Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-Kart 6/14 (V)
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Bundeskartellamts (B2 – 58/09) vom 3. Juli 2014 wegen nachträglicher Feststellung einer Zuwiderhandlung nach § 32 Abs. 3 GWB aufgehoben.
II.
Das Bundeskartellamt hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die der Beteiligten zu 1. und der Beigeladenen zu 1. in der Beschwerdeinstanz zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit jeweils entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Der Beigeladene zu 2. trägt seine Kosten selbst.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5 Mio. €.
1
I.
2Ende 2008 übernahm die Beteiligte zu 1. (nachfolgend: F.) rund 2.300 Filialen der Discounterschiene „Q.“ von ihrem Wettbewerber U. mit dem Ziel, diese Filialen in die eigene Discounterschiene „O.“ (rund 2.000 Filialen) zu integrieren. In den ersten Monaten des Jahres 2009 führte F. im Anschluss an die Jahresverhandlungen für 2009 mit über 500 Lieferanten, zu denen auch die Sekthersteller S.-N. Sektkellereien GmbH (nachfolgend: S.-N.), die I. & Co. Sektkellerei KG (nachfolgend: I.), die G. Deutschland GmbH (nachfolgend: G.) und die Sektkellerei T. X. AG (nachfolgend: T. X.) gehörten, sogenannte Sonderverhandlungen. Zu Beginn der Sonderverhandlungen forderte F. rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine Anpassung des bisher vereinbarten Zahlungsziels auf das Zahlungsziel, das für die Q.-Filialen vereinbart war, eine Preisanpassung und Ausgleichszahlung aufgrund eines „Bestwertabgleichs“ mit den bisherigen Q.-Preisen sowie die Zahlung eines dauerhaften „Synergiebonus“ für potentielle Kosteneinsparungen auf Seiten der Lieferanten, die Zahlung einer „Partnerschaftsvergütung“ für die Renovierung und Modernisierung der Q.-Filialen und einen „Sortimentserweiterungsbonus“ für zusätzliche Listungen in den neuen Filialen jeweils für die Jahre 2009 und 2010.
3Im Einzelnen sahen die Forderungen gegenüber S.-N., I., G. und T. X. wie folgt aus:
4Forderung F. |
S.-N. |
I. |
G. |
T.-X. |
Zahlungsziel |
+/- 0 T … |
(+ 5-10 T) (= 35-40 T) |
(+ 8-14 T) (=20-30 T) |
(+ 12-20 T) (=40-50 T) |
Bestwert-Abgleich |
(1-1,6 Mio. €) |
(50.000 -100.000 €) |
0 € |
(80.000 -130.000 €) |
Synergiebonus |
(700.000 -900.000 €) |
(400.000 -600.000 €) |
(150.000 -300.000 €) |
(150.000 -300.000 €) |
Partnerschaftsvergütung |
(600.000 -800.000 €) |
(150.000 -300.000 €) |
(150.000 -300.000 €) |
(100.000 -300.000 €) |
Sortimentserweiterung- bonus |
(200.000 -400.000 €) |
(150.000 -300.000 €) |
0 € |
(400.000 – 500.000 €) |
F. und die vier Sektlieferanten traten daraufhin in Verhandlungen ein und einigten sich Ende März 2009 wie folgt:
6Einigung |
S.-N. |
I. |
G. |
T.-X. |
Zahlungsziel |
+/- 0 T |
(+ 3-7 T) … |
(+ 8-14 T) … |
(+ 12-20 T) … |
Bestwert-Abgleich |
(300.000 -400.000 €) |
(50.000 -100.000 €) |
0 € |
(0 €) |
Synergiebonus |
(700.000 -900.000 €) |
(200.000 -300.000 €) |
(60.000 -100.000 €) |
(100.000 -200.000 €) |
Partnerschaftsvergütung |
(400.000 -600.000 €) |
(100.000 -200.000 €) |
(30.000 -100.000 €) |
(100.000 -200.000 €) |
Sortimentserweiterung- bonus |
(200.000 -400.000 €) |
(70.000 -150.000 €) |
(100.000 -200.000 €) |
(100.000 -200.000 €) |
Darüber hinaus haben die Sekthersteller mit F. zusätzliche Gegenleistungen ausgehandelt. I., G. und T.-X. haben die Listung zusätzlicher Artikel vereinbaren können, S.-N. eine deutliche Steigerung der bisher vereinbarten Aktionen.
8Im April 2009 durchsuchte das Bundeskartellamt nach Eingang entsprechender Beschwerden die F.-Zentrale in Hamburg. Nach umfangreichen Ermittlungen und Auswertungen der beschlagnahmten Unterlagen übersandte das Bundeskartellamt F. im Juli 2013 ein vorläufige rechtliche Einschätzung des Sachverhalts. Umfangreiche Stellungnahmen von F. und den Beigeladenen P. und dem L. folgten.
9Mit Beschluss vom 3. Juli 2014 hat das Bundeskartellamt gemäß § 32 Abs. 3 GWB nachträglich einen Verstoß der F. gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 festgestellt, weil F. im Zuge der Sonderverhandlungen nach Übernahme von rund 2.300 Filialen der Discountschiene „Q.“ gegenüber den vier genannten Sektherstellern rechtswidrige Konditionenforderungen erhoben habe. Rechtswidrig sei
10(1) die Heranziehung mehrerer zeitlich gestaffelter Stichtage für einen Abgleich der Konditionen von F. und Q. und der sich daraus ergebende mehrfache Konditionenabgleich der zu verschiedenen Zeitpunkten jeweils geltenden Konditionen, hier im Rahmen des „Bestwertabgleichs;
11(2) die Auswahl von Stichtagen für den Vergleich der Konditionen von F. und Q., die deutlich vor dem Vollzug des Zusammenschlusses und dem Beginn der Sonderverhandlungen lagen, hier im Rahmen des „Bestwertabgleichs“;
12(3) die intransparente und für die Lieferanten nicht nachvollziehbare Darstellung und Begründung der Forderungen, hier im Rahmen des „Bestwertabgleichs“ und des „Sortimentserweiterungsbonus“;
13(4) die Forderung rückwirkender Zahlungen und rückwirkender Anpassung von Konditionen, hier im Rahmen sämtlicher Sonderkonditionen;
14(5) die einseitige Festlegung und Umsetzung neuer Konditionen, hier im Rahmen der „Anpassung der Zahlungsziele“;
15(6) das sog. „Rosinenpicken“, d.h. die Forderung einer Anpassung der F.-Konditionen an einzelne, günstigere Konditionenbestandteile von Q. ohne Berücksichtigung des Gesamtkonditionenpakets, hier im Rahmen des „Bestwertabgleichs“ und der „Anpassung der Zahlungsziele“;
16(7) die Forderung von Zahlungen, denen offensichtlich keine Gegenleistungen gegenüberstanden, hier im Rahmen des „Synergiebonus“ und der „Partnerschaftsvergütung;
17(8) die Forderung von Zahlungen ohne nachvollziehbaren warenwirtschaftlichen Bezug, hier im Rahmen des „Sortimentserweiterungsbonus“;
18(9) die Forderung besserer Konditionen von Lieferanten während der Laufzeit geltender Jahresvereinbarungen, hier im Rahmen sämtlicher Sonderkonditionen.
19Gegen diesen Beschluss wendet sich F. mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde. Sie stellt in Abrede, Normadressatin des in § 20 Abs. 3 GWB 2007 geregelten Verbots der sog. passiven Diskriminierung zu sein. Das Bundeskartellamt habe nicht nachgewiesen, dass es sich bei den vier Sektherstellern um abhängige Unternehmen im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GWB handele. Tatsächlich bestehe eine solche Abhängigkeit auch nicht, denn es lägen ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten insbesondere im Hinblick auf den Export und die übrigen Nachfrager des Lebensmitteleinzelhandels (nachfolgend: LEH) vor. Überdies könne vorliegend nicht von einer Aufforderung zur Gewährung von Vorteilen ausgegangen werden, weil das vom Bundeskartellamt als kartellrechtswidrig beanstandete Verhalten lediglich einen Verhandlungsprozess eingeleitet und sie, F., nicht einseitig auf ihren Forderungen beharrt habe. Da sie zu keinem Zeitpunkt eine Besserstellung gegenüber ihren Wettbewerbern verlangt habe, habe sie auch nicht die Gewährung von Vorteilen verlangt. Darüber hinaus trägt F. umfänglich dazu vor, warum ihrer Meinung nach die verlangten Konditionenvorteile und Sonderzahlungen jeweils sachlich gerechtfertigt seien.
20Die Beschwerdeführerin beantragt,
21den Beschluss des Bundeskartellamts (B2 – 58/09) vom 3. Juli 2014 wegen nachträglicher Feststellung einer Zuwiderhandlung nach § 32 Abs. 3 GWB aufzuheben.
22Das Bundeskartellamt beantragt,
23die Beschwerde zurückzuweisen.
24Es tritt dem Vorbringen der Beschwerde im Einzelnen entgegen und verteidigt die angefochtene Verfügung.
25Die Beigeladenen zu 1. und 2., die jeweils mit Schriftsatz vom 27. März 2015 umfangreich zur Sache vorgetragen haben, stellen keinen Antrag.
26Der Senat hat durch Vernehmung der Zeugen H., A., Dr. C., I., J. und M. Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 2. September 2015 (Bl. 1192 ff. GA) Bezug genommen.
27II.
28Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1. (nachfolgend: F.) gegen die Verfügung des Bundeskartellamtes vom 3. Juli 2014 ist begründet.
29Zu Unrecht hat das Bundeskartellamt festgestellt, dass F. im Jahr 2009 im Zuge der von ihr verlangten „Sonderverhandlungen“ nach Übernahme von rund 2.300 Filialen der Discounterschiene „Q.“ von dem Wettbewerber U. gegenüber den Sektherstellern S.-N., I., G. und T. X. rechtswidrige Konditionenforderungen erhoben und damit gegen § 20 Abs. 3 Satz 1 GWB in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.07.2005 unter Berücksichtigung der Änderungen durch die 8. GWB Novelle von 2007 (GWB 2007) - jetzt § 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 5 GWB – verstoßen hat. Keine der vom Bundeskartellamt im Beschlusstenor unter I. Satz 2 Ziff. (1) bis (9) als kartellrechtswidrig festgestellten Handlungen der F. erfüllt die Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 Satz 2 GWB 2007.
30Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 GWB 2007 dürfen marktbeherrschende Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Sinne von § 20 Absatz 1 GWB 2007 ihre Marktstellung nicht dazu ausnutzen, andere Unternehmen im Geschäftsverkehr dazu aufzufordern, ihnen ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren. Dasselbe Verbot gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen (§ 20 Abs. 3 Satz 2 GWB 2007).
31Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob F. auf dem vom Bundeskartellamt abgegrenzten deutschen Beschaffungsmarkt für Schaumwein als relativ marktstarkes Unternehmen über die erforderliche Normadressateneigenschaft verfügt. Auch kann dahin stehen, ob ein Vorteil im Sinne § 20 Abs. 3 Satz 2 GWB 2007 jede vermögenswerte Leistung des Anbieters an den Nachfrager ist, die über das Vereinbarte hinausgeht (Nothdurft in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht Bd. 1, § 20 Rn. 153; Köhler WRP 2006, 139, 141 f.), oder ob eine objektive Besserstellung des Normadressaten im Vergleich zu seinen Wettbewerbern auf dem Nachfragermarkt zu fordern ist (Markert in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht Bd.2, § 19 Rn. 376; K. Westermann in MünchKomm, GWB, § 20 Rn. 126; Rixen in FK § 20 GWB 2005, Rn. 316, 317; wohl auch Loewenheim in Loewenheim/Messen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., § 20 Rn. 119). Selbst wenn zu Gunsten des Bundeskartellamts das Vorliegen der genannten Tatbestandsvoraussetzungen unterstellt wird, kann die angefochtene Verfügung keinen Bestand haben. Zum Teil sind F. die im Beschlusstenor als kartellrechtswidrig festgestellten Verhaltensweisen schon in tatsächlicher Hinsicht nicht anzulasten (siehe unter 1.); zum Teil ist das beanstandete Verhalten gegenüber den vier Sektherstellern sachlich gerechtfertigt (siehe unter 2. bis 4.).
321.
33Die vom Bundeskartellamt im Beschlusstenor unter I. Satz 2 Ziff. (3), (5), (7) und (9) als Verstoß gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 festgestellte Verhaltensweisen der F. stimmen nicht mit den tatsächlichen Feststellungen in den Beschlussgründen überein und haben auch durch die ergänzend vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme keine Bestätigung gefunden.
34a.
35Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung sind die im Beschlusstenor unter I. Satz 2 Ziffer (1) bis (9) konkret gegenüber allen vier Sektherstellern als kartellrechtswidrig festgestellten Verhaltensweisen der F..
36Der Beschlusstenor muss dem aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 37 Abs. 1 VwVfG folgenden Gebot der hinreichenden Bestimmtheit genügen, um dem Betroffenen in Bezug auf die Entscheidungswirkungen Rechtsicherheit und Rechtsklarheit zu geben. Die Verletzungsform ist daher so genau zu beschreiben, dass sich der Betroffene hiergegen erschöpfend verteidigen kann und die Bindungswirkung für einen etwaigen Schadensersatzprozess feststeht (§ 33 Abs. 4 Satz 1 GWB). Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des Beschlusstenors können durch einen als solchen zulässigen Rückgriff auf die Begründung des Feststellungstenors in den Beschlussgründen beseitigt werden. Umgekehrt scheidet ein Rückgriff auf die Beschlussgründe jedoch aus, wenn der Wortlaut des Feststellungsausspruchs eindeutig ist. Die Zielrichtung und Reichweite eines als solchen eindeutigen Beschlusstenors können daher nicht unter Heranziehung der Beschlussgründe geändert oder eingeschränkt werden.
37Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Feststellungsausspruch nur dahingehend verstanden werden, dass die unter I. Satz 2 (1) – (9) des Beschlusstenors als kartellrechtswidrig festgestellten Handlungen der F. gegenüber allen vier Sektherstellern begangen worden sind. In I. Satz 1 des Beschlusstenors hat das Bundeskartellamt allgemein festgestellt, dass F. im Jahr 2009 im Zuge der verlangten Sonderverhandlungen im Anschluss an die Übernahme der Q.-Filialen von den vier namentlich genannten Sektherstellern rechtswidrige Konditionenforderungen erhoben und damit gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 verstoßen hat. Im Anschluss daran konkretisiert das Amt den in der Tatbestandsalternative des Aufforderns festgestellten Verstoß und listet die einzelnen als kartellrechtswidrig eingestuften Verletzungshandlungen in Satz 2 unter Ziff. (1) – (9) auf. Irgendwelche Einschränkungen des Inhalts, dass einzelne Kartellverstöße entgegen der in Satz 1 getroffenen Feststellung nicht gegenüber allen vier Sektherstellern begangen worden sind, sondern nur gegenüber einzelnen von ihnen, ergeben sich aus dem Tenor nicht. Er ist damit eindeutig, so dass es sich aus den genannten Gründen der Rechtssicherheit und –klarheit verbietet, die nahezu 200 Seiten umfassende Entscheidung für eine etwaige Einschränkung des Feststellungstenors heranzuziehen. Eine vom Bundeskartellamt geltend gemachte „Überfrachtung des Tenors“ liegt keinesfalls vor, wenn die einzelne Verletzungshandlung um einen herstellerbezogenen Zusatz ergänzt wird, der etwa hätte lauten können: “ ….so nur gegenüber dem Sekthersteller X und Y“.
38b.
39Ausgehend von diesen Voraussetzungen tragen die Beschlussgründe hinsichtlich aller vier Sekthersteller schon in tatsächlicher Hinsicht nicht die unter I. Satz 2 Ziff. (3), (5), (7) und (9) jeweils als kartellrechtswidrig festgestellten Verhaltensweisen der F..
40aa.
41Als kartellrechtswidrig festgestellt hat das Bundeskartellamt in I. Satz 2 Ziff. (3) des Beschlusstenors, die nicht nachvollziehbare Darstellung und Begründung der Forderungen im Rahmen des Bestwertabgleichs und des Sortimentserweiterungsbonus. Die Sekthersteller seien lediglich mit fixen Forderungsbeträgen konfrontiert worden, weshalb für sie nicht zu erkennen gewesen sei, wie der Forderungsbetrag der Höhe nach zustande gekommen sei bzw. für welche Artikel in welchen zusätzlichen Filialen eine Ausweitung ihrer Listungen tatsächlich vorgenommen werden sollten.
42Der Vorwurf der Intransparenz und der unzureichenden Begründung der Forderungen ist nicht gerechtfertigt. Der vom Bundeskartellamt festgestellte Kartellverstoß wird durch die tatsächlichen Feststellungen nicht bestätigt.
43(1) Bestwertabgleich
44Gegenüber dem Schaumweinhersteller G. scheidet ein auf die Intransparenz und unzureichende Begründung der Forderung gestützter Verstoß gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 schon allein deshalb aus, weil F. von G. weder eine durch einen Vergleich der Einkaufspreise zwischen Q. und F. ermittelte Ausgleichszahlung noch eine Herabsetzung der Einkaufspreise für bestimmte Artikel verlangt hat. Ursächlich hierfür war, dass die Einkaufspreise sämtlicher bei Q. gelisteter G.-Artikel über den Einkaufspreisen der F. lagen (Beschluss Rn. 327).
45Soweit F. S.-N., I. und T. X. zu Beginn der Sonderverhandlungen mit einer durch den Bestwertabgleich ermittelten Herabsetzung der Einkaufspreise für bestimmte Artikel und der Zahlung eines Ausgleichsbetrages (S.-N.: … €, I.: … €, T. X.: … €) konfrontiert hat, ist der Vorwurf der fehlenden Transparenz und Begründung nicht berechtigt. Zwar hat das Bundeskartellamt in der angefochtenen Verfügung (dort Rn. 343-346) ausgeführt, den Schaumweinherstellern sei die Herleitung und Berechnung der „Bestwert-Forderung“ nicht erläutert worden, weshalb sie die Forderungssumme nicht hätten nachvollziehen und überprüfen können. Nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich indes ein völlig anderes Bild. Hiernach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass S.-N., I. und T. X. von F. erläutert worden ist, welche Preise für welche Artikel zu welchem Zeitpunkt im Rahmen des Bestwertabgleichs verglichen worden sind und anhand welcher Umsatzzahlen die Bestwertforderung errechnet worden ist. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen H. und A. haben etwa 3 bis 4 Wochen vor Beginn der Sonderverhandlungen Vorgespräche zwischen dem Zeugen H. in seiner Funktion als Warenbereichsleiter der F. für Wein und Sekt und den Key-Account Managern der Sekthersteller stattgefunden. Inhalt der Vorgespräche war es, die Preisebenen der Einkaufspreise von F. und Q. zu vergleichen. So hat der Zeuge H. glaubhaft bekundet, hinsichtlich des Bestwertabgleichs sei es in den Vorgesprächen darum gegangen, die Preisebene der Einkaufspreise von F. und Q. zu vergleichen. Für F. sei die relevante Größe der „O.-frei Lager-Preis“ gewesen. Durch die Vorgespräche habe abgeklärt werden sollen, ob es sich bei den zum Vergleich herangezogenen Q.-Einkaufspreisen auch um „O.-frei Lager-Preise“ handelte oder nicht. Nach den überzeugenden Aussagen der Zeugen H. und A. steht ferner fest, dass im Anschluss an diese Vorgespräche im Beisein des Zeugen A. sog. Erstgespräche mit den Sektlieferanten geführt worden sind. Im Rahmen dieser Gespräche sind – so die übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen H. und A. – die Forderungen der F. zum Bestwertabgleich anhand von Folien bzw. einer Power-Point-Präsentation erläutert worden. Der Zeuge A. hat auf Vorhalt von Bl. 106 bis 111 der Amtsentscheidung insbesondere die nachfolgenden Folien wieder erkannt und bestätigt, dass es sich hierbei um die in den Erstgesprächen präsentierten Folien handelt und die handschriftlichen Notizen von ihm stammen:
46………………
47Der Zeuge H. hat zudem bekundet, den Sektherstellern sei anhand der Folien mitgeteilt worden, mit welchem Flaschenumsatz F. zukünftig rechne und welche Forderung daher aus dem Bestwertabgleich folge. Nach seiner Erinnerung seien pro Sekthersteller etwa 10 aus Sicht von F. wesentliche Produkte durchgesprochen worden. Die Bekundungen der Zeugen H. und A. werden durch die Aussagen der Zeugen Dr. C., I. und J. bestätigt. Alle drei Zeugen sind ebenso wie der Zeugen M. sowohl durch das Bundeskartellamt als auch durch den Senat ergänzend vernommen worden. Vor ihrer Vernehmung durch den Senat sind ihnen das Protokoll über ihre vorangegangene Vernehmung durch das Bundeskartellamt mit der Bitte ausgehändigt worden, es sorgfältig durchzulesen und auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durchzusehen. Alle vier Zeugen haben sodann zu Beginn ihrer Vernehmung durch den Senat die Richtigkeit ihrer seinerzeit protokollierten Aussage bekräftigt.
48Der Zeuge Dr. C. hat bei seiner Vernehmung durch das Bundeskartellamt bekundet, abgesehen vom Bestwert sei eine Herleitung der geforderten Beträge bzw. Prozentsätze gegenüber I. nicht erläutert worden (Bl. 946 Verf.Akte). Hieraus folgt, dass jedenfalls die Herleitung des Bestwertabgleichs erläutert worden ist. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Erläuterung des Bestwertabgleichs unzureichend war oder von dem Zeugen als unzureichend empfunden worden ist, bestehen nicht. Rückfragen des Zeugen zur weiteren Erläuterung des Bestwertabgleichs hat es nicht gegeben.
49Auch die vom Amt protokollierte Aussage des Zeugen I. bestätigt, dass die Methodik des Bestwertabgleichs erläutert worden ist. Zwar hat der Zeuge I. bekundet, die Begründungen der F. für den Bestwertabgleich seien für ihn im Hinblick auf den Vergleichspreis nicht nachvollziehbar gewesen (Bl. 1038 Verf.Akte). Aus dem weiteren Kontext der Aussage ergibt sich aber, dass der Zeuge damit nicht eine Intransparenz und unzureichende Begründung der Forderung meinte. Vielmehr hielt er den für den Bestwertabgleich herangezogenen Vergleichspreis aus dem Jahr 2007 für nicht berechtigt, weil seiner Meinung nach der Vergleichspreis aus dem Jahr, in dem die Fusion vollzogen worden ist, zu Grunde gelegt werden musste (Bl. 1038 Verf.Akte). Konnte der Zeuge I. aber –wie dargelegt - dezidierte Einwände gegen die Bestwertforderung der F. erheben, war die Methodik und Berechnung des Bestwertabgleichs für ihn nachvollziehbar und überprüfbar.
50Gleiches gilt für den Zeugen J.. Er hat bekundet, Hauptdiskussionspunkt in den Verhandlungen seien a) die Stichtage, zu denen der Bestwertabgleich durchgeführt werden sollte, und b) die Basis (O.-Netto-Preis oder O.-Netto-Umsatz), aufgrund derer dieser Vergleich durchgeführt werden sollte (Bl. 1237 Verf.A). In einem Schreiben an den Zeugen H. vom 16.02.2009 setzt sich der Zeuge J. zudem detailliert mit den Berechnungsgrößen des Bestwertabgleichs auseinander (Bl. 1246 Verf.A). Hierzu wäre er nicht in der Lage gewesen, wenn F. die Herleitung und Berechnung der „Bestwert-Forderung“ zuvor nicht erläutert hätte.
51(2) Sortimentserweiterungsbonus
52Der Vorwurf der intransparenten und für die Lieferanten nicht nachvollziehbare Darstellung und Begründung des Sortimentserweiterungsbonus ist in tatsächlicher Hinsicht nicht zutreffend.
53F. hat die Forderung nach einem Sortimentserweiterungsbonus gegenüber den Sektherstellern begründet. Dies folgt bereits aus den Feststellungen des Amtes in der angefochtenen Verfügung. Danach hat F. den Sortimentserweiterungsbonus für die Jahre 2009 und 2010 mit Listungsausweitungen begründet, die aufgrund der Umstellung der Q.-Filialen auf das O.-Sortiment zu erwarten seien (Beschluss Rn. 447). Hiermit überein stimmen die Bekundungen der Zeugen H. und A., wonach den Sektherstellern zum Thema Sortimentserweiterungsbonus erklärt worden sei, dass die Fusion Möglichkeiten schaffe, Sortimente zu erweitern und zu vervollständigen. Der Zeuge H. hat zudem ausgesagt, den Sektherstellern seien in den Erstgesprächen die wirtschaftlichen Konsequenzen etwaiger Sortimentserweiterungen aufgezeigt worden. Angesprochen war damit zum einen der erwartete Mehrumsatz von Lieferanten, die bislang bei O. mit mehr Artikeln gelistet waren als bei Q., so dass sie durch die Eingliederung von über 2.000 Q.-Filialen in das O.-Vertriebssystem ihre Absatzmöglichkeiten steigern konnten, und zum anderen der mögliche Mehrumsatz durch die Listung neuer Artikel. Diese Begründung war für die Sekthersteller ohne weiteres nachvollziehbar, wie sich aus den Aussagen der Zeugen I. (Bl. 1038 Verf.A), J. (Bl. 1238 Verf.A) und M. (Bl. 1116 Verf.A) beim Bundeskartellamt ergibt. So hat der Zeuge J. ausgesagt, der Sortimentserweiterungsbonus sei für Artikel gefordert worden, die bei O. gelistet waren und in den ehemaligen Q.-Märkten gelistet werden sollten, da die Sortimente bezogen auf das Produktangebot von T. X. nur teilweise deckungsgleich gewesen seien. Der Zeuge M. hat ausgesagt, er habe eine Listungsausweitung für den Weinartikel „…“ als Gegenleistung durchsetzen können, weil es für G. bei der Umstellung der ehemaligen Q.-Filialen auf das O.-Konzept keine Erweiterung des Sortiments gegeben habe. Der Zeuge I. hat schließlich ausgesagt, der Sortimentserweiterungsbonus sei eine „Listungsgebühr“ für Sortimentsbestandteile gewesen, die vor der Fusion bei O. nicht gelistet gewesen seien. Darüber hinaus sei der Bonus eine Vergütung für die zusätzliche Distribution in den übernommenen Q.-Filialen. Beide Leistungen seien durch die Jahresvereinbarung noch nicht abgegolten gewesen.
54Dass der seinerzeit für I. tätige Zeuge Dr. C. im Gegensatz zu allen anderen Zeugen ausgesagt hat, ihm sei kein Grund für den Sortimentserweiterungsbonus genannt worden, ist nicht glaubhaft. Im Übrigen ist die Formulierung „Sortimentserweiterungs“bonus selbsterklärend und trifft eine nachvollziehbare Aussage über den Grund der verlangten Zahlung. Dies musste ohne Zweifel auch dem Zeugen Dr. C. als Mitglied der Geschäftsleitung mit der Zuständigkeit für Verkauf, Logistik und Produktion und damit als Branchenkenner klar sein.
