Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - II-7 UF 78/14
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Krefeld vom 21.02.2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beteiligten zu 1. und 2.auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
2I.
3Mit notarieller Urkunde vom 19.09.2013 beantragten die volljährigen Beteiligten zu 1 (*18.04.1986) und 2. (*14.04.1989) die Annahme als Kind durch den Beteiligten zu 3 (*01.02.1958). Dieser ist der Ehemann der Beteiligten zu 4, der leiblichen Mutter der Beteiligten zu 1. und 2.. Sie hat ihre Einwilligung zur beantragten Adoption erteilt. Beantragt wurde die Adoption mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme (Volladoption). Das Amtsgericht hat die Beteiligten zu 1. bis 4. im Termin am 14.11.2013 angehört. Der Beteiligte zu 5., der Vater der Beteiligten zu 1. und 2. steht wegen eines im Dezember 2012 erlittenen Schlaganfalls unter Betreuung und ist nicht arbeitsfähig. Er ist mit einer Adoption seiner erwachsenen ehelichen Söhne durch den Beteiligten zu 1. und 2. mit den Wirkung einer Minderjährigenadoption nicht einverstanden. Diese habe zu unterbleiben, da dies seine Interessen gefährde. Durch die Volladoption verliere er seinen grundsätzlich bestehenden Unterhaltsanspruch gegenüber den Beteiligten zu 1. und 2., denen er beginnend mit dem Kleinkindalter Unterhalt geleistet habe. Die titulierten Unterhaltszahlungen des Beteiligten zu 5. endeten gegenüber dem Beteiligten zu 1. erst im Jahr 2013, nachdem der Beteiligte zu 5. aufgrund seiner Erkrankung einen Abänderungsantrag gestellt hatte.
4Mit Beschluss vom 21.02.2014 lehnte das Amtsgericht die Adoption der Beteiligten zu 1. und 2. durch den Beteiligten zu 3. im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Volladoption sei nicht zu rechtfertigen, weil der Beteiligte zu 5. lange Jahre Unterhalt gezahlt habe, ihm im Falle der Adoption aber keine Unterhaltsansprüche mehr gegen seine Söhne zustünden. Gegen diesen Beschluss legten die Beteiligten zu 1. und 2. Beschwerde ein. Sie machen geltend, überwiegende Interessen ihres Vaters, die eine Volladoption hinderten, lägen nicht vor.
5III.
6Die Beschwerde der Beschwerdeführer ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung die Adoption mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption abgelehnt. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug. Die Beschwerdebegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung.
7Nach § 1767 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist.
8Eine Annahme als Kind mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption gemäß § 1772 Abs. 1 BGB ist demgegenüber eine eng auszulegende Ausnahmeregelung (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/Maurer, § 1772, Rn. 1).
9Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen der § 1772 Abs. 1 lit. b und c folgt nicht zwingend, dass die beantragte Volladoption auszusprechen ist. Vielmehr ist daneben zu prüfen, ob nicht gewichtige Gründe einer Volladoption entgegenstehen. Nach § 1772 Abs. 1 Satz 2 BGB darf der Ausspruch nicht erfolgen, wenn überwiegende Interessen der leiblichen Eltern des Anzunehmenden entgegenstehen. Hierfür reichen unterhaltsrechtliche ebenso wie erbrechtliche Interessen aus (vgl. nur Staudinger/Frank BGB Neubearbeitung 2007, § 1772 Rn. 6).
10Wird der Ausspruch der Adoption eines Volljährigen mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme beantragt (Volladoption), erstreckt sich die Prüfung der sittlichen Rechtfertigung auch auf die mit einer Volladoption einhergehenden Folgen. Durch die Volladoption wird – anders als bei der normalen (sog. schwachen) Adoption eines Volljährigen, vgl. § 1770 BGB – wie bei der Adoption eines Minderjährigen - das rechtliche Band zwischen dem Anzunehmenden und seinem leiblichen Vater unwiderruflich zerschnitten; das Verwandtschaftsverhältnis und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten wie Unterhaltsansprüche und das gesetzliche Erbrecht erlöschen. Ob die Volladoption sittlich gerechtfertigt ist, ist Tat- und Rechtsfrage; hierbei ist eine umfassende Abwägung der Interessen der von der Adoption betroffenen Personen vorzunehmen. Die Feststellung der einzelnen Tatumstände ist dem Tatrichter vorbehalten. Nur wenn er zu der Überzeugung gelangt, dass die Volladoption sittlich gerechtfertigt ist (vgl. MünchKommBGB/Maurer 4. Aufl. § 1772 Rn. 8; Staudinger/Frank BGB § 1772 Rn. 6), darf er sie aussprechen.
