Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (11. Zivilsenat) - 11 U 313/13

Gründe

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Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

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Das Landgericht hat die Drittwiderklage des Beklagten im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

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a) Die Drittwiderklage des Beklagten ist bereits unzulässig.

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Eine Widerklage setzt nach § 33 Abs. 1 ZPO eine anhängige Klage voraus; der Widerkläger muss ein Beklagter und der Widerbeklagte muss ein Kläger sein. Daher ist eine Widerklage gegen einen bisher am Prozess nicht beteiligten Dritten grundsätzlich nur zulässig, wenn sie zugleich gegenüber dem Kläger erhoben wird. Eine Drittwiderklage, die sich ausschließlich gegen einen am Prozess nicht beteiligten Dritten richtet, ist grundsätzlich unzulässig (zuletzt BGH, Urt. v. 7. November 2013 - VII ZR 105/13 -, NJW 2014, 1670 f., juris Rn. 14). Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für einzelne Konstellationen, etwa in Fällen der Abtretung der Klageforderung, die Zulässigkeit auch einer isolierten Drittwiderklage bejaht worden ist, beruhte dies darauf, dass durch das Rechtsinstitut der Widerklage die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden werden soll. Zusammengehörende Ansprüche sollen einheitlich verhandelt und entschieden werden können. Ausschlaggebend ist insoweit, dass die Gegenstände der Klage und der Drittwiderklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbeklagten durch seine Einbeziehung in den Rechtsstreit der Parteien verletzt werden (BGH, a.a.O. Rn. 16).

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Gemessen hieran ermangelt es der gegen den Drittwiderbeklagten persönlich erhobenen Drittwiderklage bereits eines hinreichend engen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhangs mit der von dem Kläger als Partei kraft Amtes gegen den Beklagten erhobenen Klage.

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In tatsächlicher Hinsicht steht die dem Beklagten gemäß § 64 Satz 1 GmbHG haftungsbegründend vorgeworfene Pflichtverletzung, nämlich die Entgegennahme von Zahlungen auf ein debitorisches Konto der Schuldnerin in der Zeit bis zum 15. März 2010, in überhaupt keinem Zusammenhang zu der dem Drittwiderbeklagten mit der Drittwiderklage entgegengehaltenen Pflichtverletzung, nämlich der im September 2010 erfolgten Beendigung der zu Gunsten des Beklagten bestehenden Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Auch eine rechtliche Verknüpfung der den Gegenstand der Klage und der Drittwiderklage bildenden Ansprüche besteht lediglich insoweit, als dass für den Fall des Nichtbestehens der Klageforderung auch der mit der Drittwiderklage hinsichtlich der Klageforderung geltend gemachte Freistellungsanspruch notwendigerweise ins Leere geht. Dies allein reicht für die Annahme einer hinreichend engen rechtlichen und tatsächlichen Verknüpfung der Gegenstände von Klage und Drittwiderklage aber nicht aus.

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b) Die Drittwiderklage wäre zudem aber auch unbegründet.

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aa) Der Begründetheit der Drittwiderklage stünde es allerdings nicht schon entgegen, dass bis zur Entscheidung über den Bestand des mit der Klage gegen den Beklagten geltend gemachten Zahlungsanspruchs allenfalls einer auf die Feststellung der Ersatzpflicht des Drittwiderbeklagten gerichteten Feststellungsklage stattzugeben sein könnte (BGH, Urt. v. 16. November 2006 - I ZR 257/03 -, NJW 2007, 1809 ff., juris Rn. 20). Dem hätte ggf. auch noch im Berufungsverfahren im Wege der Teilabweisung der mit der Berufung weiterverfolgten Leistungsklage Rechnung getragen werden können.

