Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 20 WF 20/20

Tenor

1. Die Beschleunigungsbeschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist eine Beschleunigungsrüge in einem Verfahren vor einem anderen Senat des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht. Das Hauptsacheverfahren mit dem Aktenzeichen 16 UF 39/19 betrifft die Beschwerde des Antragstellers gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Baden-Baden vom 10.1.2019. In dem Beschluss hat das Amtsgericht eine Regelung zum Umgang des Antragstellers mit seinem Sohn V. Sch., geboren am ..., getroffen. Ende Januar 2019 ist die Antragsgegnerin mit V. nach S./B. umgezogen.
Das Oberlandesgericht hat gemäß Ziffer 1. des Beschlusses vom 30.1.2020, dem Antragsteller zugestellt am 4.2.2020, die Beschleunigungsrüge des Antragstellers zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss vom 30.1.2020 verwiesen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschleunigungsbeschwerde im Schreiben vom 17.2.2020, am selben Tag bei Gericht eingegangen. Zur Begründung trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, es bestehe bereits seit 14.8.2017 eine Umgangsregelung, die nicht dem Kindeswohl entspreche. Eine Umsetzung des unmissverständlichen Gutachtens vom 5.11.2018 und der Empfehlung der Verfahrensbeiständin bezüglich einer Ausweitung auf mehrtägige Übernachtungen und Reisen des Kindes sei nicht erfolgt. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts sei keine weitere Sachaufklärung mehr erforderlich gewesen. Besondere Schwierigkeiten in der Sache seien nicht festzustellen. Eine Orientierung der Familiengerichte am Kindeswohl sei angesichts des Verhaltens der Mutter nicht gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. des Schreibens vom 17.2.2020 verwiesen.
II.
Die Beschleunigungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1.
Zuständig für die Entscheidung über die gemäß §§ 155c Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG zulässige Beschleunigungsbeschwerde ist gemäß § 155c Abs. 2 Satz 2 FamFG i.V.m. der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Karlsruhe der erkennende Senat. Der Senat hat gemäß §§ 155c Abs. 3 Satz 1 FamFG nach Aktenlage zu entscheiden.
2.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Oberlandesgericht hat nicht gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot verstoßen.
Gemäß § 155c Abs. 3 Satz 3 FamFG ist im Rahmen der Beschleunigungsbeschwerde zu prüfen, ob die bisherige Dauer des Verfahrens dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.
Eine generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren nicht beschleunigt durchgeführt wurde, ist nicht möglich (BT-Drs. 18/9092, S. 19). Das Beschwerdegericht hat vielmehr unter Orientierung am Kindeswohl zu prüfen, ob die Dauer des bisherigen Verfahrens den Anforderungen des Vorrang- und Beschleunigungsgebotes entspricht und das Ausgangsgericht die notwendigen verfahrensfördernden Maßnahmen getroffen hat (BT-Drs. 18/9092 a.a.O.). Zweck der Beschleunigungsbeschwerde ist nicht die abstrakte Feststellung eines Verstoßes gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot, sondern die Beschleunigung des Verfahrens (vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 155c FamFG Rn. 5). Stellt das Beschwerdegericht einen Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot fest, hat das Ausgangsgericht das Verfahren unverzüglich vorrangig und beschleunigt durchzuführen, § 155c Abs. 3 Satz 4 FamFG. Die Feststellung eines Verstoßes gegen den Vorrang- und Beschleunigungsgrundsatz setzt daher voraus, dass das Ausgangsgericht gegen diesen Grundsatz verstoßen hat. Ausgangsgericht ist das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht des Hauptsacheverfahrens, mit dem 16. Zivilsenat - Familiensenat - als zuständigem Spruchkörper. Allein dessen Verfahrensweise als Beschwerdegericht ist zulässiger Gegenstand der erst im zweiten Rechtszug erhobenen Beschleunigungsrüge und nicht etwa auch das erstinstanzliche Verfahren als solches. Entsprechendes gilt für die Beschleunigungsbeschwerde. Dies ergibt sich auch daraus, dass hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens das Rechtsschutzbedürfnis für eine auf seine Beschleunigung gerichtete Beschleunigungsrüge und -beschwerde entfällt, sobald das Familiengericht eine die Instanz beendende Sachentscheidung getroffen hat (BVerfG FamRZ 2018, 1761 Rn. 4; OLG Karlsruhe FamRZ 2018, 520 Rn. 13; Hammer, in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 155c Rn. 5; BT-Drs. 18/9092, S. 17).
Wird allerdings, wie im vorliegenden Verfahren, die Beschleunigungsrüge erst im Beschwerdeverfahren eingelegt, ist die gesamte Zeit seit Anhängigkeit in die Prüfung einzubeziehen, weil die Gesamtdauer des Verfahrens dafür maßgeblich sein kann, wie beschleunigt das Beschwerdeverfahren zu führen ist (Hammer a.a.O., Rn. 16; Keidel/Meyer-Holtz, FamFG, 20. Auflage, § 155 Rn. 6). Mit zunehmender Verfahrensdauer steigen die Anforderungen an die Beschleunigungsbemühungen des Gerichts. Deshalb kann das Gericht im Einzelfall ab einer bestimmten Verfahrensdauer verpflichtet sein, das Verfahren in stärkerem Maße zu beschleunigen (Hammer a.a.O. § 155 FamFG Rn. 18a).
10 
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz vorliegt, ist zudem zu berücksichtigen, dass dem Ausgangsgericht aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit bei der Verfahrensgestaltung ein Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. Hammer a.a.O., § 155c FamFG Rn. 18 m.w.N.).
11 
Nach diesem Maßstab hat das Oberlandesgericht nicht gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot verstoßen. Der zuständige Senat hat auch unter Berücksichtigung der erstinstanzlichen Verfahrensdauer von rund 15 Monaten das Verfahren in einer am Kindeswohl orientierten Weise gefördert. Der Antragsteller rügt im Wesentlichen die weitere Sachaufklärung durch das Oberlandesgericht. Maßnahmen, die auf einer richterlichen Sachverhaltsaufklärung beruhen, stellen jedoch Rechtsanwendung dar und sind der Beurteilung des Beschwerdegerichts im Verfahren nach § 155c FamFG grundsätzlich entzogen. (vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 2017, 1254 ff Rn. 67; Müller in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 155c FamFG Rn. 16 m.w.N.; Keidel, Meyer-Holz, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 155c FamFG Rn. 8). Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht die Überprüfung der Richtigkeit der Verfahrensführung, sondern die Beachtung des Vorrang- und Beschleunigungsgebots des § 155 Abs. 1 FamFG. Die Verfahrensführung des Oberlandesgerichts war durchgängig an diesem Grundsatz ausgerichtet. Verfahrensleitende Maßnahmen wurden jeweils zeitnah getroffen. Zutreffend weist der 16. Zivilsenat auf Seite 7 des angegriffenen Beschlusses auf die besonderen Umstände der Sache hin, die einer weitergehenden Beschleunigung entgegen stehen. Dazu gehört vor allem, dass das betroffene Kind mittlerweile in B. lebt, was die durch den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) gebotene Sachverhaltsaufklärung wesentlich erschwert.
3.
12 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes orientiert sich am Wert der Hauptsache (vgl. BGH, Beschluss vom 29.9.2010 - XII ZB 308/10 - juris, zur Untätigkeitsbeschwerde; a.A. Hammer, a.a.O. Rn. 30 m.w.N.).
13 
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (vgl. Musielak/Borth/Borth/Grandel, 6. Aufl. 2018, FamFG § 155c Rn. 2 m.w.N.).

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