Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 7 U 23/04

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 15.12.2003 - 23 O 104/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Beklagte war Kommanditist der Klägerin zu 4 und Gesellschafter der Klägerin zu 5. Die Klägerin zu 5 ist die Komplementärin der Klägerin zu 4. Die Kläger 1 bis 3 sind Kommanditisten der Klägerin zu 4 und Gesellschafter der Klägerin zu 5. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 4 hat am 14.11.2000 beschlossen, den Beklagten wegen eines wichtigen Grundes aus der KG auszuschließen, die Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 5 hat am gleichen Tag beschlossen, den Geschäftsanteil des Beklagten einzuziehen. Die Wirksamkeit dieser Beschlüsse war zwischen den Parteien im Streit. Die Wirksamkeit der Einziehung des Geschäftsanteils an der Klägerin zu 5 stellte der Beklagte in einem Rechtsstreit vor dem LG Mannheim, der unter dem Aktenzeichen 23 O 184/00 geführt wurde, in Abrede. Wegen des Ausschlusses aus der Klägerin zu 4 strengte er ein Schiedsverfahren an.
Im Verfahren 23 O 184/00 schlossen die Parteien vor dem Landgericht Mannheim in der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2003 einen Vergleich, wegen dessen Inhalt auf die Anlage K 1 Bezug genommen wird. Nach diesem Vergleich sollte der Beklagte einen Betrag in Höhe von EUR 1.278.229,70 erhalten. Die Zahlungstermine sind in dem Vergleich festgelegt. In § 3 Abs. 3 des Vergleichs heißt es zur Verzinsung:
„Der in Abs. 1 genannte Betrag ist ab 01.04.2003 mit 5 % p.a. zu verzinsen. Die Zinsen ab 01.04.2003 bis 30.04.2003 sind mit dem Hauptbetrag zu zahlen. Im Falle des Verzugs ist der gesetzliche Verzugszinssatz zu bezahlen (§ 288 BGB).
Die Zahlungen wurden nicht fristgerecht geleistet. Die Parteien streiten nunmehr darüber, ob sich der Verzugszins nach § 3 Abs. 3 Satz 3 des Vergleichs nach § 288 Abs. 1 Satz 2 oder nach § 288 Abs. 2 BGB bemisst. Die Kläger sind der Auffassung, sie hätten mit den von ihnen geleisteten Zahlungen, zuletzt in Höhe von EUR 100.290,59 am 14.07.2003, sämtliche Forderungen des Beklagten einschließlich Zinsen erfüllt (Anlage K 2). Der Beklagte ist dagegen der Ansicht, für die Zeit des Verzugs stehe ihm der erhöhte Zinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB zu, errechnete daraus zum 30.07.2003 eine noch offene Forderung des Beklagten in Höhe von EUR 13.802,35 (Anlage K 4) und drohte den Klägern mit Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Vergleich.
In erster Instanz haben die Kläger beantragt:
Die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 14.04.2003, abgeschlossen in dem Verfahren umgekehrten Rubrums vor dem Landgericht Mannheim, 23 O 184/00, wird hinsichtlich einer Forderung von EUR 12.397,71 für unzulässig erklärt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil, auf das wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz und der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Beklagten. Die Kläger treten dem Rechtsmittel entgegen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben, weil dem Beklagten der von ihm behauptete Anspruch auf rückständige Zinsen nicht zusteht.
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1. Nach § 3 Nr. 3 des Vergleichs hatten die Kläger im Falle des Verzugs den gesetzlichen Verzugszins zu bezahlen. Dabei wird auf die Regelung in § 288 BGB verwiesen. Nach § 288 Abs. 1 BGB ist eine Geldschuld grundsätzlich mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Einen höheren Verzugszins von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sieht das Gesetz nur für Entgeltforderungen aus Rechtsgeschäften vor, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist.
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2. Die im Vergleich geregelte Forderung des Beklagten gegen die Kläger stellt keine „Entgeltforderung“ im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB dar. Dieser gesetzliche Begriff geht zurück auf die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.06.2000 (Amtsblatt EG v. 08.08.2000, L 200/35). Ziel der Richtlinie ist die Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, der als Ursache für Verwaltungs- und Finanzlasten der Unternehmen, für Insolvenzen von Unternehmen und den damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen angesehen wird (Erwägungsgrund 7 der Richtlinie). Die Richtlinie ist daher auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte geleisteten Zahlungen beschränkt (Erwägungsgrund 13 der Richtlinie). Nach ihrem Art. 1 betrifft sie Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, wobei Art. 2 Nr. 1 den Begriff des Geschäftsverkehrs dahin definiert, dass es um Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen geht, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen. Der deutsche Gesetzgeber wollte mit der Verwendung des Begriffs „Entgeltforderung“ in §§ 286 Abs. 3 und 288 Abs. 2 BGB die Richtlinie in das modernisierte Schuldrecht umsetzen. Während zunächst eine weiterreichende Regelung vorgesehen war, beschränkte man sie im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auf den Anwendungsbereich der Zahlungsverzugsrichtlinie (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6857, S. 51 und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/7052, S. 186; anders noch BT-Drucks. 14/6040 S. 147). Entsprechend dieser Gesetzgebungsgeschichte wird der Begriff der Entgeltforderung in der Kommentarliteratur übereinstimmend dahin verstanden, dass es um Geldforderungen aus gegenseitigen Verträgen geht, wobei die Forderung einen Anspruch auf Entgelt für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung von Diensten oder Lieferung darstellt (Löwisch in Staudinger, BGB, Bearb. 2004, § 286 Rdn. 93; Ernst in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage, § 286 Rdn. 75; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Auflage, § 286 Rdn. 27; Grüneberg in Bamberger/Roth, BGB, § 286 Rdn. 39f.; Schulte-Nölke in Dauner-Lieb u.a., AnwKomm-BGB, § 286 Rdn. 42ff.; Nagel in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB Aktualisierungsband, Änderungen im Bankrecht, Rdn. 160).
