Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 Ws 90/16

Tenor

1. Das als Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel des Verfahrenspflegers gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 11. Februar 2016 bleibt als prozessual überholt unentschieden.

2. Die mit Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 11. Februar 2016 erteilte Zustimmung zur Zwangsbehandlung des Untergebrachten ist gegenstandslos.

Gründe

 
A.
X. Y. ist seit dem 12.3.2015 im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Z. untergebracht. Grundlage hierfür war zunächst der Unterbringungsbefehl des Amtsgerichts Z. vom 12.3.2015. Wegen der dem Unterbringungsbefehl zugrundeliegenden gefährlichen Körperverletzung ordnete das Landgericht Freiburg mit Urteil vom 9.11.2015 (2 KLs 350 Js 7465/15) die Unterbringung von X. Y. in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Dieses Urteil ist seit dem 16.3.2016 rechtskräftig.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11.2.2016 stimmte das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Freiburg der vom ZfP Z. beantragten zwangsweisen Behandlung des Untergebrachten mit einem antipsychotisch wirksamen Medikament zu. Der Beschluss, versehen mit einer Belehrung über das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde, wurde dem Untergebrachten und seinem zum Verfahrenspfleger bestellten Bevollmächtigten am 15.2.2016 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 9.3.2016 legte der Verfahrenspfleger Rechtsbeschwerde ein, mit der er die Bestimmung der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer in § 20 Abs. 5 Satz 1 des baden-württembergischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKHG) als verfassungswidrig beanstandet und die Anwendbarkeit von § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 lit. b PsychKHG im Rahmen der einstweiligen Unterbringung in Frage stellt.
B.
Eine Entscheidung des Senats über das als (einfache) Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO zu behandelnde Rechtsmittel ist nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Freiburg vom 9.11.2015, mit dem die Unterbringung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet wurde, nicht mehr veranlasst.
I.
Statthaftes Rechtsmittel gegen die Erteilung der Zustimmung zu einer Zwangsbehandlung im Rahmen der einstweiligen Unterbringung gemäß § 126a StPO ist die einfache Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO.
1. Die bundesgesetzlichen Bestimmungen über das Verfahren in Unterbringungssachen im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) finden hinsichtlich des gerichtlichen Rechtszugsystems weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung.
a. Soweit § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FamFG Verfahren, die eine freiheitsentziehende Unterbringung und eine ärztliche Zwangsmaßnahme eines Volljährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker betreffen, als nach den Vorschriften des FamFG zu behandelnde Unterbringungssachen definiert, fällt die Zwangsbehandlung im Rahmen einer nach strafrechtlichen Vorschriften angeordneten Unterbringung nicht darunter, obwohl sich die Rechtsgrundlage für die Zwangsbehandlung auch insoweit im PsychKGH (§§ 20, 32, 38 Abs. 1) findet. Diese Einschränkung lässt sich zwar nicht dem Wortlaut, wohl aber der Entstehungsgeschichte der Norm entnehmen.
