Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 5 UF 197/21
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Teilbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Mönchengladbach vom 19.10.2021 aufgehoben, soweit er die Folgesache eheliches Güterrecht betrifft (Tenor S. 3 des Beschlusses von „In der Folgesache eheliches Güterrecht“ bis „Der darüber hinausgehende Widerantrag zu Ziff. I.1. und 2. wird zurückgewiesen“). Insoweit wird die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Mönchengladbach zurückverwiesen.
Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die am 00.01.1949 geborene Antragstellerin und der am 00.10.1946 geborene Antragsgegner schlossen am 24.08.1970 die Ehe und lebten fortan im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Spätestens seit Juli 2016 leben sie voneinander getrennt, wobei der Trennungszeitpunkt streitig ist.
4Seit dem 23.03.2018 ist das vorliegende Scheidungsverfahren rechtshängig, in dem die Antragstellerin die Folgesachen Zugewinnausgleich und Unterhalt anhängig gemacht hat und den Antragsgegner im Wege des Stufenantrags auf Zahlung von Zugewinnausgleich sowie nachehelichem Unterhalt in Anspruch nimmt. Beide Folgesachen befinden sich in der Auskunftsstufe.
5Zum Zugewinnausgleich
6In der Folgesache Zugewinnausgleich hatten die Beteiligten wechselseitig Auskunftsanträge gestellt, die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 08.07.2019 (Bl. 1 GÜ-Heft), der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 04.02.2021 (Bl. 54 GÜ-Heft). Die Beteiligten hatten zunächst versucht, eine gütliche Einigung über den Zugewinnausgleich zu erzielen; die Bemühungen scheiterten jedoch Anfang des Jahres 2021. Die Antragstellerin hat daraufhin unter dem 01.02.2021 das Parallelverfahren AG Mönchengladbach 39 F 29/21 (= OLG Düsseldorf II-5 UF 199/21) mit dem Ziel der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft (§ 1384 BGB) anhängig gemacht.
7Die Antragstellerin hat es für zulässig erachtet, auch nach Stellung des Aufhebungsantrags i.S.v. § 1386 BGB den Stufenantrag zum Zugewinnausgleich zunächst im Scheidungsverbund weiterzuverfolgen. Nach ihrer Auffassung führe erst die Rechtskraft des Beschlusses über die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft dazu, dass das bislang im Scheidungsverbund anhängige Verfahren nicht weiter als Folgesache geführt werden könne.
8Demgegenüber hat der Antragsgegner die Auffassung vertreten, dass der Verbundantrag zum Zugewinnausgleich unzulässig werde, sobald der Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft gestellt sei.
9Das Amtsgericht hat in den beiden Verfahren zeitgleich Entscheidungen verkündet.
10In der Parallelsache 39 F 29/21 hat es mit Beschluss vom 19.10.2021 die Zugewinngemeinschaft der Beteiligten vorzeitig aufgehoben. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat der Senat mit Beschluss vom 28.04.2022 (II-5 UF 199/21) zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 123 ff der Beiakten Bezug genommen.
11Im vorliegenden Verbundverfahren hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Teilbeschluss vom 19.10.2021 den beiderseitigen Auskunftsanträgen in der Folgesache Zugewinnausgleich teilweise stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 70 ff GA Bezug genommen.
12Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsgegner seinen erstinstanzlichen Zurückweisungsantrag weiter. Er vertritt die Auffassung, dass der Verbundantrag der Antragstellerin zum Zugewinn jedenfalls mit Rechtskraft des im Parallelverfahren ergangenen Beschlusses unzulässig geworden sei. Denn eine rechtskräftige Entscheidung in einem Verfahren nach § 1386 BGB führe zur Auflösung des Verbunds von Scheidungs- und Zugewinnausgleichsverfahren, weil keine Entscheidung mehr für den Fall der Scheidung zu treffen sei.
13Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Teilbeschluss. Zwar sei mit Rechtskraft des Beschlusses über die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft das Verbundverfahren zum Zugewinnausgleich nachträglich unzulässig geworden und damit Erledigung eingetreten. Dies habe aber lediglich zur Folge, dass das Zugewinnausgleichsverfahren nunmehr als selbständiges Verfahren fortzuführen sei. Damit werde die Auskunftsstufe keinesfalls hinfällig.
