Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 16 UF 57/19

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 20.02.2019 (Az. 5 F 1998/18) wie folgt abgeändert:

Auf die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 28.08.2018 abgeändert und die dem Rechtsanwalt S. aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrenskostenhilfevergütung wird auf 860,97 EUR festgesetzt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Die im eigenen Namen erhobene Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter wendet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 20.02.2019, mit dem die Erinnerung gegen die weitere Festsetzung der nach der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe aus der Staatskasse zu zahlenden Rechtsanwaltsvergütung zurückgewiesen worden ist.
J. N. ist die Mutter des am 24.08.2017 geborenen Kindes K., das in ihrem Haushalt lebt. Sie ist Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge.
Mit Schreiben vom 20.06.2018 regte das Stadtjugendamt M. Maßnahmen nach § 1666 BGB wegen Gefährdung des Kindeswohls an.
In dem vom Amtsgericht anberaumten Anhörungstermin am 19.07.2018, an dem der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter teilnahm, trafen die Vertreterin des Stadtjugendamtes M. und die Mutter eine Vereinbarung, die deren Verpflichtung, sich einer psychiatrischen Diagnostik zu unterziehen und gegebenenfalls weitere Therapietermine wahrzunehmen sowie an einem Video-Interaktions-Diagnostik-Training teilzunehmen, beinhaltete.
Darüber hinaus beantragte die Vertreterin des Stadtjugendamtes, der Mutter nach §§ 1666 ff. BGB folgende Auflagen zu erteilen:
- kontinuierlich mit der Familienhilfe zusammenzuarbeiten
- sämtliche Termine mit der Familienhilfe wahrzunehmen
- K. regelmäßig in die Krippe, Kinderhaus K., zu bringen, zumindest in der Zeit von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr
- im Falle einer Erkrankung K.s in der Krippe eine Krankmeldung und ein ärztliches Attest vorzulegen.
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Der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter erklärte, dass diese solchen Auflagen zustimmen würde.
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Daraufhin gab das Amtsgericht der Mutter mit Beschluss vom 27.07.2018 auf (Ziffer 1),
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a) mit den Personen der eingesetzten Familienhilfe zusammenzuarbeiten;
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b) mit den Mitarbeitern des Jugendamts zusammenarbeiten;
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c) K. werktäglich zumindest in der Zeit von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr in die Krippe im Kinderhaus K. zu bringen. Falls K. krankheitsbedingt nicht in die Krippe gehen kann, sind dem Kinderhaus sowohl eine Krankmeldung als auch ein ärztliches Attest vorzulegen,
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und setzte den Verfahrenswert auf 3.000,00 EUR (Ziffer 3) fest.
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Zur Begründung führte das Amtsgericht insbesondere an, die Auflagen seien erforderlich, um eine Gefährdung K.s auszuschließen. Zu der erforderlichen psychiatrischen Diagnostik und der vom Jugendamt empfohlenen Teilnahme an einem Video-Interaktions-Diagnostik-Training habe sich die Mutter in der Vereinbarung verpflichtet. Der Entzug von Teilen der elterlichen Sorge sei nach derzeitigem Sachstand nicht erforderlich. Ein weitergehender Eingriff in die elterliche Sorge müsse überprüft werden, falls die ausgesprochenen Auflagen und die in der Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungen nicht eingehalten würden.
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Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers stellte unter dem 20.07.2018 einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts über insgesamt 860,97 EUR. Darin enthalten war u. a. eine 1,0 fache Einigungsgebühr (RVG VV Nr. 1003) aus einem Gegenstandswert von 3.000,00 EUR.
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Mit am 30.07.2018 durch Übergabe an die Geschäftsstelle erlassenem Beschluss vom 27.07.2018 bewilligte das Amtsgericht der Mutter ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung des Beschwerdeführers als Verfahrensbevollmächtigten.
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Zu dem Vergütungsfestsetzungsantrag vom 20.07.2018 hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 02.08.2018 darauf hingewiesen, dass eine Einigungsgebühr nicht entstanden sei, da es sich um ein Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB handele.
