Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 9 U 8/18

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 24.01.2018 – 14 O 65/17) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Urteils des Landgerichts wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger nach dem Brand des Wohngebäudes A. 3 in M. vom 28.05.2009 die sogenannte Neuwertspitze zu erstatten, und zwar nach Maßgabe von Ziffer 1, Ziffer 3, Ziffer 4 und Ziffer 5 der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 (Anlage K 3).

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil des Senats und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Der Beklagte kann eine Vollstreckung des Klägers abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach den Urteilen vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger macht Ansprüche aus einem Vertrag über eine Wohngebäude-Versicherung gegen den Beklagten geltend. Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.
Die Mutter des Klägers, M. B., war Eigentümerin des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks A. 3 in M.. Das Gebäude wurde am 28.05.2009 durch einen Brand vollständig zerstört. Die Eigentümerin hatte mit dem Beklagten einen Vertrag über eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen. Die Wohngebäudeversicherung sollte insbesondere bei einer Zerstörung des Gebäudes durch einen Brand eintreten. In dem Versicherungsvertrag waren die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen VGB 2002 des Beklagten (Anlage K 2) einbezogen. Es war eine sogenannte gleitende Neuwertversicherung vereinbart. Dazu heißt es in § 26 Ziffer 7 der VGB 2002:
In der Gleitenden Neuwertversicherung und der Neuwertversicherung erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil) nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sicherstellt, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen.
Der Beklagte zahlte nach dem Brand zur Regulierung des Zeitwertschadens 165.000,00 EUR an die Versicherungsnehmerin.
Mit Übergabevertrag vom 06.03.2012 übergab die Mutter das Grundstück mit dem abgebrannten Gebäude an den Kläger (vgl. den Übergabevertrag, Anlage K 1). In § 2 des Übergabevertrages vereinbarten der Kläger und die Übergeberin, dass sämtliche aus dem Hausbrand vom 28.05.2009 resultierenden Ansprüche gegen Versicherungsunternehmen an den Kläger abgetreten wurden.
Der Kläger beabsichtigte, das Wohngebäude wiederherzustellen. Zu diesem Zweck trat er in Verhandlungen mit der Beklagten ein, um zu klären, in welcher Höhe und unter welchen Voraussetzungen er mit einer Auszahlung der sogenannten Neuwertspitze rechnen konnte. Nach längeren Verhandlungen, die über die beiderseitigen Rechtsanwälte geführt wurden, hielt der vorgerichtlich für den Beklagten tätige Rechtsanwalt das Ergebnis der Verhandlungen wie folgt fest:
1. Die S. V. (Beklagter) erklärt sich bereit, den vom Sachverständigen der S. V. errechneten Neuwert von seinerzeit 480.449,50 EUR und abzüglich Teilschaden an der Garage (UG) in Höhe von 22.000,00 EUR sowie zuzüglich 8.500,00 EUR Sanierungskosten Garage mithin eine Neuwertentschädigungssumme in Höhe von gesamt 466.949,50 EUR und unter Anrechnung der bereits erbrachten Zeitwertentschädigung von 165.000,00 EUR eine Restsumme von 301.949,50 EUR wie von Ihnen vorgeschlagen auf dem Rechtsanwaltsanderkonto des Unterzeichneten
I. F.
D. Bank V.
BLZ: xxx
Konto-Nummer: yyy
innerhalb der nächsten Tage bis auf Widerruf bzw. Freigabe durch den Unterzeichneten einzubezahlen, der Nachweis des Zahlungseingangs – gegebenenfalls auch zum Zwecke der Liquiditätsnachweisführung gegenüber Dritten – erfolgt durch (unaufgeforderte) Übersendung eines entsprechenden Kontoauszugs durch den Unterzeichneten nach Zahlungseingang.
10 
2. Die Auszahlung der sogenannten „Neuwertspitze“ erfolgt zunächst unter der Voraussetzung, dass die versicherungsvertraglichen und dort die bedingungsgemäßen Voraussetzungen nach § 26 Nr. 7 der dem Vertrag zugrunde gelegten VGB 2002 (Wert 14) erfüllt werden, mithin der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil) nur erwirbt, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sicherstellt, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wieder herzustellen oder wieder zu beschaffen.
