1. Es wird festgestellt, dass die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 09. November 2012, dass die Geltendmachung von Bewilligungshindernissen nicht beabsichtigt sei, rechtsfehlerhaft getroffen ist.
2. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten nach Polen wird zurückgestellt.
|
|
| Gegen den Verfolgten besteht ein Europäischer Haftbefehl des Bezirksgerichts A. vom 20.08.2012 , aus welchem sich ergibt, dass gegen ihn unter dem mit einer Höchststrafe von fünf bzw. zehn Jahren Freiheitsstrafe strafbewehrten Vorwurf des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung nach Art. 258 § 1 des polnischen Strafgesetzbuches sowie des Diebstahls mit Einbruch nach Art. 279 § 1 des polnischen Strafgesetzbuches ein Haftbefehl des Bezirksgerichts A. vom 19.08.2012 besteht. Der gegen den Verfolgten erhobene Vorwurf wird im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts A. vom 20.08.2012 wie folgt umschrieben: |
|
|
|
| Der Verfolgte hat der vereinfachten Auslieferung bei seiner richterlichen Anhörung am 10.10.2012 vor dem Amtsgerichts U. nicht zugestimmt, die Begehung der ihm zur Last gelegten Taten nicht in Abrede gestellt und vorgebracht, bereits in der Bundesrepublik Deutschland wegen in dieser Zeit im Inland begangener Autoaufbrüche verurteilt worden zu sein. Insoweit haben die Ermittlungen des Senats ergeben, dass der Verfolgte mit Urteil des Landgerichts O. vom 13.10.2006 wegen schweren Bandendiebstahls in 16 Fällen rechtskräftig zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten verurteilt wurde, wobei die Strafkammer die Begehung folgender Straftaten festgestellt hat: |
|
|
|
| Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat am 09.11.2012 beantragt, die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären; zugleich hat sie entschieden, dass nicht beabsichtigt sei, Bewilligungshindernisse nach § 83 b IRG geltend zu machen. |
|
| Nach Inkrafttreten des Europäischen Haftbefehlsgesetzes vom 20.07.2006 am 02.08.2006 richtet sich der Auslieferungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach dem neu eingeführten Achten Teil des IRG. Insoweit obliegt dem Senat nach § 79 Abs. 2 Satz 3 IRG im Verfahren nach § 29 IRG die Überprüfung der Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 09.11.2012, keine Bewilligungshindernisse nach § 83 b IRG geltend machen zu wollen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist auch unter Berücksichtigung des der Bewilligungsbehörde insoweit eingeräumten weiten Ermessens erforderlich, dass die nach § 79 Abs. 2 Satz 2 IRG zu begründende Vorabentscheidung dem Oberlandesgericht die gebotene Überprüfung ermöglicht, ob die Bewilligungsbehörde die tatbestandlichen Vorrausetzungen des § 83b IRG zutreffend beurteilt hat und sich bei Vorliegen von Bewilligungshindernissen des ihr eingeräumten Ermessens unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände des Einzelfalles bewusst war (Senat, Beschluss vom 20.12.2006, 1 AK 46/06 - NJW 2007, 617 -, vgl. auch KG NJW 2006, 3507; BT-Drucks. 16/1024 S. 11 ff., 13). Auch dürfen in die Ermessensabwägung keine die Entscheidung maßgeblich beeinflussenden unzulässigen Erwägungen eingestellt, die wesentlichen Gesichtspunkte müssen ausdrücklich bedacht und die in dem Bescheid aufgeführten und erkannten Gesichtspunkte abwägend gegenübergestellt werden (Senat a.a.O.). Diesen Anforderungen genügt die Entschließung vom 09.11.2012 nicht. |
|
| a. Rechtsfehlerhaft ist diese bereits deshalb, weil sie davon ausgeht, die Staatsanwaltschaft U./Deutschland habe bezüglich der im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts A. vom 20.08.2012 mitgeteilten Tatvorwürfe von der Strafverfolgung nach § 154 b StPO rechtswirksam absehen können. Hierbei wird nicht bedacht, dass die Staatsanwaltschaft von der Erhebung der öffentlichen Klage nach § 154 b Abs. 1 StPO erst dann absehen kann, wenn das Oberlandesgericht die Auslieferung für zulässig erklärt hat (Senat a.a.O.), was vorliegend noch nicht der Fall ist. |
