Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 Ws 158/15

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts F. vom 24. März 2015 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe

 
I.
Durch Urteil des Landgerichts T. vom 27.1.1998, rechtskräftig seit 30.9.1998 (I KLs 26 Js 18393/96), wurde der wegen Einbruchsdiebstahl vorbestrafte S. T. wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen unter Einbeziehung einer vorangegangenen Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen, Diebstahls in fünf Fällen und versuchten Diebstahls zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Verurteilte im Zeitraum zwischen dem 5.7.1995 und dem 24.9.1996 bei vier Gelegenheiten aus Einbrüchen stammende Diebesbeute (Zigaretten bzw. Textilien) im Gesamtwert von mindestens 195.000 DM übernommen und bei fünf Einbrüchen in Geschäfte und der Entwendung eines Kleinlastwagens mitgewirkt, wobei sich der Gesamtwert der Beute auf ca. 517.000 DM belaufen hatte.
Nach Teilverbüßung beider Strafen wurde mit Entschließung der Staatsanwaltschaft T. vom 30.1.2001 von der weiteren Strafvollstreckung gemäß § 456a StPO abgesehen und der Verurteilte, der durch bestandskräftige Verfügung des Regierungspräsidiums S. vom 30.11.1998 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden war, am 7.6.2001 nach Kroatien abgeschoben.
Nach seiner Wiedereinreise in die Bunderepublik Deutschland wurde der Verurteilte am 30.6.2012 festgenommen und verbüßt seither den Rest der siebenjährigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts T. vom 27.1.1998 in der Justizvollzugsanstalt F.; bezüglich der weiteren Strafe ist Vollstreckungsverjährung eingetreten. Zwei Drittel der Strafe waren am 2.9.2013 vollstreckt, als Strafende ist der 3.1.2016 vorgemerkt. Anträge des Verurteilten auf nochmaliges Absehen von der Vollstreckung gemäß § 456a StPO hat die Staatsanwaltschaft T. mit Entschließungen vom 27.9.2012 und vom 22.4.2013 abgelehnt. Seinen Antrag auf Überstellung nach Bosnien-Herzegowina zur weiteren Strafvollstreckung nahm der Verurteilte wieder zurück; zwischenzeitlich hat er Asylantrag gestellt. Das Landgericht F. lehnte mit Beschlüssen vom 31.10.2012 und vom 25.02.2013 jeweils die Aussetzung der weiteren Vollstreckung zur Bewährung ab. Hiergegen gerichtete sofortige Beschwerden des Verurteilten wies der Senat mit Beschlüssen vom 28.11.2012 (2 Ws 431/12) und vom 19.03.2013 (2 Ws 111/13) zurück. Weitere Ablehnungen der bedingten Entlassung des Verurteilten erfolgten durch Senatsbeschluss vom 25.10.2013 (2 Ws 358/13) und durch Beschluss des Landgerichts F. vom 18.12.2014, bestätigt durch Senatsbeschluss vom 14.1.2015 (2 Ws 12/15). Gnadenerweise wurden mit Entschließung des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 8.1.2013 und durch Entschließung der Staatsanwaltschaft T. vom 25.3.2014 abgelehnt.
Mit verschiedenen Schreiben hat der Verurteilte unter Berufung auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und Gesetzesänderungen geltend gemacht, dass für ihn kein Einreiseverbot mehr bestehe, und daraus die Unzulässigkeit der Strafvollstreckung abgeleitet.
Die Staatsanwaltschaft T. hat die Einwendungen mit Verfügung vom 23.2.2015 ebenso wie das Landgericht F. mit dem angefochtenen Beschluss vom 24.3.2015 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 24.3.2015 eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten. Der Verteidigerschriftsatz vom 1.5.2015 lag bei Beschlussfassung vor.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Auch unter Berücksichtigung der vom Verurteilten vorgetragenen Umstände erweist sich die Ermessensentscheidung der Staatsanwaltschaft weder hinsichtlich der Anordnung der Nachholung der Vollstreckung noch hinsichtlich ihrer Entscheidung vom 23.2.2015, diese Anordnung aufrechtzuerhalten, als rechtsfehlerhaft.