55Dass F. den Sektherstellern nicht mitgeteilt hat, nach welcher Berechnungsmethode sie die jeweils geforderte Bonuszahlung ermittelt hat, und von selbst keine konkreten Vorschläge für zusätzliche Listungen gemacht hat, begründet den Vorwurf der Intransparenz und der unzureichenden Begründung der Forderung nicht. So sind schon keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es in dem hier betroffenen Wirtschaftszweig üblich ist, näher zu erläutern, nach welcher Berechnungsmethode ein Sortimentserweiterungsbonus der Höhe nach ermittelt worden ist. Gegen eine solche Gepflogenheit spricht vielmehr, dass keiner der vier Sekthersteller gegenüber F. die Intransparenz der Forderung beanstandet und eine Erläuterung der zu Grunde gelegten Berechnungsmethode verlangt hat. Sie sind vielmehr sofort nach Präsentation der Forderung in Verhandlungen eingetreten und haben – so auch die Bekundungen der Zeugen H. und A. - ihrerseits Vorschläge zu zusätzlichen Listungen gemacht. Hinzu kommt, dass der verlangte Bonus auf einer Prognose von Mehrumsätzen und einer daraus resultierenden Gewinnsteigerung der Hersteller beruht. Eine solche Prognose ist naturgemäß sehr vage und mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Da den Sektherstellern der Grund für die geforderte Bonuszahlung und ihre Höhe mitgeteilt worden war, konnten sie aufgrund ihrer eigenen Zahlen und Umsatzerwartungen kalkulieren. Soweit der Zeuge Dr. C. bekundet hat, eine Prognose der fusionsbedingt zu erwartenden Mehrumsätze habe außerhalb der betriebswirtschaftlichen Betrachtung von I. gelegen (Protokoll S. 17), so überzeugt diese Aussage, für die keine plausible Begründung ersichtlich ist und jeder Lebenserfahrung widerspricht, nicht.
56Überdies fehlen jegliche Feststellungen des Amtes dazu, aus welchem Grund die als kartellrechtswidrig beanstandete Intransparenz Ausdruck von Marktmacht der F. sein soll. Dass bei einem nicht marktmächtigen Nachfrager die vermisste Aufschlüsselung des Sortimentserweiterungsbonus nach den prognostizierten Mehrumsätzen und der Berechnungsmethode zu erwarten gewesen wäre, hat das Bundeskartellamt weder festgestellt, noch sind sonst irgendwelche Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.
57bb.
58Die angefochtene Verfügung hat in I. Satz 2 Ziff. (5) die einseitige Festlegung und Umsetzung neuer Zahlungsziele als kartellrechtswidrig festgestellt. Jedoch ergibt sich aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung eine solche Verhaltensweise nicht.
59Von S.-N. hat F. schon keine Anpassung des bisher vereinbarten Zahlungsziels an das mit U. für die Q.-Filialen vereinbarte Zahlungsziel verlangt. F. ist lediglich an I., G. und T. X. mit dem Ziel herangetreten, eine Anpassung des Zahlungsziels zu erreichen. Allerdings kann nicht von einer „einseitigen Festlegung“ eines neuen Zahlungsziels gesprochen werden. F. hat die Verlängerung des jeweiligen Zahlungsziels explizit von der Zustimmung der drei Sekthersteller abhängig gemacht hat und ist nach Widerspruch in Verhandlungen eingetreten. Gegenüber I. hat F. mit Brief vom 22.01.2009 die Bitte geäußert, das mit Q. vereinbarte Zahlungsziel von .. Tagen mit sofortiger Wirkung bei den Lastschriften einheitlich anzuwenden (Bl. 960 Verf.A). Aus der maßgeblichen Sicht des Empfängers konnte diese Formulierung schon deshalb nicht als einseitige Festlegung eines neuen Zahlungsziels verstanden werden, weil eine Änderung des ursprünglich vertraglich Vereinbarten den übereinstimmenden Willen beider Vertragsparteien voraussetzt. I. ist daher der Bitte von F. auch nicht nachgekommen, sondern hat mit Schreiben vom 30.01.2009 (Bl. 959 Verf.Akte) einer Anpassung des Zahlungsziels ausdrücklich widersprochen. Erst in anschließenden Gesprächen kam es zu einer Verständigung auf ein Zahlungsziel von .. anstelle von .. Tagen.
60G. hat F. mit Schreiben vom 26.01.2009 mitgeteilt, dass das mit Q. vereinbarte Zahlungsziel von .. Tagen nach ihren Vorstellungen ab sofort Geltung haben soll, jedoch nur wenn G. damit einverstanden ist (Bl. 1157 Verf.Akte). Ähnlich ist das an T. X. adressierte Schreiben vom 22.01.2009. Darin hat F. ausgeführt: “Ihre Zustimmung vorausgesetzt, werden wir mit sofortiger Wirkung das Zahlungsziel von .. Tagen bei der Regulierung ihrer Rechnungen anwenden“ (Bl. 1245 Verf.Akte).
61Soweit die vom Bundeskartellamt festgestellte Verletzungshandlung auch die „einseitige Umsetzung“ neuer Zahlungsziele zum Gegenstand hat, ist diese Verhaltensweise von dem unter I. Satz 1 festgestellten Verstoß gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 nicht erfasst. Das Bundeskartellamt hat ausschließlich das Erheben von rechtswidrigen Konditionenforderungen im Rahmen der Sonderverhandlungen im Jahr 2009 und damit allein die Tatbestandsalternative des „Aufforderns“ zur Gewährung sachlich nicht gerechtfertigter Vorteil zum Gegenstand der Verfügung gemacht, wie sich auch aus den Beschlussgründen (dort Rn. 492 ff.) ergibt. Im Übrigen fehlt es auch insoweit an einem „einseitigen“ Vorgehen der F..
62cc.
63Nach der in I. Satz 2 Ziff. (7) getroffenen Feststellung sieht das Bundeskartellamt einen Kartellverstoß darin, dass der geforderten Zahlung eines Synergiebonus und einer Partnerschaftsvergütung offensichtlich keine Gegenleistungen gegenüberstanden. Die Höhe des verlangten Synergiebonus von 0,5 % des Gesamtlieferumsatzes mit F. und Q. im Jahr 2007 sowie der Partnerschaftsvergütung in Höhe von 4 % des bisherigen Q.-Umsatz des Lieferanten für die Jahre 2009 und 2010 ist daher nicht Gegenstand des Feststellungsausspruchs und infolgedessen auch nicht Gegenstand der Überprüfung.
64Das beanstandete offensichtliche Fehlen einer Gegenleistung findet in den Feststellungen des Amtes in tatsächlicher Hinsicht keine Bestätigung.
65(1)
66Es kann nicht festgestellt werden, dass dem geforderten Synergiebonus offensichtlich, d.h. bereits auf erste Sicht und zweifelsfrei, keine messbaren Synergievorteile der Sekthersteller und damit keine Gegenleistungen gegenübergestanden haben.
67Durch die in Rede stehende Integration der Q.-Filialen in das O.-Vertriebssystem der F. waren Synergievorteile durch Kosteneinsparungen der Sekthersteller denkbar und nicht von vornherein ausgeschlossen. Wie der Zeuge A. ausgesagt hat, treten Kosteneinsparungen im Grundsatz bei jeder Fusion ein (Bl. 1201 GA). Vorliegend hat er solche Kosteneinsparungsmöglichkeiten insbesondere darin gesehen, dass zukünftig größere Mengen abgesetzt werden könnten. Auch die Zeugen Dr. C. (Bl. 1210 GA), I. (Bl. 1212 GA) und M. (Bl. 1116 Verf.Akte) haben im Grundsatz den Eintritt fusionsbedingter Vorteile bestätigt, auch wenn sie im Ergebnis bezifferbare Synergieeffekte für das von ihnen repräsentierte Unternehmen verneint haben.
68Es kann hier dahinstehen, ob den Sektherstellern fusionsbedingte Einsparpotentiale dadurch entstehen konnten, dass sie – so die Aussage des Zeugen H. (Protokoll Seite 5) – zukünftig einen Kunden weniger zu betreuen und infolgedessen auch ein Jahresgespräch weniger zu führen hatten, oder ob solche Synergieeffekte ausgeschlossen waren, weil F. nur einen Teil des Vertriebsnetzes von U. erworben hatte, mithin U. von den Sektlieferanten mit seinem verbleibenden Vertriebsnetz in Jahresgesprächen und Abwicklungsprozessen weiterhin zu betreuen war. Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass die Integration der Q.-Filialen offensichtlich keine positiven Effekte auf die Transportkosten der Sektlieferanten hatte. Nach der Planung von F. sollte die Zahl der zu beliefernden Lager reduziert werden. Sind von den Sektherstellern künftig aber weniger Lagerstandorte als bisher anzufahren, besteht die Möglichkeit, die Auslastung der LKW zu optimieren und damit die Transportkosten zu reduzieren. Dieser Effekt wird im Grundsatz durch die Aussage des Zeugen I. vor dem Senat bestätigt. Nach seiner Einschätzung konnten durch die Fusion Vorteile daraus erwachsen, dass sich infolge von Lagerschließungen Logistikkosten reduzieren, weil statt halb gefüllter LKW zukünftig vollbeladene LKW transportieren können. Für S.-N. hat der Zeuge I. zwar den Eintritt eines solchen Vorteil verneint, weil schon vor der Fusion ganz überwiegend volle LKW-Ladungen bewegt worden seien (Bl. 1212 GA). Kommt es aber für den Eintritt von Kosteneinsparungen darauf an, wie die LKW der Sektlieferanten bisher ausgelastet waren und unter Umständen auch welche Vereinbarungen bezüglich der Transportkosten mit F. getroffen worden waren, kann keine Rede davon sein, dass dem zu Beginn der Sonderverhandlungen verlangten Synergiebonus offensichtlich keine Gegenleistung gegenüberstand. Vielmehr war erst in den anschließenden Gesprächen aufgrund der konkreten Vertriebsstruktur des jeweiligen Sektherstellers zu klären, ob und in welchem Umfang Einsparungen bei den Transportkosten möglich waren.
69Überdies sind Kosteneinsparungen durch fusionsbedingte Fixkostendegressionseffekte durch Umsatzsteigerungen insbesondere bei Rohstoff- und Verpackungsmaterialbeschaffung ebenso wenig von vornherein ausgeschlossen, wie Kostenvorteile bei den Werbeausgaben, weil – so die Aussage des Zeugen H. (Bl. 1196 GA) – zukünftig keine nationale Werbung mehr für die Q.-Filialen anfallen würde.
70(2)
71Nicht gefolgt werden kann dem Bundeskartellamt darin, dass der von F. verlangten Partnerschaftsvergütung offensichtlich keine Gegenleistung gegenüberstand.
72Gestützt hat F. das Fordern einer Partnerschaftsvergütung auf die Renovierung und Modernisierung der Q.-Filialen infolge ihrer Einbindung in das O.-Konzept, wie sich aus den Feststellungen des Amtes und insbesondere auch aus den Aussagen der Zeugen Dr. C. (Bl. 947 Verf.Akte) und J. (Bl. 1238 Verf.Akte) ergibt. Ob eine verbesserte Warenpräsentation in einem renovierten und modernisierten Umfeld eine anzuerkennende Gegenleistung für eine Partnerschaftsvergütung sein kann, ist eine näher zu untersuchende Frage und keinesfalls auf erste Sicht zu verneinen. Zwar ist die Attraktivität der Filialen ebenso wie ihre Renovierung und Modernisierung im Ausgangspunkt Sache des Handels. Es liegt in seinem Interesse, die Ware attraktiv für den Endkunden in Erwartung von Umsatzsteigerungen zu präsentieren. Allerdings liegen die Attraktivität der Warenpräsentation und die hierdurch positiv beeinflussten Absatzchancen gleichermaßen auch im Interesse der Lieferanten. Es wird daher durchaus die Ansicht vertreten, dass die Schaffung, der Ausbau oder die Modernisierung der Absatzkanäle die Gewährung eines Vorteils grundsätzlich rechtfertigen kann (so Säcker/Mohr WRP 2010, 24; a.A. Köhler WRP 2006, 143; Nothdurft in Langen/Bunte, aaO., § 19 Rn. 176 f.). Dass die höhere Attraktivität der alten Q.-Filialen weder lieferanten-, noch warengruppen- oder artikelbezogen ist, so wie das Bundeskartellamt geltend macht, spielt keine Rolle. Voraussetzung ist allein, dass der Nachfrager dem Lieferanten für den geforderten Vorteil eine angemessene Gegenleistung anbietet. Die Gegenleistung der F. für die geforderte Partnerschaftsvergütung ist vorliegend für alle Lieferanten gleich und liegt in der Schaffung einer höheren Attraktivität der alten Q.-Filialen durch Renovierung und Modernisierung und der damit verbundenen Erwartung verbesserter Absatzchancen. Ob dieser Vorteil allein dadurch abgeschöpft wird, dass F. über den vereinbarten Mengenrabatt am steigenden Umsatz in den modernisierten Q.-Filialen partizipiert oder ob die Modernisierung einen Mehrwert enthält, dem eine Gegenleistung (Partnerschaftsvergütung) gegenüber steht, hängt stets von den konkreten Umständen des Falles ab. Dies gilt umso mehr, als wegen des deutlich höheren Aktionsanteils bei O. in den ehemaligen Q.-Filialen zukünftig mehr Verkaufsaktionen durchgeführt wurden und die Sektlieferanten hierdurch die Möglichkeit erhielten, Zusatzumsätze zu generieren (Beschluss Rn. 415). Vor diesem Hintergrund hat F. keinen Sortimentserweiterungsbonus gefordert, dem offensichtlich keine Gegenleistung gegenüberstand.
73dd.
74Schließlich findet auch das in I. Satz 2 Ziff. (9) als rechtswidrig festgestellte Fordern besserer Konditionen während der Laufzeit geltender Jahresvereinbarungen in den Beschlussgründen keine Bestätigung.