§ 312 FamFG hatte in seiner ursprünglichen Fassung vom 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586) nur die Freiheitsentziehung durch Anordnungen nach § 1906 BGB und den Vorschriften über die „öffentlich-rechtliche“ Unterbringung (BT-Drs. 16/6308 S. 272) nach den Landesgesetzen zum Gegenstand. Der Passus über die ärztliche Zwangsbehandlung wurde durch das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18.2.2013 (BGBl. I S. 266) eingefügt. Wie sich schon aus dem Titel des ändernden Gesetzes ergibt, stand dabei die Ergänzung der Regelung über die Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 BGB (in § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FamFG) im Vordergrund. Anlass für die Ergänzung waren denn auch zu § 1906 BGB ergangene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 20.6.2012 (BGHZ 193, 337; PaPfleReQ 2012, 98), nach denen § 1906 BGB keine ausreichende gesetzliche Ermächtigung für eine Zwangsbehandlung darstellte, die deshalb vom Gesetzgeber geschaffen werden sollte. In der Begründung des Gesetzesentwurfs vom 19.11.2012 (BT-Drs. 17/11513), der die zu § 1906 BGB vorgeschlagene Änderung „in gleicher Weise“ auf die „öffentlich-rechtliche Unterbringung eines Volljährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker“ (S. 8) übertrug, wurde mehrfach betont, dass eine ärztliche Zwangsbehandlung „nur im Rahmen einer Unterbringung erfolgen kann“ (S. 1, 5, 8). Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber die ärztliche Zwangsbehandlung nicht allgemein, sondern nur im Kontext der zuvor bereits von § 312 FamFG umfassten Formen der Unterbringung regeln wollte, und unter § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FamFG nur die öffentlich-rechtliche Unterbringung nach den Landesgesetzen, nicht aber die Unterbringung auf der Grundlage strafrechtlicher Normen fällt (vgl. zur Abgrenzung der öffentlich-rechtlichen von der strafrechtlichen Unterbringung auch Marschner in Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2014; § 312 FamFG Rn. 11; Heiderhoff in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 312 Rn. 4; Bienwald in Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2011, § 312 FamFG Rn. 5)
b. Die Rechtsmittelvorschriften (§§ 58 ff.) in Abschnitt 5 des Allgemeinen Teils des FamFG finden auch nicht über die Verweisung in § 20 Abs. 5 Satz 4 PsychKHG entsprechend Anwendung. Die Verweisung ist ausdrücklich auf die Vorschriften des zweiten Abschnitts im dritten Buch des FamFG (§§ 312 bis 339) beschränkt. Diese schon nach dem Wortlaut eindeutige Beschränkung entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte mit § 20 PsychKHG die vorherige Regelung in § 8 des baden-württembergischen Unterbringungsgesetzes 02.12.1991 (GBl. S. 794) inhaltsgleich übernommen werden. Zur Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 5 UBG war aber im Gesetzentwurf ausdrücklich ausgeführt, dass es für die Strafvollstreckungskammern „bei der Anwendung deren Prozessordnung, insbesondere auch hinsichtlich des Beschwerderechts“ verbleiben sollte (LT-Drs. 15/3408 S. 15; OLG Stuttgart Die Justiz 2014, 33).
2. Ebenfalls keine Anwendung finden - anders als bei der Anfechtung der Zwangsbehandlung im Rahmen einer rechtskräftig gerichtlich angeordneten Unterbringung nach § 63 StGB (dazu OLG Stuttgart a.a.O.) - die Rechtsbeschwerdevorschriften der §§ 116 ff. StVollzG.
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a. Zwar wird der Anwendungsbereich dieser Vorschriften durch § 138 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StVollzG auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt ausgedehnt. Davon ist aber die einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO nicht umfasst.
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Dies legt bereits der Wortlaut der Bestimmung nahe, der mit dem Begriff der „Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus“ an die materiell-rechtliche Regelung der (endgültigen) Unterbringung in § 63 StGB anknüpft, während demgegenüber in § 126a StPO der Begriff der einstweiligen Unterbringung verwendet wird.
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Entscheidend für eine solche Auslegung sprechen aber systematische Gesichtspunkte und die Entstehungsgeschichte.
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Hauptsächliche Materie des Strafvollzugsgesetzes sind Bestimmungen über den Vollzug rechtskräftig angeordneter Freiheitsstrafen. Dies spricht für die Annahme, dass die Gleichstellung der Vollziehung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung, zu denen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB zählt, mit der Vollziehung von Freiheitsstrafen (§ 1 StVollzG) nur den Vollzug rechtskräftig angeordneter Maßregeln erfasst. Dafür spricht im Übrigen auch, dass das Verfahren betreffend die einstweilige Unterbringung zumindest partiell in § 126a StPO gesondert geregelt ist.