11Das Amtsgericht hat sich hier zutreffend mit den entscheidungserheblichen Gesichtspunkten auseinandergesetzt und die Gründe, die gegen den Ausspruch einer Volladoption sprechen, für gewichtiger gehalten. Dem tritt der Senat bei. Insbesondere war hier von Bedeutung, dass der Adoptionsantrag erst gestellt wurde, als die Beteiligten zu 1. und 2. keine Unterhaltsansprüche mehr gegenüber ihrem leiblichen Vater geltend machen konnten, nachdem dieser einen Schlaganfall erlitten hatte. Zuvor hatte der Beteiligte zu 5. hingegen nach der im Kindesalter seiner Söhne erfolgten Trennung von der Beteiligten zu 4. den Kindesunterhalt in Form des Barunterhalts sichergestellt. Dies ist ein gewichtiger Grund, von dem Ausspruch einer Annahme mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption abzusehen. Denn der leibliche Vater würde seinerseits bei antragsgemäßer Entscheidung seine gesetzlichen Unterhaltsansprüche gegenüber seinen Söhnen verlieren. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer muss die Unterhaltsverpflichtung des anzunehmenden Volljährigen gegenüber dem leiblichen Elternteil zum Zeitpunkt des Adoptionsantrags nicht schon konkret bestehen oder sich abzeichnen, insbesondere dann nicht, wenn der leibliche Elternteil, wie hier, seinerseits langjährig Unterhalt geleistet hat (vgl. OLG München, FamRZ 2009, 1337, bei juris Rn. 13; LG Heidelberg FamRZ 2001, 120; MünchKommBGB/Maurer § 1772 Rn. 8 a. E.). Deshalb ist hier der Umstand, dass der leibliche Vater auf Unterhaltsansprüche gegenüber den Söhnen angewiesen sein könnte, ebenso in die Interessenabwägung einzubeziehen wie der Umstand, dass dieser seinerseits viele Jahre lang Unterhalt geleistet hat.
12Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 5. tatsächlich an den Folgen eines im Dezember 2012 erlittenen schweren Schlaganfalles leidet, von seiner Ehefrau gepflegt wird, und deshalb umso mehr die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er auf Unterhaltsansprüche angewiesen sein kann. Auf die derzeitige Absicherung kommt es deshalb auch nicht an, zumal nichts dafür spricht, dass er über unbegrenzte Mittel verfügen könnte, die es ihm erlauben würden jedweden denkbaren krankheitsbedingten finanziellen Aufwand abzudecken. Es geht deshalb in der vorliegenden Situation keinesfalls an, dass sich die Söhne durch eine Volladoption gleichsam aus ihrer unterhaltsrechtlichen Verantwortung gegenüber ihrem Vater verabschieden. Selbstverständlich müssen hinter diesem Interesse des Vaters die Interessen der Söhne, zurücktreten.
13Irrelevant für die Frage der Volladoption ist es, dass der Beteiligte zu 5. ausweislich der medizinischen Unterlagen Existenzängste formuliert hat, die sich auf die Absicherung seiner Familie bezogen haben und ein etwaiger Unterhaltsanspruch mittelbar auch seiner Familie zu Gute käme. Es geht allein darum, dass ihm durch die Volladoption Rechte abgeschnitten würden, was eine Volladoption hier ausschließt.
14Ohne Bedenken ist es auch, dass seine Ehefrau den Beteiligten zu 5. als seine Betreuerin im Verfahren vertritt. Es liegt nicht nur kein Interessenkonflikt zwischen der Betreuerin und dem Vater der Beteiligten zu 1. und 2. vor sondern liegt im Gegenteil sogar im wohlverstandenen Interesse des Beteiligten, dass er der Adoption entgegentritt und seine Ansprüche dadurch wahrt.
15Da die Beteiligten zu 1. und 2. nur einen Antrag auf Volladoption gestellt haben und eine Adoption mit den schwächeren Wirkungen der Volljährigenadoption von ihnen auch nicht hilfsweise beantragt wurde, hat das Amtsgericht den Adoptionsantrag und das Landgericht die Beschwerde zu Recht in vollem Umfang zurückgewiesen.
16III.
17Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 ZPO, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG.
18Der Beschwerdewert beträgt 3.000 €, § 42 Abs. 2, 3 FamGKG.
19Es besteht keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
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