Entscheidung vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 Ss 194/04

Tenor

Der Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Baden-Baden vom 21. Juli 2004 zuzulassen, wird als unzulässig verworfen (§§ 80 Abs. 4 Satz 3, 80 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG).

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

 
I. Durch Bußgeldbescheid der Stadt Baden-Baden vom 10.03.2004 wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 75 EUR festgesetzt, weil er als Halter die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges angeordnet bzw. zugelassen hatte, obwohl dessen Reifen keine ordnungsgemäße Profilierung aufwiesen. Den Einspruch des in der Hauptverhandlung nicht erschienen Betroffenen verwarf das Amtsgericht mit Urteil vom 21.07.2004.
Mit seinem hiergegen erhobenen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung rechtlichen Gehörs und macht geltend, das Amtsgericht habe über den vom Verteidiger in der Hauptverhandlung erneut gestellten Antrag auf Entbindung des Betroffenen von der Erscheinenspflicht entscheiden und diesem auch stattgeben müssen.
II. Der Antrag ist nicht zulässig (§§ 80 Abs. 3, 4, 80a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG), da er nicht formgerecht ausgeführt ist.
1. Da sich der Betroffene gegen ein Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG wendet, mit welchem sein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen seines Ausbleibens in der Hauptverhandlung verworfen worden war, hätte er seine Beanstandung mit einer Verfahrensrüge unter Beachtung der Formvorschriften der §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geltend machen müssen. Dem ist nur genügt, wenn in der Rechtfertigungsschrift selbst die den Mangel enthaltenden Tatsachen vollständig angegeben sind (Göhler, OWiG, 13. Aufl. 2002, § 14 Rn. 93). Da das Gebot des rechtlichen Gehörs keinen Schutz vor Gerichtsentscheidungen gewährt, die den Sachvortrag eines Betroffenen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen, kann in einer Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs.2 OWiG nur dann ein Verstoß gegen Art. 103 Abs.2 GG erblickt werden, wenn die Einspruchsverwerfung rechtsfehlerhaft gewesen ist und auf diesem Rechtsfehler das Urteil auch beruht. Den hierfür erforderlichen Sachvortrag enthält die Rechtfertigungsschrift jedoch nicht in ausreichendem Umfang.
2. Allerdings ist das angefochtene Urteil insoweit rechtsfehlerhaft, als der Tatrichter über den in Hauptverhandlung von dem mit schriftlicher Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger gestellten Antrag, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen zu entbinden, nicht entschieden und lediglich auf einen früheren Beschluss verwiesen hat. Nachdem der Betroffene über seinen Verteidiger aber erklärt hatte, in der Hauptverhandlung nur über seinen Verteidiger eine Erklärung abgeben und weitergehende Fragen des Gerichts nicht beantworten zu wollen, hatte sich die Sach- und Rechtslage geändert, da vom Betroffenen und seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung im konkreten Fall kein weiterer Beitrag zur Sachaufklärung erwartet werden konnte (OLG Köln ZfSch 2002, 254 f.). Der Senat neigt insoweit zur Ansicht, dass der Betroffene diesen Antrag auch noch in der Hauptverhandlung nach Aufruf und vor Verhandlung zur Sache über seinen Verteidiger stellen konnte (so Brandenburgisches OLG ZfSch 2004, 235 f.; OLG des Landes Sachsen-Anhalt ZfSch 2002, 595 f.; siehe hierzu auch BGH VRS 1003, 393 ff; KK-OWiG-Senge, 2. Aufl. 2000, § 73 Rn. 23; a.A. OLG Köln NZV 1999, 436, Göhler, a.a.O., § 73 Rn. 6, 7). Die Streifrage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung durch Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil sich der Antrag aus sonstigen Gründen als unzulässig erweist.
3. Vorraussetzung einer formgerechten Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist nämlich weiterhin die erforderliche Darlegung in der Rechtsbeschwerdebegründung, wie sich der Betroffene bislang zum Tatvorwurf geäußert hat und was er bzw. sein Verteidiger im Falle seiner Anhörung in der Hauptverhandlung zur Sache vorgebracht hätte. Auch bedarf es der substantiierten Darstellung der Sach- und Beweislage, damit geprüft werden kann, ob durch die rechtsfehlerhafte Behandlung des Entbindungsantrages das rechtliche Gehör des Betroffenen in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt worden ist (ständ. Rechtspr. des Senates, so schon Beschluss vom 14.03.2000, 1 Ws 347/99 u.a.; OLG Stuttgart Zfs 1994, 308 f; BayObLG VRS 96, 18, 19; OLG Köln VRS 94, 123 ff, 125).
4. Eine solche Darstellung war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Zwar kann eine Verletzung rechtlichen Gehörs auch bereits dann vorliegen, wenn sich ein Gericht weigert, einen Antrag eines Betroffenen überhaupt zu Kenntnis zu nehmen bzw. zu erwägen (so Brandenburgisches OLG ZFSch 2004, 235 f.) oder auf einen Sachvortrag einer Partei aus offensichtlich unzulässigen verfahrensrechtlichen Gründen nicht eingeht (Senat DAR 2003, 182). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, da das Amtsgericht sich im Urteil vom 21.07.2004 unter Bezugnahme auf einen früheren Beschluss vom 16.07.2004 zu dem seiner Ansicht nach in der Hauptverhandlung nicht mehr zulässigen Entbindungsantrag äußert.
5. Da die allein erhobene Verfahrensrüge somit nicht in der vorgeschriebenen Form ausgeführt ist, war der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen (§§ 349 Abs.1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1, 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.

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