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3. Die Auszahlung steht sodann unter der aufschiebenden Bedingung der baubranchenüblichen nach Baufortschritten zu tragenden nachweislichen Entstehung und Fälligkeit einer jeweiligen (Abschlags-) Rechnung für den sichergestellten Wiederaufbau. Der Nachweis einer entstandenen und fällig gewordenen bauwerksbezogenen (Abschlags-) Rechnung wird nur durch Vorlage jeweils einer Originalausfertigung der jeweiligen Rechnung zu Händen des Unterzeichneten für die S. V. geführt bei anschließender Freigabe durch die S. V.
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4. Die Gesamtentschädigungssumme wird begrenzt auf den vom Sachverständigenbüro errechneten Neuwertentschädigungsbetrag im Wert von 466.949,50 EUR, wobei dem Versicherungsnehmer nachgelassen bleibt, etwaige vom Versicherer vereinbarungsgemäß zu übernehmende Mehrkostentragungen durch Vorlage geeigneter Unterlagen darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen.
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5. Der Versicherungsnehmer verpflichtet sich weiterhin, zunächst die bereits ausgezahlte Zeitwertentschädigungssumme von 165.000,00 EUR nachweislich auf die Kosten des vertraglich vereinbarten Wiederaufbaus zu verwenden und diese zweckentsprechende Verwendung vorab dem Versicherer durch Vorlage geeigneter Unterlagen (vgl. Ziffer 3 oben) nachzuweisen.
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6. Soweit der Versicherungsnehmer die Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag durch Abschluss eines Bauträgervertrages bzw. den Abschluss eines Übergabevertrags auf dritte Personen delegiert, bestehen die unter Ziffer 1 - 5 genannten Pflichten bei der insoweit verpflichteten dritten Person und sind diese Pflichten durch den Versicherungsnehmer, soweit die Pflichten nicht ohnedies kraft Gesetzes auf diese übergehen, diesen dritten Personen mit wortgleichem Inhalt vertraglich aufzuerlegen, wobei der Anspruch auf die Auszahlung der Neuwertentschädigung nicht besteht, solange und soweit die dritte Person die unter Ziffer 1 – 5 niedergelegten Vertragspflichten des Versicherungsnehmers nicht (ordnungs- und [ausschluss-]fristgemäß) erfüllt (hat).
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Der damals für den Kläger tätige Rechtsanwalt bestätigte den vom damaligen Beklagtenvertreter festgehaltenen Text der Vereinbarung mit Schreiben vom 09.05.2012. In den Verhandlungen vor Abschluss der Vereinbarung war es vor allem darum gegangen, Einvernehmen über die Voraussetzungen herzustellen, unter denen eine „Sicherstellung“ anzunehmen war, dass eine Wiederherstellung des Gebäudes innerhalb der Frist von drei Jahren erfolgen würde. Mit Schreiben vom 09.05.2012 (Anlage K 4) bat der damalige Beklagtenvertreter den für den Kläger tätigen Rechtsanwalt in diesem Zusammenhang um Übersendung bestimmter Unterlagen. Nachdem der damalige Beklagtenvertreter verschiedene Unterlagen zur Konkretisierung des Wiederaufbaus erhalten hatte, bestätigte er mit Schreiben vom 22.05.2012 (Anlage K 5):
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„Der Fristablauf zum 28.05.2012 ist damit ordnungsgemäß erledigt.“
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In der Folgezeit begann der Kläger mit Maßnahmen zum Wiederaufbau; insbesondere wurde für das neue Wohngebäude die Bodenplatte hergestellt. Außerdem gab es in den Jahren 2014 bis 2016 Korrespondenz zum Ablauf des Wiederaufbaus; der Kläger wollte dabei sicherstellen, dass die von ihm geplanten Maßnahmen zum Wiederaufbau von dem Beklagten akzeptiert wurden, so dass er bei einer Durchführung mit entsprechenden anteiligen Zahlungen aus der Neuwertspitze rechnen konnte. Die bisher vom Kläger durchgeführten Baumaßnahmen überschreiten noch nicht den Zeitwertschaden von 165.000,00 EUR, so dass der Kläger die bisherigen Baumaßnahmen – entsprechend Ziffer 5 der Vereinbarung vom 03.05.2012 – mit der bereits geleisteten Zahlung von 165.000,00 EUR verrechnen konnte.