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Mit Beschluss vom 28.08.2018 hat das Amtsgericht die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrenskostenhilfevergütung auf 621,78 EUR festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, nach obergerichtlicher Rechtsprechung könne eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG für den Gegenstand Sorgerecht nicht entstehen.
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Der hiergegen eingelegten Erinnerung hat der Festsetzungsbeamte nach Einholung der Stellungnahme der Staatskasse mit Verfügung vom 27.11.2018 nicht abgeholfen und die Erinnerung der zuständigen Abteilungsrichterin zur Entscheidung vorgelegt. Diese hat mit Beschluss vom 20.02.2019 die Erinnerung gegen den Beschluss vom 28.08.2018 zurückgewiesen. Die Einigungsgebühr sei nicht angefallen. Eine solche komme in Verfahren nach § 1666 BGB nicht in Betracht. Eine Einigungsgebühr entstehe grundsätzlich nur, wenn die Beteiligten über den Verfahrensgegenstand verfügungsbefugt seien. Im Unterschied zum Sorgerechtsverfahren nach §§ 1671, 1672 BGB, in welchen die Eltern bei Abschluss einer Vereinbarung im Rahmen von § 156 Abs. 1 FamFG in Ausübung der durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG eingeräumten Befugnisse handelten, ginge es im Kindesschutzverfahren nach § 1666 BGB um die Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes über das Kindeswohl. Dieses sei den Jugendämtern sowie den Familiengerichten übertragen. Zum Abschluss von Verträgen im Sinne der Vorbemerkung 1 Abs. 1 VV-RVG bezüglich der Ausübung des staatlichen Wächteramtes über das Kindeswohl seien weder Jugendamt noch Familiengericht befugt.
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Gegen den ihm am 22.02.2019 zugestellten Beschluss über die Zurückweisung der Erinnerung richtet sich die am 06.03.2019 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter, mit der die Festsetzung in der von ihm beantragten Höhe weiterverfolgt wird. Selbstverständlich könnten Mutter und Jugendamt eine Vereinbarung schließen, die das Eingreifen und eine Entscheidung des Familiengerichts unnötig mache. Dies sei hier geschehen. Aufgrund dessen habe das Familiengericht keine Entscheidung treffen müssen, sondern habe die Einigung der Mutter und des Jugendamts guten Gewissens mittragen und die Sache so gütlich beenden können. Dies sei der Sinn des Vergleichs. An diesem habe er auch mitgewirkt.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11.03.2019 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3, 4 RVG zulässige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter gegen die Entscheidung des Amtsgerichts hat in der Sache Erfolg.
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1. Gemäß §§ 45 ff. RVG ist die dem Verfahrensbevollmächtigten der Mutter aus der Staatskasse zu erstattende Verfahrenskostenhilfevergütung auf 860,97 EUR festzusetzen.
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Denn dem Verfahrensbevollmächtigten steht aufgrund der mit Beschluss vom 30.07.2018 erfolgten Verfahrenskostenhilfebewilligung auch eine einfache Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 Abs. 2 i. V. m. Nr. 1000 Abs. 1 VV RVG aus einem Verfahrenswert von 3.000,00 EUR in Höhe von 201,00 EUR nebst Umsatzsteuer zu.
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Die Regelung ist auch in Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung anwendbar (a)) und die Voraussetzungen für das Anfallen der Gebühr aus dem gesamten Verfahrenswert sind im konkreten Fall erfüllt (b)).
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a) Gemäß Nr. 1000 Abs. 1 VV RVG entsteht eine 1,5fache Einigungsgebühr unter anderem für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (Ziffer 1). Ist über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren anhängig, beträgt die Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV RVG 1,0. Unter Abs. 2 in der seit 01.09.2009 geltenden Fassung ist dabei geregelt, dass diese Gebühr in Kindschaftssachen auch entsteht für die Mitwirkung am Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleichs (§ 156 Abs. 2 FamFG) und an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, wenn hierdurch eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt.
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Nr. 1003 Abs. 2 VV RVG ist auch in einem wegen Gefährdung des Kindeswohls gemäß §§ 1666 ff. BGB geführten Verfahren anwendbar (Schütz, in: Riedel/Süßbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, VV 1003, Rn. 7; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, VV 1000, Rn. 67; Schneider/Wolf, Anwaltskommentar, RVG, 8. Aufl. 2017, VV 1000, Rn. 145; so wohl auch: Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, Nr. 1003 VV, Rn. 17).
