Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 16 UF 186/01

Tenor

Gründe

 
I.
Die Kläger Ziffer 1 - 3 stammen aus einer am 12.11.1996 geschiedenen Ehe des Beklagten mit der Klägerin Ziffer 4. Sie nehmen ihn auf Zahlung von Unterhalt und Schadensersatz in Anspruch.
...
II.
...
III.
Der Beklagte ist der Klägerin Ziffer 4 gemäß § 826 BGB zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 6.317,52 EUR verpflichtet.
1. Das amtsgerichtliche Urteil erwähnt die Klägerin Ziffer 4 nicht im Rubrum, obwohl sie mit Schriftsatz vom 28.03.2001 einen eigenen Schadensersatzanspruch zur Entscheidung gestellt hat, über den das Amtsgericht auch - negativ - entschieden hat. Der Prozesskostenhilfeantrag der Kläger Ziffer 1 bis 3 erwähnt die Klägerin Ziffer 4 ebenfalls nicht im Rubrum. Aus den angekündigten Anträgen wie auch aus der Begründung des Prozesskostenhilfeantrages ergibt sich jedoch, dass die beabsichtigte Berufung auch die Klageabweisung zum Nachteil der Klägerin Ziffer 4 erfassen soll, so dass die nach der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag rechtzeitige mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingelegte Berufung auch im Namen der Klägerin Ziffer 4 zulässig ist.
2. Für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch sind die Familiengerichte sachlich zuständig, da es sich gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO um eine Familiensache handelt, die eine „durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht“ zu Gegenstand hat. Dazu zählen auch Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit derartigen Unterhaltsansprüchen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 621 Rn. 7 m.w.N.).
3. Erkennt ein Unterhaltsschuldner, dass durch verbesserte Einkommensverhältnisse ein rechtskräftiger Unterhaltstitel unrichtig geworden ist, so besteht ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB, wenn der Unterhaltsschuldner die Verbesserung der Einkommensverhältnisse verschweigt und darin eine vorsätzliche, in besonderem Maße unredliche (sittenwidrige) Ausnützung dieser Situation zu bejahen ist (vgl. BGH NJW 1988, 1965; s.a. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2004, 145 zur Aufklärungspflicht des Unterhaltsgläubigers). Dies ist hier der Fall.
a) Der Beklagte hat unmittelbar für die Zeit nach der ersten Verurteilung zur Zahlung von Unterhalt (18.04.1995) durch eine Eigenkündigung zum 30.06.1995 seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit verringert und sofort eine Abänderungsklage angestrengt, die zur Herabsetzung des Unterhaltes führte (Urteil vom 21.11.1995). Er ist sodann ein Arbeitsverhältnis eingegangen, welches seine Leistungsfähigkeit noch weiter herabsetzte und schließlich (durch Versäumnisurteil vom 12.11.1996) dazu führte, dass der Beklagte keinen Unterhalt mehr zu zahlen hatte. Anschließend arbeitete der Beklagte ab November 1996 im Pflegedienst des ... und von Januar 1998 bis Juni 2000 vollschichtig im Pflegedienst des ..., wo er zuletzt durchschnittlich etwa 5.000 DM brutto verdiente. Während er vom Jugendamt der Stadt ... am 10.01.2000 aufgefordert wurde, einen Arbeitsvertrag vorzulegen, beendete er sein Arbeitsverhältnis durch einen Auflösungsvertrag ohne die Einhaltung einer Kündigungsfrist innerhalb weniger Tage und trat zum 15.06.2000 eine neue Stelle als Krankenpfleger mit 20 Arbeitsstunden pro Woche bei einem Einkommen von 1.950 DM brutto an.