75Das Bundeskartellamt geht davon aus, F. habe gegenüber ihren Wettbewerbern einen Vorteil beim Wareneinkauf erlangt, weil ihre Wettbewerber zum Zeitpunkt der von F. geführten Sonderverhandlung keine Möglichkeit hatten, vergleichbare Kondition von den Sektlieferanten zu fordern oder auch nur die laufenden Jahresverträge abzuändern (Beschluss Rn. 501). Eine solche Situation lag hier jedoch nicht vor. Zwar kann der Tatbestand des § 20 Abs. 3 GWB 2007 erfüllt sein, wenn ein nachfragestarkes Unternehmen, ohne dass hierfür ein zivilrechtlicher Anspruch besteht, seine Lieferanten dazu bewegt, für in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte andere, ihnen ungünstigere Lieferkonditionen zu vereinbaren und Ausgleichszahlungen zu leisten, da seine Wettbewerber diese Möglichkeit, in laufende Verträge mit Rückwirkung einzugreifen, nicht haben (BGH WuW/E DE-R 984, juris: Rn. 37 – Konditionenanpassung). F. hat mit den von den Sektlieferanten geforderten Konditionenanpassungen und Sonderzahlungen nicht in laufende Verträge mit Rückwirkung eingegriffen, ohne dass sie hierauf einen zivilrechtlichen Anspruch hatte. Die Sonderverhandlungen zwischen F. und den Sektherstellern wurden schwerpunktmäßig im März 2009 geführt; der Abschluss der Sonderverhandlungen erfolgte im April 2009. Zwar hatte sich F. zeitlich vorher schon mit den Sektherstellern in den Jahresgesprächen 2009 über die Konditionen für das Geschäftsjahr 2009 geeinigt. Jedoch enthielten diese Vereinbarungen einen Vorbehalt, der im Hinblick auf die bevorstehende Integration der Q.-Filialen ein Nachverhandeln der Konditionen in einer Sonderrunde der Jahresgespräche 2009 ausdrücklich gestattete. Der Vorbehalt war in dem an die Sekthersteller adressierten Schreiben der F. enthalten, in welchem sie das Verhandlungsergebnis der Jahresgespräche 2009 bestätigte (Bl. 984, 1060, 1131 Verf.Akte, Aussage J. Bl. 1237 Verf.Akte). Die Sekthersteller haben diesem Vorbehalt nicht widersprochen, so dass er nach den Grundsätzen des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben zwischen dem jeweiligen Sekthersteller und F. wirksam vereinbart worden ist.
76Der Vorbehalt selbst und das anschließende Nachverhandeln sind überdies kartellrechtlich unbedenklich, weil F. ein berechtigtes Interesse hat, das überwiegende Geschäftsjahr 2009 (beginnend ab dem 2. Quartal) mit Konditionen abzuwickeln, die dem fusionsbedingten erheblichen Zuwachs des Filialnetzes Rechnung tragen.
77Soweit der Vorwurf des Amtes (auch) darauf gerichtet ist, dass F. die besseren Konditionen rückwirkend ab dem 1.1.2009 gefordert hat, ist dieses Verhalten nicht von I. Satz 2 Ziff. (9) , sondern allein von dem Ausspruch unter I. Satz 2 Ziff. (4) erfasst. Gegenstand von I. Satz 2 Ziff. (9) ist allein das Fordern besserer Konditionen während der Laufzeit geltender Jahresvereinbarungen.
78c.
79Soweit Gegenstand von I. Satz 2 Ziff. (1), (2) und (6) des Beschlusstenors die Methodik des sog. Bestwertabgleich ist, also die Heranziehung mehrerer zeitlich gestaffelter Stichtage für einen Abgleich der F.- und Q.-Konditionen und der sich daraus ergebende Konditionenabgleich der zu verschiedenen Zeitpunkten jeweils geltenden Konditionen (Ziff. (1)), die Auswahl der Stichtag, die deutlich vor dem Vollzug des Zusammenschlusses und dem Beginn der Sonderverhandlungen lagen (Ziff. (2)) und die Anpassung der F.-Konditionen an die jeweils günstigeren Konditionenbestandteile von Q. ohne Berücksichtigung des Gesamtkonditionen-pakets (Ziff. (6)), liegt nach den eigenen Feststellungen des Amtes gegenüber G. ein hierauf gestützter Kartellverstoß nicht vor. F. hat von G. weder eine Anpassung der Einkaufspreise an Q.-Preise noch eine Ausgleichszahlung verlangt. Die Q.-Preise für sämtliche dort gelisteten G.-Artikel lagen nach den Feststellungen des Amtes jeweils über den Einkaufspreisen der F. (Beschluss Rn. 327).
802.
81Ein Verstoß gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 ist entgegen den Ausführungen des Amtes auch nicht darin begründet, dass F. gegenüber den übrigen drei Sektherstellern (S.-N., I. und T. X.) den hier in Rede stehenden Bestwertabgleich entsprechend den in I. Satz 2 Ziff. (1), (2) und (6) festgestellten Verhaltensweisen durchgeführt und eine Anpassung ihrer Einkaufspreise an die niedrigeren Einkaufspreise von Q. sowie eine Ausgleichszahlung verlangt hat, ohne das Gesamtkonditionenpaket zu berücksichtigen.
82Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts hat F. zu Beginn der Sonderverhandlungen S.-N., I. und T.-X. mit einer durch den Bestwertabgleich ermittelten Herabsetzung der Einkaufspreise für bestimmte Artikel und der Zahlung eines Ausgleichsbetrages konfrontiert. So stand im Verhältnis zu S.-N. eine Anpassung der Einkaufspreise für die Artikel „…“ und „…“ sowie eine Ausgleichszahlung in Höhe von … € im Raum (Beschluss Rn. 322). Von I. forderte F. die Reduzierung des Einkaufspreises für „…“ und eine Ausgleichszahlung in Höhe von … € (Beschluss Rn. 322). T. X. wurde zu Beginn der Sonderverhandlungen eine Preisanpassung für den Artikel „… alkoholflrei, 0,75 l“ in Höhe von … € n/n sowie das Verlangen nach einer Ausgleichszahlung in Höhe von … € präsentiert (Beschluss Rn. 328 u. Seite 111).
83Wie bereits ausgeführt, kann hier dahin stehen, ob F. – so wie vom Bundeskartellamt angenommen – als relatives marktstarkes Unternehmen über die erforderliche Normadressateneigenschaft verfügt, weil die genannten Sekthersteller auf dem deutschen Beschaffungsmarkt für Schaumwein von F. mangels Vorliegen ausreichender und zumutbarer Ausweichmöglichkeiten abhängig sind. Auch bedarf es keiner Entscheidung dazu, ob F. die Sekthersteller zur Gewährung eines Vorteils im Sinne von § 20 Abs. 3 GWB 2007 aufgefordert hat. Ein Verstoß gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 und damit eine missbräuchliche Ausnutzung einer etwaigen marktstarken Stellung der F. scheitert in jedem Fall daran, dass die vom Bundeskartellamt beanstandeten Verhaltensweisen sachlich gerechtfertigt sind.
84a.
85Der Anwendbarkeit von § 20 Abs. 3 GWB 2007 steht zunächst nicht entgegen, dass sich die von S.-N. und I. verlangte Anpassung der Einkaufspreise nicht auf Schaumwein, sondern insbesondere bei „…“ und „…“ auf sonstige, nicht zum Schaumweinmarkt gehörende Spirituosen bezieht.
86Allerdings überzeugen die diesbezüglichen Ausführungen des Amtes in seinem Schriftsatz vom 9. Juli 2015 (dort Seite 10 f.) nicht. Das Amt führt insoweit aus, die Abhängigkeit der Sekthersteller von F. auf dem Markt für Schaumwein bewirke eine relative Marktmacht der F. über den Bereich der Sektprodukte hinaus, da die betreffenden Hersteller dort den Kernbereich ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hätten. Offenbar will das Bundeskartellamt damit geltend machen, F. habe nicht ihre relative Marktmacht auf dem Schaumweinmarkt ausgenutzt, sondern auf anderen nicht näher abgegrenzten Märkten, wobei die auf dem Schaumweinmarkt bestehende Marktmacht auf die anderen Märkte deshalb zu übertragen sei, weil die betreffenden Hersteller den Kernbereich ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit bei der Herstellung von Schaumwein haben. Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob die relative Marktmacht eines Anbieters ohne weitere Ermittlungen zu den konkreten Marktverhältnissen auf andere Produktmärkte allein deshalb übertragen werden kann, weil die von dem Nachfrager abhängigen Unternehmen den Kernbereich ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem beherrschten (Ausgangs-)Markt haben. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil die benachbarten Produktmärkte weder sachlich noch räumlich abgegrenzt und auch die konkreten Marktverhältnisse und Marktteilnehmer unbekannt sind. Darüber hinaus handelt es sich bei diesem neuen Vorbringen des Amtes um ein unzulässiges Auswechseln der Beschlussgründe. Ein sog. Nachschieben von Gründen kommt nur dort in Betracht, wo der Regelungsgegenstand des Verwaltungsaktes selbst nicht verändert wird (BGH WuW/E DE-R 399, juris Rn. 12 – Verbundnetz I; BGH WuW/E BGH 2869, juris Rn. 32 - Pauschalreisen-Vermittlung II). Gegenstand der angefochtenen Verfügung ist ein Verstoß der F. gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 durch die in I. Satz 2 Ziff. (1), (2) und (6) genannten Verhaltensweisen auf dem Nachfragermarkt für Schaumwein. Damit sind die festgestellten Verletzungshandlungen und der Regelungsgehalt der Verfügung entsprechend beschränkt. Die Frage, ob F. durch die festgestellten Verhaltensweisen auch oder stattdessen ein Marktmissbrauch auf anderen Produktmärkten anzulasten ist, betrifft einen anderen Sachverhalt und ist deshalb für die gerichtliche Beurteilung der angefochtenen Verfügung ohne Bedeutung, da das Gericht die Verfügung anderenfalls in ihrem Wesen verändern würde.
87Auf das nachgeschobene Vorbringen des Amtes kommt es hier aber auch deshalb nicht an, weil das Missbrauchsverbot des § 20 Abs. 1 GWB 2007 auch Drittmarktbeeinträchtigungen erfassen kann. Das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung gilt nicht nur für den Markt, auf dem die marktbeherrschende Stellung besteht, sondern auch für den Markt, auf dem sich die Machtstellung auswirkt (BGHZ 83, 238, 243, juris Rn. 31 – Meierei-Zentrale; BGHZ 33, 259, 263 – Molkereigenossenschaft). Die Beeinträchtigung muss daher nicht auf dem beherrschten Markt, sondern kann auch auf einem Drittmarkt eintreten, sofern der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Marktbeherrschung und dem missbilligten Verhalten oder seiner wettbewerbsbeeinträchtigenden Wirkung gegeben ist (BGH WuW/E DE-R 1210, juris Rn. 22 – Strom und Telefon II). Auf diese Weise wird missbräuchliches Verhalten auch auf nicht beherrschten Märkten erfasst.
88F. durfte daher ihre – hier unterstellte - Marktmacht auf dem deutschen Schaumweinmarkt (auch) nicht dazu ausnutzen, die Schaumweinhersteller auf benachbarten Märkten zur Herabsetzung der F. Einkaufspreise aufzufordern.
89b.
90Es kann auf sich beruhen, ob die an S.-N., I. und T.-X. zum Auftakt der Sonderverhandlungen gestellte Forderung nach einer durch den vom Bundeskartellamt als kartellrechtswidrig beanstandeten Bestwertabgleich ermittelte Preisanpassung für bestimmte Artikel und die Zahlung eines Ausgleichsbetrages ohne Berücksichtigung des Gesamtkonditionenpakets das Tatbestandsmerkmal des Aufforderns erfüllt. Jedenfalls ist dieses Vorgehen sachlich gerechtfertigt (siehe unter c.).
91aa.
92Nach Auffassung des Bundeskartellamts hat F. durch ihr Vorgehen bei den Sonderverhandlungen im Jahr 2009 gegenüber den vier Sektherstellern das Tatbestandsmerkmal des „Aufforderns“ erfüllt. Die Aufforderung sei durch das Ansetzen der Sonderverhandlungen, die Präsentation der neuen bzw. veränderten Konditionen mittels Folien sowie der anschließenden Korrespondenz mit den Sektlieferanten erfüllt (Beschluss Rn. 492). Zwar sei auch einem marktstarken Unternehmen ein sog. hartes Verhandeln gestattet, bei dem es mit einer (strategisch gezielt überzogenen) Forderung mit der Erwartung in Verhandlungen eintritt, dass nach einem längeren Verhandlungsprozess ein gemeinsames Ergebnis erzielt wird (Beschluss Rn. 494). Eine solche typische Verhandlungssituation wie etwa bei den Jahresgesprächen habe bezogen auf die Sonderverhandlungen 2009 jedoch nicht vorgelegen, weil den Forderungen keine konkreten Gegenleistungen gegenübergestellt und die Forderungen auch nicht als verhandelbar dargestellt worden seien (Beschluss Rn. 495, Beschwerdeerwiderung Seite 52).
93Diese Ausführungen halten einer Überprüfung nicht stand. Für das Tatbestandsmerkmals des Aufforderns ist nicht entscheidend, ob der Forderung eine konkrete Gegenleistung gegenübergestellt wird. Hierbei handelt es sich vielmehr um einen Aspekt, der im Rahmen der sachlichen Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Leistungsgerechtigkeit zu prüfen und dahingehend zu untersuchen ist, ob Nachfrager, die über eine entsprechende Marktmacht nicht verfügen, den in Rede stehenden Vorteil unter vergleichbaren Bedingungen in der Regel nicht verlangen können (Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 19 Rn. 378). Überdies entspricht es nicht dem tatsächlichen Ablauf der Sonderverhandlungen, wenn das Bundeskartellamt ausführt, F. habe die Forderung nach einer Ausgleichszahlung als nicht verhandelbar dargestellt. So haben sämtliche daran beteiligten Zeugen bekundet, dass die Sonderverhandlungen nach dem gleichen Muster verliefen wie die Jahresgespräche, bei denen regelmäßig über die Vertragskonditionen verhandelt wird. Nach der Aussage des Zeugen M. (Bl. 1115 Verf.Akte) entsprach der Ablauf der Sonderverhandlungen im Wesentlichen dem Ablauf der normalen Jahresgespräche. Auch die Teilnehmer waren die gleichen Personen. Der Aussage des Zeugen Dr. C. ist zu entnehmen, dass es durchaus den üblichen Gepflogenheiten bei den Jahresgesprächen entsprach, dass F. mit einer konkreten Forderung die Jahresverhandlung eröffnete (Bl. 946 Verf.Akte). Warum bei dieser Situation die Präsentation einer Forderung mittels Folien gegen eine Verhandlungsbereitschaft von F. sprechen soll (Beschluss Rn. 492), ist nicht zu erkennen und wird vom Bundeskartellamt auch nicht weiter begründet.
