Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 5 U 067/14
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Nebenintervenienten gegen das am 18.03.2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 308/11 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Der Nebenintervenient erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
G r ü n d e:
1I.
2Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
3Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Zahnarzthonorar in Höhe von 5.910,19 EUR aus der streitgegenständlichen Rechnung vom 15.11.2010 zu. Es steht nicht fest, dass die abgerechneten Leistungen nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst für eine zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung medizinisch erforderlich waren, § 1 Abs. 2 GOZ. Den ihr obliegenden Beweis der medizinischen Erforderlichkeit der Leistungen hat die Klägerin nicht erbracht. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens Dr. D vom 09.03.2013, das in einem zwischen den Parteien vor dem Amtsgericht Köln (Az. 116 C 313/11) geführten Rechtsstreits erstattet worden ist, steht nicht fest, dass die durch den Nebenintervenienten erbrachten Leistungen medizinisch erforderlich waren. Das Landgericht war nicht verpflichtet, ein neues Gutachten einholen.
4Es kann offen bleiben, ob die Kammer das Gutachten des Sachverständigen Dr. D verfahrensfehlerfrei verwertet hat. Eine Verwertung eines in einem anderen Verfahrens eingeholten Gutachtens setzt - wenn man nicht schon einen förmlichen Beweisbeschluss für erforderlich hält (so Zöller-Greger, 29 Auflage, § 411a, Rz. 4; aA Münchener Kommentar-Zimmermann, 4. Auflage, § 411a, Rz. 7: Erlass eines Beweisbeschluss ist zweckmäßig) - zumindest einen Hinweis an die Parteien auf das beabsichtigte Verfahren voraus, damit diese noch vor der Verwertung des Gutachtens in der abschließenden Entscheidung des Gerichts Gelegenheit zur Stellungnahme haben (BGH, Beschluss vom 23.11.2011, Az. IV ZR 49/11, zitiert nach juris). Daran dürfte es hier gefehlt haben. Zwar stand aufgrund des Verlaufes des Rechtsstreits, der im Hinblick auf das amtsgerichtliche Verfahren und das dort eingeholte Sachverständigengutachten zwischenzeitlich ruhend gestellt wurde, eine Verwertung des Gutachtens für alle Beteiligten sicherlich erkennbar im Raum. Ferner lag in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die Akte des Amtsgerichts Köln vor und wurde ausweislich des Sitzungsprotokolls zu Beweiszwecken zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Eine Ankündigung der Kammer, sie werde das Gutachten gemäß § 411a ZPO verwerten und die Gelegenheit zur Stellungnahme ist jedoch nicht erfolgt. Dazu hätte aber gerade vor dem Hintergrund, dass der Nebenintervenient schon vor der mündlichen Verhandlung vorsorglich einer Verwertung widersprochen hatte, Anlass bestanden. Die in der Berufungserwiderung aufgestellte Behauptung des Beklagten, es seien sämtliche Verfahrensbeteiligten zuvor mit der Verwertung des Gutachtens einverstanden gewesen und hätten hierzu ihre Zustimmung erteilt, lässt sich anhand der Verfahrensakte nicht nachvollziehen.