b) Im vorliegenden Sachverhalt ist offensichtlich, dass der Beklagte die Verbesserung seiner Einkommensverhältnisse - die auf einer Ausweitung seiner beruflichen Tätigkeit beruhte - ab Januar 1998 verschwiegen hat. Da der Beklagte gerade mit der Behauptung einer verringerten Arbeitsfähigkeit mit Urteil vom 11.12.1996 ein Erlöschen seiner Unterhaltsverpflichtung erreicht hatte, ist davon auszugehen, dass ihm die Bedeutung des Umfangs seiner beruflichen Tätigkeit für die Höhe des Unterhaltsanspruchs bekannt gewesen ist. Das Verhalten des Beklagten lässt nur den Schluss zu, dass er diese Situation bewusst herbeigeführt und ausgenutzt hat. Sein Verhalten erfüllt daher den Tatbestand des § 826 BGB, da er durch sein Verschweigen die Klägerin Ziffer 4 daran hinderte, die berechtigten Unterhaltsansprüche der Kläger Ziffer 1 bis 3 geltend zu machen (vgl. hierzu BGH FamRZ 1988, 270, 272 f.). Dass der Beklagte die verbesserten Einkommensverhältnisse zur Tilgung von Schulden benutzt hat, ist nicht substantiiert dargelegt. Er hat lediglich Ratenzahlungen während dieser Zeit in Höhe von insgesamt 150 DM mtl. belegt. Die Zahlung des Betrages von 12.500 DM geschah erst am 30.04.2002. Dass es ihm infolge seiner psychischen Erkrankung nicht möglich gewesen wäre, seiner Hinweispflicht nachzukommen, ist nicht geltend gemacht und auch nicht anzunehmen.
c) Der Beklagte war mit seinem Einkommen in Höhe von etwa 5.000 DM brutto den Klägern gemäß § 1601 BGB unterhaltspflichtig und jedenfalls in Höhe des Regelsatzes leistungsfähig. Dies wird vermutet und wäre vom Beklagten zu widerlegen, was nicht geschehen ist. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme davon auszugehen ist, dass der Beklagten jedenfalls ab 15.06.2000 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, mehr als 1.500 DM netto zu verdienen. Im Zeitraum vom Januar 1998 an bis zum 15.06.2000 hatte der Beklagte tatsächlich ein höheres Einkommen, welches für die Berechnung des Kindesunterhaltes nach der Düsseldorfer Tabelle maßgeblich ist.
d) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit des Beklagten während dieses Zeitraumes überobligationsmäßig war. Zum einen ist er seinen minderjährigen Kindern gesteigert unterhaltspflichtig (vgl. § 1603 Abs. 2 BGB). Zum anderen ist eine normale, vollschichtige Tätigkeit in der Regel zumutbar. Ob es im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte, kann dahinstehen. Gegen eine Überobligationsmäßigkeit spricht bereits der Umstand, dass der Beklagte seinen Beruf über zweieinhalb Jahre in vollzeitigem Umfang ausgeübt hat. Dabei spielt es keine Rolle, dass das Versorgungsamt bei dem Beklagten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit festgestellt hat. Denn diese Feststellung bezieht sich nicht auf den vom Beklagten tatsächlich ausgeübten Beruf, sondern auf seine körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben (§ 3 Abs. 1 SchwbG). Die den Feststellungen des Versorgungsamtes zugrunde liegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen werden unterhaltsrechtlich in vollem Umfang erst dann bedeutsam, wenn sie auch tatsächlich zu einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit des Beklagten geführt haben und sich damit zu einer tatsächlichen Einkommensminderung verdichten (ebenso OLG Stuttgart, FamRZ 1978, 681 ff., 683, für den Fall der Ausübung einer Berufstätigkeit trotz Krankheit). Im Übrigen richtet sich der Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt nach den tatsächlichen Einkommensverhältnissen.
