1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 16.11.2005 abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Die Klägerin nimmt den Beklagten nach fristloser Kündigung, deren Berechtigung streitig ist, auf Räumung angemieteter Gewerberäume in Anspruch.
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Mit Mietvertrag vom 29.03.2005 mietete der Beklagte von der Klägerin ab 01.07.2005 Gewerberäume mit einer Gesamtfläche von ca. 36,2 qm zu einer Monatsmiete von 310,- EUR zuzüglich Nebenkosten. In § 2 Nr. 1 des Mietvertragsformulars ist angekreuzt „Er läuft auf unbestimmte Zeit.“ Das darunter stehende Kästchen bei Nr. 2 „Nur für Wohnraummietverträge (Kündigungsausschluss)“ ist nicht angekreuzt. Auch die Lücke, in der im nachfolgenden Text ausgefüllt werden kann, dass auf bestimmte Jahre auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet wird, ist nicht ausgefüllt. In der nächsten Zeile „Eine Kündigung ist erstmals am mit gesetzlicher Frist zulässig“ ist jedoch das Datum 01.07.2010 eingesetzt. Unter § 2 Nr.4 ist durch Einfügung von „3“ in den Freiraum für Gewerberaum eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Ablauf eines Kalendervierteljahres vereinbart. In § 16 Nr. 3 wird auch bei auf bestimmte Zeit abgeschlossenem Mietvertrag bei Vorliegen gewichtiger Gründe ein Kündigungsrecht gewährt. Nach dessen Nr. 4 kann der Mieter, wenn ein gestaffelter Mietzins vereinbart ist, auch einen auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrag zum Ablauf von 4 Jahren seit Abschluss der Staffelmietvereinbarung kündigen.
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Der Beklagte hat die Räume zum 01.07.2005 bezogen, jedoch die gemäß § 6 Ziffer 2 des Mietvertrages vereinbarte Mietkaution von 2 Monatsmieten nicht geleistet. Die Julimiete wurde an die Klägerin überwiesen und dem Konto des Beklagten mit Wertstellung vom 06.07.2005 belastet. Mit Schreiben vom 06.07.2005 widersprach der Beklagte Bezug nehmend auf ein Telefonat dem Ausschluss des Kündigungsrechtes bis 1.7.2010 gemäß § 2 Abs. 2 des Mietvertrages, da eine vierjährige Kündigungsfrist niemals zur Diskussion gestanden habe. Er bot einen Änderungsvertrag mit einer halbjährigen Kündigungsfrist zum Monatsende an. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 08.07.2005. Sie verwies darauf, dass sie sich mit ihrem Rechtsanwalt in Verbindung gesetzt habe, der ihr dringend geraten habe, zu überlegen, ob sie nicht wegen Einmietbetrug Strafanzeige erstatte, nachdem entgegen der mietvertraglichen Vereinbarung weder irgendeine Mietzahlung noch irgendeine Kaution erbracht worden sei. Sie setzte eine letzte Zahlungsfrist zur Zahlung der fälligen Monatsmiete, der Nebenkosten und der Kaution bis 14.07.2005. Weiter merkte sie an, dass ihr Rechtsanwalt sie darauf hingewiesen habe, dass sie widrigenfalls berechtigt sei, eine fristlose Kündigung auszusprechen mit der Folge, dass der Beklagte zum Schadensersatz dergestalt verpflichtet sei, dass er ihr alle entstandenen Mietausfälle bis zum 01.07.2010 zu erstatten habe. Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 11.07.2005. Die Klägerin solle gefälligst ihre Buchhaltung prüfen. Die verzögerte Mietzahlung beruhe auf der Unleserlichkeit der Kontonummer im Mietvertrag, der von der Klägerin auch mangelhaft gestaltet und ihm quasi untergeschoben worden sei. Der postulierte „Einmietbetrug“ werde Konsequenzen haben. Sofern sich die Klägerin nicht entschuldige, werde er über die anmaßende Behandlung die entsprechenden Informationen an die Vertriebsdirektion M. weiterleiten. Ohne einvernehmliche Gestaltung des Mietverhältnisses werde sie auch keine Kaution erhalten. Was einen möglichen Rechtsstreit betreffe, habe die Allianz Rechtsschutz einen langen Atem.