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Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt. Bereits bei Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes 1976 ging der Gesetzgeber davon aus, dass die - im Hinblick auf die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder - rudimentären Regelungen zum Maßregelrecht nur die Aufgaben der Maßregeleinrichtungen „als Vollzugsbehörde für die Durchführung der Maßregel“, also bei der Vollstreckung rechtskräftig angeordneter Maßregeln, betreffen (BT-Drs. 7/918 S. 90). Mit der Anordnung der entsprechenden Anwendung der Rechtsbehelfe nach §§ 109 ff. StVollzG durch das Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 20.1.1984 (BGBl. I S. 1654) sollte lediglich die Rechtsstellung der im Maßregelvollzug Untergebrachten an die der Strafgefangenen angeglichen werden (BT-Drs. 10/267 S. 5 und BT-Drs. 10/624 S. 1 und 6).
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b. Soweit § 54 Abs. 2 PsychKHG im Übrigen bestimmt, dass „die Rechtsbehelfe nach § 138 Absatz 3 und den §§ 109 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes unberührt bleiben“, ergibt sich schon aus der gewählten Formulierung, dass der Anwendungsbereich von § 138 Abs. 3 StVollzG und der weiteren dort erwähnten Vorschriften nicht erweitert wurde.
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c. Für eine erweiternde Auslegung, die zur Anwendung der §§ 138 Abs. 3, 116 ff. StVollzG auf die ärztliche Zwangsbehandlung im Rahmen der einstweiligen Unterbringung führen würde, fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus den bereits angeführten Gesetzesmaterialien (oben 1 b am Ende) ergibt sich der eindeutige Wille des Landesgesetzgebers, es hinsichtlich des Rechtsmittelrechts bei den allgemeinen strafprozessualen Regelungen belassen zu wollen. Danach finden auf die Anfechtung der Zwangsbehandlung im Rahmen der in § 126a StPO geregelten Unterbringung die Rechtsmittelvorschriften der Strafprozessordnung Anwendung, die mangels spezieller Regelung zur Statthaftigkeit der einfachen Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO führen.
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d. Diesem Auslegungsergebnis steht auch nicht die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung entgegen. Denn der Landesgesetzgeber war entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung nicht durch bundesgesetzliche Vorschriften an der Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens über die Zwangsbehandlung im Rahmen der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO gehindert.
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Allerdings fällt die Regelung des gerichtlichen Verfahrens nach Art. 74 Nr. 1 GG in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, so dass die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur haben, solange und soweit der Bund von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Eine Kodifikation durch den Bund schließt Regelungen durch den Landesgesetzgeber aber nur aus, wenn die bundesgesetzliche Regelung eine abschließende und erschöpfende Regelung darstellt (BVerfGE 56, 110; Maunz in Maunz/Dürig, GG, 23. Lfg. 1984, Art. 74 Rn. 75).
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Danach stand die partielle Regelung des für die einstweilige Unterbringung geltenden Verfahrensrechts in § 126a StPO dem Erlass ergänzender, ausschließlich die Zwangsbehandlung betreffender Bestimmungen nicht entgegen. Denn die Strafprozessordnung enthält für diesen Teilbereich keinerlei Regelungen, obwohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Bereich besondere verfahrensmäßige Sicherungen zum Schutz der Grundrechte verfassungsrechtlich geboten sind (BVerfGE 128, 282; 129; 269). Nachdem die Strafprozessordnung seither mehrfach geändert worden ist, ohne dass eine Ergänzung der Vorschrift des § 126a StPO im Hinblick auf die Zwangsbehandlung erfolgt ist, lässt dies nur den Schluss zu, dass der Bundesgesetzgeber die Regelung auch des gerichtlichen Verfahrens insoweit den Ländern im Rahmen ihrer materiell-rechtlichen Regelungskompetenz überlassen wollte. Daraus folgt zum Einen, dass die verfahrensrechtlichen Regelungen in § 20 Abs. 5 Satz 1 und Satz 4 PsychKHG zulässig waren; zum Anderen ist aber auch die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte ausdrückliche Entscheidung des Landesgesetzgebers, bezüglich des Rechtsmittelrechts keine von der Strafprozessordnung abweichende Regelung zu treffen, von den Gerichten bei der Rechtsanwendung zu beachten.
II.