14Der Senat hat die Akten des Amtsgerichts Mönchengladbach 39 F 29/21 (=II-5 UF 199/21) beigezogen.
15Zum nachehelichen Unterhalt:
16Während des Getrenntlebens hatte der Antragsgegner an die Antragstellerin zuletzt einen monatlichen Barunterhalt von rund 10.000 € gezahlt und darüber hinaus weitere Naturalleistungen erbracht. Nach dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen über den Zugewinnausgleich wurde auch der Ehegattenunterhalt zum Streitpunkt zwischen den Beteiligten. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.05.2021 ließ die Antragstellerin den Antragsgegner zur Auskunftserteilung über sein Einkommen auffordern.
17In Reaktion darauf kündigte der Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 28.05.2021 (Bl. 37 UE-Heft) die Überweisung eines Betrags von 1.000.000 € an die Antragstellerin an, welcher zu verrechnen sei „auf die etwaigen Ansprüche Ihrer Mandantin auf Trennungs- und gegebenenfalls nachehelichen Unterhalt sowie als Vorausleistung auf den Zugewinnausgleichanspruch Ihrer Mandantin“. Die Rückforderung einer etwaigen Überzahlung behielt er sich dabei zunächst vor, verzichtete aber später mit anwaltlichem Schreiben vom 22.06.2021 ausdrücklich auf diesen Vorbehalt (Bl. 27 UE-Heft). Die Überweisung der 1.000.000 € erfolgte am 01.06.2021 unter Angabe des Verwendungszwecks „Zahlg unter Vorbeh gem RA Schr vom 28.05.2021 auf TU, neU und GÜ“ (Kontoauszug Bl. 26 UE-Heft).
18Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.06.2021 (Bl. 39 UE-Heft) bestätigte die Antragstellerin den Zahlungseingang. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass sie für nicht mehr als drei Monate verpflichtet sei, Unterhaltsvorauszahlungen entgegenzunehmen, zumal diese ja auch unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden seien. Entsprechend werde sie von den erhaltenen 1.000.000 € jeweils 9.000 € auf den Trennungsunterhalt für die kommenden drei Monate und den Restbetrag von 973.000 € auf den Zugewinnausgleich verrechnen.
19Sodann hat die Antragstellerin – ebenfalls unter dem 09.06.2021 – die Folgesache nachehelicher Unterhalt anhängig gemacht und den Antragsgegner im Wege des Stufenantrags auf Auskunftserteilung und Zahlung nachehelichen Unterhalts in Anspruch genommen.
20Der Antragsgegner hat beantragt, den Stufenantrag zurückzuweisen. Nach seiner Auffassung stehe der Antragstellerin nach Erhalt der 1.000.000 € kein Anspruch auf Ehegattenunterhalt mehr zu, da ihr Unterhaltsbedarf damit auf viele Jahre gedeckt und sie mithin nicht bedürftig sei. Damit bedürfe es auch keiner Auskunft mehr über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
21Durch den angefochtenen Teilbeschluss hat das Amtsgericht dem Auskunftsantrag der Antragstellerin stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt:
22Der Auskunftsanspruch bestehe dem Grunde nach als Vorstufe für einen etwaigen Unterhaltsanspruch. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei aufgrund der Zahlung von 1.000.000 € ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt nicht vollständig ausgeschlossen. Es könne nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass es sich um Vermögen handele, welches die Antragstellerin zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs verwenden könne, da zwischen den Beteiligten Uneinigkeit darüber bestehe, ob die Zahlung auf einen Unterhalts- oder den Zugewinnausgleichsanspruch zu verrechnen sei. Überdies hänge der Bedarf des Unterhaltsberechtigten davon ab, wie sich die individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen einer Gesamtabwägung darstellten. Um überhaupt erst einmal abschätzen zu können, in welchem Umfang gegebenenfalls eine Unterhaltsverpflichtung bestehe, bedürfe es der begehrten Auskunft über das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten. Allenfalls dann wäre eine Auskunft nicht geschuldet, wenn deren Ergebnis den Unterhaltsanspruch unter keinen Umständen beeinflussen könne. Für unbegrenzt leistungsfähig habe sich der Antragsgegner allerdings nicht erklärt.
23Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsgegner seinen erstinstanzlichen Zurückweisungsantrag weiter. Er macht geltend:
24Entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung habe er sehr wohl erklärt, „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein. Er habe in erster Instanz zwar den Begriff nicht verwendet, jedoch sei sein Vortrag über seine erheblich überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse nicht anders zu verstehen gewesen. Vorsorglich bezeichne er sich in der Beschwerdeinstanz nun auch ausdrücklich als „unbegrenzt leistungsfähig“.
25Auch aus anderen Gründen sei die von der Antragstellerin begehrte Auskunft ohne Relevanz für Bestand und Höhe des Unterhaltsanspruchs:
26Selbstverständlich sei die Antragstellerin aufgrund der von ihm, dem Antragsgegner, getroffenen Zahlungsbestimmungen verpflichtet, den erhaltenen Betrag zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs zu verwenden. Vermutlich werde dieser bis an ihr Lebensende, jedenfalls aber noch für viele Jahre reichen, so dass sie gegenwärtig nicht unterhaltsbedürftig sei.
27Angesichts seines weit überdurchschnittlichen Einkommens könne sie einen Unterhaltsbedarf in der Größenordnung der zuletzt geleisteten monatlichen Zahlungen ohnehin nicht als Quotenbedarf, sondern nur im Wege der konkreten Bedarfsberechnung darlegen.
28Schließlich sei ein etwaiger Unterhaltsanspruch zeitlich zu begrenzen. In Anbetracht dessen, dass die Beteiligten nicht erst – wie von der Gegenseite behauptet – seit Juli 2016, sondern bereits seit Ostern 1995 voneinander getrennt lebten und er seither durchgehend Trennungsunterhalt zahle, sowie angesichts fehlender ehebedingter Nachteile auf Seiten der Antragstellerin führe die Billigkeitsabwägung gemäß § 1578 b BGB dazu, den Anspruch auf Ehegattenunterhalt bereits ab Rechtskraft der Scheidung entfallen zu lassen.
29Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Sie bestreitet, dass eine Trennung bereits im Jahr 1995 erfolgt sei. Hiergegen spreche bereits, dass die Beteiligten bis zum Jahr 2016 eine gemeinsame Steuererklärung abgegeben hätten.
30Der Senat hat die Beteiligten mit Beschluss vom 04.05.2022 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde des Antragsgegners nach derzeitigem Stand erfolgversprechend sei. Denn der von der Antragstellerin im Wege der Stufenklage anhängig gemachte Leistungsantrag auf Zahlung eines „noch im Einzelnen zu beziffernden Unterhalts ab Rechtskraft der Scheidung“ sei abweisungsreif, ohne dass es dafür noch auf die begehrte Auskunft ankäme. Die Antragstellerin sei derzeit und auch auf lange Sicht nicht bedürftig, nachdem sie vom Antragsgegner am 01.06.2021 eine Zahlung in Höhe von 1.000.000 € erhalten habe mit der Bestimmung, diese auf den Trennungs- und nachehelichen Unterhalt zu verrechnen und im Übrigen als Vorausleistung auf den Zugewinnausgleichsanspruch anzusehen. Selbst wenn man von einem monatlichen Unterhaltsbedarf der Antragstellerin in Höhe von 10.000 € ausgehe, reiche der zugewandte Geldbetrag, um ihren Bedarf bis einschließlich September 2029 sicherzustellen. Der Scheidungsausspruch werde voraussichtlich deutlich früher rechtskräftig werden, so dass ein Antrag auf Festsetzung von nachehelichem Unterhalt „ab Rechtskraft der Scheidung“ keine Aussicht auf Erfolg habe.