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Dem Wortlaut nach differenziert die Regelung nicht zwischen unterschiedlichen Sorgerechtsverfahren, sondern spricht allgemein von Kindschaftssachen (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, ebenda).
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Zudem entspricht es Sinn und Zweck der Regelung, auch die Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung mit zu erfassen. Die Einigungsgebühr dient ausweislich der Motive des Gesetzgebers dazu, „die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken“ (vgl. BT-DS 15/1971, 204). Der Rechtsanwalt soll damit auch für die Mehrbelastung und die erhöhte Verantwortung entlohnt werden, den Mandanten zu überzeugen, sich mit der Gegenseite zu einigen (vgl. Schütz, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, RVG [VV 1000], Rn. 2). Zwar gilt im Sorgerechtsverfahren nach § 1666 BGB der Amtsermittlungsgrundsatz, sodass eine getroffene Vereinbarung eine gerichtliche Prüfung am Maßstab des Kindeswohls nicht entbehrlich werden lässt. Dass dies indessen ersichtlich kein geeignetes Kriterium ist, um die Einigungsgebühr entfallen zu lassen, wird beispielhaft daran deutlich, dass Nr. 1003 Abs. 2 VV RVG ausdrücklich anordnet, dass die Gebühr für die Mitwirkung am Abschluss an einem gerichtlich gebilligten Vergleich im Sinne des § 156 Abs. 2 FamFG entsteht. Die gerichtliche Billigung erfordert aber eine Kindeswohlprüfung, denn das Gericht billigt die Umgangsregelung gemäß § 156 Abs. 2 S. 2 BGB nur, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht. Gleichwohl ist eine einvernehmliche Lösung in all diesen Fällen geeignet, das Gericht zu entlasten (vgl. Schneider/Wolf, ebenda). Denn unbestreitbar ist etwa der Begründungsaufwand für das Gericht bezüglich einer in das Sorgerecht eingreifenden Maßnahme geringer, wenn sich der betroffene Elternteil kooperationsbereit zeigt und mit einer solchen - soweit diese dann überhaupt noch erforderlich ist - einverstanden erklärt (vgl. dazu Ulrici, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2018, FamFG § 38 Rn. 23, der in Amtsverfahren trotz der bei gleichlaufenden Interessen aller Beteiligten vorzunehmenden eigenen gerichtlichen Prüfung aufgrund der typischerweise bestehenden hohen Wahrscheinlichkeit für eine Nichtanfechtung der im Einklang mit diesen Interessen ergehenden Entscheidung sogar einen Verzicht auf die Begründung auch in Amtsverfahren für opportun hält; so auch Abramenko, in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 38, Rn. 28 speziell für das Verfahren nach § 1666 BGB; a.A. Bumiller, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 38, Rn. 6).
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Hinzukommt, dass den Rechtsanwalt in Fällen, in denen die Beteiligten zu einer Vereinbarung finden, regelmäßig ein erhöhter (Überzeugungs-)Aufwand sowie eine gesteigerte Verantwortung gegenüber seinem Mandanten trifft.
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Ist schließlich eine Vereinbarung geeignet, einen familiengerichtlichen Eingriff in das Sorgerecht entbehrlich werden zu lassen, entspricht dieses Vorgehen außerdem dem in den §§ 1666, 1666a BGB verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dem widerspräche es, dem Rechtsanwalt die Einigungsgebühr vorzuenthalten.
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Allerdings wird in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich durchgängig - auch unter Geltung der seit 01.09.2009 geltenden Fassung der Nr. 1003 VV RVG vertreten, dass eine Einigungsgebühr in Verfahren nach § 1666 BGB auf Entziehung der elterlichen Sorge nicht gilt (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 02. März 2010 – 19 WF 6/10 –, Rn. 3 ff., juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 26. April 2010 – 11 WF 312/10 –, Rn. 11 ff., juris; OLG Celle, Beschluss vom 10. Juni 2010 – 12 WF 90/10 –, Rn. 5, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.03.2011 - 8 WF 27/11 -, Rn. 6 f., juris; OLG Hamm, Beschluss vom 07.06.2013 - II-6 WF 117/13 -, Rn. 8, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 10. Oktober 2014 – 7 WF 859/14 –, Rn. 6, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2017 - II-10 WF 1/17 -, juris, Rn. 3; so auch Feskorn, in: Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, 79. Lfg. 04.2019, Anwaltsvergütung, Rn. 69; Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, VV 1000, Rn. 43).