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Mit Schreiben vom 12.09.2016 (Anlage K 12) und vom 05.10.2016 (Anlage K 13) bat der Prozessbevollmächtigte des Klägers um weitere Stellungnahmen des Beklagten zur Durchführung des Wiederaufbaus. Mit Schreiben vom 10.10.2016 erklärte der Rechtsanwalt des Beklagten, der Beklagte werde keine weiteren Zahlungen leisten, da für sämtliche Ansprüche des Klägers jedenfalls zum 31.12.2015 Verjährung eingetreten sei (vgl. die Anlage K 14).
19 
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28.02.2017 hat der Kläger Klage zum Landgericht Freiburg erhoben. Er hat geltend gemacht, der Beklagte sei verpflichtet, die Neuwertspitze für den Wiederaufbau des zerstörten Gebäudes entsprechend der in der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 geregelten Abwicklung auszuzahlen. Er habe ein schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Leistungspflicht des Beklagten. Er benötige diese Feststellung, um die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Vergabe der Bauaufträge zu klären. Entgegen der Auffassung des Beklagten seien Zahlungsansprüche des Klägers nicht verjährt.
20 
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Beklagte hat keine Einwendungen zum Zustandekommen der Regulierungsvereinbarung vom 03.05./09.05.2012 erhoben. Der dem Antrag des Klägers zugrundeliegende Leistungsanspruch auf Zahlung der versicherungsvertraglichen Neuwertspitze sei jedoch inzwischen verjährt. Wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgehe, dass die dreijährige Verjährungsfrist für die Neuwertspitze erst durch die Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 ausgelöst wurde, dann sei eine Verjährung jedenfalls mit Ablauf des 31.12.2015 eingetreten.
21 
Das Landgericht hat im Urteil vom 24.01.2018 antragsgemäß zu Gunsten des Klägers wie folgt entschieden:
22 
Es wird festgestellt, dass der Anspruch des Klägers auf Versicherungsleistungen aus dem beim Beklagten unter der Versicherungsnummer ... bestehenden Versicherungsvertrag über eine Allgemeine Wohngebäude-Versicherung nicht verjährt ist.
23 
Das Landgericht hat ausgeführt, der Feststellungsantrag sei zulässig; denn der Kläger habe ein anerkennenswertes Interesse an der Feststellung, dass sein Leistungsanspruch gegen den Beklagten nicht verjährt ist. Die Klage sei auch begründet. Zwar habe es für den Kläger eine Frist zur „Wiederherstellung des Wohngebäudes“ gegeben. Diese Frist sei bis Ende des Jahres 2015 verlängert worden. Die Herstellung der Bodenplatte für das Wohngebäude innerhalb dieser Frist sei zur Wahrung der Frist ausreichend gewesen. Für – vom Kläger bisher noch nicht eingereichte weitere Rechnungen – habe ein Lauf der Verjährungsfrist noch nicht begonnen.
24 
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten. Er tritt dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Leistung der Neuwertspitze weiterhin entgegen. Das Landgericht habe Ziffer 2 der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 unzutreffend ausgelegt. Die Vereinbarung sei dahingehend zu verstehen, dass ein Wiederaufbau des Gebäudes innerhalb einer angemessenen Frist hätte erfolgen müssen. Dies sei nicht erfolgt. Die Einhaltung einer angemessenen Frist für den Wiederaufbau sei Geschäftsgrundlage der Vereinbarung gewesen. Der Beklagte erklärt den Rücktritt von der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012, weil diese Geschäftsgrundlage zerstört sei.
25 
Nach einem Anwaltswechsel im Berufungsverfahren wendet der Beklagte außerdem ein, es sei zwar zutreffend, dass - entsprechend der Entscheidung des Landgerichts - in der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 die Ausschlussfrist von drei Jahren gemäß § 26 Ziff. 7 der Versicherungsbedingungen um weitere drei Jahre verlängert worden sei; innerhalb dieser Frist sei jedoch eine Sicherstellung der Wiederherstellung - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht erfolgt.