31Dies bedeute allerdings nicht, dass die Antragstellerin keinen Auskunftsanspruch gegen den Antragsgegner habe, sondern nur, dass die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs im Wege des Stufenantrags verbunden mit einem Leistungsantrag auf Unterhaltszahlung ab Rechtskraft der Scheidung keinen Erfolg verspreche. Aussicht auf Erfolg habe demgegenüber die Verbindung des Auskunftsantrags mit einem Antrag auf Feststellung, dass sie berechtigt sei, von den erhaltenen 1.000.000 € einen monatlichen Betrag in noch zu beziffernder Höhe für den nachehelichen Unterhalt zu verwenden, da auf diese Weise sowohl die Eigenschaft als Stufenantrag als auch der Scheidungsverbund erhalten blieben.
32Denn ein Auskunftsanspruch aus §§ 1580, 1605 BGB stehe der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auch angesichts der erhaltenen Zahlung von 1.000.000 € grundsätzlich zu. Schon weil diese nach den vom Antragsgegner getroffenen Zahlungsbestimmungen zunächst auf den Ehegattenunterhalt und dann auf den Zugewinnausgleich zu verrechnen sei, müsse die Antragstellerin in die Lage versetzt werden, den ihr monatlich zustehenden Unterhalt zu errechnen. Das diene nicht nur der langfristigen Finanzplanung, sondern sei auch von Bedeutung für eine etwaige Anrechnung von Vorausempfängen im Zugewinnausgleich gemäß § 1380 BGB.
33Auf den Hinweis des Senats hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 23.05.2022 – unter Aufrechterhaltung ihres Antrags auf Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners – ihren Stufenantrag geändert. Anstelle des bisherigen Leistungsantrags (Antrag zu 3. der Antragsschrift vom 09.06.2021) stellt sie nunmehr einen Antrag auf Feststellung,
34dass sie berechtigt ist, ab Rechtskraft der Scheidung von den erhaltenen 1.000.000 € einen monatlichen Betrag in noch zu beziffernder Höhe für den nachehelichen Unterhalt zu verwenden.
35Der Antragsgegner hält an seinem Beschwerdeantrag auf Zurückweisung des Auskunftsantrags der Antragstellerin fest.
36Er ist der Auffassung, dass der Stufenantrag auch nach erfolgter Antragsänderung zurückzuweisen sei. Der nunmehr auf der letzten Stufe gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig. Es fehle zunächst an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis, da gegenwärtig mangels Bedürftigkeit kein Unterhaltsanspruch bestehe und künftige Ansprüche nicht feststellungsfähig seien. Außerdem sei ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der begehrten Feststellung nicht ersichtlich. Nach den von ihm getroffenen Zahlungsbestimmungen dürfe sie die 1.000.000 € zunächst für ihren Trennungsunterhaltsbedarf und dann nach Rechtskraft der Scheidung für ihren nachehelichen Unterhaltsbedarf vollumfänglich verbrauchen; der zugewandte Betrag stünde ihr vollständig zur freien Verfügung. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass er sich zu keinem Zeitpunkt darauf berufen habe, dass die Zahlung von 1.000.000 € ganz oder teilweise gemäß § 1380 BGB auf die Zugewinnausgleichsforderung anzurechnen sei. § 1380 BGB finde hier auch keine Anwendung, da die Zahlung erst nach Zustellung des Scheidungsantrags geleistet worden sei.
37Auch in der Sache habe der Feststellungsantrag keine Aussicht auf Erfolg, da der Antragstellerin – wie dargelegt – in Anwendung des § 1578 b BGB kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zustehe. Da sie wider besseres Wissen an dem von ihr behaupteten Trennungszeitpunkt im Juli 2016 festhalte, obwohl er, der Antragsgegner, bereits seit 27 Jahren in einer verfestigten Lebensgemeinschaft mit seiner aktuellen Partnerin lebe, sei zudem der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 3 BGB erfüllt.
38II.
39Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur den aus dem Tenor ersichtlichen vorläufigen Teilerfolg.
