Schriftsatz vom 11. Februar 2000 mit, er habe sich für die Beschuldigten B... und H... "nicht als Verteidiger gemeldet", sondern nur als Vertreter zur Durchsetzung vermögensrechtlicher Interessen, um schließlich nunmehr im Schriftsatz vom 14. Juni 2001 auszuführen: "Die Tatsache, dass der Unterzeichner der Verteidiger der Frau Be... ist, bestreiten zu wollen, muss sich als abwegigst ausnehmen und bedarf keiner weiteren Erörterung."
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Mit der Antragsschrift vom 10. Mai 2001 in Verbindung mit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 30. Mai 2001 hat die Staatsanwaltschaft beantragt, der Senat möge den Beschuldigten gemäß § 138 a Abs. 1 Nr. 1 und 3 StPO als Verteidiger des Beschuldigten J... im vorliegenden Verfahren ausschließen und gemäß § 138 c Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO vorab anordnen, dass die Rechte des Beschuldigten aus §§ 147, 148 StPO bis zur Entscheidung über den Ausschluss ruhen.
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Der Beschuldigte ist dem Antrag entgegengetreten.
II.
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Die Anträge waren ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, weil dem Senat die sachliche Zuständigkeit für die begehrten Entscheidungen fehlt.
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1. Einer gemäß § 138 d Abs. 1 StPO zur Verhandlung über die Ausschließung des Verteidigers nach §§ 138 a ff. StPO vorgesehenen mündlichen Verhandlung bedurfte es hier nicht, weil eine solche dann entbehrlich ist, wenn eine Entscheidung zu Ungunsten des Verteidigers von vornherein deswegen nicht in Betracht kommt, weil der Antrag wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts unzulässig ist (vgl. BGHSt 38, 52; Kleinknecht/ Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 138 d Rn. 1).
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2. Der Senat ist nicht zuständig.
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a) Der Senat schließt sich der Auffassung an, wonach ein Rechtsanwalt, der selbst Angeklagter in einem Strafverfahren ist, als Verteidiger eines weiteren Angeklagten entsprechend § 146 a Abs. 1 Satz 3 StPO durch das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist oder das für das Hauptverfahren zuständig wäre, zurückzuweisen ist. Die Vorschriften über das Ausschließungsverfahren nach §§ 138 a ff. StPO sind auf ihn nicht anwendbar (vgl. BGHR StPO § 138 a, Anwendbarkeit 1 Mitangeklagter als Verteidiger - unter Ablehnung von OLG Stuttgart, Die Justiz 1987, 80). Dass ein Angeklagter in demselben Strafverfahren nicht gleichzeitig die Rolle des Verteidigers eines Mitangeklagten übernehmen kann, weil die verschiedenen Verfahrensrollen von vornherein miteinander unvereinbar sind, ist seit jeher - auch vor Einführung der Regelung in §§ 138 a ff. StPO - allgemein anerkannt (vgl. BGHR a. a. O.; BayObLG NJW 1953, 755; Alsberg JW 1926, 2756 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung vom 14. Februar 1973 (NJW 1973, 696 ff.), die zur Regelung des Verteidigerausschlusses geführt hat, diesen Konflikt nicht zum Gegenstand gemacht; es hat die Befugnis des Strafrichters, einen Rechtsanwalt in derartigen Fällen von der Verteidigung auszuschließen, vielmehr ausdrücklich unangetastet gelassen (vgl. a. a. O., Seite 697 unter III. 2 Satz 1). Der Gesetzgeber ist darauf in der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zum Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts (abgedruckt z. B. in AnwBl. 1974, 214 ff.) ebenfalls nicht eingegangen, sondern hat ersichtlich nur die Konstellation bei der Einführung der Regelung im Auge gehabt, dass gegen den Verteidiger in einem getrennt geführten Verfahren vorgegangen wird (so auch OLG Stuttgart, a. a. O.). Spätere Entscheidungen befassen sich, soweit ersichtlich, bis auf die des BGH vom 26. Januar 1996 (BGHR a. a. O.) lediglich mit derartigen Fallgestaltungen bzw. solchen Fällen, in denen gegen den Verteidiger ein Verfahren nicht oder noch nicht eingeleitet worden ist.
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Diese, bisher soweit ersichtlich nur für den Fall der bereits erhobenen Anklage ausdrücklich vertretene Auffassung, muss nach Überzeugung des Senats auch bereits in Ermittlungsverfahren Anwendung finden. Denn schon in diesem Verfahrensstadium sind Interessenwidersprüche und miteinander unvereinbare Auswirkungen der Beteiligungsrollen - z. B. zur Akteneinsicht und zum Kontakt mit den Mitbeschuldigten - vorhanden, deren gleichzeitige Gewährung an den Rechtsanwalt als Angeklagten und als Verteidiger von Mitangeklagten mit den Zielen des Strafprozessrechts unvereinbar wäre. § 146 a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO sieht daher auch die Zurückweisung vor, sobald der Verstoß gegen § 146 StPO erkennbar ist, und zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen der Zurückweisung erst nach der Wahl eintreten, ohne insoweit in Bezug auf das Verfahrensstadium eine Unterscheidung zu treffen. Auch der Rechtsanwalt, der Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren ist, kann daher jedenfalls dann nicht zugleich Verteidiger eines oder mehrerer Mitbeschuldigter sein, wenn die Beschuldigungen - wie hier - dieselbe Tat betreffen.