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bb) Der Begründetheit der Drittwiderklage stünde es darüber hinaus auch nicht entgegen, dass der Beklagte von vornherein nicht in den Kreis der von § 60 Abs. 1 InsO geschützten Beteiligten des Insolvenzverfahrens einbezogen wäre. Nach Auffassung des Senats hat vielmehr der Insolvenzverwalter im Zusammenhang mit der ihm gemäß § 103 Abs. 1 InsO obliegenden Entscheidung auch über den Fortbestand von Versicherungsverträgen, die die Vermögensinteressen von Organen der Schuldnerin unmittelbar betreffen, deren Belange zumindest mit zu berücksichtigen und darf diese nicht durch die unabgestimmte und ankündigungslose Beendigung derartiger Versicherungen potenziell existenzgefährdenden Risiken aussetzen. Dies hätte es vorliegend zumindest erfordert, den Beklagten über die beabsichtigte Beendigung der zu dessen Gunsten bestehenden Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung in Kenntnis zu setzen und dem Beklagten hierdurch die Gelegenheit zu geben, den Versicherungsschutz ggf. mit eigenen Mitteln aufrechtzuerhalten.

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Hierfür hätte auch nicht zuletzt mit Rücksicht auf die eigene Einschätzung des Drittwiderbeklagten in dessen Bericht vom 4. August 2010, „es dürfte eine Antragsverschleppung von ca. 16 Monaten“ vorliegen, und die sich hiernach erkennbar aufdrängende Möglichkeit einer persönlichen Inanspruchnahme des Beklagten Veranlassung bestanden. Die eigene Erklärung des Beklagten im Zusammenhang mit der am 25. Mai 2010 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, der am 18. März 2010 gestellte Insolvenzantrag sei „rechtzeitig“ erfolgt, ändert hieran nichts.

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cc) Die Drittwiderklage wäre allerdings deshalb unbegründet, weil die dem Drittwiderbeklagten haftungsbegründend entgegen gehaltene Pflichtverletzung vorliegend nicht zu einem Schaden des Beklagten geführt hat.

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Der Beklagte ist des ihm aufgrund der Vermögensschaden-Haftplichtversicherung zuteil gewordenen Versicherungsschutzes durch die von dem Drittwiderbeklagten zum 9. September 2010 vorgenommene Beendigung des Versicherungsvertrags nämlich nicht verlustig gegangen. Zwar sieht § 3 Ziffer 2.3 Satz 2 der Versicherungsbedingungen der zu Gunsten des Beklagten zustande gekommenen Vermögensschaden-Haftplichtversicherung für den vorliegenden Fall der Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin als Versicherungsnehmerin ausdrücklich einen Ausschluss der in § 3 Ziffer 2.3 Satz 1 der Versicherungsbedingungen vorgesehenen Nachmeldefrist von drei Jahren vor. Dieser vollständige Ausschluss einer Nachmeldefrist unter anderem für den Fall eines Insolvenzantrags ist jedoch unwirksam.

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Der Senat folgt insoweit der Auffassung der Oberlandesgerichte München und Frankfurt, dass die mit dem vorliegend in § 1 Ziffer 2.2 der Versicherungsbedingungen zu Grunde gelegten sog. „Claims-Made-Prinzip“ verbundenen Nachteile nur dann keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB darstellen und mithin nicht zur Unwirksamkeit entsprechender Versicherungsbedingungen führen, sofern sie unter anderem durch eine Nachhaftungsregelung kompensiert werden (OLG München, Urt. v. 8. Mai 2009 - 25 U 5136/08 -, VersR 2009, 1066 ff., juris Rn. 29 ff.; OLG Frankfurt, Urt. v. 5. Dezember 2012 - 7 U 73/11 -, RuS 2013, 329 ff., juris Rn. 63; Prölss/Martin/Voit, VVG, 29. Aufl. 2015, AVB-AVG Ziff. 2 Rn. 1d). Gemessen hieran ist der vollständige Ausschluss einer Nachmeldefrist gerade für den für die Organe einer Kapitalgesellschaft regelmäßig mit erheblichen Haftungsrisiken verbundenen Fall der Insolvenzantragstellung nicht wirksam.

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Mangels eines infolge der haftungsbegründend geltend gemachten Pflichtverletzung zum Nachteil des Beklagten eingetretenen Schadens besteht der gegen den Drittwiderbeklagten insoweit als Freistellungsanspruch verfolgte Schadensersatzanspruch deshalb rechtlich nicht.

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Bei dieser Sachlage legt der Senat dem Beklagten im unmittelbar eigenen Kosteninteresse eine Zurücknahme der Berufung nahe.

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