20 
Eine Entscheidung des Senats über die Beschwerde ist jedoch vorliegend nicht mehr veranlasst, weil die von der Strafvollstreckungskammer erteilte Zustimmung zur Zwangsbehandlung inzwischen keine Wirkung mehr entfaltet. Nach der Auffassung des Senats ist es auch im Hinblick auf das Gebot prozessualer Klarheit geboten, die Wirkung einer im Rahmen der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO erteilten gerichtlichen Zustimmung zur Zwangsbehandlung mit dem Ende der einstweiligen Unterbringung durch den Eintritt der Rechtskraft eines die Unterbringung nach § 63 StGB anordnenden Urteils enden zu lassen.
21 
1. Dafür spricht zum Einen, dass die Zwangsbehandlung in unauflöslichem Zusammenhang mit der jeweiligen Unterbringungsform steht, die unterschiedliche Zwecke verfolgt. Zwar handelt es sich bei der einstweiligen Unterbringung im Unterschied zur Untersuchungshaft, die allein der Verfahrenssicherung dient, um einen Vorläufer der späteren Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB (OLG Frankfurt NStZ 1985, 284). Gleichwohl ist § 126a StPO eine in erster Linie der Gefahrenabwehr dienende Vorschrift. Da die einstweilige Unterbringung nach § 126a Abs. 1 StPO nur angeordnet werden darf, wenn es die öffentliche Sicherheit erfordert, werden mit ihr vorrangig Sicherungszwecke verfolgt (OLG Frankfurt a.a.O.; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 126a Rn. 1 m.w.N.). Demgegenüber handelt es sich bei der endgültigen Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB - wie sich schon aus der Überschrift des sechsten Titels des dritten Abschnitts im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs ergibt - um Maßregeln der Besserung und Sicherung, wobei vor allem dem Ziel der Besserung Bedeutung zukommt (Schöch in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, vor § 61 Rn. 31). Dies hat nach der Auffassung des Senats auch Auswirkungen auf die Anwendung von § 20 PsychKHG. Soweit die Zwangsbehandlung gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 lit. b PsychKHG auch zulässig ist, um die tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung der untergebrachten Person so weit als möglich wiederherzustellen, um ihr ein selbstbestimmtes, in der Gemeinschaft eingegliedertes Leben in Freiheit zu ermöglichen, ist dies vorrangig Ausdruck des Besserungsgedankens. Dies schließt zwar eine Anwendung dieser Alternative des § 20 Abs. 3 PsychKHG im Rahmen des vorrangig Sicherungszwecke verfolgenden einstweiligen Unterbringungsverfahrens nicht gänzlich aus. Sie wird aber nach dem die Zwangsbehandlung bestimmenden Gedanken, dass diese nur das letzte Mittel sein darf (BVerfG a.a.O.), nur in Fällen in Betracht kommen, in denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch die Verzögerung der Behandlung der Erfolg eines zu erwartenden nachfolgenden Maßregelvollzugs nachhaltig in Frage gestellt wäre.
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2. Eine durch den Eintritt der Rechtskraft des die Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB anordnenden Urteils eintretende Zäsur dient zudem im Hinblick darauf, dass das Rechtsmittelverfahren vor und nach Eintritt der Rechtskraft nach dem oben unter B. I. gefundenen Ergebnis völlig unterschiedlich ausgestaltet ist - vorher unbefristete Beschwerde ohne Begründungszwang, die zu uneingeschränkter Überprüfung durch das Beschwerdegericht führt, danach nur Überprüfung auf Rechtsfehler auf fristgebundene Rechtsbeschwerde mit hohen formalen Hürden hin (vgl. §§ 116 Abs. 1, 118 StVollzG) - der prozessualen Klarheit, nach welchem Maßstab eine Überprüfung der gerichtlichen Zustimmung durch das Rechtsmittelgericht vorzunehmen ist.
