Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 4 WF 251/18
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Kindesmutter wird der am 05.10.2018 erlassene Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Essen in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 19.10.2018 abgeändert.
Das Ablehnungsgesuch der Kindesmutter gegen den Richter am Amtsgericht X wird für begründet erklärt.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3000 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die beteiligten Kindeseltern begehren wechselseitig das alleinige Sorgerecht für die Kinder M-Q G, geboren am ##.##.2008, und B-N G, geboren am ##.##.2010.
4Mit Beschluss vom 12.04.2018 ordnete das Amtsgericht durch den zuständigen Richter am Amtsgericht X die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens an und beauftragte die Sachverständige Dipl.-Psych. S mit der Erstellung. Mit Schreiben vom 09.05.2018 reichte die Sachverständige ein an sie gerichtetes Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter vom 08.05.2018 bei Gericht ein, in dem mitgeteilt wurde, dass die Kindesmutter eine Exploration ihrerseits sowie der beiden Kinder durch die Sachverständige ausdrücklich ablehne. Daraufhin fragte der Amtsrichter beim Kindesvater bzw. dessen Verfahrensbevollmächtigter mit Verfügung vom 14.05.2018 an, ob der Kindesvater zu einer Exploration durch die Sachverständige bereit sei. Dem stimmte der Kindesvater mit Schriftsatz vom 24.05.2018 zu. Nachdem die Sachverständige mit weiterem Schreiben vom 26.07.2018 mitgeteilt hatte, dass ein Gespräch ihrerseits mit dem Kindesvater stattgefunden habe und eventuell die Einbeziehung der Kinder in die Begutachtung (z.B. Beobachtung der Vater-Kind-Interaktion) erforderlich sei, um die väterliche Erziehungsfähigkeit zu beurteilen, ordnete der Amtsrichter mit Beschluss vom 06.08.2018 an, dass die Kinder im Rahmen des Umgangs bei dem Kindesvater in die Begutachtung miteinbezogen werden sollten.
5Daraufhin lehnte die Kindesmutter mit ihrem am 27.08.2018 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag den Richter am Amtsgericht X wegen Besorgnis der Befangenheit ab und bezog sich insoweit mit näheren Darlegungen auf die insoweit entgegen ihrem ausdrücklichen Willen durch den abgelehnten Richter angeordnete Einbeziehung der Kinder in die Begutachtung
6Das Amtsgericht hat nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters, in der er sein Vorgehen mit näheren Darlegungen insbesondere auf seine Verpflichtung zur weitestmöglichen Sachaufklärung verteidigt hat, mit dem angefochtenen Beschluss den Ablehnungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Fehler-und Verfahrenskontrolle Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens und nicht des Ablehnungsverfahrens sei. Im Übrigen habe die Kindesmutter dem abgelehnten Richter vor Erhebung des Ablehnungsgesuches keine Möglichkeit gegeben, die von ihm – möglicherweise rechtsfehlerhaft getroffene – ergänzende Beweisanordnung zu überprüfen und so den Verfahrensfehler zu beseitigen. Dies sei der anwaltlich vertretenen Kindesmutter zuzumuten gewesen.
7Hiergegen wendet sich die Kindesmutter mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens nach wie vor die Ablehnung des zuständigen Richters verfolgt und der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
8II.
9Die gemäß §§ 6 Abs.2 FamFG, 567ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Kindesmutter hat auch in der Sache Erfolg.
10Aufgrund des Beschlusses vom 06.08.2018, mit dem die Einbeziehung der Kinder in die Begutachtung trotz der entsprechenden ausdrücklichen Verweigerung der
11Kindesmutter angeordnet worden ist, liegt gemäß §§ 6 Abs. 1 FamFG, 42 Abs. 2 ZPO ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen.
12Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (BGH, NJW-RR 2003, 1220; 2012, 61; BayObLGZ 86, 252 mwN; 87, 217; BayObLG NJW 1999, 1875; BAG, NJW 2013, 1180 Tz 18; sa Rn 8). Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist; unerheblich ist, ob er sich für (un-)befangen hält (BVerfGE 73, 335; 99, 56; BVerfG, NJW 2016, 2313) oder Verständnis für Zweifel an seiner Unbefangenheit aufbringt (BVerfGE 32, 290); entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfGE 88, 23; 102, 195; 108, 126; BVerfG, NJW 2014, 1227 Tz 24, stRspr; BGHZ 77, 72; 156, 270 Tz 5; NJW-RR 2015, 444 Tz 11; Günther ZZP 105 [1992], 22 f; hM; Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 42, RdNr.9).
13Zwar ist der Ansatzpunkt des angefochtenen Beschlusses, dass nicht jeder Verfahrensfehler eines Richters die Befürchtung der Befangenheit weckt, zutreffend. Dies gilt aber nicht zwingend bei erheblichen Verfahrensverstößen, etwa wenn hiermit ein leichtfertiger Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen verbunden ist (vergleiche Zöller-Vollkommer, aaO, § 42, Rn. 24 mit Verweis auf BVerfG, NJW 2006, 2248).
14Vorliegend war dem abgelehnten Richter bekannt, dass die Kindesmutter als Mitinhaberin der elterlichen Sorge eine Einbeziehung der Kinder in die Begutachtung bzw. in die Exploration durch die Sachverständige ausdrücklich verweigert hatte; hierzu war die Kindesmutter als Inhaberin der elterlichen Sorge auch berechtigt. Über diese ausdrückliche Vorgabe der Kindesmutter hat sich der abgelehnte Richter mit dem Beschluss vom 06.08.2018 nicht nur hinweggesetzt, sondern – und dies ist maßgeblich – ohne jede Begründung die Exploration der Kinder während eine
15Umgangs mit dem Kindesvater angeordnet. Es wäre insoweit zumindestens geboten gewesen, dass sich der abgelehnte Richter in seinem Beschluss mit der Weigerung der Kindesmutter sachlich auseinandergesetzt und seine Beweggründe, die dazu geführt haben, den Willen der Kindesmutter zu übergehen, dargelegt hätte. Aus der Sicht der Kindesmutter durfte daher der objektive Eindruck entstehen, dass sich der abgelehnte Richter leichtfertig und ohne sachliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Kindesmutter über deren grundgesetzlich geschütztes Elternrecht hinweggesetzt und eine Begutachtung der Kinder beim Kindesvater zu dessen Vorteil angeordnet hat. Darauf, ob der abgelehnte Richter dies tatsächlich beabsichtigt hat (insoweit hat der Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme jedenfalls sachlich nachvollziehbare Gründe angegeben), kommt es nach o.a. nicht an. Entgegen den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses war die Kindesmutter auch bei anwaltlicher Vertretung nicht verpflichtet, den abgelehnten Richter auf einen möglichen Verfahrensverstoß hinzuweisen. Dies war im Hinblick auf einen Ablehnungsgrund schon deshalb nicht geboten, weil das zur Ablehnung führende Verhalten bereits stattgefunden hatte. Im Übrigen zeigt die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters, dass er sein Vorgehen auch im Nachhinein für gerechtfertigt hält und daher nicht anzunehmen war, dass er seinen Beschluss zurückgenommen oder korrigiert hätte. Geboten gewesen wäre es hier seitens des abgelehnten Richters, um dem Vorwurf der fehlenden Unvoreingenommenheit zu entgehen, dass er den Beschluss vom 06.08.2018 jedenfalls ausreichend begründet hätte. Verfahrensmäßig richtig wäre es allerdings gewesen, falls der Richter in Übereinstimmung mit der gerichtlichen Sachverständigen eine Exploration der Kinder für erforderlich gehalten hat, von Amts wegen ein Verfahren bezüglich des Entzuges der elterlichen Sorge der Kindesmutter für den Teilbereich der Begutachtung einzuleiten und auf diese Weise unter Beachtung des grundgesetzlich geschützten Elternrechts der Kindesmutter gegebenenfalls eine Begutachtung der Kinder zu ermöglichen.
16III.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem gemäß § 45 Abs.1 FamGKG zu bestimmenden Wert des Hauptsacheverfahrens.
18Rechtsbehelfsbelehrung:
19Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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