1. Zunächst ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorweganordnung nach § 456a Abs. 2 Satz 3 StPO der Staatsanwaltschaft T. vom 1.2.2001 keine Begründung enthält. Zwar sind Ermessensentscheidungen grundsätzlich zu begründen, um dem Gericht eine Überprüfung auf Ermessensfehlgebrauch zu ermöglichen. Vorliegend war dies aber entbehrlich, weil die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung eindeutig war. Insoweit ist von Bedeutung dass der der Staatsanwaltschaft durch § 456 Abs. 2 Satz 3 StPO eingeräumte Ermessensspielraum durch § 17 Abs. 2 StVollstrO - wonach die Vollstreckung für den Fall der Rückkehr nachgeholt werden soll - dahingehend eingegrenzt wird, dass die Nachholungsanordnung der Regelfall ist. Denn der ausländische Strafgefangene ist durch § 456a Abs. 1 StPO gegenüber anderen Strafgefangenen privilegiert, die nur unter den Voraussetzungen des § 57 StGB entlassen werden können. Kehrt der ausgewiesene Verurteilte freiwillig zurück, unterwirft er sich wieder der deutschen Rechtsordnung und muss dann allen anderen abgeurteilten Straftätern in einer vergleichbaren Situation rechtlich gleichgestellt werden; dazu gehört auch die Gleichstellung hinsichtlich des bisher noch nicht verbüßten Teils der Strafe. Ohne besondere Umstände verdichtet sich deshalb das Vollstreckungsrecht zur Vollstreckungspflicht (vgl. Senat Die Justiz 1999, 345; OLG Hamburg NStZ-RR 1999, 123; OLG Oldenburg StraFo 2015, 84; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. 2014, § 456a Rn. 6; Graalmann-Scheerer in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 456a Rn. 22). Solche besonderen Umstände, die angesichts der Art und Schwere der Taten und anderer berücksichtigungsfähiger Tatsachen ein Absehen von der danach regelmäßig zu treffenden Vorweganordnung als möglich erscheinen ließen und deshalb eine nähere Begründung der getroffenen Entscheidung erfordert hätten, sind vorliegend nicht ersichtlich (vgl. zum Ganzen OLG Stuttgart OLGSt StPO § 456a Nr. 4 und 5).
2. Die Entschließung der Staatsanwaltschaft T. vom 23.2.2015, an der Nachholung der Vollstreckung festzuhalten, hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand, da die vom Verurteilten vorgebrachten Einwendungen nicht geeignet sind, eine Durchbrechung der durch § 17 Abs. 2 StrVollstrO aufgestellten Regel zu begründen.
10 
Entgegen der vom Verurteilten vertretenen Auffassung ist nur die Entscheidung über das Absehen von der Vollstreckung gemäß § 456a Abs. 1 StPO insoweit an die aufenthaltsrechtliche Beurteilung gekoppelt, als dies eine bestandskräftige Ausweisung des Verurteilten voraussetzt. Dagegen ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 456 Abs. 2 StPO, dass die Nachholung der Vollstreckung allein an die Rückkehr des Verurteilten in das Bundesgebiet anknüpft. Dementsprechend ist es anerkannt, dass die Nachholung der Vollstreckung auch dann zulässig ist, wenn der Verurteilte nach aufenthaltsrechtlichen Maßstäben erlaubt nach Deutschland zurückkehrt (OLG Köln OLGSt StPO § 456a Nr 9; OLG Düsseldorf MDR 1991, 889; Graalmann-Scheerer a.a.O.). Im Hinblick darauf, dass die Nachholung der Vollstreckung die Regel darstellt, ist es danach nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft der auf der Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19.9.2013 (NJW 2014, 527) geänderten aufenthaltsrechtlichen Situation des Verurteilten keine durchgreifende Bedeutung beigelegt hat.
11 
Soweit der Verurteilte erstmals gegenüber der Strafvollstreckungskammer beanstandet hat, nicht ordnungsgemäß über die Bedeutung der Entscheidung nach § 456a Abs. 1 StPO und insbesondere die Folgen einer Rückkehr nach Deutschland belehrt worden zu sein, kann dies nicht nachvollzogen werden. Der Bescheid der Staatsanwaltschaft T. vom 1.2.2001 enthielt den der Rechtslage entsprechenden und eindeutigen Hinweis, dass die Vollstreckung bei der Rückkehr in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nachgeholt wird. Soweit dies dem Verurteilten nur in deutscher Sprache mitgeteilt wurde, war der Verurteilte nach Aktenlage der deutschen Sprache hinreichend mächtig. Im Übrigen ergibt sich aus der Einlassung des Angeklagten bei seiner Festnahme, dass ihm sich die aus § 456a Abs. 2 StPO ergebenden Folgen einer Rückkehr nach Deutschland bekannt waren, er seinerzeit auch keineswegs im Vertrauen auf einen geänderten aufenthaltsrechtlichen Status ins Bundesgebiet gekommen war, sondern sich schlicht im Irrtum über die Dauer der Ausschreibung zur Festnahme befunden hatte.

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