40- 41
1. Zugewinnausgleich
In Bezug auf die Auskunftserteilung zum Zugewinnausgleich ist der angefochtene Beschluss – wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 04.05.2022 ausgeführt hat – gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO i.V.m. § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuweisen, ohne dass es dazu des Antrags eines Beteiligten bedürfte (§ 538 Abs. 2 S. 3 ZPO). Denn das Amtsgericht hat unter Verstoß gegen §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 FamFG eine unzulässige Teilentscheidung erlassen.
43Teilentscheidungen über Folgesachen im Scheidungsverbund sind gemäß § 142 Abs. 1 FamFG grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme gilt für Stufenanträge in Folgesachen, bei denen lediglich die Entscheidung über die Leistungsstufe im Verbundbeschluss zu erfolgen hat, während über die Auskunftsstufe vorab durch Teilbeschluss zu entscheiden ist (BGH FamRZ 1982, 151f). Ein Stufenantrag in einer Nicht-Folgesache darf demgegenüber nicht im Scheidungsverbund durch Teilbeschluss beschieden werden, sondern ist zuerst zwingend gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 145 ZPO aus dem Verbund zu trennen und als isoliertes selbständiges Verfahren zu führen, bevor in zulässiger Weise ein Teilbeschluss über die Auskunftsstufe ergehen kann.
44Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft durch den im Parallelverfahren ergangenen, rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts vom 19.10.2021 führt zwangsläufig dazu, dass das bislang im Scheidungsverbund anhängige Verfahren über den Zugewinnausgleich nicht weiter als Folgesache geführt werden kann, da hier keine Entscheidung mehr für den Fall der Scheidung zu treffen ist, wie dies § 137 Abs. 2 FamFG voraussetzt (BGH, FamRZ 2019, 1045 f, Rz. 9; Sachs / Völlings, Vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft während rechtshängiger Folgesachen Güterrecht, FamRB 2015, 255f). Das Zugewinnausgleichsverfahren ist daher aus dem Scheidungsverbund herauszulösen und isoliert fortzuführen (BGH, a.a.O.), was nach Auffassung des Senats im Wege der Verfahrenstrennung nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. 145 ZPO zu erfolgen hat (Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 7. Aufl., Rn. 344; Schneider, Kostenentscheidung und Verfahrenswert im Verfahren auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft, NZFam 2021, 647). Der Senat sieht sich jedoch an einer Verfahrenstrennung dadurch gehindert, dass in der Beschwerdeinstanz nur zwei einzelne Folgesachen anhängig sind, während sich der übrige Scheidungsverbund noch in der ersten Instanz befindet.
45Das Amtsgericht hat im vorliegenden Verbundverfahren und im Parallelverfahren über die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft zeitgleich zwei nicht miteinander zu vereinbarende Entscheidungen verkündet. Durch die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft im Verfahren 39 F 29/21 hat es die Voraussetzung dafür geschaffen, dass das im Scheidungsverbund anhängige Zugewinnausgleichsverfahren – nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses – dort nicht weiter als Folgesache geführt werden konnte. Gleichwohl hat das Amtsgericht die Folgesache Güterrecht im Verbund belassen und den angefochtenen Teilbeschluss betreffend die Auskunftserteilung in den Folgesachen Güterrecht und nachehelicher Unterhalt erlassen. Richtigerweise hätte vor Erlass einer die Folgesache Güterrecht betreffenden Entscheidung im Scheidungsverbundverfahren zunächst der Ausgang des Beschwerdeverfahrens in der Parallelsache 39 F 29/21 abgewartet werden müssen, da nur im Fall eines erfolgreichen Rechtsmittels das Zugewinnausgleichsverfahren im Scheidungsverbund verblieben wäre. Im Fall der Zurückweisung der Beschwerde hätte das Amtsgericht das Zugewinnausgleichsverfahren demgegenüber gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. 145 ZPO abtrennen und gesondert darüber verhandeln und entscheiden müssen.
46Dies wird vom Amtsgericht nun nachzuholen sein.
47- 48
2. nachehelicher Unterhalt
Soweit sich der Antragsgegner gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse in der Folgesache nachehelicher Unterhalt wendet, ist seine Beschwerde unbegründet. Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner ein Auskunftsanspruch aus §§ 1580, 1605 BGB zu, den sie nach erfolgter Antragsänderung auch im Scheidungsverbund im Wege des Stufenantrags geltend machen kann.
501. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist der nunmehr von der Antragstellerin auf der letzten Stufe gestellte Feststellungsantrag zulässig.
51a) Die begehrte Feststellung, dass die Antragstellerin berechtigt ist, ab Rechtskraft der Scheidung von den erhaltenen 1.000.000 € einen monatlichen Betrag in noch zu beziffernder Höhe für den nachehelichen Unterhalt zu verwenden, betrifft ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis, nämlich die Unterhaltsbeziehung der Beteiligten, welche mit der Zahlung von 1.000.000 € keineswegs beendet worden ist, zumal die Zahlung ausdrücklich zur Deckung des Unterhaltsbedarfs der Antragstellerin erfolgte.
52b) Ein Feststellungsinteresse der Antragstellerin ist gegeben. Auch nach Erhalt der 1.000.000 € benötigt sie die Information über die Höhe des ihr monatlich zustehenden Unterhalts für ihre Finanzplanung. Zwar ist sie in der Verwendung des Geldbetrages grundsätzlich frei und darf ihn auch für unterhaltsfremde Zwecke verwenden. Auf den Verbrauch des zugewandten Betrages und eine damit einhergehende erneute Bedürftigkeit wird sie sich in einem künftigen Unterhaltsverfahren gegenüber dem Antragsgegner allerdings nur dann berufen können, wenn sie das Geld entsprechend der Zweckbestimmung für ihren Unterhalt verbraucht hat. Hierzu muss sie die Höhe ihres Unterhaltsanspruchs kennen oder – durch die begehrte Auskunft – zumindest in die Lage versetzt werden, den ihr monatlich zustehenden Unterhalt selbst zu errechnen.
53Hinzu kommt, dass der zugewandte Betrag nach der vom Antragsgegner mit Anwaltsschreiben vom 28.05. und 22.06.2021 getroffenen Leistungsbestimmung zwar vorrangig für die Deckung des Unterhaltsbedarfs im Rahmen von Trennungs- und nachehelichem Unterhalt verwendet werden soll, ein etwa überschießender Betrag jedoch als Vorausleistung auf den Zugewinnausgleich zu verrechnen ist. Damit benötigt die Antragstellerin die begehrte Information auch für das zwischen den Beteiligten anhängige Zugewinnausgleichsverfahren. Auch wenn der Antragsgegner zutreffend darauf hinweist, dass die Zahlung von 1.000.000 € keinen Vorausempfang im Sinne von § 1380 BGB darstellt, weil sie erst nach Zustellung des Scheidungsantrags erfolgt ist (vgl. Grüneberg/Siede, BGB, 81. Auflage, § 1380 Rn. 5), so dient sie doch der Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner nunmehr darauf verzichten möchte, sich auf die (teilweise) Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs infolge der Zahlung von 1.000.000 € zu berufen. Denn nach seiner Auffassung steht einem Anspruch der Antragstellerin auf nachehelichen Unterhalt sowohl der Befristungseinwand aus § 1578 b BGB als auch der Verwirkungseinwand aus § 1579 Nr. 3 BGB entgegen, so dass der Anspruch auf Ehegattenunterhalt spätestens mit Rechtskraft des Scheidungsausspruchs wegfalle. Zu diesem Zeitpunkt dürfte der zugewandte Betrag jedoch noch nicht vollständig für den laufenden Unterhalt der Antragstellerin verbraucht sein. Es ist nicht anzunehmen, dass der Antragsgegner ihr den dann noch vorhandenen Restbetrag ohne Anrechnung auf den Zugewinnausgleich überlassen möchte.
