Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-10 U 95/14
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 4. April 2014 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. November 2014.
2. Der Streitwert für die Berufung wird auf bis zu 95.000 € festgesetzt.
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1. Die Parteien, Tochter aus erster Ehe (Klägerin) und Witwe aus zweiter Ehe (Beklagte) des Erblassers, streiten darum, ob die Beklagte eine „Hinterbliebenenleistung“ (einmalige Kapitalsumme) aus einer betrieblichen Altersversorgung, die der Erblasser als gesetzlicher Vertreter des Arbeitgebers für sich als begünstigten Mitarbeiter des Arbeitgebers bei einer sogen. Unterstützungskasse abgeschlossen hatte (vgl. B. 17 bis 20 GA), im wirtschaftlichen Ergebnis behalten darf oder nicht. Wegen der Einzelheiten des Versorgungsvertrages wird auf die Kopie Bl. 17 bis 20 GA und wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die tatbestandlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte als „der überlebende Ehegatte, mit dem der Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Todes verheiratet war“, die Kapitalsumme bzw. ein Äquivalent mit rechtlichem Grund erhalten habe und deshalb auch behalten dürfe.
3Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren Antrag auf Zahlung von 94.600 € (nebst aller Hilfsanträge) weiterverfolgt mit im Wesentlichen der Begründung, dass auf die hier in Frage stehende Leistung die Grundsätze der Entscheidung BGH NJW 1987, 3131 anzuwenden seien, m.a.W., dass aufgrund der zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers unstr. gegebenen Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens die Geschäftsgrundlage für die Zuwendung der Hinterbliebenenleistung an die Beklagte entfallen gewesen sei und sie sie nicht behalten dürfe.
4Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
52. Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und eine mündliche Verhandlung ist auch aus anderen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 ZPO); insbesondere sieht der Senat keinen Anlass, die Revision zuzulassen.
6Die Berufung ist im Kern auf die Forderung gestützt, dass „die hier streitgegenständliche Konstellation der betrieblichen Altersversorgung [nicht] anders rechtlich behandelt [werden dürfe] als die Form der Altersversorgung, wie sie Gegenstand von [BGH NJW 1987, 3131] war“. Diese Forderung nach „Gleichbehandlung“ ist indes nicht geeignet, der Berufung gegen die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts zum Erfolg zu verhelfen. Aus BGH NJW 1987, 3131 lässt sich entgegen Berufungsbegründung nicht herleiten, dass vorliegend die Geschäftsgrundlage für die Auszahlung der Hinterbliebenenleistung an die Beklagte entfallen wäre, (nur) weil zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf die Leistung das Scheidungsverfahren zwischen dem Erblasser und der Beklagten bereits rechtshängig war. Im Einzelnen:
72.1. In Anbetracht der klaren und eindeutigen Formulierung vom „ a) überlebenden Ehegatten, mit dem der Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Todes verheiratet war,“ ist hier davon auszugehen, dass die Hinterbliebenenversorgung an die Beklagte (da „in nachstehender Rangfolge“ a)) und nicht an die Klägerin (als Kind „in nachstehender Rangfolge“ nur b)) zu zahlen war, denn die Beklagte war unstreitig zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers (noch) mit diesem verheiratet. Es steht weiter außer Frage, dass es sich bei Verträgen wie dem hier in Rede stehenden, nämlich über Gehaltsumwandlungen iSv § 1 Abs. 2 BetrAVG zwecks Erlangung einer - steuerbegünstigten - betrieblichen Alters- bzw. ggf. Hinterbliebenenversorgung, nicht um „letztwillige Verfügungen“ (bzw. Verfügungen von Todes wegen) des von der Versorgung begünstigten Mitarbeiters zugunsten seines überlebenden Ehepartners handeln kann, dass also § 2077 Abs. 1 BGB unmittelbar keine Anwendung findet. Das gilt ebenso für Versorgungszusagen eines Arbeitgebers zugunsten des Ehepartners des Arbeitnehmers und für klassische Lebensversicherungen, dies unabhängig davon, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber Versicherungsnehmer sind (vgl. zu allem Damrau/Seiler/Rudolf, ErbR, 2. Aufl., § 2077 BGB Rzf. 27 ff mwN). Es kann also auf den vorliegenden Fall insbesondere auch die Regelung des § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach es für die Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen zugunsten des Ehepartners einer Scheidung gleich steht, wenn zum Zeitpunkt des Todes das Scheidungsverfahren vom Erblasser anhängig gemacht worden war, nicht angewandt werden.