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3. Nach § 2 Abs. 1 des Vergleichs sollte der Beklagte einen Betrag in Höhe von 2,5 Millionen DM „als Auseinandersetzungsguthaben für sein Ausscheiden aus der KG und für die Einziehung seines Geschäftsanteils an der Komplementär GmbH“ erhalten. In § 1 Abs. 3 des Vergleichs wird der Anspruch als Gesamtabfindung des Beklagten bezeichnet, in § 3 Abs. 1 als Abfindungsbetrag. Bei diesem Anspruch auf Abfindung handelt es sich nicht um eine Entgeltforderung i.S. von § 288 Abs. 2 BGB.
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a) An den ausscheidenden Kommanditisten ist nach §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 738 Abs. 1 Satz 2 BGB dasjenige zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Der Abfindungsanspruch ist auf das Ausscheiden im technischen Sinn - Austritt bzw. Ausschluss - begrenzt, das dazu führt, dass der Anteil des Ausscheidenden den verbliebenen Gesellschaftern anwächst, besteht also nicht in den Fällen einer rechtsgeschäftlichen Übertragung des Anteils (Karsten Schmidt in Münchener Kommentar zum HGB, § 131, Rdn. 126). Er stellt, anders als das für die Übertragung eines Anteils zu zahlende Entgelt, keine Gegenleistung der Gesellschaft an den (ehemaligen) Gesellschafter dar, sondern tritt an die Stelle des so genannten Kapitalanteils. Der Anspruch entsteht mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens. Anspruchsgegner ist die Gesellschaft, es handelt sich damit um eine Sozialverbindlichkeit.
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b) Auch für den Gesellschafter einer GmbH ist grundsätzlich ein Anspruch auf Abfindung anerkannt, wenn sein Gesellschaftsanteil eingezogen wird (H.P. Westermann in Scholz, GmbHG, 9. Auflage, § 34 Rdn. 22, vgl. § 17 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin zu 5).
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c) Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich hat der Beklagte seine Gesellschafts- bzw. Geschäftsanteile an der Klägerin zu 4 und zu 5 nicht an die Kläger veräußert, sondern unter Verzicht auf die von ihm zunächst erhobenen Einwendungen den Ausschluss aus der KG und die Einziehung des Anteils an der GmbH hingenommen. Zugleich haben die Parteien des Vergleichs einen möglichen Streit über die Höhe der Abfindungsansprüche des Beklagten gütlich beigelegt. Im Gegenseitigkeitsverhältnis des Vergleichs stehen damit nicht die Ausschließung aus der KG und die Einziehung des Anteils an der GmbH einerseits und ein Abfindungsanspruch des Beklagten andererseits, sondern der Verzicht des Beklagten auf Einwendungen gegen die Wirksamkeit der entsprechenden Gesellschaftsbeschlüsse und Zugeständnisse der Kläger hinsichtlich der Höhe des dem Beklagten zustehenden Anspruchs auf Abfindung.
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d) Der Abfindungsanspruch des Beklagten wurde durch den Abschluss des Vergleichs nicht in eine Entgeltforderung i.S. von § 288 Abs. 2 BGB umgewandelt. Der Vergleich führt grundsätzlich nicht zu einer Umschaffung der Ansprüche (BGH v. 27.03.1969 - VII ZR 165/66, BGHZ 52, 39, 46; v. 07.03.2002 - III ZR 73/01, NJW 2002, 1503; v. 24.06.2003 - IX ZR 228/02, NJW 2003, 3345, 3346; Marburger in Staudinger, BGB, § 779 Rdn. 38 mit umfassenden Nachweisen), die Rechtsnatur der bisherigen Schuld - hier des Abfindungsanspruchs - bleibt daher bestehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Vergleichsschließenden im Streitfall etwas anderes gewollt hätten, etwa an die Stelle der Ausschließung des Beklagten eine rechtsgeschäftliche Übertragung des Anteils setzen wollten, sind dem Vergleich nicht zu entnehmen.
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e) Handelt es sich bei dem Anspruch des Beklagten auf Abfindung nicht um eine Entgeltforderung i.S. von § 288 Abs. 2 BGB, war die Forderung während des Verzugs der Kläger nur mit dem in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelten Satz zu verzinsen. Der Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Kläger bei Zugrundelegung dieses Zinssatzes die Ansprüche des Beklagten aus dem Vergleich vollständig erfüllt haben. Die Frage, ob die Kläger zu 1 bis 3 oder der Beklagte beim Abschluss des Vergleichs als Verbraucher handelten, kann offen bleiben.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

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