|
| b. Auch hat die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe ihre Entschließung vom 09.11.2012 aufgrund einer unzureichenden Tatsachenbasis getroffen. Soweit sie hierin ausführt, dass für eine Strafverfolgung in Polen die praktischen Erfordernisse und Möglichkeiten einer effektiven Strafverfolgung sprechen würden, zumal Zeugen und sonstige Beweismittel in Polen verfügbar seien, hat sie nicht bedacht, dass der Verfolgte bei seiner richterlichen Anhörung am 10.10.2012 vor dem Amtsgericht U. die im ihm von den polnischen Justizbehörden vorgeworfenen Taten nicht in Abrede gestellt, sondern angegeben hat, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe „stimmen könnten“. Insoweit wäre es nach Ansicht des Senats zunächst erforderlich, den Verfolgten in dem noch bei der Staatsanwaltschaft U. anhängigen Ermittlungsverfahren zu den Tatvorwürfen zu vernehmen. Sollte der Verfolgte im Rahmen einer strafprozessual verwertbaren Beschuldigtenvernehmung die ihm im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts A. vom 20.08.2012 vorgeworfenen Taten glaubhaft einräumen, wären die von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Entschließung vom 09.11.2012 angeführten Erwägungen zur Notwendigkeit der Heranziehung und Verwertung der sich in Polen befindlichen Beweismittel neu zu treffen. |
|
| c. Schließlich hat die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe nicht berücksichtigt, dass bei der Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen an einen EU-Mitgliedsstaat auch bei Straftaten mit maßgeblichem Auslandsbezug eine Versagung der Bewilligung dann zu erwägen ist, wenn bei der gebotenen Einzelfallbetrachtung das innerstaatliche Strafverfolgungsinteresse oder die zu berücksichtigenden sozialen Belange des Verfolgten eine solche Entscheidung gebieten würden (vgl. hierzu Senat a.a.O.). Hier ist zu sehen, dass der Verfolgte bereits durch Urteil des Landgerichts O. vom 13.10.2006 wegen schweren Bandendiebstahls in 16 Fällen rechtskräftig zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten verurteilt wurde und die ihm von den polnischen Justizbehörden nunmehr weiter vorgeworfenen und im selben Tatzeitraum begangenen Autodiebstähle aufgrund der bestehenden deutschen Gerichtsbarkeit (§ 7 Abs. 2 Nr.1 StGB) anders als bei einer Aburteilung im ersuchenden Staat bei vorläufiger Beurteilung an sich gesamtstrafenfähig wären. Die sich hieraus ergebende unterschiedliche Straferwartung - bei einer Aburteilung im Inland wird nach Sachlage ein Härteausgleich vorzunehmen sein - wird die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe als wesentliches Merkmal in die von ihr noch vorzunehmende umfassende Abwägung der sozialen Belange des Verfolgten ebenso wie eine möglicherweise bereits erfolgte vorzeitige Entlassung des Verfolgten (§ 57 StGB) aus dem Strafvollzug mit einzustellen haben. |
|
| Da eine rechtsfehlerfreie Vorabentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe nach § 79 Abs. 2 Satz 1 IRG noch aussteht, war die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückzustellen (vgl. Senat a.a.O.; KG NJW 2006, 3507). Da insoweit noch Sachaufklärungen vorzunehmen sind, hat sich der Senat nicht mit der Frage zu befassen, ob die sozialen Belange des Verfolgten bereits ein derartiges Gewicht erlangt haben könnten, dass vorliegend lediglich eine Versagung der Bewilligung rechtsfehlerfrei getroffen werden könnte. Insoweit war derzeit nur die Feststellung möglich, dass die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 09.11.2013 rechtsfehlerhaft getroffen ist. |
|