94F. selbst ging im Übrigen davon aus, dass sie die geforderten Zusatzzahlungen nicht in jedem Fall in voller Höhe und ohne weitere Verhandlungen von den Sektherstellern erhalten werden. Sie hat nach ihren internen Vorbereitungen und Berechnungen die Forderung und das untere Limit errechnet, das bei den Verhandlungen mit den Herstellern nicht unterschritten werden sollte. F. selbst hat die anfängliche Forderung als Offerte für weitere Verhandlungen begriffen. Sie ging nicht davon aus, dass sie aufgrund ihrer Marktmacht die ursprüngliche Forderung ohne Abschläge oder eine Gegenleistung durchsetzen kann.
95Dieses Verständnis wird durch den Verlauf und das Ergebnis der Sonderverhandlungen bestätigt. In den Sonderverhandlungen ist tatsächlich verhandelt worden. Die Sonderverhandlungen nahmen einen längeren Zeitraum in Anspruch; es entwickelte sich eine Korrespondenz zwischen F. und den Sektherstellern, in der die geforderten Sonderzahlungen abgelehnt und zum Teil Gegenvorschläge unterbreitet wurden. So hat der Zeuge Dr. C. bereits bei seiner Vernehmung durch das Bundeskartellamt ausgesagt, I. habe klargemacht, dass es entsprechende Zahlungen nicht ohne Gegenleistungen von Seiten der F. geben werde. Die verlangten Gegenleistungen hatten – so die Aussage des Zeugen Dr. C. – Listungsausweitungen bestimmter Artikel, Sommeraktionen und nationale Aktionen zum Jahresende zum Gegenstand (Bl. 946 Verf.Akte). Einen Teil der Gegenforderungen konnte I. in den Verhandlungen auch durchsetzen. So akzeptierte F. insbesondere umfangreiche Listungsausweitungen bei den Artikeln „…“ und „…“. Für S.-N. hat der Zeuge I. – so seine Aussage vor dem Bundeskartellamt (Bl. 1038 Verf.A) – die Zahl der ursprünglich vereinbarten Aktionen deutlich von fünf auf insgesamt 16 Aktionen für das gesamte Sortiment aushandeln können. G. hat in den Sonderverhandlungen mit F. erreichen können, dass der Weinartikel „…“ nicht mehr nur in 1.200 O.-Filialen, sondern in allen 4.000 Discount-Filialen geführt wird. Ein weiteres Zugeständnis der F. betraf eine Aktion für „…“ zu Weihnachten 2009 und 2010 (Aussage des Zeugen M., Bl. 1116 Verf.Akte). Auch T. X. hat nach Aussage des Zeugen J. Gegenforderungen erhoben und als Verhandlungsergebnis zusätzliche Listungen in den ehemaligen Q.-Filialen für die Artikel „…“, „…“ und „…“ sowie Aktionen bei „…“, „… 0,75 l“ und „…“ in allen Filialen erreichen können. Zudem erhielt T. X. für 2009 und 2010 die Exklusivität für die Marken der alkoholfreien Sparkling bei O./Q. in den Regionen Nord/West/Süd (Bl. 1238 Verf.Akte). Abgesehen von den ausgehandelten Gegenleistungen hat F. ihre Forderung nach einer Ausgleichszahlung im Endergebnis auch nicht in der ursprünglich verlangten Höhe durchsetzen können. S.-N. hat sich anstelle der verlangten … € auf einen Betrag von … € geeinigt und I. anstelle von … € auf … €. Von T. X. hat F. nach Abschluss der Verhandlungen anstelle der ursprünglich geforderten … € keine Ausgleichszahlung mehr verlangt.
96bb.
97In der Literatur ist umstritten, welche Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal des Aufforderns zu stellen sind. Im Grundsatz wird von § 20 Abs. 3 GWB 2007 jedes Einwirken auf die Willensbildung des Anbieters erfasst, das die Vorteile hervorruft oder hervorzurufen geeignet ist. Während unter der Tatbestandsalternative des Veranlassens nach ganz herrschender Meinung das erfolgreiche Einwirken auf den Anbieter zu verstehen ist, die Vorteile also tatsächlich gewährt werden müssen, ist unter einem Auffordern jeder Versuch zu verstehen, auf die Willensentscheidung eines Lieferanten einzuwirken, mit dem Ziel, von diesem ungerechtfertigte Vorteile zu erlangen (Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 19 Rn. 373; Rixen in FK, aaO., GWB 2005 § 20 Rn. 319 f.). Ob bestimmte Erklärungen oder sonstige Verhaltensweisen eines Normadressaten als derartige Aufforderungen zu werten sind, erfordert eine wirtschaftliche Betrachtung unter Gesamtwürdigung aller Umstände, wobei nicht die vom Normadressaten gewählte Form oder Bezeichnung entscheidend ist, sondern die Antwort auf die Frage, ob der Adressat bei objektiver Betrachtung darin ein Auffordern zur Gewährung ungerechtfertigter Vorteile sehen musste. Dabei sind Anschauungen und Gepflogenheiten des Wirtschaftskreises zu berücksichtigen, dem der Erklärungsempfänger angehört (K.Westermann in MünchKomm, aaO. GWB § 20 Rn. 130; Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO. § 19 Rn. 373). Gehört es – wie hier zwischen dem LEH und den Herstellern – zu den üblichen Gepflogenheiten, Preise und Konditionen in Gesprächen auszuhandeln, kann fraglich sein, ob bereits die erste Forderung und sodann alle weiteren im Lauf der Verhandlungen u.U. modifizierten Forderungen des marktstarken Nachfragers jeweils als Aufforderung zur Gewährung eines Vorteils anzusehen sind, oder nur die endgültige nicht mehr zur Verhandlung gestellte Forderung. So wird die Ansicht vertreten, ein Auffordern im Sinne des Gesetzes sei bereits dann anzunehmen, wenn der marktstarke Nachfrager zu Beginn von Preis- und Konditionenverhandlungen eine bestimmte Forderung formuliere und damit die Verhandlungen eröffne. Nach anderer Meinung wird vorausgesetzt, dass die Verhandlungen abgeschlossen sind und die Gewährung eines Vorteils ernsthaft und endgültig verlangt wird (so K. Westermann in MünchKomm, aaO., GWB § 20 Rn. 130; Köhler in WRP 2006, 139, 144). Welcher Auffassung den Vorzug zu geben ist, bedarf vorliegend indes keiner Entscheidung. Selbst nach der Ansicht, die die geringsten Anforderungen an den Begriff des Auffordern stellt und infolgedessen bereits in der zu Beginn der Sonderverhandlungen von F. geforderten und der Höhe nach durch den vom Bundeskartellamt als kartellrechtswidrig beanstandeten Bestwertabgleich ermittelte Preisanpassung und Ausgleichszahlung ein Auffordern im Sinne des Gesetzes sieht, liegt ein Verstoß gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 nicht vor. Die von F. verlangten Vorteile sind in jedem Fall sachlich gerechtfertigt.
98c.
99Ob das Auffordern oder Veranlassen zur Vorteilsgewährung im Einzelfall ohne sachlich gerechtfertigten Grund erfolgt, ist nach dem gleichen allgemeinen Maßstab zu beurteilen wie die Frage der sachlichen Rechtfertigung im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB 2007 (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB). Erforderlich ist deshalb eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB. Sie ist unter denselben Maßstäben zu treffen, die bei der Unbilligkeitsprüfung oder der sachlichen Rechtfertigung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 GWB 2007 (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB) anzulegen sind (Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 19 Rn. 377; Rixen in FK, aaO., § 20 Rn. 318; K. Westermann in MünchKomm, § 20 Rn. 133; Säcker/Mohr WRP 2010, 23). Dies gilt insbesondere für die Berücksichtigung der konkreten Marktstärke des Normadressaten und dem damit verbundenen Ausmaß der Wettbewerbsbeeinträchtigung. Dies folgt aus dem Marktmachtbezug der Vorschrift und dem damit verbundenen Gesetzeszweck, die von der Marktmacht des Normadressaten ausgehenden Wettbewerbsstörungen zu verhindern oder jedenfalls einzugrenzen. Solche Störungen und damit der Umfang der aus der Interessenabwägung im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB 2007 (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB) folgenden Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeiten anderer Unternehmen sind um so größer, je stärker die tatsächliche Marktmacht des in Betracht stehenden Normadressaten im Einzelfall ist und je weniger wettbewerbliche Betätigungs- und Ausweichmöglichkeiten infolgedessen seine Wettbewerber und Lieferanten oder Abnehmer haben (Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 19 Rn. 138; Loewenheim in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, aaO., § 20 Rn. 121; Rixen in FK, § 20 GWB 2005 Rn. 189 ff.). Eine bilaterale Rechtfertigung ist deshalb um so eher zu verneinen, als der Lieferant als kleines oder mittleres (und nicht als großes) Unternehmen einzustufen ist. Von finanzkräftigen und in allen Marktsegmenten und Regionen solide verankerten Herstellern bekannter Marken kann nämlich erwartet werden, dass sie die Forderungen nach ungerechtfertigten Vorteilen im Sinne der genannten Vorschrift zurückweisen, ohne dass dies nachteilige Folgen auf die Geschäftsbeziehungen zum Nachfrager hat (Säcker/Mohr WRP 2010, 24).
100Ein weiterer in die Interessenabwägung einzustellender Gesichtspunkt ist der Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit. Bereits in der amtlichen Begründung zur 4. GWB-Novelle von 1980 (Amt. Begründung WuW 1980, 337, 353 f.) wird für die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung in erster Linie darauf abgestellt, ob die gewährten Vorteile „nicht leistungsgerecht“ sind, „d.h. ihren Grund weder in der Menge der abgenommenen Waren oder Leistungen noch in den übernommenen Funktionen oder Serviceleistungen des Nachfragers noch in anderen betriebswirtschaftlich kalkulierbaren Gegenleistungen des Nachfragers haben, sondern auf der Ausnutzung von Marktmacht beruhen und anderen gleichartigen Nachfragern nicht zugänglich sind“. Nach herrschender Meinung wird hieraus aber zu Recht nicht geschlossen, dass eine sachliche Rechtfertigung des gewährten Vorteils immer schon dann ausscheidet, wenn der Vorteil nicht leistungsgerecht ist, ihm als keine oder keine angemessene Gegenleistung des Normadressaten gegenübersteht (Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 19 Rn. 378; Nothdurft in Langen/Bunte, aaO., § 19 Rn. 168; wohl auch K. Westermann in Münch/Komm, aaO., § 20 Rn. 134; BGHZ 152, 97 – Konditionenanpassung -, juris Rn. 41: Sicherung und Stärkung der Vertragsbeziehungen als mögliche Rechtfertigung für die Vorteilsgewährung). Steht dem gewährten Vorteil keine Gegenleistung des Nachfragers gegenüber oder ist die Gegenleistung nicht angemessen, ist im Rahmen der Interessenabwägung darauf abzustellen, ob der zu beurteilende Vorteil auf einer Ausnutzung von Marktmacht beruht. Dies ist der Fall, wenn Nachfrager, die über eine solche Macht nicht verfügen, den in Rede stehenden Vorteil in der Regel unter vergleichbaren Bedingungen nicht fordern können (Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 19 Rn. 378).
101Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die an S.-N., I. und T.-X. zum Auftakt der Sonderverhandlungen gestellte Forderung nach einer durch den vom Bundeskartellamt als kartellrechtswidrig beanstandeten Bestwertabgleich ermittelten Preisanpassung für bestimmte Artikel und der Zahlung eines Ausgleichsbetrages sachlich gerechtfertigt.
102F. hatte ein Interesse daran, ihre Einkaufspreise mit den Einkaufspreisen der Q.-Filialen für die in Rede stehenden identischen Artikel der Sekthersteller S.-N., I. und T.-X. an drei verschiedenen Stichtagen vor Vollzug der Fusion (01.08.2007, 01.02.2008 und 01.09.2008) zu vergleichen und bei entsprechenden Abweichungen eine Preisanpassung an den günstigsten Q.-Preise zur Verhandlung zu stellen, ohne das Gesamtkonditionenpaket zu berücksichtigen. Wie der Zeuge A. bei seiner Vernehmung vor dem Senat ausgesagt hat, wollte F. als zukünftig größter Nachfrager nach der Fusion einheitliche Einkaufspreise für sämtliche O.-Filialen erreichen und zudem und vor allem einer Schlechterstellung gegenüber den bisherigen Q.-Konditionen entgegenwirken. Zudem entsprach es den Interessen von F., ihre Einkaufspreise an drei historischen Stichtagen mit den Q.-Einkaufspreisen zu vergleichen. Anhand dieses Preisvergleichs konnte F. erkennen, ob das Bekanntwerden des Zusammenschlussvorhabens Ende 2007/Anfang 2008 Einfluss auf die Einkaufspreise von Q. gehabt hat. Ihr Ziel war es, den Q.-Einkaufspreis zu ermitteln, der unbeeinflusst von dem bevorstehenden Zusammenschluss ausgehandelt worden war. Im Interesse von F. lag es auch, die Sonderverhandlungen mit einer Preisanpassung an den jeweils ermittelten niedrigsten Q.-Preis (Maximal-Forderung) zu eröffnen, da sie wusste und es den üblichen Gepflogenheiten der Branche entspricht, dass anschließend über wechselseitig verlangte Konditionen und Gegenforderungen verhandelt und in der Regel durch gegenseitiges Nachgeben ein für beide Seiten akzeptables Ergebnis erzielt wird.