5Ob ein Verfahrensfehler vorliegt, kann jedoch im Ergebnis offen bleiben, denn jedenfalls beruht die Entscheidung des Landgerichts nicht auf dem Verfahrensfehler. Der Nebenintervenient trägt auch mit seiner Berufungsbegründung keine Umstände vor, die eine von dem angefochtenen Urteil abweichende Entscheidung rechtfertigen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Gutachten des Sachverständigen Dr. D nicht hätte verwertet werden dürfen. Das Landgericht hat von dem ihm gemäß § 411a ZPO eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht und begründet, weshalb es eine Verwertung des Gutachtens für sinnvoll und zweckmäßig hielt. Fehler in der Ermessensausübung sind nicht ersichtlich. Ohne Erfolg wendet der Nebenintervenient ein, das Gutachten habe nicht verwertet werden dürfen, weil dem Sachverständigen nicht sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien. Die erstmals im Berufungsverfahren vorgelegte Stellungnahme des Orthopäden Dr. I vom 19.05.2014 ist für die Beweisfrage ohne Relevanz. Der sich aus der Stellungnahme von Dr. I ergebende Umstand, dass der Orthopäde am 07.02.2011 – und damit zeitlich nach Ende der streitgegenständlichen zahnärztlichen Behandlung – die Diagnose einer Craniomandibulären Dysfunktion (CMD) gestellt hat, belegt nicht die medizinische Notwendigkeit der streitgegenständlichen Behandlung. Der Sachverständige hat ausgeführt, die Frage der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung richte sich nach dem erhobenen Anfangsbefund, dem Zahnstatus und der pathologischen Befunde (Seite 3 des Gutachtens des Dr. D vom 09.03.2013). Eine entsprechende Dokumentation liegt nicht vor. Soweit der Nebenintervenient auf das von ihm als Anlage zum Schriftsatz vom 17.02.2014 vorgelegte Formular „klinische Funktionsanalyse“ verweist, stellt dies bereits keine glaubwürdige Dokumentation eines erhobenen Funktionsstatus dar und hätte daher auch nicht dem Sachverständigen zur erneuten Begutachtung vorgelegt werden müssen. Denn der Nebenintervenient erklärt mit keinem Wort, weswegen diese Dokumentation erst fast ein Jahr nach Gutachtenerstellung vorgelegt wurde. Der Nebenintervenient ist seinerzeit im amtsgerichtlichen Verfahren durch den Sachverständigen mehrfach aufgefordert worden, die Behandlungsdokumentation vorzulegen. Der Sachverständige hat auf telefonische Nachfrage in der Praxis des Nebenintervention nach der Vollständigkeit der eingereichten Dokumentation die Information erhalten, dass weitere Unterlagen nicht vorhanden seien. Wenn nunmehr in diesem Rechtsstreit durch den Nebenintervenient kommentarlos ein Dokument vorgelegt wird, das einen Funktionsstatus belegen soll und dessen zeitliche Entstehung nicht nachvollzogen werden kann, liegt keine glaubwürdige Behandlungsdokumentation vor, die Gegenstand einer Begutachtung sein kann. Auf die Frage, ob das Dokument überhaupt eine medizinische Notwendigkeit der Behandlung belegt, kommt es daher nicht entscheidend an.
6Soweit der Nebenintervenient behauptet, der nach klinischer Funktionsanalyse entstandene Verdacht einer CMD sei mithilfe einer Cadiax-Aufzeichnung bestätigt worden, hat der Sachverständige Dr. D überzeugend ausgeführt, dass diese Aufzeichnungen allein zur Diagnostik nicht ausreichen. Die erstmals mit der Berufung erfolgte Behauptung, es sei ein Aufkleber „CMD Kurzbefund“ verwendet worden, ist nicht nachvollziehbar, denn ein solcher Aufkleber ist nicht Inhalt der Behandlungsdokumentation geworden.
7Der Einwand, der Sachverständige habe die Behandlungsempfehlungen der DGZMK nicht berücksichtigt, ist aufgrund seiner Pauschalität ebenfalls nicht nachvollziehbar. Der Nebenintervenient zeigt nicht auf, welche Behandlungsempfehlungen im Einzelnen vom Sachverständigen unberücksichtigt geblieben sind und inwieweit dies für die Entscheidung relevant ist.
8Da eine medizinische Notwendigkeit der abgerechneten Leistungen nicht nachgewiesen ist, kommt es auf die gebührenrechtliche Berechtigung einzelner Rechnungspositionen schon nicht an. Der Senat weist dennoch darauf hin, dass die Klage in Höhe von 2.834,58 EUR ohnehin unbegründet sein dürfte, da die mehrfach berechnete Ziffer 608 des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen nach den überzeugenden und nicht weiter angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. D nur bei in der Wachstumsphase befindlichen Patienten angesetzt werden darf und der im Zeitpunkt der Behandlung 39 Jahre alte Beklagte nicht zu dem einschlägigen Patientenkreis gehörte. Darüber hinaus dürfte auch der mehrfache Ansatz der Positionen 703, 801, 810 und Ä1 nach den nicht weiter beanstandeten Ausführungen des Sachverständigen Dr. D durchgreifenden Bedenken begegnen.
9II.
10Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- ZPO § 411a Verwertung von Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren 2x
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 1x
- 116 C 313/11 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 513 Berufungsgründe 1x
- IV ZR 49/11 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss 6x
- 3 O 308/11 1x (nicht zugeordnet)