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Ob eine Zurückweisung auch dann erfolgen darf, wenn erst die Verbindung bisher getrennt geführter Verfahren die Voraussetzungen für eine Zurückweisung schafft, und diese Verbindung ohne sachlichen Grund, willkürlich, erfolgt, und ob zur Zurückweisung auch schon ein einfacher Anfangsverdacht der Tatbeteiligung gegen den Rechtsanwalt ausreicht, kann hier dahinstehen. Angesichts der Beschuldigung, eine Geldwäschehandlung bzw. eine Begünstigungshandlung durch wahrheitswidrige Angabe der Beschuldigten B... ihr gehöre der gesamte Inhalt des Schließfaches, erst hervorgerufen und sodann für sie und im Interesse des J... bewusst wahrheitswidrig geltend gemacht zu haben, war die Verbindung sachgemäß. Das gilt umso mehr, als die Klärung in getrennt geführten Verfahren wegen der nach dem Ermittlungsstand zu erwartenden umfangreichen Beweisaufnahme zur Herkunft des Geldes und der Wertsachen anderenfalls mehrfach wiederholt erfolgen müsste, und weil sonstige sachliche Gründe, die für eine Durchführung getrennter Verfahren sprechen könnten, nicht ersichtlich sind.
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Auch das Stadium des Anfangsverdachts gegen den beschuldigten Rechtsanwalt ist bei Weitem überschritten. Insoweit wird zur Darstellung auf das in der Antragsschrift vom 10. Mai 2001 zusammengefasste Ergebnis der Ermittlungen Bezug genommen. Soweit der Beschuldigte weiterhin die Ansicht vertritt, der Wortlaut des überwachten Anrufes der Beschuldigten B... vom 5. Juli 2000 könne nicht gegen ihn verwandt werden, weil es sich um ein Verteidigergespräch gehandelt habe, dessen Überwachung gegen § 148 StPO verstoße, trifft das nicht zu. Der Anschluss der Beschuldigten B... wurde auf Grund richterlicher Anordnung erlaubterweise überwacht. Der Rechtsanwalt war im Zeitpunkt des inkriminierten Telefonats noch nicht Verteidiger der Beschuldigten B... und es handelte sich weder um ein Mandatsanbahnungsgespräch, wie der Gesprächsinhalt zweifelsfrei erweist, noch um die Entgegennahme einer Mitteilung zur Weitergabe an den Mandanten J... wie sie vereinzelt für schutzwürdig erachtet wird, (vgl. Mörlein, Der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Beschuldigtem im Rahmen des § 100 a StPO, 1993; vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 100 a Rn. 13), sondern um ein zulässigerweise überwachtes Gespräch eines Dritten mit einem Rechtsanwalt, zu dem kein Verteidigungsverhältnis besteht und dessen Verwertung § 148 StPO nicht entgegensteht (BGH NStZ 1988, 562; KK-Nack, StPO, 4. Aufl., § 100 a Rn. 30). Der Verdacht gegen den Beschuldigten hat danach einen solchen Grad erreicht, dass die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, alsbald anzuklagen. Ein solcher Verdachtsgrad steht der Zurückweisung des Verteidigers jedenfalls nicht entgegen.
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b) Daran, dass der Beschuldigte als Verteidiger aller drei Mitbeschuldigten im vorliegenden Verfahren anzusehen ist, bestehen nach Ansicht des Senats keine durchgreifenden Bedenken. Er selbst hat nunmehr vorgetragen, Verteidiger auch der Beschuldigten B... zu sein; nichts Anderes gilt in Bezug auf den Beschuldigten J... und die Beschuldigte H... Er hat auch entsprechend gehandelt. Es kann daher dahinstehen, ob die von dem Beschuldigten zunächst betonte Begrenzung seiner Tätigkeit für die Beschuldigten B... und H... im vorliegenden Verfahren nicht ohnehin unwirksam, weil sachlich von Verteidigung nicht zu unterscheiden war.
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c) Schließlich lässt die Schilderung im Schriftsatz des Verteidigers vom 14. Juni 2001 zu den Vorgängen in dem Verfahren 172 Js 44508/99 StA ... gegen J... und die dazu vorgelegte Äußerung der Berufsrichter in jenem Verfahren nicht auf die Unzulässigkeit weitere Verfolgung des J... schließen; einer Verfolgung der Beschuldigten H... und B... sowie des Rechtsanwalts stünden diese Vorgänge ohnehin nicht entgegen.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO (vgl. BGH NJW 1991, 2917; Senatsbeschluss vom 17. Juli 1989 - 3 WS 116/89 -).
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