103Gegenläufig ist im Ansatz das Interesse der Sekthersteller S.-N., I. und T.-X.. Sie haben ein Interesse daran, dass die mit F. bisher ausgehandelten und vereinbarten Einkaufspreise für die Artikel „…“ und „…“ (S.-N.) sowie „…“ (I.) und „… alkoholfrei, 0,75 l“ (T.-X.) unverändert bleiben und nicht an die niedrigeren, in der Vergangenheit mit Q. ausgehandelten Preise angepasst werden. Eine solche Preisanpassung schmälert ihre Gewinnmarge und ist aus kaufmännischer Sicht nicht erstrebenswert.
104Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen führt hier unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Forderung der F. nach einer stichtagsbasierten Preisanpassung und Ausgleichszahlung auf der Grundlage des Bestwertabgleichs ohne Berücksichtigung des Gesamtkonditionenpakets sachlich gerechtfertigt ist. Da die Interessenabwägung immer nur einzelfallbezogen vorgenommen werden kann, es mithin hier allein auf das konkrete Verhältnis zwischen F. und den Sektlieferanten ankommt, ist das vom Bundeskartellamt zuletzt in der mündlichen Verhandlung formulierte Ziel, in dem vorliegenden Verfahren für den gesamten Lebensmitteleinzelhandel und ihre Lieferanten Maßstäbe für zukünftige Jahresverhandlungen aufzustellen, nicht zu erreichen. Umgekehrt bedeutet eine sachliche Rechtfertigung des hier in Rede stehenden Verhaltens von F. nicht, dass der erklärte Versuch des Bundeskartellamts, das Verbot der passiven Diskriminierung „wiederzubeleben“, gescheitert ist und die Vorschrift im Verhältnis zwischen Lebensmitteleinzelhandel und ihren Lieferanten generell keine Anwendung finden wird.
105aa.
106Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen fällt – anders als das Bundeskartellamt meint – nicht entscheidend ins Gewicht, dass der nach dem Bestwertabgleich ermittelten und von den Sektherstellern verlangten Preisanpassung und Ausgleichszahlung keine konkrete Gegenleistung der F. gegenüberstand. Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass es für die Sekthersteller bei den Sonderverhandlungen im Ergebnis nicht darauf ankam, ob jede einzelne Forderung der F. der Sache nach gerechtfertigt war. Für sie war vielmehr das Gesamtkonditionenpaket, also die Gesamtforderung im Verhältnis zu den insgesamt von F. zu erbringenden Gegenleistungen, entscheidend. Die Zeugen Dr. C. (Protokoll S. 17), I. (Protokoll S. 21), J. (Protokoll S. 24 u. 25) und M. (Protokoll S. 27) haben übereinstimmend ausgesagt, dass F. zwar bei den Sonderverhandlungen zwischen den einzelnen Forderungen differenziert und versucht habe, sie separat durchzusetzen. Entscheidend sei aber letztlich gewesen, welche Gegenleistungen in Summe der Gesamtforderung der F. gegenübergestanden hätten, was also am Ende „unter dem Strich“ herauskomme und ob es aus kaufmännischer Sicht stimmig ist. Dies könne, so die überzeugende Aussage des Zeuge I., dazu führen, dass eine Einzelforderung, die an sich für unberechtigt gehalten wird, kaufmännisch akzeptiert wird, wenn zusätzliche Gegenleistungen geboten werden und damit das Gesamtergebnis betriebswirtschaftlich darstellbar ist.
107bb.
108Entscheidend für die sachliche Rechtfertigung ist vielmehr, dass die von F. aufgrund des Bestwertabgleichs ermittelte und verlangte Herabsetzung der Einkaufspreise für die Artikel „…“ und „…“ (S.-N.) sowie „…“ (I.) und „… alkoholfrei, 0,75 l“ (T.-X.) nicht auf einer Ausnutzung von Marktmacht beruht. Gleiches gilt für die verlangte Ausgleichszahlung. Die im Verhältnis zu den Sektlieferanten bestehende konkrete Marktstärke von F. wird durch die Gegenmacht der Sektlieferanten derart beschränkt, dass die ohne Berücksichtigung des Gesamtkonditionenpakets geforderte Preisanpassung und Ausgleichszahlung nicht als Missbrauch von Markmacht angesehen werden kann. Sie war vielmehr der Beginn von komplexen Verhandlungen, bei denen die Sektlieferanten aufgrund ihrer eigenen Marktstärke in der Lage waren, der geforderten stichtagsbezogenen Preisanpassung und Ausgleichszahlung entweder im Hinblick auf die Berechnung selbst oder auch durch Aushandeln von Gegenforderungen erfolgreich entgegenzutreten.
109(1)
110In Übereinstimmung mit dem Bundeskartellamt ist im Ansatzpunkt davon auszugehen, dass F. für die Schaumweinhersteller eine hohe Marktbedeutung hat. Das Vertriebsnetz der F. ist für sie ein wichtiger Vertriebskanal, um den Endkunden zu erreichen. Das deutschlandweite F.-Vertriebsnetz umfasst insgesamt knapp 12.000 Lebensmittelmärkte (Beschluss Rn. 27). Überdies ist F. für die hier in Rede stehenden Sekthersteller auf dem Produktmarkt Sekt/Schaumwein ein großer Abnehmer. Dies folgt aus dem Anteil der F. am Gesamtabsatz des jeweiligen Schaumweinherstellers. So beträgt dieser Anteil nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes in der angefochtenen Entscheidung (Beschluss Rn. 215, Tabelle 2) für das Jahr 2008 bei S.-N. 20-30 %, bei I. 10-20 %, bei G. und T. X. jeweils 30-40 %. Hieran anknüpfend haben die Zeugen Dr. C. (Bl. 1206 GA), I. (Bl. 1211 GA) und M. (Bl. 1218 GA) übereinstimmend ausgesagt, F. sei als Vertriebskanal für die Sekthersteller unverzichtbar. Auch der Zeuge J. hat bekundet, F. habe für T.-X. seinerzeit eine überproportionale Bedeutung gehabt (Bl. 1214 GA).
111Vor diesem Hintergrund kommen die übrigen Nachfrager des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) und eine Steigerung des Exportvolumens allenfalls in geringem Umfang als Absatzalternative zu F. in Betracht.
112Nach den Feststellungen des Amtes stellen die übrigen Nachfrager des LEH nur in begrenztem Umfang eine Ausweichmöglichkeit für die Sekthersteller dar, weil die Aufnahmekapazitäten dieser Nachfrager in den Regalen und im Lager in der Regel ausgeschöpft und die Verträge zwischen dem LEH und den Lieferanten bereits geschlossen seien, wenn es unterjährig zu einer Auslistung bei F. komme (Beschluss Rn. 176-183). Hiergegen wendet M. zwar ein, die Sekthersteller könnten im Fall einer Auslistung bei F. kurzfristig zusätzliche Absatzmöglichkeiten bei den anderen Abnehmern des LEH „erwerben“, denn es bestehe auch außerhalb der in den Jahresgesprächen vereinbarten Vermarktungskapazitäten die Möglichkeit der kurzfristigen Teilnahme an Vermarktungsaktivitäten des Handels (Sonderangebote). Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass ohne zusätzliche Promotionen und Vermarktungsaktivitäten die Nachfrage nach Produkten des ausgelisteten Sektherstellers auf Wettbewerber von F. nur schwer „umgeleitet“ werden kann. Die Markenbindung des Endkunden ist im Bereich Schaumwein von vereinzelten Produkten abgesehen (so z.B. S. in Teilen Ostdeutschland) nicht ausgeprägt. Dies folgt nicht nur aus den Aussagen der Zeugen Dr. C. (Bl. 944 Verf.Akte) und I. (Bl. 1036 Verf.Akte), sondern wird auch von M. letztlich nicht wesentlich anders beurteilt. Dies bedeutet aber, dass der Kunde, wenn er den Sekt eines bestimmten Herstellers in dem von ihm aufgesuchten Ladenlokal nicht (mehr) vorfindet, in der Regel auf das in seinen Augen gleichwertige Produkt eines anderen Herstellers ausweicht, und nicht versucht, das ursprünglich ins Auge gefasste Produkt in einem anderen Geschäft zu erwerben. Dies gilt umso mehr, als Schaumwein in der Regel zusammen mit den Produkten des täglichen Bedarfs eingekauft wird, der Kunde bei diesen Einkäufen aber nicht bereit ist, größere Strecken zurückzulegen, sondern Geschäfte in der Nähe seines Wohnortes aufsucht. Er wird daher kaum bereit sein, ein zweites Geschäft aufsuchen, um das Produkt eines bestimmten Sektherstellers zu erhalten.
113Die wenig ausgeprägte Markengebundenheit der Verbraucher hat zur Folge, dass eine zumindest teilweise Kompensation der F.-Umsätze allenfalls geringfügig durch eine Steigerung der bisherigen Vermarktungsaktivitäten bei den beiden anderen wichtigen Abnehmern des LEH erreicht werden kann. Vermarktungsaktionen, die zusätzlich zu den in den Jahresgesprächen eingeplanten oder sonst beabsichtigten Promotionen durchgeführt werden können, werden entgegen den Ausführungen von M. zu keiner „deutlichen Erhöhung“ des absetzbaren Volumens führen. M. selbst macht geltend, dass bei Schaumwein bereits seit Jahren ein sehr hoher Aktionsanteil besteht. Wenn dies aber so ist, dann sind einem weiteren Ausbau des Aktionsgeschäftes Grenzen gesetzt, zumal aus einem dauerhaften Anbieten von Sonderangeboten Gefahren für die Wertigkeit der Marke resultieren. Für die Sekthersteller besteht daher auch bei einem Wegfall des mit F. generierten Umsatzes wenig Anreiz, das Aktionsgeschäft mit den übrigen Anbietern derart auszuweiten, dass das Image der von ihnen hergestellten Produkte Schaden nimmt und der Verbraucher nicht mehr bereit ist, das Produkt außerhalb der Promotionen zum üblichen Ladenpreis zu kaufen.
114Soweit als Ausweichmöglichkeit im Grundsatz eine Steigerung des Auslandsgeschäfts in Betracht zu ziehen ist (vgl. BGH NJW 1979, 2215 – Revel Plastics; OLG Frankfurt WuW/E DE-R 73 – Guerlain; Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 20 Rn. 46), ergibt sich aus den Aussagen der vernommenen Zeugen, dass allenfalls ein geringer Teil des F.-Umsatzes auf ausländische Märkte verlagert werden könnte. Zumindest G. und T. X. halten eine kurzfristige Forcierung des Exports für möglich. Der Zeuge M. hat ausgesagt, G. sei aufgrund seiner internationalen Aufstellung im Gegensatz zu rein national aufgestellten Sektherstellern in der Lage, zumindest einen Teil seines Deutschlandabsatzes mit F. auf andere Märkte zu verlagern (Bl. 1113 Verf.Akte). Auch der Zeuge Dr. T. sieht für T. X. im Fall einer ganz oder teilweisen Auslistung bei F. die offenbar realistische Möglichkeit, einen verstärkten Absatz im Export zu forcieren (Bl. 1215 Verf.Akte). Der seinerzeit für I. tätige Zeuge Dr. C. hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat zwar eingeräumt, dass deutsche Sektmarkten von I. grundsätzlich auch in Österreich und den Beneluxländern abgesetzt werden könnten, indes eine relevante Verlagerung des Deutschlandabsatzes in diese Länder nicht für möglich gehalten (Bl. 1210 GA).
115(2)
116Allerdings ist die aufgezeigte Marktstärke der F. durch die Gegenmacht der Sekthersteller derart begrenzt, dass die von F. nach dem Bestwertabgleich ohne Berücksichtigung des Gesamtkonditionenpaktes verlangte Anpassung der Einkaufspreise an günstigere Q.-Preise und die in Rede stehende Ausgleichszahlung kein Ausnutzen ihrer Marktmacht darstellt.
117Die Gegenmacht der Sekthersteller ergibt sich aus der Größe der Unternehmen und der Unverzichtbarkeit bestimmter Sektmarken für das Angebot von F. im Lebensmitteleinzelhandel und sie dokumentiert sich in dem tatsächlichen Verlauf der Sonderverhandlungen.
118(2.1.)
119Alle vier Sekthersteller sind als große Unternehmen einzustufen. Für den - horizontalen oder vertikalen – Größenvergleich sind neben den Unternehmensumsätzen unter Einschluss der Umsätze verbundener Unternehmen auch andere für die Marktstellung von Unternehmen relevanten Kriterien zu berücksichtigen (Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 20 Rn. 11). Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung Konditionenanpassung (BGH WuW/E DE-R 984) den Ansatz gebilligt, für den Bereich des Lebensmitteleinzelhandels einen Lieferanten bis zu einem bestimmten Umsatzschwellenwert – im konkreten Fall 250 Mio. € - noch als mittleres Unternehmen einzustufen. Ausgehend hiervon sind alle vier Sekthersteller bereits nach ihren eigenen Umsatzzahlen ohne Berücksichtigung der Umsätze der mit ihnen verbundenen Unternehmen als große Unternehmen einzustufen. Im Jahr 2010 lag der weltweite Gesamtumsatz bei jedem der vier Sekthersteller deutlich über 250 Mio.€ (I.: ca. … Mio. €, S.-N.: über … Mio. €, G.: über … Mio. €; T. X.: über … Mio. €).
120(2.2)
121Alle vier Sekthersteller hatten in dem hier relevanten Jahr 2009 Artikel in ihrem Sortiment, auf die F. jedenfalls als Vollsortimenter nicht verzichten konnte, weil der Endkunde sie aufgrund der Bekanntheit der Marke im Sortiment des Lebensmitteleinzelhandels erwartete und nachfragte.
