Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 VAs 19 - 21/15; 2 VAs 19/15; 2 VAs 20/15; 2 VAs 21/15

Tenor

1. Der Antrag des Anzeigeerstatters G. K. vom 6. Juli 2015 auf gerichtliche Entscheidung gegen die Bescheide der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 30. September 2014 - 140 Js 15952/14 -, vom 15. Dezember 2014 - 140 Js 26670/14 - und vom 26. Mai 2015 - 140 Js 9138/15 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.

4. Der Geschäftswert wird auf 500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der auf „§ 23 EGGVG oder Art. 19 Abs. 4 i.V.m. § 153 Abs. 1 Satz 1 analog StPO“ gestützte Antrag richtet sich gegen die nachfolgenden Verfügungen der Staatsanwaltschaft Heidelberg. Diese hat aufgrund der Strafanzeigen des Antragstellers folgende Entscheidungen getroffen:
a) Das auf Strafanzeige vom 25.07.2014 (Beschuldigte: D. H. und A. H.) eingeleitete Ermittlungsverfahren 140 Js 15952/14 wurde durch Verfügung vom 30.09.2014 gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt; hinsichtlich möglicher Ordnungswidrigkeiten wurde das Verfahren an die Verwaltungsbehörde abgegeben. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Antragstellers wurde – als Dienstaufsichtsbeschwerde – mit Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 31.10.2014 - Zs 1974/14 - als unbegründet zurückgewiesen.
b) Das auf Strafanzeige vom 26.10.2014 (Beschuldigte: D. H. und A. H.) eingeleitete Ermittlungsverfahren 140 Js 26670/14 wurde durch Verfügung vom 15.12.2014 mangels Vorliegens des öffentlichen Interesses i.S.d. § 376 StPO unter Verweisung auf den Privatklageweg eingestellt; hinsichtlich möglicher Ordnungswidrigkeiten wurde das Verfahren an die Verwaltungsbehörde abgegeben. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Antragstellers wurde – als Dienstaufsichtsbeschwerde – mit Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 19.01.2015 - 6 Zs 78/15 - als unbegründet zurückgewiesen.
c) Das auf Strafanzeige vom 27.04.2015 (Beschuldigter: D. H.) eingeleitete Ermittlungsverfahren 140 Js 9138/15 wurde durch Verfügung vom 26.05.2015 gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt; hinsichtlich möglicher Ordnungswidrigkeiten wurde das Verfahren an die Verwaltungsbehörde abgegeben.
Sämtlichen Strafanzeigen liegen Beschuldigungen im Nachbarschaftsverhältnis – die Beschuldigten wohnen im Nachbarhaus –, insbesondere Hausfriedensbruch, Beleidigung, Lärmbelästigung u.s.w., zugrunde.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG ist als unzulässig zu verwerfen, da er im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität (§ 23 Abs. 3 EGGVG) nicht statthaft ist.
1. Eine Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 153 StPO (Verfügung vom 30.09.2014 und 27.04.2015) bzw. § 170 Abs. 2 StPO i.V.m. mit einer Verweisung auf den Privatklageweg (Verfügung vom 15.12.2014) kann zwar vom möglichen Verletzten nicht im Wege eines Antrags im Klageerzwingungsverfahren angefochten werden (§ 172 Abs. 2 Satz 3 StPO). Dieser Ausschluss einer Anfechtungsmöglichkeit steht in Übereinstimmung mit § 153 Abs. 2 Satz 4 StPO im Fall eines gerichtlichen Einstellungsbeschlusses – außer beim Fehlen einer prozessualen Voraussetzung für den Angeschuldigten und die Staatsanwaltschaft (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 153 Rn. 34) –, was auch für einen Nebenkläger gilt (§ 400 Abs. 2 Satz 2 StPO). Daher kommen für den Anzeigeerstatter bzw. Verletzten bei solchen Einstellungsverfügungen nur die Gegenvorstellung oder Dienstaufsichtsbeschwerde in Betracht (SK-StPO/Weßlau, 4. Aufl., § 153 Rn. 64). Dies gilt auch dann, wenn der Anzeigeerstatter die Verneinung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft (§ 376 StPO) für unrichtig hält (KK-Moldenhauer, StPO, § 172 Rn. 39). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet auch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG keine Anfechtungsmöglichkeit. Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzte nämlich eine im Interesse des Einzelnen gewährte Rechtsposition voraus; nur zum Schutz derartiger Rechtspositionen ist der Rechtsweg verfassungsrechtlich garantiert (BVerfGE 83, 182 [194]). Dabei genügt die Verletzung bloßer Interessen nicht; entscheidend ist, ob die einschlägige Norm dem Schutz des Betroffenen zu dienen bestimmt ist, d.h. ob sie einen derartigen Schutz bezweckt und nicht lediglich zur Folge hat. Eine solche Rechtsposition des Antragstellers, deren Verletzung er gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Rechtsweg geltend machen könnte, ist nicht gegeben. § 153 StPO bezweckt nicht den Schutz des durch die Straftat Verletzten (BVerfG NStZ 2002, 211 zur vergleichbaren Rechtslage bei § 153a StPO). Eine Verletzung von Rechten des durch die Straftat Verletzten scheidet grundsätzlich auch aus, wenn es um die Beurteilung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft geht (BVerfG 51, 176 [187] zu § 232 Abs.1 Satz 1 StGB a.F. [§ 230 Abs. 1 Satz 1 StGB n.F.]). Daher ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Gesetzgeber ein solches Interesse bei Verfahrenseinstellungen nicht mit einer das Klageerzwingungsverfahren eröffnenden Wirkung gewichtet hat (BVerfG NStZ, a.a.O., zu § 153a StPO). Mithin ist es verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden, dass eine gerichtliche Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO durch den Nebenkläger einer Anfechtung entzogen ist, zumal das Grundgesetz grundsätzlich keinen Anspruch auf Strafverfolgung eines Dritten durch den Staat kennt (BVerfG NJW 1995, 317; vgl. auch BGHSt 47, 270 - juris Rn. 6). Dies kann nur bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheit der Person, bei Straftaten gegen Opfer, die sich in einem besonderen Obhutsverhältnis zur öffentlichen Hand befinden sowie bei Delikten von Amtsträgern in Betracht kommen (BVerfG EuGRZ 2015, 429 - juris Rn. 17). Diese engen Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht gegeben.
Schließlich liegen unter Berücksichtigung des der Staatsanwaltschaft eröffneten besonders weiten Beurteilungsspielraums (BVerfG, NStZ, a.a.O., juris Rn. 15) auch keine willkürlichen Entscheidungen vor (vgl. auch Nr. 229 Abs. 1 Satz 1, Nr. 233 Satz 1, Nr. 234 Abs. 1 Satz 1 RiStBV).
2. Ungeachtet des Ausschlusses einer Anfechtungsmöglichkeit in Bezug auf die getroffenen Entscheidungen, ist auch ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 Abs. 1 EGGVG nicht zulässig. Sieht das Gesetz nämlich die Anfechtung einer Maßnahme vor, ist der Antrag nach § 23 Abs. 1 EGGVG auch dann ausgeschlossen, wenn diese Regelung bewusst nicht alle Fälle erfasst (Senat, Beschlüsse vom 19.03.2015 - 2 VAs 19/14 - und vom 17.07.2015 - 2 VAs 16/14; OLG Frankfurt ZInsO 2009, 242; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 12). Vorliegend steht einem Verletzten grundsätzlich die Möglichkeit eines Antrags im Klageerzwingungsverfahren offen, welcher lediglich bei bestimmten Tatvorwürfen (Privatklagedelikte) und Einstellungsentscheidungen (u.a. § 153 StPO) ausgeschlossen ist.
III.
10 
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EGGVG nicht vorliegen.
11 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 GNotKG, Nr. 15301 KV zum GNotKG.
12 
Die Festsetzung des Geschäftswerts ergibt sich aus §§ 79 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG. Angesichts der Unzulässigkeit war der Geschäftswert auf lediglich 500 Euro festzusetzen.

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