23 
3. Der Senat verkennt nicht, dass dies, schon im Hinblick auf das nach Eintritt der Zäsur erneut durchzuführende Antragsverfahren, zur Folge hat, dass eine medizinisch gebotene und rechtlich zulässige Zwangsbehandlung vorübergehend unterbrochen werden muss. In dringenden Fällen kann dem jedoch durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß §§ 20 Abs. 5 Satz 4 PsychKHG, 332 FamFG begegnet werden.
III.
24 
Ohne dass es danach für die vom Senat zu treffende Entscheidung noch darauf ankäme, gibt die angefochtene Entscheidung Anlass zu folgenden Hinweisen:
25 
1. Die Strafvollstreckungskammer hat bei der Prüfung, ob die gerichtliche Zustimmung zur Zwangsbehandlung erteilt werden kann, auch zu prüfen und in den Beschlussgründen darzulegen, ob - unabhängig von der Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen (BVerfGE 128, 282, bei juris Rn. 58 f.) - zuvor von ärztlicher Seite auf der Grundlage angemessener Aufklärung versucht worden ist, die Zustimmung des Betroffenen zur vorgeschlagenen Behandlung einzuholen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dazu auf § 20 Abs. 4 Satz 2 PsychKHG abgestellt werden kann, der allerdings seiner systematischen Stellung nach auf die Durchführung der Behandlung selbst ausgerichtet ist. Denn jedenfalls ergibt sich dies aus dem die Zwangsbehandlung beherrschenden ultima-ratio-Gedanken und dem durch den Richtervorbehalt in § 20 Abs. 5 Satz 1 PsychKGH abgesicherten Erfordernis, dass gerichtlicher Rechtsschutz ex ante gewährleistet sein muss (BVerfG a.a.O., bei juris Rn. 67). Außerdem muss die Zwangsbehandlung jedenfalls bei planmäßiger Behandlung dem Betroffenen rechtzeitig vorher angekündigt worden sein (BVerfG a.a.O., bei juris Rn. 63 f.)
26 
2. Um die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Behandlung prüfen zu können, bedarf die Strafvollstreckungskammer einer ärztlichen, durch das Gutachten nach § 321 FamFG überprüften Beurteilung, aus der sich die Indikation und die voraussichtlichen Auswirkungen der vorgeschlagenen Behandlung sowie deren voraussichtliche Dauer (BVerfGE a.a.O, bei juris Rn. 64 f.) ergeben. Dass die Behandlung von vornherein auf mehr als sechs Wochen angelegt ist, steht der Erteilung der gerichtlichen Zustimmung dabei nicht entgegen (Senat FamRZ 2015, 2008). Außerdem muss eine Beurteilung der möglichen Nebenwirkungen unter Angabe der Wahrscheinlichkeit und der Schwere sowie der Art und Auswirkungen der Maßnahmen, mit denen Nebenwirkungen begegnet werden kann, erfolgen. Die Darlegungsanforderungen werden dabei durch das Gewicht möglicher Nebenwirkungen bestimmt, das sich aus dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts, der Schwere der Auswirkungen und den Chancen der Vermeidung bzw. Behandlung durch begleitende Maßnahmen ergibt (Senat a.a.O.). In erster Linie geht es darum auszuschließen, dass ein nicht zu vernachlässigendes Risiko irreversibler Gesundheitsschäden besteht (BVerfG a.a.O., bei juris Rn. 61). Im Übrigen wird im Vordergrund stehen, ob erheblichen Nebenwirkungen mit anderen Maßnahmen effektiv begegnet werden kann, wobei die damit verbundenen Belastungen ebenfalls festzustellen und zu bewerten sind. Abschließend ist das Gewicht möglicher Nebenwirkungen in Bezug zu dem voraussichtlichen Nutzen der vorgeschlagenen Behandlung zu setzen; hierbei muss der Nutzen mögliche Schäden deutlich feststellbar überwiegen (§ 20 Abs. 3 Satz 4 PsychKHG, BVerfG a.a.O., bei juris Rn. 61). Entsprechende Ausführungen muss auch der die gerichtliche Zustimmung erteilende Beschluss enthalten, mit dem auch die Dauer, für die die Zustimmung gilt, festzulegen ist.

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