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Diese Auffassung vermag indessen nicht zu überzeugen.
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Soweit dies mit dem Verweis auf eine in diesen Verfahren fehlende Verfügungsbefugnis begründet wird (so Feskorn, in: Rahm/Künkel, ebenda; Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, 79. Lfg. 04.2019, Anwaltsvergütung, Rn. 69, KG, a.a.O., Rn. 3), widerspricht dies klar dem Wortlaut der Regelung: Nr. 1003 Abs. 2 VV RVG bezieht sich gerade ausdrücklich auch auf den Fall der anwaltlichen Mitwirkung „an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann“. Aus diesem Grunde trägt auch der Verweis des OLG Stuttgart (a.a.O., Rn. 6; ähnlich auch OLG Düsseldorf, ebenda, und OLG Hamm, ebenda) darauf, dass es in Kindesschutzverfahren nach § 1666 BGB um die Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes über das Kindeswohl nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG gehe, welches den Jugendämtern und den Familiengerichten übertragen sei, die zum Abschluss von Verträgen im Sinne der Vorbemerkung 1 Abs. 1 VV RVG nicht befugt seien, diese Ansicht nicht. Abgesehen davon, dass im Rahmen eines Verfahrens nach § 1666 BGB nicht nur Vereinbarungen unter Beteiligung von Jugendamt oder Gericht denkbar sind, setzt der Anfall der Gebühr gerade nicht die Verfügungsbefugnis des Vertragsschließenden voraus.
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Auch die Argumentation des OLG Stuttgart (ebenda), dass bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung das bisherige Verfahren wieder aufzunehmen oder ein neues einzuleiten wäre, rechtfertigt keine andere Sichtweise (so auch: Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, ebenda; Schneider/Wolf, ebenda). Denn im Kern rekurriert es auf die fehlende materielle Rechtskraft. Endgültigkeit im Sinne einer materiell rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens setzt Nr. 1003 Abs. 2 VV RVG aber nicht voraus. Dies ergibt sich schon daraus, dass die von der Vorschrift in Bezug genommenen Kindschaftssachen generell nicht der materiellen Rechtskraft zugänglich sind, da das Kindeswohl stets Vorrang vor der Endgültigkeit einer einmal getroffenen Entscheidung hat (BGH, Beschluss vom 28. Mai 1986 – IVb ZB 36/84 –, Rn. 8, juris Maier, in: Meyer-Götz, Familienrecht, 4. Aufl. 2018, § 6 Rn. 243). Dass die Abänderung von Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht oder eines gerichtlich gebilligten Vergleiches gemäß § 1696 Abs. 1 BGB in der Regel „triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe“ voraussetzt, während im Rahmen der erneuten Prüfung der Notwendigkeit von Maßnahmen nach den §§ 1666 ff. BGB keine derartige Hürde zu überwinden ist, hat keinen Bezug zum oben genannten Gesetzeszweck und ist folglich im Zusammenhang mit dem Anfall der Einigungsgebühr ohne Relevanz.
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Das OLG Koblenz (a.a.O., Rn. 13; ähnlich auch OLG Celle, ebenda) stellt darauf ab, dass eine Übereinkunft der Verfahrensbeteiligten im Rahmen eines Verfahrens wegen Kindeswohlgefährdung das Gericht nicht bindet, weswegen der Ansatz einer Einigungsgebühr nicht in Betracht kommen soll. Auch diese Argumentation besticht nicht. Zum einen schließt die von Nr. 1003 Abs. 2 VV RVG als fehlend vorausgesetzte Dispositionsbefugnis bereits eine formale Bindungswirkung einer Vereinbarung für das Gericht aus, sodass dies nicht als Begründung für die mangelnde Einschlägigkeit der Vorschrift herhalten kann. Zum anderen erfordert der Anfall der Einigungsgebühr tatbestandlich gerade, dass durch die Vereinbarung eine gerichtliche Entscheidung entweder entbehrlich wird oder die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt. Beides ist auch in Verfahren nach §§ 1666 ff. BGB denkbar und wird im Einzelfall zu prüfen sein. Für eine prinzipielle Ablehnung des Anfalls der Einigungsgebühr ist dies hingegen keine geeignete Rechtfertigung.
