Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (Senat für Familiensachen) - 10 UF 65/12

Tenor

1. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 8.952 € festgesetzt (12 x 2 x 334 € + 936 € Rückstände).

2. Es wird erwogen, auf die Beschwerde des Antragsgegners den Beschluss vom 15. Februar 2012 nach § 117 Abs. 3 i. V. m. § 68 Abs. 3 FamFG ohne mündliche Verhandlung zu ändern und den Antrag der Antragstellerin abzuweisen. Der Antragstellerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme und evtl. Rücknahme ihres Antrags auf Festsetzung von Unterhalt bis zum April 2012 gegeben.

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner ist der Vater der beiden minderjährigen Kinder B. und F. J. Die Eltern der Kinder leben getrennt, das Scheidungsverfahren ist bereits anhängig.

2

Die Kindesmutter wandte sich im Oktober 2011, als die Kinder noch in ihrem Haushalt lebten, an die Antragstellerin und beantragte eine Beistandschaft zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen der Kinder.

3

Ab 1. November 2011 lebten beide Kinder nicht mehr im Haushalt der Mutter, sondern jedes Kind war vorübergehend in den Haushalt einer Tante in H. gezogen.

4

Mit Antrag vom 19. Dezember 2011, eingegangen beim Amtsgericht am 21. Dezember 2011, beantragte das Jugendamt als vermeintlicher Beistand für F. und B. die Festsetzung des Kindesunterhaltes auf 100 % des Mindestunterhaltes ab 1. November 2011.

5

Seit spätestens 1. März 2012 leben die Kinder beim Vater.

6

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15. Februar 2012, der dem Antragsgegner am 21. Februar 2012 zugestellt worden ist, antragsgemäß den Unterhalt für beide Kinder festgesetzt.

7

Dagegen richtet sich die am 14. März 2012 erhobene Beschwerde des Antragsgegners. Er wendet ein, die Kindesmutter sei zur Alleinvertretung der Kinder nicht berechtigt gewesen, weil sie ab November 2011 nicht mehr bei ihr gelebt hätten. Das Unterhaltsfestsetzungsverfahren sei daher unzulässig gewesen. Der Antragstellerin sei wahrscheinlich bekannt gewesen, dass die Kinder nicht mehr bei der Mutter lebten, da die Adresse der Kinder im Festsetzungsantrag nicht genannt worden ist.

II.

8

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners dürfte begründet sein.

9

1. Der Antragsgegner und die Kindesmutter leben getrennt, sind noch nicht geschieden und üben die elterliche Sorge für ihre Kinder gemeinsam aus. Nach § 1629 Abs. 3 BGB können sie Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen, also in gesetzlicher Prozessstandschaft für die Kinder geltend machen.

10

Unabhängig vom Aufenthaltsort der Kinder ist daher zweifelhaft, ob die Kindesmutter überhaupt für die Kinder eine Beistandschaft wirksam errichten lassen konnte.

11

Das Oberlandesgericht Stuttgart vertritt zwar die Auffassung, dass Kinder getrennt lebender und gemeinsam sorgeberechtigter Eltern durch einen Beistand gerichtlich für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen vertreten werden dürfen und die insoweit einschränkende Vorschrift des § 1629 Abs. 3 BGB verdrängt wird (OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. November 2006 - 17 UF 182/2006 - JAmt 2007, 40). Demgegenüber hält das Amtsgericht Regensburg die Vertretung durch das Jugendamt als Beistand in diesen Fällen für unzulässig, da § 1629 Abs. 3 BGB anordnet, dass das Kind selbst den Anspruch nicht geltend machen darf. Hätte der Gesetzgeber die Beistandschaften nach § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB auch auf den Fall des § 1629 Abs. 3 BGB anwenden wollen, hätte auch diese Norm entsprechend geändert werden müssen (vgl. AG Regensburg, Urteil vom 24. April 2003 - 2 F 1739/02 - JAmt 2003, 364).

12

Der Senat hält die Auffassung des Amtsgerichts Regensburg für zutreffend. Der Sinn der gesetzlichen Prozessstandschaft besteht darin, die Kinder während der Trennungszeit der Eltern oder einer anhängigen Ehesache aus den Streitigkeiten ihrer Eltern herauszuhalten. Dieser Zweck wird nicht erreicht, wenn die Kinder dennoch im eigenen Namen ihre Ansprüche geltend machen müssen, auch wenn sie dabei durch einen Beistand vertreten werden. Die Unterhaltsansprüche der Kinder sind oft eng verwoben mit den Unterhaltsansprüchen des betreuenden Elternteils, sodass es auch aus diesem Grund verfahrensökonomisch sinnvoller erscheint, alle Ansprüche von einer Person aus zu verfolgen. Sollte die Beistandschaft während eines rechtshängigen Verfahrens von dem betreuenden Elternteil gegenüber dem Jugendamt gekündigt werden, so entstünde die Situation, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 1629 Abs. 3 BGB gerade vermeiden wollte, die Kinder würden in die Streitigkeiten ihrer Eltern vor einer rechtskräftigen Scheidung der Ehe ihrer Eltern hineingezogen werden.

13

Hinzu kommt, dass § 1629 Abs. 3 BGB die speziellere Norm ist, die durch die §§ 1712, 1713 BGB nicht verdrängt werden kann.

14

2. Nach § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB setzt eine Beistandschaft außerdem voraus, dass die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zusteht und das Kind sich in der Obhut des Antragstellenden befindet. Zwar lagen diese Voraussetzungen bei Beantragung der Beistandschaft durch die Kindesmutter vor. Gemäß § 1715 Abs. 2 BGB endet die Beistandschaft jedoch, sobald die Voraussetzungen des § 1713 BGB nicht mehr erfüllt sind.

15

Mit dem Umzug der Kinder zu ihren Tanten entfiel die Antragsberechtigung der Mutter, weil die Kinder sich nicht mehr in ihrer Obhut befanden.

16

Als das Jugendamt im Dezember 2011 den Unterhaltsbeschluss beantragte, war die Beistandschaft durch den Aufenthaltswechsel der Kinder bereits gesetzlich beendet, sodass eine wirksame Beauftragung durch die Kindesmutter ungeachtet der evtl. bereits vorher bestehenden unzulässigen Beistandschaft - hier wird auf die Ausführungen zu Ziffer 1 verwiesen - nicht mehr gegeben war. Das Jugendamt handelte als falsus procurator, weil es die Kinder nicht vertreten konnte. Wer als vollmachtloser Vertreter und vermeintlicher Beistand minderjähriger Kinder ein gerichtliches Verfahren einleitet, tritt an die Stelle der vermeintlich Vertretenen selbst als Beteiligter in das Verfahren ein. Beteiligt sind in diesem Verfahren daher nicht die Kinder, sondern ist die Stadt Hannover selbst als vollmachtlos handelnde Vertreterin. Hier hätte sich die Antragstellerin vor Einreichung des Antrages vergewissern müssen, ob die Kinder tatsächlich noch bei der Mutter leben. Falls bereits Zweifel daran bestanden haben sollten, wofür die fehlende vollständige Anschrift der Kinder im Antrag spricht, hätte das Jugendamt aufklären müssen, wo die Kinder tatsächlich leben.

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3. Die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft für die Kinder, die jetzt beim Vater le-ben, ist entbehrlich, da das Verfahren mit der Stadt Hannover als Beteiligter zu Ende zu führen ist.

 


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