122Bei I. handelt es sich um die Artikel „…“ und „…“. Der Zeuge Dr. C. hat auf Befragen des Senats hierzu ausgesagt, F. könne auf einzelne I.-Produkte nicht verzichten. Hiervon sei im Jahresverlauf insgesamt der Sekt „…“ und für das Saisongeschäft vor Weihnachten der Sekt „…“ betroffen (Bl. 1206 GA). Der Zeuge I. hat bekundet, F. hätte sich schwer getan, auf Produkte von S.-N. und hierbei insbesondere auf den S.-Sekt zu verzichten (Bl. 1211 GA). Eine vergleichbare Aussage machte der Zeuge M. für die Hauptmarke von G. (…) in ihren regionalen Hochburgen in Süd-West-Deutschland (Bl. 1218 GA). Soweit der Zeuge J. für den von T.-X. hergestellten Sekt „…“ ausgesagt hat, dieser sei aus Sicht von F. austauschbar gewesen, weil es sich nicht um eine sog. A-Marke handele, folgt hieraus nicht, dass F. auf Lieferungen von T.-X. nicht angewiesen war. Wie sich aus der Aussage des Zeugen J. ergibt, war T.-X. im Jahr 2009 Marktführer im Bereich von Kinderpartygetränken und von alkoholfreiem Sekt. Eine Auslistung des Kindergetränks „…“ und des alkoholfreien Sekt „… wäre daher nach Einschätzung des Zeugen für F. daher zumindest schwierig gewesen (Bl. 1214 GA).
123Bestätigt wird die Abhängigkeit der F. von den Sektlieferanten jedenfalls hinsichtlich der von ihnen hergestellten Hauptmarken durch die Tatsache, dass es in der Vergangenheit weder zu einer vollständigen Auslistung eines Sektherstellers noch zu einer Auslistung seiner Hauptmarken gekommen ist. Lediglich bei Artikeln des Randsortiments ist es vereinzelt zu Auslistungen gekommen, wie der Zeuge Dr. C. für I. ausgesagt hat. Soweit F. in einem Fall das Aktionsgeschäfts mit I. für ein Jahr unterbrochen hat, handelte es sich hierbei um eine Reaktion auf eine zuvor von I. selbst verhängte Sanktion. I. hatte F. ca. 2-3 Wochen nicht beliefert, um auf diese Weise die Erhöhung von Einkaufspreisen durchzusetzen (Bl. 946 Verf.Akte). Auch der Zeuge J. bestätigt für T. X., dass in der Vergangenheit Auslistungen als Sanktionsmaßnahmen nicht im großen Maße vorgekommen sind (Protokoll S. 24).
124Ob darüber hinaus weitere Abhängigkeiten in Bezug auf die Drittmarktprodukte „…“ und „…“ bestehen, liegt nach Auffassung des Senates zwar nahe, weil diese Produkte von F. in den Bestwertabgleich einbezogen und damit nach Aussage des Zeugen H. für F. als wesentlich eingestuft worden sind, kann hier aber dahin stehen.
125(2.3)
126Der Verlauf der Sonderverhandlungen bestätigt, dass durch die zum Auftakt der Sonderverhandlungen nach dem Bestwertabgleich verlangten Preisanpassungen und Ausgleichszahlungen ein kaufmännischer Verhandlungsprozess über Forderungen und Gegenforderungen eröffnet worden ist, wie er typischerweise nur unter annähernd gleichstarken Verhandlungspartnern stattfindet.
127(2.3.1)
128Kritik der Sekthersteller an der Methodik des Bestwertabgleichs insbesondere hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Q.- und F.-Einkaufspreise hat F. in den Verhandlungen aufgegriffen und in die Verhandlungen einbezogen.
129F. hat die Sekthersteller bereits zu einem Zeitpunkt in die Methodik des Bestwertabgleichs eingebunden, als sie die Forderung nach einer Anpassung der Einkaufspreise und einer Ausgleichszahlung noch nicht erhoben hatte.
130Die Forderung nach einer durch den Bestwertabgleich ermittelten Preisanpassung und Ausgleichszahlung ist den Sektherstellern in einem Erstgespräch präsentiert worden. Zuvor sind mit den Key-Account Managern der Sekthersteller Vorgespräche geführt worden. Diese Gespräche dienten unter anderem der Überprüfung, ob die von F. zum Vergleich herangezogenen Q.-Einkaufspreise tatsächlich mit dem O.-frei-Lagerpreisen der F. zu vergleichen oder Anpassungen vorzunehmen waren. Dies ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des Zeugen H. und wird durch die E-Mail des Zeugen J. an den Zeugen H. vom 16.02.2009 bestätigt (Bl. 1246 Verf.A). Darin führt der Zeuge J. im Anschluss an das geführte Vorgespräch aus, auf welcher Basis seiner Meinung nach abweichend von dem Vorgehen der F. ein Abgleich der Preise erfolgen könne. Den Aussagen der Zeugen H. (Bl. 1194 GA) und A. (Bl. 1199 GA) ist zu entnehmen, dass in dem Vorgespräch jedenfalls ein Teil der bis dahin unklaren Details in Abstimmung mit den Key-Account Managern geklärt werden konnten. So hat der Zeuge H. bekundet, er könne sich noch an einen klärungsbedürftigen „Schiefstand“ bei einem „D.“-Produkt erinnern. Insgesamt habe es aber keine größeren Meinungsverschiedenheiten gegeben. Nach der Aussage des Zeugen A., der selbst nicht an den Vorgesprächen teilgenommen hat, ist in den Vorgesprächen zumindest ein Teil der offenen Fragen geklärt worden.
131F. hat sich in den Verhandlungen mit den Sektherstellern über den Bestwertabgleich kompromissbereit gezeigt. So hat der Zeuge J. ausgesagt, im Verlaufe der Verhandlungen mit F. sei eine Einigung über die Vergleichsbasis für den Bestwertabgleich erzielt worden (Bl. 1237 VerfA, Bl. 1215 GA), die zu einer geringeren Forderung der F. geführt habe. Den Bekundungen der Zeugen I. (Bl. 1038 Verf.Akte) und H. (Bl. 1196 GA) ist zu entnehmen, dass der Zeuge I. für S.-N. die durch den Bestwertabgleich ermittelte (Ausgleichs-) Forderung nicht akzeptiert hat, weil F. als Bewertungszeitpunkt nicht auf das Jahr des Vollzugs der Fusion, sondern auf einen zeitlich früheren Zeitpunkt abgestellt habe. Der von dem Zeugen I. aus diesem Grund unterbreitete Kompromiss zum Bestwertabgleich, der eine Reduzierung der Forderung von … € auf … € vorsah, hat F. akzeptiert, wie der Zeuge H. bekundet hat. Der Zeuge J. hat für T. X. die auf Zahlung von … € gerichtete Bestwertforderung vollständig wegverhandeln können.
132(2.3.2)
133Alle vier Sekthersteller haben, nachdem sie mit den Forderungen der F. konfrontiert worden sind, in den anschließenden Verhandlungen erhebliche Gegenforderungen gestellt und gewichtige zusätzliche Gegenleistungen aushandeln können. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen unter 2.b.aa. Bezug genommen.
134Zudem haben die Zeugen I. und M. für die von ihnen vertreten Sekthersteller S.-N. und G. bekundet, dass das in den Sonderverhandlungen ausgehandelte Gesamtkonditionenpaket für sie aus heutiger Sicht wirtschaftlich von Vorteil war (Bl. 1212 GA, Bl. 1217 GA).
135(2.3.3)
136Schließlich bestätigt die eigene Einschätzung der Sekthersteller vom Verlauf und dem Ergebnis der Sonderverhandlungen die Annahme einer ausgewogenen Verteilung der Verhandlungsmacht.
137Nach Aussage des Zeugen I. (Protokoll S. 22) haben beide Seiten Kompromisse gemacht und sich am Ende in der Mitte getroffen. Es sei ein akzeptabler Kompromiss gefunden. Ansonsten hätte er für S.-N. nicht zugestimmt. Nach Einschätzung des Zeugen I. fanden die Sonderverhandlungen auf Augenhöhe statt. Er hat hierzu vor dem Senat ausgesagt, für ihn sei es keine Verhandlung auf gleicher Höhe, wenn die Gegenpartei zu Verhandlungsbeginn 2 % fordere und nach mehreren Gesprächsrunden die Forderung immer noch so bestehe, obwohl sich die Sache für ihn nicht rechne. So seien die Sonderverhandlungen mit F. indes nicht abgelaufen. Hiermit in Einklang steht die Aussage des Zeugen M., auch wenn er nach eigenem Bekunden nicht das Gefühl hatte, die Sonderverhandlungen mit F. auf Augenhöhe zu führen. Seiner Aussage ist zu entnehmen, dass sich G. bezogen auf die Absatzhochburgen in Süd-West-Deutschland „stark gefühlt“ habe und mit Selbstvertrauen in die Sonderverhandlungen gegangen sei. Auch der Zeuge M. spricht davon, letztlich einen guten Konsens ausgehandelt zu haben, von dem G. noch heute profitiere.
138Soweit der Zeuge Dr. C. von einer ungleichen Machtverteilung gesprochen hat (Bl. 1206 GA), ergibt sich hieraus nicht, dass zwischen F. und I. ein Machtgefälle zu Lasten von I. bestand. Seine Aussage steht in offenem Widerspruch zu seinen Bekundungen, die er beim Bundeskartellamt gemacht hat. Seine damaligen Bekundungen, deren Richtigkeit der Zeuge ausdrücklich vor dem Senat bestätigt hat, lassen vielmehr eindeutig auf eine starke Verhandlungsposition von I. schliessen. So hat der Zeuge beim Bundeskartellamt bekundet, I. habe klargemacht, dass es keine Zahlungen ohne Gegenleistung von F. geben wird (Bl. 946 Verf.Akte). Tatsächlich hat der Zeuge Dr. C. auch – wie bereits oben ausgeführt – umfangreiche Gegenleistungen aushandeln können. Aufschlussreich ist ferner die Marktposition von I.. Nach den Feststellungen des Amtes ist I. nach S.-N. die Nummer Zwei auf dem deutschen Sektmarkt (Beschluss S. 42), so dass auch aus diesem Grund die von dem Zeugen Dr. C. bekundete ungleiche Machtverteilung nicht nachzuvollziehen ist, zumal der Zeuge I. als Geschäftsführer des Marktführer eine solche ausdrücklich verneint hat .
139Soweit der Zeuge J. schließlich bekundet hat, er habe sich bei den Sonderverhandlungen in einer defensiven Position gefühlt, weil die Gespräche dominant von F. geführt worden seien (Bl. 1214 GA), steht seine Aussage der Annahme einer letztlich ausgewogenen Verteilung der Verhandlungsmacht zwischen F. und T. X. nicht entgegen. Der Zeuge J. hat dem Senat anschaulich den Verlauf der Sonderverhandlungen geschildert, die von einem Wechselspiel gegenseitigen Forderns und Nachgeben geprägt waren, so wie es typischerweise bei in etwa gleichstarken Verhandlungspartnern der Fall ist. Der Zeuge J. hat ausgesagt, die Verhandlungen mit F. seien insgesamt konstruktiv gewesen. Zu Beginn der Sonderverhandlungen habe er zunächst bestimmte Forderungsbestandteile abgelehnt. Daran hätten sich konstruktive Verhandlungen angeschlossen und erst, wenn bestimmte Forderungsteile aus Sicht von F. bestehen bleiben mussten, habe er ein Gegenangebot mit Gegenleistungen präsentiert. Anschließend sei weiterverhandelt worden (Bl. 1216 GA). Die Tatsache, dass T. X. mit dem letztlich vereinbarten Gesamtkonditionenpaket nach Einschätzung des Zeugen J. die Schmerzgrenze erreicht oder sogar durch die Zusage einer Steigerungsvergütung durch den Vorstand überschritten habe, spricht nicht für das vom Bundeskartellamt angenommene Machtgefälle zwischen F. und T. X.. Zunächst ist die Steigerungsvergütung nicht als völlig neue Forderung der F. in die Sonderverhandlungen eingeführt worden. Die Steigerungsvergütung war als variable Größe bereits in den Jahresgesprächen vereinbart worden. Erst als mit dem Zeugen J. in den Sonderverhandlungen keine Einigung erzielt werden konnte, ist in Verhandlungen auf einer höheren Zuständigkeitsebene zwischen dem Zeugen A. und dem Vorstandsmitglied X. von T.-X. die bis dahin variable Steigerungsvergütung in eine garantierte Einmalzahlung für 2009 in Höhe von … € umgewandelt worden. (Bl. 1238 Verf.Akte). Der bekundete Sachverhalt zeigt daher nach Auffassung des Senats nur, dass der Vorstand das ausgehandelte Gesamtergebnis betriebswirtschaftlich offenbar anders eingeschätzt hat als der Zeuge J., der an den Sonderverhandlungen in untergeordneter Position als Key Account Manager und stellvertretender Vertriebsleiter teilgenommen hat. Dass der Zeuge J. in den Sonderverhandlungen mit F. zu weiteren Zugeständnissen nicht bereit war und erst das Einschalten des Vorstandes zu einer Lösung geführt hat, kann im Übrigen auch als Ausdruck einer besonderen Verhandlungsstärke des Zeugen J. gewertet werden.
1403.
141In I. Satz 2 Ziff. (6) hat das Bundeskartellamt unter dem Gesichtspunkt des sog. Rosinenpickens über den bereits abgehandelten Bestwertabgleich hinaus (auch) die Forderung nach einer Anpassung der mit F. vereinbarten Zahlungsziele an die günstigeren Q.-Zahlungsziele als kartellrechtwidrig festgestellt, weil sie ohne Berücksichtigung des Gesamtkonditionenpakets erfolgt sei. Dieser Ausspruch ist unbegründet.
