Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-W (Kart) 3/15
Tenor
wird die mit Schriftsatz vom 9. August 2016 ausgebrachte Gegenvorstellung gegen die im Senatsbeschluss vom 11. März 2015- VI-W (Kart) 3/15 - erfolgte Streitwertfestsetzung als unzulässig verworfen.
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Gründe
2Die Gegenvorstellung ist bereits unzulässig und deshalb zu verwerfen.
31. Sie stellt allerdings einen statthaften Rechtsbehelf dar; denn gegen die Streitwertfestsetzung des Senats findet im Hinblick auf §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG und im Übrigen vorliegend auch auf §§ 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 ZPO eine (Rechts-) Beschwerde zum Bundesgerichtshof nicht statt (vgl. hierzu BGH, Beschluss v. 12. Februar 1986 - IVa ZR 138/83, NJW-RR 1986, 737).
42. Die Gegenvorstellung ist jedoch nicht innerhalb der Frist der §§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG eingelegt worden, die indes - wie die Verfügungskläger verkennen - auch für diesen Rechtsbehelf zu beachten ist (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss v. 14. September 1998 - 10 WF 2905/98, NJW-RR 1999, 653, Rz. 10 bei juris [zu § 25 GKG a.F.]; N. Schneider in Schneider/Herget, Streitwert Kommentar, 14. Aufl. [2016], Rz. 219; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. [2016], § 68 GKG Rz. 26). Nach den genannten Vorschriften ist eine Änderung der Streitwertfestsetzung von Amts wegen bzw. auf die Beschwerde eines Verfahrensbeteiligten nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.
5a. Diese Frist ist bei Eingang der Gegenvorstellung (11. August 2016) - längst - abgelaufen gewesen. Der insoweit maßgebliche und der Anfechtung von vornherein nicht unterliegende Senatsbeschluss über die Beschwerde der Verfügungskläger gegen die erstinstanzliche Zurückweisung ihres Ablehnungsgesuchs ist bereits am 11. März 2015 ergangen. Im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung würde führen, wenn man abweichend vom Vorstehenden maßgeblich auf den Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abstellte, im Rahmen dessen die Verfügungskläger ihr Ablehnungsgesuch ausgebracht haben; insoweit hat der Senat über die Berufung der Verfügungskläger mit bereits am 14. Oktober 2015 verkündetem Urteil (VI-U (Kart) 9/15) rechtskräftig entschieden. Welcher der beiden vorbezeichneten Zeitpunkte für die Fristberechnung heranzuziehen wäre, kann daher auf sich beruhen.
6b. Anders als die Verfügungskläger (ohne jede Begründung ihrer Auffassung) meinen, ist dagegen von vornherein unerheblich, dass vor dem Landgericht Köln derzeit noch ein Hauptsacheverfahren (31 O 448/14) anhängig ist, in dem sie sich u.a. gegen diejenigen vom SDG des Verfügungsbeklagten ihnen gegenüber ausgesprochenen Verbote wehren, die sie bereits im Rahmen des auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens angegriffen haben. Bei dem erstgenannten Verfahren (31 O 448/14) handelt es sich vorliegend nämlich nicht um die „Hauptsache“ im Sinne der hier interessierenden Vorschriften über die Festsetzung bzw. Änderung des Streitwertes. Mit der „Hauptsache“ gemäß § 63 Abs. 3 S. 2 GKG ist bei vernünftiger Betrachtung der Dinge ausschließlich dasjenige Verfahren gemeint, in Bezug auf welches die Streitwertfestsetzung erfolgt ist, um deren Änderung es im jeweiligen Einzelfall geht. Von dem gleichen Begriffsverständnis geht nämlich - und zwar ganz offensichtlich - auch § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG aus, soweit hiernach die Befugnis des Rechtsmittelgerichts zur Änderung der Streitwertfestsetzung von Amts wegen u.a. auch aus der Anhängigkeit des Verfahrens „wegen der Hauptsache“ in der Rechtsmittelinstanz folgt. Nichts spricht dafür, dass der in den beiden genannten Absätzen derselben Rechtsvorschrift identisch formulierte Begriff der „Hauptsache“ eine jeweils unterschiedliche Bedeutung haben soll. Im hier interessierenden gebührenrechtlichen Zusammenhang ist das Verfahren in der „Hauptsache“ in dem einen wie dem anderen Fall als der maßgebliche Bezugspunkt für eben diejenige Streitwertfestsetzung zu verstehen, deren Änderung bzw. Abänderbarkeit zur Beurteilung steht. Indes unerheblich ist, ob das Verfahren, das der Streitwertfestsetzung zu Grunde liegt, auf die Gewährung vorläufigen oder aber endgültigen Rechtsschutzes gerichtet ist.