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Mit Schreiben vom 27.07.2005 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristlos wegen des sich aus dem Anruf und dem Schreiben des Klägers vom 11.07.2005 ergebenden nicht tragbaren Verhaltens, wegen der verspäteten Mietzinszahlung und wegen der vertragswidrigen Nichtzahlung der Kaution. Der Beklagte trat dem mit Anwaltsschreiben vom 08.08.2005 entgegen. Der Beklagte anerkenne seine Verpflichtung zur Zahlung der Kaution, übe jedoch bis zur Klärung der streitigen fristlosen Kündigung ein Zurückbehaltungsrecht aus.
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Die Klägerin hat beantragt,
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der Beklagte wird verurteilt, die Gewerberäume im ersten Obergeschoss des Anwesens T.S., bestehend aus einem Zimmer und einem WC, zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen, fürsorglich Räumungsschutz.
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Gründe für eine fristlose Kündigung lägen nicht vor. Bis zur Klärung, ob die fristlose Kündigung berechtigt sei, sei er zur Zurückbehaltung der Kaution berechtigt. Die Verzögerung der ersten Mietzahlung sei von der Klägerin wegen der unleserlichen Kontonummer im Mietvertrag zu vertreten. Im übrigen stehe ihm ein Zurückbehaltungsrecht zu, weil zwischen den Parteien ungeklärt sei, ob in dem Vertrag wirksam ein Kündigungsrecht des Beklagten bis zum 1.7.2010 ausgeschlossen sei.
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Das Landgericht hat ein Recht der Klägerin zur fristlosen Kündigung bejaht und der Klage stattgegeben.
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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eine erneute außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses vom gleichen Tage vorgelegt.
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Der Beklagte ergänzt und vertieft sein Vorbringen erster Instanz. Zur erneuten fristlosen Kündigung verweigert er die Einlassung, rügt Verspätung und gemacht geltend, dies sei ein neuer Streitgegenstand und deshalb nicht Gegenstand der Klage.
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auf seine Berufung das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 16.11.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auch sie ergänzt ihr Vorbringen erster Instanz, nimmt auf das Urteil des Landgerichts Bezug, das sie für richtig hält und verweist auf die erneute außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses und deren Gründe.
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Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Räumungsanspruch nicht zu, da die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch die Klägerin vom 27.7.2005 unberechtigt war, ihr im Sinne von § 543 Abs. 1 S. 2 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Umstände zugemutet werden kann und die erneute außerordentliche fristlose Kündigung vom 12.4.2006 ein anderer Streitgegenstand ist, der nicht Gegenstand der Klage ist.
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Für die Beurteilung der fristlosen Kündigung vom 27.7.2005 können nach h. M. nur Umstände herangezogen werden, die zu diesem Zeitpunkt vorlagen( Palandt/ Weidenkaff BGB 65. Aufl. § 543 BGB Rdnr. 55; Schmidt/Futterer/Blank Mietrecht 8. Aufl. § 543 BGB Rdnr. 204). Bei Kündigungsgründen, die später entstehen, muss, wie geschehen, mit der Folge eines anderen Streitgegenstandes erneut gekündigt werden ( vergl. Zöller/Vollkommer ZPO 25. Auflage Einleitung Rdnr. 79 zur arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklage m. w. N. und Schmidt/Futterer/Börstinghaus Mietrecht 8. Aufl. § 558 b BGB Rdnr. 171 zum nachgeholten Mieterhöhungsverlangen).
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Der verzögerten ersten Mietzahlung um wenige Tage kommt keine wesentliche Bedeutung zu. Diese, die Verweigerung der Zahlung der Kaution bis zum Zugang der fristlosen Kündigung vom 27. 7.2005, der Inhalt des Telefonats sowie des Schreibens vom 11.7.2005, die bei der Wertung der Berechtigung zu dieser fristlosen Kündigung nur zu berücksichtigen sind, rechtfertigen unter den besonderen Umständen, insbesondere des eigenen Verhaltens der Klägerin, nicht den Ausspruch der fristlosen Kündigung zu diesem Zeitpunkt.
