Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 3 Ws 351/06

Tenor

Auf die Beschwerde des Angeklagten wird die Verfügung des Vorsitzenden des Bezirksjugendschöffengerichts des Amtsgerichts M. vom 04. Mai 2006 aufgehoben.

Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt S A in M. als Verteidiger für das Revisionsverfahren bestellt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

 
I.
Gegen den 16 Jahre alten Angeklagten wurde durch -nicht rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts -Bezirksjugendschöffengericht -M. vom 14.03.2006 wegen Diebstahls in zwei Fällen auf die Jugendstrafe von sechs Monaten erkannt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Angeklagte beantragte mit am 03.04.2006 eingekommenem Schriftsatz seines Wahlverteidigers dessen Beiordnung als notwendiger Verteidiger für das Revisionsverfahren. Mit Verfügung vom 04.05.2006 lehnte der Jugendschöffengerichtsvorsitzende den Antrag ab. Die dagegen erhobene Beschwerde des Angeklagten, der nicht abgeholfen wurde, hat Erfolg.
II.
Zur Entscheidung über die zulässige Beschwerde ist der für die Hauptsache zuständige Senat in entsprechender Anwendung der §§ 305 a Abs. 2, 464 Abs. 3 Satz 3 StPO, 59 Abs. 5 JGG, 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG berufen.
Das Rechtsmittel ist begründet. Dem Angeklagten ist -unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung -antragsgemäß der bisherige Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger beizuordnen.
Die Bestellung eines Verteidigers im Revisionsverfahren richtet sich nach § 140 Abs. 2 StPO (Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 140 Rdnr. 8, 29 mwN), im jugendgerichtlichen Verfahren -wie hier -in Verbindung mit § 68 JGG. Danach ist die Verteidigung als notwendig anzusehen, wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann oder wenn wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint.
Während die Schwere der Tat oder die Schwierigkeit der Sache in tatsächlicher Hinsicht die Bestellung eines Verteidigers nicht gebieten, bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der jugendliche Angeklagte nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen. Dies leitet sich nicht aus der Komplexität des Revisionsrechts und der daraus resultierenden allgemein vorhandenen Schwierigkeit, eine Revision zu begründen, her. Denn die in § 345 Abs. 2 StPO vorgesehene Möglichkeit, die Revisionsanträge und ihre Begründung zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären, wird vom Gesetz als gleichwertig erachtet (OLG Hamm NStZ 1982, 345; OLG Koblenz wistra 1983, 122). Für die Entscheidung des Senats war vielmehr der Umstand maßgebend, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Jugendlichen mit erheblichen Defiziten im Bereich der schulischen Ausbildung und im Sozialverhalten handelt. Jedenfalls zur Erhebung einer Verfahrensrüge und der schwerpunktmäßig die Rechtsfolgen betreffenden Sachrüge -wie in der Rechtfertigungsschrift des Wahlverteidigers vom 25.04.2006 ausgeführt -war die Mitwirkung eines Verteidigers geboten, weil insoweit Erwägungen zur persönlichen Entwicklung des Angeklagten notwendigerweise anzustellen waren, deren Darlegung gegenüber dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle den Angeklagten überfordert hätte. Um dem Gebot eines fairen Verfahrens zu entsprechen, war dem Angeklagten für das noch nicht abgeschlossene Revisionsverfahren der Pflichtverteidiger zu bestellen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

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