7Mit anderen Worten ist die Rechtskraft der Entscheidung in der „Hauptsache“ gebührenrechtlich nicht im Sinne eines Gegensatzes zu der (rechtskräftigen) Entscheidung in einem Arrest- oder Verfügungsverfahren (§§ 916 ff. bzw. 935 ff. ZPO), sondern im Sinne des Verhältnisses von Streitwertfestsetzung zu dem Verfahren in der Sache selbst zu begreifen. Richtigerweise beginnt die Zeitschranke der §§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG für die Einlegung einer Streitwertbeschwerde bzw. -gegenvorstellung im Verfügungsverfahren daher mit der rechtskräftigen Entscheidung eben dieses Verfahrens und nicht erst mit der Rechtskraft des Urteils im Hauptsacheprozess (so zu Recht auch OLG Stuttgart, Beschluss v. 9. Mai 2000 – 2 W 25/00, OLGR Stuttgart 2000, 333, Rzn. 10 ff. bei juris [zu § 25 Abs. 3 S. 3 GKG a.F.]; a.A. - freilich jeweils ohne jedwede Begründung - etwa: OLG Hamburg, Beschluss v. 19. Oktober 2010 - 3 W 89/10, MDR 2011, 258, Rz. 4 bei juris - Streitwertänderung; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 24. Januar 2011 - 4 W 123/10, MDR 2011, 562, Rz. 3 bei juris; Bayerischer VGH, Beschluss v. 7. Oktober 2013 - 9 C 13.1246, NVwZ-RR 2014, 119, Rz. 2). Dies wird auch dem mit der Zeitschranke verfolgten Zweck am besten gerecht, aus Gründen der Rechtssicherheit den Streitwert festzuschreiben, weil von ihm die Höhe der Gerichtskosten und der Rechtsanwaltsgebühren abhängt. Ein im Einzelfall über den Fristablauf hinaus bestehendes Interesse an einer Änderung der Streitwertfestsetzung muss zurücktreten gegenüber dem Interesse der übrigen Verfahrensbeteiligten, die vom Zeitpunkt des Fristablaufs an auf deren Bestand vertrauen dürfen (vgl. hierzu OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Köln, Beschluss v. 4. März 2013 - 16 W 41/12, NJW-RR 2013, 1178, Rz. 7 bei juris). Mit der aufgezeigten Zielsetzung wäre freilich nicht zu vereinbaren, wenn der in einem für sich genommen rechtskräftig abgeschlossenen Verfügungsverfahren festgesetzte Streitwert grundsätzlich noch bis zur rechtskräftigen Erledigung eines sachlich mit dem Verfügungsverfahren in Zusammenhang stehenden Hauptsacheprozesses einer Abänderung zugänglich bliebe. Die praktische Erfahrung zeigt, dass bis zu dem rechtskräftigen Abschluss solcher Hauptsacheprozesse ganz erhebliche Zeiträume, oftmals mehrere Jahre, vergehen können und der in § 63 Abs. 3 S. 2 GKG genannte Zeitraum von sechs Monaten damit ganz erheblich um ein Vielfaches überschritten wird. Solche langen Schwebezustände können indes im Interesse der vom Gesetz angestrebten Rechtssicherheit schlechterdings nicht hingenommen werden (so zutreffend OLG Stuttgart, a.a.O., Rz. 13 bei juris).
8Für eine abweichende Beurteilung im Sinne der Verfügungskläger fehlt auch im Übrigen jede sachliche Rechtfertigung. Insbesondere kann nicht davon gesprochen werden, dass die Anknüpfung an den Streitwert, der im auf endgültigen Rechtsschutz gerichteten Hauptsacheprozess festzusetzen ist, regelmäßig eine zuverlässigere Bestimmung des Streitwerts des Verfügungsverfahrens ermöglicht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt - insoweit (auch) für das Verhältnis selbständiges Beweisverfahren/Klageverfahren verneinend - OLG Köln, a.a.O.). Von einer solchen Prämisse kann nicht ausgegangen werden, weil das für die Streitwertfestsetzung maßgebliche wirtschaftliche Interesse (vgl. §§ 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. 3 ZPO) des Rechtssuchenden in Bezug auf ein Verfügungsverfahren zum einen und eine Hauptsacheklage zum anderen schon nicht in der Regel und erst recht nicht zwingend identisch ist bzw. auch nur weitgehend gleich schwer wiegt. Dies liegt bereits darin begründet, dass das Verfügungsverfahren grundsätzlich auf die (bloße) Sicherung von Individualansprüchen begrenzt ist, dagegen der Hauptsacheprozess auf die Durchsetzung solcher Ansprüche zielt. Unabhängig von dem genannten Wesensunterschied der beiden Verfahrensarten können die jeweiligen wirtschaftlichen Interessen des Rechtssuchenden in den beiden Verfahren aber auch aus anderen Gründen (erheblich) voneinander abweichen. Lediglich beispielhaft ist insoweit an den Gesichtspunkt einer bei der Bemessung zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Existenzbedrohung des Antragstellers bzw. Klägers zu denken; diese kann bei einem der Verfahren anzunehmen, bei dem anderen Verfahren jedoch zu verneinen sein. Gleiches gilt auch etwa für zwischen den beiden Verfahren eintretende Wertsteigerungen oder -minderungen eines im einzelnen Fall streitbefangenen Gegenstandes. Die genannten Beispiele lassen sich fortsetzen; noch weitergehende Ausführungen hierzu sind vorliegend freilich nicht veranlasst.
9Anderweitige Umstände, die im Hinblick auf den beim Landgericht noch anhängigen Hauptsacheprozess dem Ablauf der Frist zur Einlegung der Gegenvorstellung entgegenstehen, haben die Verfügungskläger nicht ansatzweise aufgezeigt und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.
103. Wie aus den vorstehenden Ausführungen unmittelbar folgt, ist auch eine materielle Überprüfung der angegriffenen Streitwertfestsetzung von Amts wegen ausgeschlossen (§ 63 Abs. 3 S. 2 GKG).
114. In entsprechender Anwendung des § 68 Abs. 3 GKG ist das Verfahren über die Gegenvorstellung gebührenfrei und findet keine Kostenerstattung statt.
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Referenzen
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