142Zunächst ist festzuhalten, dass F. gegenüber S.-N. keine Verlängerung des vereinbarten Zahlungsziels verlangt hat, weil die Zahlungsziele von F. und Q. einheitlich bei .. Tage lagen (Beschluss Rn. 365). An I., G. und T. X. ist F. zwar mit dem Ziel herangetreten, eine Anpassung der vereinbarten Zahlungsziele an die für Q. geltenden Zahlungsziele zu erreichen. Für I. bedeutete dies eine Verlängerung des bisherigen Zahlungsziels um .. Tage, für G. um .. Tage und für T. X. um .. Tage. Allerdings hat das Bundeskartellamt keine Feststellungen dazu getroffen, dass F. diese Forderung ohne Berücksichtigung des Gesamtkonditionenpakets erhoben hat. Die Ausführungen in der angefochtenen Amtsentscheidung (dort Rn. 366 bis 383) verhalten sich hierüber nicht. Dessen ungeachtet wäre die in Rede stehende Forderung der F. nach einer Anpassung der Zahlungsziele an die längeren, bisher für Q. geltenden Zahlungsziele ohne Berücksichtigung des Gesamtkonditionenpakets aber auch sachlich gerechtfertigt. Sie beruht nicht auf einer Ausnutzung von Marktmacht. Insoweit gelten die vorausgegangenen Ausführungen unter 2. b.bb. entsprechend. Auch die geforderte Verlängerung der Zahlungsziele zwischen F. und den Sektherstellern war Gegenstand der Sonderverhandlungen. Mit Ausnahme von T. X. haben die beiden anderen Sektlieferanten die Forderung nicht uneingeschränkt akzeptiert. I. hat einer Verlängerung nur um … und nicht, wie von F. verlangt, von … Tagen zugestimmt. G. hat die geforderte Verlängerung des Zahlungsziels an die Bedingung geknüpft, dass F. die Einhaltung des Zahlungsziels vertraglich zusichert und Verzugszinsen ab dem ersten Tag der Überschreitung berechnet werden (Beschluss Rn.371).
1434.
144In I. Satz 2 Ziff. (4) des angefochtenen Beschlusses wird die Forderung rückwirkender Zahlungen und rückwirkender Anpassung von Konditionen in Bezug auf sämtliche Sonderkonditionen als rechtswidrig festgestellt. Zur Begründung führt das Bundeskartellamt aus, sämtliche von F. im März/April 2009 aufgestellten Forderungen (Zahlung eines Synergiebonus, einer Partnerschaftsvergütung, eines Sortimentserweiterungsbonus, einer Ausgleichszahlung nach dem Bestwertprinzip sowie die Angleichung der Zahlungsziele) sollten rückwirkend ab dem 01.01.2009 gelten bzw. waren auf dem Gesamtjahresumsatz 2009 bezogen (Beschluss Rn. 485). Hierfür läge kein sachlich gerechtfertigter Grund vor.
145Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Dass die im März/April 2009 verlangten Sonderkonditionen nach den Vorstellungen von F. bereits ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, nämlich mit Wirkung ab dem 01.01.2009, gelten sollen, ist sachlich gerechtfertigt. Der Grund für die geltend gemachten Sonderkonditionen war die Übernahme von rund 2.300 Filialen der Discounterschiene „Q.“ durch F.. Da die Fusion nach den Feststellungen des Amtes zum 01.01.2009 vollzogen worden ist (Beschluss Rn. 485), besteht ein berechtigtes Interesse der F., das gesamte Geschäftsjahr 2009 mit einheitlichen Konditionen abzuwickeln, die dem fusionsbedingten erheblichen Zuwachs des Filialnetzes Rechnung tragen. Dies gilt umso mehr, als das Bundeskartellamt dem Vorbringen der Beschwerde, es sei in der Branche üblich, sogar noch bis zur Mitte des Jahres Vereinbarungen mit Geltung ab Jahresbeginn zu treffen, nicht entgegen getreten ist.
146Dies ist alles aber letztlich auch nicht entscheidend, weil auch insoweit die bereits oben unter 2.b.bb. dargestellte Machtverteilung zwischen F. und den Sektlieferanten der Annahme eines Marktmissbrauchs durch F. und damit einer fehlenden sachlichen Rechtfertigung für die geforderte rückwirkende Geltung der Sonderkonditionen entgegen steht.
1475.
148Der Ausspruch in I. Satz 2 Ziff. (8) hat die Forderung eines Sortimentserweiterungsbonus „ohne nachvollziehbaren warenwirtschaftlichen Bezug“ zum Gegenstand. Wie sich aus der angefochtenen Entscheidung und der auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2015 abgegebenen bestätigenden Erklärung des Amtes ergibt, ist damit ausschließlich die erstmalige Forderung zu Beginn der Sonderverhandlungen erfasst. Nach Auffassung des Amtes ergibt sich die Kartellrechtswidrigkeit dieser Auftaktforderung daraus, dass ein konkreter Bezug zwischen der Höhe der geforderten Zahlung und einer tatsächlichen Listungsausweitung nicht bestanden habe (Beschluss Rn. 449), weil die Sekthersteller lediglich mit der Forderung einer pauschalen Summe konfrontiert worden seien, ohne dass F. einen konkret zu erwartenden Zusatzumsatz verbindlich zugesagt habe (Beschluss Rn. 465, 467). Nicht erfasst vom Beschlusstenor sind daher die Ausführungen des Amtes in Rn. 471 der angefochtenen Verfügung. Dort wird beanstandet, dass bei der Berechnung des Sortimentserweiterungsbonus nicht berücksichtigt worden sei, zu welchem Zeitpunkt die Umstellung der Filialen bzw. die geplanten Neueröffnungen stattfinden würden (Beschluss Rn. 471), weshalb der Sortimentserweiterungsbonus für die Jahre 2009 und 2010 auch dann gefordert wurde, wenn eine tatsächliche erweiterte Listung der Sektlieferanten erst Ende des Jahres 2010 erfolgt sei. Überdies hat das Amt keine Feststellungen dazu getroffen, ob überhaupt ein solcher Fall eingetreten ist.
149a.
150Gegenüber G. ist F. der vom Bundeskartellamt festgestellte Verstoß gegen § 20 Abs. 3 GWB 2007 schon deshalb nicht anzulasten, weil F. nach den Feststellungen des Amtes von G. zu Beginn der Sonderverhandlungen die Zahlung eines Sortimentserweiterungsbonus überhaupt nicht verlangt hat. Zwar ergibt sich aus den Ausführungen des Amtes in der angefochtenen Entscheidung (Rn. 458-460) nicht eindeutig, ob die dort genannte Summe von … € von F. als Sortimentserweiterungsbonus und/oder Partnerschaftsvergütung gefordert worden ist. Jedoch spricht die von F. in den Sonderverhandlungen präsentierte Folie eindeutig dafür, dass sie keinen Sortimentserweiterungsbonus von G. gefordert hat. Auf der Folie (S. 108 des Amtsbeschlusses) sind ausschließlich die Punkte „Synergiebonus“, „Partnerschaftsvergütung“ und „Zahlungsziel NEU“ ausgewiesen, wobei sich die Forderung nach einer Partnerschaftsvergütung exakt auf einen Betrag von … € beläuft. Zudem hat das Bundeskartellamt in seiner Beschwerdeerwiderung (dort Seite 82) ausgeführt: „Gegenüber G. wurde zwar ursprünglich kein Sortimentserweiterungsbonus ermittelt bzw. gefordert, im Ergebnis jedoch ein Betrag von … Euro gezahlt, der als Differenz aus der Partnerschaftsvergütung verblieben war.“
151b.
152Soweit F. von S.-N., I. und T.-X. zum Auftakt der Sonderverhandlungen die Zahlung eines Sortimentserweiterungsbonus verlangt hat, führt eine Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB dazu, dass das Fordern eines Sortimentserweiterungsbonus ohne die gleichzeitige Zusage von F., bisher bei O. gelistete Artikel auch in sämtlichen neuen Filialen zu listen, sachlich gerechtfertigt ist.
153Aufgrund der bevorstehenden Integration der Q.-Filialen in das O.-Vertriebssystem sollte und konnte es zu Listungsausweitungen zu Gunsten der Sektlieferanten kommen. Aus diesem Grund konfrontierte F. die Sektlieferanten zu Beginn der Sonderverhandlungen mit der Forderung nach einem Sortimentserweiterungsbonus, der bei S.-N. … €, bei I. … € und bei T.-X. … € betrug. Allerdings sollte in den anschließenden, auf Augenhöhe geführten Sonderverhandlungen der Umfang etwaiger Listungsausweitungen und Neulistungen bestimmt und der hierfür angemessene Betrag ausgehandelt werden. Hiervon ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auszugehen. Nach den Aussagen der Zeugen H. und A. ist im Hinblick auf die „neue Q.- und O.-welt“ mit über 4.000 Verkaufsstellen mit jedem Sekthersteller von Anfang an über Listungsausweitungen und auch Neulistungen verhandelt worden. Die Richtigkeit dieser Aussagen wird durch die Bekundungen der Zeugen Dr. C., J. und I. bestätigt. Nach Aussage des Zeugen Dr. C. ist I. aufgefordert worden, Artikel zu benennen, bei denen die Möglichkeit einer zusätzlichen Listung gesehen wird. Der Vorschlag von I. habe sodann folgende Komponenten gehabt: bundesweite Listung von … und … sowie der Erhalt der regionalen Listung im Gesamtraum Berlin für „…“ (Bl. 946 VerfAkte). Der Zeuge J. hat für T. X. eine Ausweitung der bestehenden nationalen O.-Listungen „… 0,2l …“ und „… 0,2 l“ auf Q. für mindestens 2009 und 2010 erreichen können, wie sich aus der „Bestätigung Integration Q. in O. Markendiscount“ vom 21.04.2009 (Bl. 1247 Verf.Akte) ergibt. Der Zeuge I. hielt den S.-N. verlangten Sortimentserweiterungsbonus als solchen für berechtigt und hat ihn der Höhe nach akzeptiert (Bl. 1038 Verf.Akte).
154Dass zu Beginn der Sonderverhandlungen der genaue Umfang der Zusatzlistungen unklar war und F. ihre Auftaktforderung nicht mit einer verbindlichen Zusage über konkrete Listungsausweitungen verbunden hat, ist unbedenklich. Die Sekthersteller konnten anhand ihrer bisherigen Umsätze mit F. und/oder Q. prognostizieren, welches zusätzliche Umsatzpotential die Fusion eröffnet und ob vor diesem Hintergrund die Höhe der geforderten Zahlung gerechtfertigt ist. Demzufolge haben die Verhandlungen auch dazu geführt, dass zum einen die Höhe der anfänglich geforderte Zahlung reduziert worden ist – so bei I. und T. X. – und zum anderen – wie bereits oben ausgeführt – tatsächlich Ausweitungen der bisherigen Listungen vereinbart worden sind.
155Da der Senat den Sachverhalt zur Vorbereitung und zum Ablauf der Sonderverhandlungen sowie zur Verhandlungsposition und –stärke der Verhandlungspartner umfassend durch Vernehmung der Zeugen H., A., I., Dr. C., M. und J. aufgeklärt hat, konnte von der ursprünglich vorgesehenen Vernehmung des Zeugen S. abgesehen werden. Auch das Bundeskartellamt hält eine Vernehmung dieses Zeugen für die Aufklärung des Sachverhalts nicht erforderlich (vgl. Schriftsatz vom 30.09.2015, GA 1328 f.).
156III.
157Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 1 GWB. Hiernach entspricht es der Billigkeit, dem Bundeskartellamt als der im Beschwerdeverfahren unterlegenen Partei die Gerichtskosten und die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Kosten der Beteiligten zu 1. aufzuerlegen.
158Zudem war das Bundeskartellamt nach Billigkeitsgesichtspunkten mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. zu belasten. Die Beigeladene zu 1. ist als Wettbewerberin der F. am Ausgang des Verfahrens besonders interessiert, weil sie unter Umständen Adressat einer vergleichbaren Verfügung des Amtes sein kann. Zudem hat sie die Angelegenheit durch ihr schriftsätzliches Vorbringen wesentlich gefördert, indem sie insbesondere zur Normadressateneigenschaft und den Marktverhältnissen umfassend vorgetragen hat, und sie ist – anders als der Beigeladene zu 2. – mit ihrem Standpunkt im Beschwerdeverfahren auch durchgedrungen.
159IV.
160Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 74 Abs. 2 GWB besteht kein Anlass. Es ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden. Auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich. Der Senat hat die Auslegung des Beschlusstenors und die Interessenabwägung im Rahmen der sachlichen Rechtfertigung nach höchstrichterlich anerkannten Grundsätzen vorgenommen, zumal für die hier in Rede stehende Interessenabwägung der gleiche Maßstab gilt, wie bei der Unbilligkeitsprüfung oder der sachlichen Rechtfertigung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 GWB 2007 (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB). Dass das vorliegende Verfahren nach den Wunschvorstellungen des Bundeskartellamts als Musterverfahren für den gesamten Lebensmittelhandel zur Wiederbelebung des Verbots der passiven Diskriminierung geführt werden sollte, begründet keinen Zulassungsgrund. Vielmehr handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage der besonderen Marktverhältnisse zwischen F. und den Sektherstellern S.-N., I., G. und T. X..
161IV.
162Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.
163Prof. Dr. Kühnen |
Dr. Maimann |
Richterin am Oberlandes-gericht Prof. Dr. Lohse ist ortsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert Prof. Dr. Kühnen |
Rechtsmittelbelehrung:
165Die Entscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
166Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und –begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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Referenzen
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x
- GWB § 74 Zulassung, absolute Rechtsbeschwerdegründe 2x
- GWB § 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen 5x
- VwVfG § 37 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes; Rechtsbehelfsbelehrung 1x
- ZPO § 253 Klageschrift 1x
- GWB § 78 Kostentragung und -festsetzung 1x
- GWB § 20 Verbotenes Verhalten von Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht 29x
- §§ 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO 1x (nicht zugeordnet)
- GWB § 33 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch 1x
- GWB § 32 Abstellung und nachträgliche Feststellung von Zuwiderhandlungen 3x