26 
Der Beklagte beantragt,
27 
das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Freiburg vom 24.01.2018 zu Az: 14 O 65/17 abzuändern und die Klage abzuweisen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
die Berufung zurückzuweisen.
30 
Mit Schriftsatz vom 08.01.2020 stellt der Kläger außerdem den folgenden Hilfsantrag:
31 
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger nach dem Brand des Wohngebäudes A. 3 in M. vom 28.05.2009 die sogenannte Neuwertspitze zu erstatten, und zwar nach Maßgabe von Ziffern 1, 3, 4 und 5 der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 (Anlage K 3).
32 
Vorsorglich erklärt der Kläger für den Hilfsantrag außerdem, er lege Anschlussberufung ein und beantrage, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Anschlussberufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
33 
Der Beklagte beantragt ergänzend,
34 
den Antrag des Klägers aus der Anschlussberufung zurückzuweisen.
35 
Der Kläger verteidigt das Urteil und ergänzt sein erstinstanzliches Vorbringen. Aus der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 ergebe sich keineswegs, dass der Wiederaufbau des Wohngebäudes in einer bestimmten Zeit hätte durchgeführt werden müssen. Von einer solchen Voraussetzung oder Grundlage seien auch die damals für die Parteien tätigen Rechtsanwälte nicht ausgegangen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei in der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 die Ausschlussfrist aus den Versicherungsbedingungen nicht verlängert worden. Dies sei nicht Zweck der Vereinbarung gewesen und sei auch nicht erforderlich gewesen. Vielmehr seien sich die Parteien darüber einig gewesen, dass die Sicherstellung der Wiederherstellung gemäß den Versicherungsbedingungen innerhalb der Ausschlussfrist bis zum 28.05.2012 tatsächlich erfolgt sei.
36 
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
37 
Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
38 
1. Die auslegungsbedürftige und auslegungsfähige Entscheidung des Landgerichts ist wie folgt zu verstehen:
39 
„Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger nach dem Brand des Wohngebäudes A. 3 in M. vom 28.05.2009 die sogenannte Neuwertspitze zu erstatten, und zwar nach Maßgabe von Ziffer 1, Ziffer 3, Ziffer 4 und Ziffer 5 der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 (Anlage K 3).“
40 
Die Entscheidung des Landgerichts würde bei wörtlicher Auslegung lediglich eine rechtliche Vorfrage (Verjährung) für das streitgegenständliche Rechtsverhältnis betreffen. Ein Feststellungsantrag, der sich auf die Frage der Verjährung eines Anspruchs beschränken würde, wäre unzulässig, da ein solcher Antrag nur eine Rechtsfrage und kein Rechtsverhältnis betreffen würde (vgl. zu einer ähnlichen Frage BGH, Versicherungsrecht 1975, 440). Aus der Klagebegründung ergibt sich jedoch, dass Gegenstand des Rechtsstreits nicht eine abstrakte Vorfrage sein sollte, sondern eine Feststellung der Leistungspflicht des Beklagten. In diesem Sinne ist das Begehren im Verfahren vor dem Landgericht auch von dem Beklagten und von der Kammer des Landgerichts verstanden worden. Der erstinstanzliche Feststellungstenor des Landgerichts ist daher im Sinne der obigen Formulierung klarzustellen. Aus den Stellungnahmen der Parteien im Berufungsverfahren auf den Hinweis des Senats ergibt sich, dass dies auch dem Verständnis der Parteien entspricht.
41 
2. Der Feststellungsantrag ist zulässig.
42 
a) Bei der im Streit befindlichen Leistungspflicht des Beklagten handelt es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis.