82.2. Der Bundesgerichtshof hat in BGH, NJW 1987, 3131 ff die – seinerzeit wohl noch verbreitete – Auffassung, derzufolge § 2077 Abs. 1 BGB analog auch auf die Bezugsbenennung von Ehepartnern (nicht: Kindern) in Lebensversicherungen anzuwenden sei, aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität abgelehnt, zumal „das von den Befürwortern einer entsprechenden Anwendung von § 2077 BGB verfolgte Anliegen … auf andere Weise zu berücksichtigen“ sein könne, nämlich durch die Annahme eines Vertrages zugunsten Dritter zwischen (späterem) Erblasser und Lebensversicherungsunternehmen. Dies ermöglicht die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage für die Bezugsberechtigung im Fall des Scheiterns der Ehe mit der (früheren) Ehefrau, die als solche auch namentlich als Bezugsberechtigte benannt worden ist und dies vielleicht nur aus Nachlässigkeit oder versehentlich geblieben ist, und damit ggf. eine Korrektur, denn im Zweifel ist nach der Rechtsprechung des BGH davon auszugehen, dass das Scheitern der zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Ehe den Wegfall der Geschäftsgrundlage (jetzt § 313 BGB) für derartige Zuwendungen bedeutet.
9Nicht entnehmen lässt sich dieser Rechtsprechung indes, dass trotz ausdrücklicher Verneinung der Analogiefähigkeit von § 2077 Abs. 1 BGB für Fälle wie den vorliegenden durch den BGH eben doch zumindest faktisch § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB analog anzuwenden sein soll, weil als Grund für den Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Bezugsberechtigung die Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens dem Scheitern der Ehe gleichgestellt wird. Zwar hatte der BGH aaO keinen Anlass, sich zu dieser Frage, ob dem „Scheitern“ der Ehe als Grund für den Wegfall der Geschäftsgrundlage die Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens gleichzustellen sei, zu äußern, denn der in BGH NJW 1987, 3131 ff zu beurteilende Sachverhalt betraf eine zum Zeitpunkt des Todesfalls tatsächlich (lange) beendete frühere Ehe, es spricht aber alles gegen eine solche Gleichstellung und Analogie. Der Umstand, dass in § 2077 Abs. 1 S. 2 - ebenso wie in der Sache auch in § 1933 S. 1 BGB - ausdrücklich geregelt ist, dass es hier der „Auflösung der Ehe gleich [stehe], wenn … die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt … hatte“, belegt, dass es sich bei dieser Gleichstellung von eingetretenen Tatsachen (Auflösung, Scheitern) mit der Einleitung von Verfahren, die erst dazu führen sollen, um Ausnahmen handelt, die also einer gesetzlichen Regelung bedurften. Derartige Ausnahmen sind nicht dahin verallgemeinerbar, dass sie eine eindeutige vertragliche Formulierung („zum Zeitpunkt des Todes verheiratet“) außer Kraft setzen könnten – schon gar nicht mit der „Begründung“, andernfalls könne das Ergebnis nicht richtig sein (S. 6 Berufungsbegründung).
10Auch vor dem Hintergrund, dass selbst bei zweifelsfrei feststehendem Scheitern der früheren Ehe (also: rechtskräftiger Scheidung) nicht notwendig ausgeschlossen ist, dass die Bezugsberechtigung der früheren Ehefrau fortbestehen bleiben sollte (vgl. BGH aaO Gründe 1. a.E.; Damrau aaO Rzf. 29, 31), ist aus Gründen der Rechtssicherheit die von der Berufungsbegründung geforderte (nur vermeintliche) rechtliche Gleichbehandlung abzulehnen. Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Todes des versorgungsberechtigten Mitarbeiters noch mit diesem verheiratet, der Scheidungsantrag hätte bis zur juristischen Sekunde vor dem Todeszeitpunkt sogar noch zurückgenommen werden können, das alles steht der Annahme entgegen, dass die Beklagte hier ihren „Rangplatz“ vor der Klägerin hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung verloren hatte, als (auch) der Erblasser Scheidungsantrag stellte.
11Es wird nach alledem angeregt, zwecks Vermeidung höherer Kosten (zwei statt vier Gerichtsgebühren) die Berufung zurückzunehmen.
12Düsseldorf, den 16. Oktober 2014Oberlandesgericht, 10. Zivilsenat
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Referenzen
- BGB § 1933 Ausschluss des Ehegattenerbrechts 1x
- BetrAVG § 1 Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersversorgung 1x
- BGB § 313 Störung der Geschäftsgrundlage 1x
- ZPO § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss 2x
- BGB § 2077 Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen bei Auflösung der Ehe oder Verlobung 7x