54- 55
2. Der Auskunftsantrag der Antragstellerin ist auch begründet. Ein Auskunftsanspruch aus §§ 1580, 1605 BGB steht ihr gegen den Antragsgegner auch angesichts der erhaltenen Zahlung von 1.000.000 € grundsätzlich zu.
a) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners steht der Umstand, dass er sich in der Beschwerdeinstanz für „unbeschränkt leistungsfähig“ erklärt hat, dem Anspruch aus § 1580 BGB nicht entgegen. Denn einer solchen Erklärung ist regelmäßig nur zu entnehmen, dass der Unterhaltspflichtige darauf verzichtet, den Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu erheben. Damit steht aber noch nicht fest, dass auch der Unterhaltsbedarf ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens ermittelt werden kann. Denn auch wenn das Familieneinkommen über das Doppelte des höchsten Einkommensbetrags der Düsseldorfer Tabelle hinausgeht, kann der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch nach der Quotenmethode berechnen (zu den Voraussetzungen im Einzelnen BGH FamRZ 2018, 260ff, Rz. 17). Um für diesen Fall die vollständige Verwendung des Einkommens für seinen Lebensbedarf darzulegen, ist die Einkommensauskunft des Unterhaltspflichtigen von Relevanz, sodass dieser auch hier zur Auskunftserteilung verpflichtet ist (BGH, a.a.O., Rz. 25).
57b) Auch der Befristungseinwand nach § 1578 b BGB sowie der Verwirkungseinwand nach § 1579 Nr. 3 BGB stehen einem Auskunftsanspruch nach §§ 1605 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 1580 S. 2 BGB regelmäßig nicht entgegen. Denn zu den maßgeblichen Gesichtspunkten für die nach §§ 1578 b bzw. 1579 BGB zu treffende Ermessensentscheidung gehören auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen (Münchener Kommentar zum BGB / Maurer, 9. Aufl., § 1580, Rn. 31ff). Lediglich dann, wenn bereits ohne weitere Erhebungen beurteilt werden kann, dass offenkundig kein Unterhaltsanspruch besteht, ist auch keine Auskunft zu erteilen. Ist hingegen zu den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 1578 b oder 1579 BGB noch Beweis zu erheben, besteht regelmäßig auch ein Auskunftsanspruch aus § 1580 BGB (Münchener Kommentar zum BGB / Maurer, a.a.O., Rn. 22).
58So liegt der Fall hier. Denn der Antragsgegner stützt seinen Befristungseinwand maßgeblich darauf, dass die Beteiligten bereits seit 1995 getrennt leben, und seinen Verwirkungseinwand darauf, dass die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren bewusst falsche Angaben zum Trennungszeitpunkt gemacht hat. Beides wird von der Antragstellerin substantiiert bestritten, so dass das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1578 b, 1579 BGB nicht ohne Beweisaufnahme festgestellt werden kann.
59III.
60Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung der unteren Instanz zu überlasen. Das gilt auch, wenn das Rechtsmittelgericht – wie hier – die Sache nur teilweise zurückverweist und im Übrigen selbst in der Sache entscheidet (Anders / Gehle / Göertz, ZPO, 80. Aufl., § 97, Rn. 75; Münchener Kommentar zur ZPO / Schulz, 6. Aufl., § 97, Rn. 17; Stein / Jonas, ZPO, 23. Aufl. § 97, Rn. 8; differenzierend: Zöller / Herget, ZPO, 34. Aufl., § 8, Rn. 8).
61Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- BGB § 1380 Anrechnung von Vorausempfängen 4x
- ZPO § 145 Prozesstrennung 1x
- BGB § 1580 Auskunftspflicht 3x
- 5 UF 199/21 3x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 117 Rechtsmittel in Ehe- und Familienstreitsachen 1x
- 39 F 29/21 5x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 538 Zurückverweisung 2x
- BGB § 1578b Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit 5x
- BGB § 1384 Berechnungszeitpunkt des Zugewinns und Höhe der Ausgleichsforderung bei Scheidung 1x
- BGB § 1605 Auskunftspflicht 3x
- FamFG § 137 Verbund von Scheidungs- und Folgesachen 2x
- BGB § 1386 Vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft 2x
- FamFG § 113 Anwendung von Vorschriften der Zivilprozessordnung 3x
- BGB § 1579 Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit 4x
- FamFG § 142 Einheitliche Endentscheidung; Abweisung des Scheidungsantrags 2x