43 
Die Klage stützt sich auf die Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 (Anlage K 3), mit der eine selbstständige Verpflichtung des Beklagten unter bestimmten Voraussetzungen geregelt wurde. Zahlungspflichten des Beklagten wegen der Neuwertspitze stehen gemäß Ziffer 3 der Vereinbarung unter der aufschiebenden Bedingung der Entstehung und Fälligkeit bestimmter Rechnungen. Diese Bedingungen sind bisher nicht eingetreten, da der Kläger bisher nur solche Baumaßnahmen ausgelöst hat, die durch die bereits entrichtete Zeitwertentschädigung (vgl. Ziffer 5 der Vereinbarung) abgedeckt waren. Die aufschiebende Bedingung ändert nichts daran, dass es um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO geht, da der Grund des Anspruchs in der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 bereits gelegt ist (vgl. BGH, NJW 1961, 1165, 1166; vgl. zu einem Feststellungsantrag wegen einer Verpflichtung zur Zahlung der Neuwertspitze in der Gebäudeversicherung – bei einer etwas anderen Fallkonstellation – auch OLG Karlsruhe – 12. Zivilsenat – Urteil vom 18.01.2019 – 12 U 129/18 -, zitiert nach juris).
44 
b) Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Denn nur durch den Feststellungsantrag kann er gerichtlich klären lassen, ob ihm die notwendigen Mittel für den geplanten Wiederaufbau des Gebäudes zur Verfügung stehen werden (vgl. OLG Karlsruhe – 12. Zivilsenat – a. a. O., Rn. 43).
45 
3. Der Feststellungsantrag des Klägers ist begründet.
46 
a) Der Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich aus der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012. Die Parteien waren sich zum Zeitpunkt der Vereinbarung darüber einig, dass dem Kläger aufgrund des Versicherungsvertrages Versicherungsleistungen zustanden, nachdem das versicherte Gebäude am 28.05.2009 abgebrannt ist. Die Parteien gingen bei der Vereinbarung davon aus, dass dem Kläger voraussichtlich – über die bereits gezahlte Zeitwertentschädigung hinaus – auch ein weitergehender Anspruch auf Zahlung der Neuwertspitze zustand. Aufgrund dieser Vorüberlegungen modifizierten die Parteien die sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Voraussetzungen und Modalitäten der Leistungspflicht des Beklagten und trafen - wie sich aus dem schriftlichen Vertrag ergibt – eine neue Vereinbarung, die eine selbstständige Grundlage für die Leistungspflicht des Beklagten sein sollte.
47 
Die Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 enthält zum einen eine einvernehmliche Festlegung der Neuwertentschädigungssumme in Höhe von insgesamt 466.949,50 EUR. Zum anderen enthält die Vereinbarung zu Gunsten des Beklagten eine nachträgliche Abänderung der sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Leistungsvoraussetzungen. Aus der Vereinbarung, aus den Schreiben des Beklagtenvertreters vom 09.05.2012 und 22.05.2012 sowie aus dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien im Prozess ergibt sich, dass innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles, also bis zum 28.05.2012, eine Wiederherstellung des Gebäudes „sichergestellt“ war. Das heißt: Gemäß § 26 Ziffer 7 der Versicherungsbedingungen wäre der Beklagte – ohne die Vereinbarung vom 03.05.2012/09.05.2012 – verpflichtet gewesen, die Neuwertspitze in voller Höhe binnen zwei Wochen nach der bereits erfolgten „Sicherstellung“ auszuzahlen. Wie in der Gebäudeversicherung üblich, spielte es für die Fälligkeit der Neuwertspitze nach den Versicherungsbedingungen keine Rolle, ob und wann in der Zukunft tatsächlich ein Neubau erfolgen würde. Die Frage, ob und wann das Gebäude tatsächlich neu gebaut wurde, hätte - auf der Grundlage des Versicherungsvertrages – nur für einen eventuellen späteren Rückforderungsanspruch des Beklagten gemäß § 93 Satz 2 VVG eine Rolle spielen können. (Entsprechende Regelungen für einen möglichen Rückzahlungsanspruch gibt es – anders als in den vorliegenden Versicherungsbedingungen – teilweise auch in neueren Versicherungsbedingungen der Gebäudeversicherer.)