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b) Die Voraussetzungen des Anfallens der Einigungsgebühr im vollen Umfang des Verfahrensgegenstandes sind im vorliegenden Fall erfüllt. Denn teilweise wurde durch die Vereinbarung eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich, teilweise folgte die Entscheidung der Vereinbarung.
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Gemäß Ziffer 1000 Abs. 1 Ziffer 1 VV RVG entsteht die Gebühr unter anderem für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, wobei in Kindschaftssachen gemäß Ziffer 1003 Abs. 2 2. Alt. VV RVG auch die Mitwirkung an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, ausreicht, wenn hierdurch eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt.
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Soweit die Mutter und das Jugendamt sich vorliegend auf die Verpflichtung der Mutter zur Durchführung einer psychiatrischen Diagnostik, Teilnahme an weiteren Therapieterminen und an einem Video-Interaktions-Diagnostik-Training vereinbart haben, ließ dies eine gerichtliche Entscheidung insoweit entbehrlich werden. Dies geht aus der Begründung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 27.07.2018 hervor, wonach unter Bezugnahme darauf ausgeführt wird, der Entzug von Teilen der elterlichen Sorge sei derzeit nicht erforderlich, müsse aber überprüft werden, falls die ausgesprochenen Auflagen und die in der Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungen nicht eingehalten würden.
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Soweit das Jugendamt die Verhängung von Auflagen anregte, kam auch durch die seitens ihres Verfahrensbevollmächtigten erklärte Zustimmung der Mutter eine Vereinbarung zustande. Der Umstand, dass dies nicht ebenso wie die vorausgegangene Vereinbarung auch förmlich in eine solche gegossen wurde, darf insoweit nicht überbewertet werden. Denn einer bestimmten Form bedarf der Vertrag im Sinne der Ziffer 1000 VV RVG, der auch stillschweigend geschlossen werden kann, nicht (BGH, Beschluss vom 28. März 2006 – VIII ZB 29/05 –, Rn. 7, juris). Überdies ist zu berücksichtigen, dass es in der Anhörung zum Teil auch der Art der richterlichen Protokollführung geschuldet sein kann, ob eine inhaltliche Einigung und Übereinstimmung der Beteiligten in Form einer Vereinbarung in den Vermerk aufgenommen wird, dies insbesondere dann, wenn die Einigung eines vollstreckbaren Inhaltes entbehrt. Davon aber kann die Frage der Vergütung nicht abhängen. Der hier inhaltlich hinsichtlich der Auflagen getroffenen Einigung ist das Gericht in seiner Entscheidung gefolgt.
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Der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter hat vorliegend auch an den Vereinbarungen mitgewirkt. Für die Mitwirkung genügt es, wenn der Rechtsanwalt die Vereinbarung prüft, den von ihm vertretenen Beteiligten berät und zumindest auch aufgrund dessen die Einigung zustande kommt. Die Ursächlichkeit der Mitwirkung wird vermutet, wobei auch eine Mitursächlichkeit ausreicht (Hofmann, in: BeckOK, RVG, 43. Ed., Std.: 01.12.2018, VV 1000, Rn. 35 f.). Vorliegend war der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter in der Anhörung anwesend und hat für diese Stellungnahmen abgegeben.
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c) Die einfache Einigungsgebühr ist vorliegend daher aus einem Verfahrenswert in Höhe von 3.000,00 EUR angefallen und beträgt 201,00 EUR nebst Umsatzsteuer. Die festzusetzende Gesamtvergütung beträgt daher 860,97 EUR; insoweit wird hinsichtlich der Einzelheiten auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 20.07.2018 (AS. 35) verwiesen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG.
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Eine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof findet gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht statt.

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