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e) Die Reduzierung der Arbeitszeit durch den Beklagten führte zunächst dazu, dass die Klägerin Ziffer 4 gemäß §§ 1607 Abs. 1, 1603 Abs. 2 S. 3 BGB barunterhaltspflichtig wurde und mangels Kenntnis von den späteren Einkommensverhältnissen des Beklagten nicht erkennen konnte, dass diese Unterhaltsverpflichtung wieder erloschen war. Sie hat zwar nicht dargelegt, dass sie den Klägern Ziffer 1 bis 3 Barunterhalt geleistet hat. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Klägerin Ziffer 4 ihren Kindern neben dem Betreuungsunterhalt auch Naturalunterhalt leistete. Dies hätte sie zwar auch ohne das Verhalten des Beklagten getan, aber unter Verwendung des vom Beklagten zur Verfügung gestellten Barunterhaltes. In Höhe das dadurch auf Seiten der Klägerin Ziffer 4 notwendigen Einsatzes eigener Mittel ist ihr daher ein Schaden eingetreten. Diese Mittel hat die Klägerin Ziffer 4 zwar nicht im Einzelnen beziffert. Ihre Schadensberechnung beruht auf der Zusammenstellung des nach ihrer Ansicht vom Beklagten geschuldeten Unterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle abzüglich erhaltener Sozialleistungen. Diese Beträge - es handelt sich um Monatsbeträge wechselnder Höhe zwischen 958 DM und 1.256 DM - entsprechen nicht zwangsläufig dem, was die Klägerin Ziffer 4 tatsächlich an wirtschaftlichen Nachteilen durch das Verhalten des Beklagten hatte.
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Bei der Bewertung des von der Klägerin Ziffer 4 geleisteten Naturalunterhaltes ist zu berücksichtigen, dass diese Leistungen sich an der Leistungsfähigkeit eines betreuenden Elternteils orientieren müssen. Für deren Bewertung wird der betreuende Elternteil so behandelt, als sei er selbst mit seinem eigenen Einkommen barunterhaltspflichtig, was deshalb zu einer (vermuteten) Leistung in Höhe des Tabellensatzes nach seinem Nettoeinkommen führt. Liegt dieses Einkommen - wie hier - tatsächlich unterhalb der Grenze für die Eingruppierung in die Düsseldorfer Tabelle, ist in jedem Fall der unterste Tabellensatz (bis zum 30.06.2001 der Mindestbedarf nach der Regelunterhaltsverordnung, seither Regelbetrag) anzusetzen. In diesem Umfang wird eine entsprechende Leistung aus dem Umstand gefolgert, dass die Kinder tatsächlich in der Zeit, in der der Beklagte nichts gezahlt hat, überlebt haben (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1450). Dies bedeutet, dass die Klägerin Ziffer 4 Schadensersatz nur in Höhe der Einkommensstufe 1 der Düsseldorfer Tabelle verlangen kann abzüglich der gemäß § 7 UVG auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Ansprüche und unter anteiliger Berücksichtigung des von ihr bezogenen Kindergeldes.
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4. Soweit die Klägerin Ziffer 4 darüber hinausgehenden Schadensersatz beansprucht, ist ihre Berufung zurückzuweisen, denn der Klägerin Ziffer 4 stehen auch aus anderen Rechtsgründen keine weitergehenden Ansprüche zu.
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a) Einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 683, 680 BGB hat sie nicht. Da der Beklagte während des fraglichen Zeitraums aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Heidelberg vom 12.11.1996 keinen Unterhalt schuldete, ist davon auszugehen, dass auch die Klägerin Ziffer 4 hiervon ausging und mit der alleinigen Unterhaltsgewährung an die Kläger Ziffer 1 bis 3 nicht vorhatte, im Interesse des Beklagten zu handeln und damit ein Geschäft des Beklagten im Sinne der §§ 677 ff. BGB zu führen. Damit scheidet auch die Anwendung des §§ 684 S. 1 i.V.m. 812 ff. BGB aus.
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b) Der Klägerin steht auch kein Bereicherungsanspruch gemäß den §§ 812 ff. BGB zu. Die Klägerin Ziffer 4 hat den Beklagten nicht von einer Unterhaltsschuld befreit. Die Klägerin Ziffer 4 hat nicht dargelegt, dass sie an die Kläger Ziffer 1 bis 3 Barunterhalt geleistet hat. Nur insoweit könnte der Beklagte bereichert sein. Die Nichtgeltendmachung von Barunterhalt ist ebenfalls den Klägern Ziffer 1 bis 3 zuzurechnen und nicht der Klägerin Ziffer 4.
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c) Auch ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch ginge nicht weiter als der unter Ziffer 3 b) dargelegte Anspruch, da er an die von der Klägerin darzulegenden tatsächlichen Aufwendungen anknüpft.

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