48 
Diese vertragliche Rechtslage haben die Parteien zu Gunsten des Beklagten in der Vereinbarung dahingehend abgeändert, dass dem Kläger – trotz der Sicherstellung der Wiederherstellung – noch kein Anspruch auf Zahlung der Neuwertspitze zustehen sollte. Vielmehr sollte der Kläger entsprechende Zahlungsansprüche – aufschiebend bedingt – erst dann erwerben, wenn dem Beklagten im Zusammenhang mit der Wiederherstellung entsprechende Rechnungen der Bauhandwerker vorlegen würde (vgl. Ziffern 2 und 3 der Vereinbarung). Die Festlegung der Neuwertentschädigung in Ziffer 1 der Vereinbarung führt dabei dazu, dass dem Kläger bei einer Wiederherstellung die volle Neuwertspitze auch dann zusteht, wenn die Summe der vorzulegenden Rechnungen hinter der vereinbarten Entschädigung zurückbleibt (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 1403). Mit der Leistungszusage in Ziffer 1 der Vereinbarung und den weiteren in Ziffer 1 geregelten Modalitäten der Zahlung sollte der Kläger gleichzeitig die Möglichkeit erhalten, gegenüber Bauhandwerkern seine Liquidität für die erforderlichen Aufträge nachzuweisen.
49 
b) Eine Verlängerung der Ausschlussfrist von drei Jahren gemäß § 26 Ziffer 7 der Versicherungsbedingungen enthält die Vereinbarung hingegen – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht. Eine Fristverlängerung als Inhalt der Vereinbarung entsprach erstinstanzlich - entgegen den Ausführungen des Landgerichts im Urteil - nicht einer übereinstimmenden Auffassung der Parteien. Der Kläger hat bereits erstinstanzlich zutreffend darauf hingewiesen, dass sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung eine Fristverlängerung nicht herleiten lässt. Für eine Fristverlängerung bestand auch keine Notwendigkeit, da die Wiederherstellung innerhalb der ursprünglichen Frist von drei Jahren bis zum 28.05.2012 sichergestellt war (siehe dazu im Folgenden c)).
50 
c) Voraussetzung der Zahlungspflicht des Beklagten ist gemäß Ziffer 2 der Vereinbarung die „Sicherstellung der Wiederherstellung“ innerhalb der Frist von drei Jahren, insoweit in Übereinstimmung mit § 26 Ziffer 7 der Versicherungsbedingungen. Diese Voraussetzung ist erfüllt. In den Verhandlungen vor Abschluss der Vereinbarung hatten die Parteien die Vorbereitungen des Klägers, die dieser für die Wiederherstellung getroffen hatte, erörtert. Die Baugenehmigungsbehörde hatte dem Kläger innerhalb der Frist eine baurechtliche Zusicherung für den zulässigen Wiederaufbau des ursprünglichen Objekts gegeben. Der Kläger hatte weitgehende Vorbereitungen für einen endgültigen Auftrag gegenüber einem Bauunternehmer getroffen; der Beklagte hat die entsprechenden Unterlagen erhalten und geprüft (vgl. das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 09.05.2012, Anlage K 4). Dementsprechend bestätigte der Beklagte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 22.05.2012 (Anlage K 5), dass auch aus seiner Sicht die Wiederherstellung des Gebäudes innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist sichergestellt worden ist. Aus der Formulierung des Schreibens und aus dem vorausgegangenen Schriftverkehr ergibt sich, dass die Parteien mit diesem Schreiben eine verbindliche Feststellung der „Sicherstellung der Wiederherstellung“ innerhalb der Ausschlussfrist treffen wollten. Das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 22.05.2012 enthält hinsichtlich der Einhaltung der Frist ein deklaratorisches Anerkenntnis, welches von der Beklagten im Rechtsstreit nicht mehr nachträglich in Frage gestellt werden kann. Es kommt daher nicht darauf an, inwieweit der Beklagte im Laufe des Berufungsverfahrens das Vorbringen in der Berufungsbegründung, wonach die Sicherstellung der Wiederherstellung tatsächlich bis zum 28.05.2012 erfolgt sei, nachträglich durch einen abweichenden Sachvortrag im späteren Schriftsatz in Frage stellen kann. Auf die Frage, was der Kläger nach dem 28.05.2012 zur Vorbereitung oder zur Durchführung des Baus unternommen hat, kommt es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht an, da die Frist gemäß Ziffer 2 der Vereinbarung eingehalten ist (siehe oben).