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Nach dem Mietvertrag ist der Beklagte, was von ihm auch nicht in Abrede gestellt wird, verpflichtet, eine Barkaution von zwei Monatsmieten zu leisten. Gegenüber diesem Anspruch der Klägerin steht dem Beklagten kein Zurückbehaltungsrecht zu. Dieses kann der Beklagte weder darauf stützen, dass die Berechtigung zur fristlosen Kündigung ungeklärt ist, noch darauf, dass zunächst geklärt werden müsse, ob das Kündigungsrecht des Beklagten, wie im Vertrag niedergelegt, bis zum 01.07.2010 ausgeschlossen ist
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Sofern die Sicherungsabrede für die Kaution, wie hier, keine inhaltliche Beschränkung enthält, soll die Kaution den Vermieter ohne Rücksicht auf einen Streit der Parteien über die Berechtigung von Gegenrechten des Mieters hinsichtlich seiner Vertragspflicht zur Zahlung der vereinbarten Miete vor einer Insolvenz des Mieters schützen und ihm während und nach Beendigung des Mietverhältnisses eine erleichterte Durchsetzung seiner berechtigten Ansprüche aus dem konkreten Mietverhältnis gegen den Mieter ermöglichen (OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 452 m. w. N.). Mit diesem bereits bei Mietbeginn aktuell werdenden Sicherungszweck ist ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters an der Kaution nach § 273 BGB nicht zu vereinbaren (OLG Düsseldorf a.a.O. m. w. N.).
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Wenn auch kein Zurückbehaltungsrecht besteht, so rechtfertigt dennoch allein die Nichtzahlung der Kaution und das von der Klägerin beanstandete Verhalten des Beklagten bis zum maßgebenden Zeitpunkt keine fristlose Kündigung. Die Nichtzahlung der Kaution allein reicht im allgemeinen nicht aus, die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter als unzumutbar im Sinne von § 543 BGB erscheinen zu lassen. Anders kann es sich zwar dann verhalten, wenn, wie hier, der Mieter sich weigert, die vereinbarte Kaution zu erbringen oder bei Zahlungsunvermögen, wofür hier kein Anhaltspunkt bestand. In diesen Fällen wird das Sicherungsbedürfnis des Vermieters erheblich tangiert. In derartigen Fällen kann eine fristlose Kündigung in Betracht zu ziehen sein, insbesondere dann, wenn der Mieter auch im übrigen fällige Zahlungen nicht pünktlich leistet (OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1100; OLG Celle NJW-RR 2003, 155). Der Senat verneint hier aber das Vorliegen solcher besonderen Umstände zum Zeitpunkt des Zugangs der ersten fristlosen Kündigung vom 27.7.2005. Aus dem Verhalten des Beklagten und dem Inhalt seines Schreibens vom 11.07.2005 ergeben sich bei der vorzunehmenden Abwägung keine solchen besonderen Umstände. Zwar ist der Inhalt dieses Schreibens ebenso unangemessen wie der Einsatz der Nichtzahlung der Kaution als Druckmittel für die Klärung des Mietverhältnisses im Sinne des Beklagten. Diese Verhalten des Beklagten muss aber im Zusammenhang gesehen werden mit dem vorangegangenen Schreiben der Klägerin vom 08.07.2005, in dem diese gleich zu Beginn des Mietverhältnisses nur wegen der nicht sofortigen Zahlung der ersten Miete und der Kaution im Zusammenhang mit der Meinungsverschiedenheit über die Wirksamkeit des zeitweiligen Kündigungsausschlusses eine Strafanzeige wegen Einmietbetrugs sowie eine fristlose Kündigung mit einer Schadensersatzforderung für Mietausfall bis zum Jahre 2010 in den Raum stellt. Angesichts dieses vorangegangenen Schreibens der Klägerin, das entscheidend zur Eskalation der Beziehungen der Parteien beigetragen hat, sieht der Senat allein in der ebenso überzogenen Antwort des Beklagten und der Verweigerung der Kautionszahlung keinen Grund zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses zu diesem Zeitpunkt. Hinzu kommt, dass die Klägerin ihrerseits dadurch zu dem Konflikt beitragen hat, dass sie den Mietvertrag, zumindest nicht völlig widerspruchsfrei abgefasst hat. Auch wurde unstreitig bei Abschluss des Mietvertrages nur über das beiderseitige Interesse an einem längeren Mietverhältnis, nicht jedoch darüber gesprochen, dass für einen Zeitraum von 5 Jahren eine Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen werden soll, was dann aber, wenn auch nicht geschickt formuliert, von der Klägerin in den Mietvertrag aufgenommen wurde. Üblicherweise werden solche wichtigen Fragen vor Abschluss des Vertrages ausdrücklich besprochen.
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Spätere Kündigungsgründe, die zur erneuten fristlosen Kündigung am Tage der mündlichen Verhandlung führten, sind nicht zu berücksichtigen, da diese fristlose Kündigung mit neuem Streitgegenstand nicht durch Änderung der Klage in den Rechtsstreit eingeführt wurde. Es bedarf daher auch nicht des Eingehens auf die Frage der Zurückweisung wegen Verspätung.
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Da die Berufung des Beklagten Erfolg hat, hat die Klägerin gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
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