51 
d) Weitere Voraussetzungen sind für die Begründetheit des Feststellungsantrags nicht zu prüfen. Die Zahlungspflicht des Beklagten ist lediglich abhängig von den aufschiebenden Bedingungen gemäß Ziffer 3 der Vereinbarung, welche im Feststellungstenor des Landgerichts (in der vom Senat berichtigten Fassung, siehe oben) berücksichtigt sind. Eine Frist zur Wiederherstellung des Gebäudes – im Sinne einer ergänzenden auflösenden Bedingung – haben die Parteien nicht vereinbart. Für eine solche ergänzende Frist zu Lasten des Klägers gab es unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen auch keinen Anlass. Solche Fristsetzungen sind in der Vertragspraxis der Gebäudeversicherer – wenn die Ausschlussfrist für die „Sicherstellung“ eingehalten wird (siehe oben) – nicht üblich. Außerdem hatte sich der Beklagte gegen die Möglichkeit einer Bereicherung des Klägers ausreichend abgesichert durch die Regelung in Ziffer 3 der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012.
52 
4. Der Anspruch des Klägers ist nicht verjährt.
53 
Die bisher beim Wiederaufbau entstandenen Kosten wurden mit der Zeitwertentschädigung verrechnet (Ziffer 5 der Vereinbarung). Dementsprechend sind die aufschiebenden Bedingungen für anteilige Zahlungen der Neuwertspitze gemäß Ziffer 3 der Vereinbarung noch nicht eingetreten. Daher hat der Lauf der Verjährungsfrist für die Zahlung der Neuwertspitze noch nicht begonnen. Denn bei einem aufschiebend bedingten Anspruch beginnt die Verjährungsfrist erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung zu laufen (vgl. Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Auflage 2019, § 199 BGB Rn. 3; BGH, NJW 1961, 1165; BGH, NJW 1987, 2743, 2745).
54 
5. Der Zeitablauf seit dem 03.05.2012 könnte allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Verwirkung (§ 242 BGB) eine Rolle spielen. Eine Verwirkung des klägerischen Anspruchs kommt jedoch ersichtlich nicht in Betracht. Zum einen hatte der Beklagte zu keinem Zeitpunkt Anlass, darauf zu vertrauen, dass der Kläger die Voraussetzungen gemäß Ziffer 3 der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 nicht mehr schaffen würde. Aus dem laufenden Schriftverkehr der Parteien zwischen 2012 und 2016 ergibt sich, dass der Kläger weiterhin am Wiederaufbau interessiert war. Zum anderen ist nichts dafür ersichtlich, dass sich der Beklagte in irgendeiner Weise darauf eingerichtet hat, dass der Kläger seinen Anspruch nicht mehr durchsetzen wollte.
55 
6. Die Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) liegen nicht vor.
56 
Der Umstand, dass das Gebäude bis heute vom Kläger nicht wiederhergestellt wurde, rechtfertigt einen Rücktritt des Beklagten nicht. Es spielt keine Rolle, ob der Beklagte und sein damaliger Prozessbevollmächtigter zum Zeitpunkt der Vereinbarung vom 03.05./09.05.2012 dachten, das abgebrannte Gebäude würde in absehbarer Zeit vom Kläger wiederaufgebaut. Eine solche Vorstellung wäre im Sinne einer „Geschäftsgrundlage“ nur dann relevant, wenn es sich um eine beiderseitige – übereinstimmende – Vorstellung der Parteien gehandelt hätte. Für eine gleichartige Vorstellung des Klägers im Jahr 2012 ist jedoch nichts ersichtlich; weder aus der Vereinbarung selbst noch aus dem vorgelegten Schriftverkehr ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass ein bestimmter Zeitrahmen für den Wiederaufbau (auch) für den Kläger zu den tragenden Vorstellungen bei Abschluss der Vereinbarung im Mai 2012 gehörte.
57 
7. Da die Berufung des Beklagten gegen die Entscheidung des Landgerichts - mit der Maßgabe der Klarstellung des erstinstanzlichen Tenors - keinen Erfolg hat, ist eine Entscheidung über den vom Kläger im Berufungsverfahren vorsorglich gestellten Hilfsantrag nicht erforderlich.
58 
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
59 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
60 
9. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.

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