Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (1. Senat für Familiensachen) - 13 UF 462/11


Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 06.04.2011, Aktenzeichen 196 F 38/10, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 1.075,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der beschwerdeführende Verein wurde durch Beschluss des Amtsgerichts - Vormundschaftsgerichts - Koblenz vom 09.02.1995 zum Vormund für das Kind (nach Namensänderung) ...[A] bestimmt.

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Mit Antrag vom 03.02.2011 und 08.03.2011 beantragte der Verein die Zahlung einer Vergütung und von Aufwendungsersatz. Diesen Antrag wies das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss zurück, weil dem Verein keine Vergütung gewährt werden könne und Aufwendungsersatz nur, wenn ausreichendes Vermögen des Mündels zur Verfügung stehe, was nicht der Fall sei.

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Gegen diesen am 12.04 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 08.05.2011 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde, mit der - unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG München (FG Prax 2011, 23) und eine solche des OLG Celle vom 31.03.2011 (15UF1/11), sowie auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.11.1999 (FamRZ2000, 414) - im Wesentlichen die Auffassung vertreten wird, es dürfe für die Vergütung keinen Unterschied machen, ob ein Mitarbeiter des Vereins zum Vormund bestellt werde oder aber der Verein, der die Tätigkeit an seine Mitarbeiter delegieren müsse und insofern den selben Aufwand habe.

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Der Bezirksrevisor beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

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Die Beschwerde ist statthaft nach § 58 FamFGi.V.m § 11 RpflG. Das FamFG findet, auch wenn die Vormundschaft bereits seit 1995 geführt wird, nach der Übergangsvorschrift des Art 111 FGG-RG) Anwendung, denn es geht hier ausschließlich um einen im Februar/März 2011 gestellten Antrag auf Vergütung bzw. Aufwendungsersatz (vgl. hierzu OLG Nürnberg 7 AR 361/10 - juris). Der Beschwerdewert von über 600,00 € (§ 61 Abs.1 FamFG) ist erreicht. Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt.

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Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Dem beschwerdeführenden Verein steht weder eine Aufwandsentschädigung, noch ein Vergütungsanspruch zu und ebenfalls kein Aufwendungsersatzanspruch, weil - unstreitig - das Mündel keinerlei Vermögen hat (§ 1835 Abs.5 BGB). Der Senat hat dies bereits entschieden (13 WF 408/10) und hält an seiner Auffassung fest, und zwar aus folgenden Gründen.

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1. §§ 1835 ff BGB regeln die Vergütung, den Aufwendungsersatz und die Aufwandsentschädigung für Vormünder. § 1835 Abs 5 BGB bestimmt, das Jugendamt oder ein Verein könne als Vormund oder Gegenvormund keinen Vorschuss und Aufwendungsersatz nur insoweit verlangen, als das einzusetzende Einkommen und Vermögen des Mündels ausreiche. §§ 1835a Abs 5 und § 1836 Abs 3 BGB bestimmen, dem Jugendamt oder einem Verein könne keine Aufwandsentschädigung und keine Vergütung bewilligt werden. Das heißt, die ausdrückliche gesetzliche Regelung steht dem Verlangen des Antragstellers auf Vergütung und Aufwendungsersatz entgegen.

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2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Staat allerdings, soweit er sich privater Vereine zur Erfüllung staatlicher Fürsorgeaufgaben bedient, zu berücksichtigen, dass dem Verein für seine Mitarbeiter fixe Kosten entstehen (BVerfG FamRz 2000, 414). Diesen Anforderungen hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er, soweit ein Vereinsbetreuer - also ein Mitarbeiter des Vereins - bestellt ist, dem Verein, nicht dem Betreuer, ein Aufwendungs- und Vergütungsanspruch nach § 7 des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) zusteht. Diese Regelung gilt über ihren Wortlaut hinaus in Analogie zu § 67a Abs.4 FGG (jetzt § 277 Abs.4 FamFG) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für Pfleger und Betreuer (BGH FamRZ 2007, 900). Die Vorschrift findet jedoch keine Anwendung, was sich schon aus ihrem Wortlaut erschließt, wenn der Verein selbst Betreuer ist (vg. Fröschle in MÜKO BGB, 5. Aufl. Rn 2 zu § 7 VBVG). Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Bestimmungen der §§ 1835, 1835a und 1836 BGB kann dabei nicht von einer Regelungslücke ausgegangen werden.

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3. Etwas anderes lässt sich nach Auffassung des Senats auch nicht der Entscheidung des BGH vom 14.03.2007 (a.a.O.) entnehmen (vgl. zur zusammenfassenden Darstellung des Entscheidungsinhalts zunächst Pammler-Klein/Pammler, juris Praxiskommentar - BGB Bd 4, Rn 39 ff zu § 1836). Hier ging es um die Frage, ob die nach § 67 a Abs. 4 FGG für den Verfahrenspfleger getroffene Regelung auch für das Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht gilt. Dies hat der BGH bejaht.

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a. Es ist der Beschwerde zuzugeben, dass einige Formulierungen unter II 3.der Entscheidung missverständlich sein mögen, so der Passus. „........die für Verfahrenspflegschaften geltende Regelung des § 67a Abs. 4 FGG im Wege der Analogie auf Vormundschaften und Pflegschaften zu erstrecken. „Dies liegt besonders nahe, wenn der Mitarbeiter - dem Vereinsbetreuer vergleichbar - persönlich, wenn auch in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter des Vereins zum Betreuer bestellt worden ist. Aber auch bei Bestellung des Vereins als solchem kann nichts anders gelten“ (Hervorhebung durch den Senat) oder der Satz: „Dabei kann dahinstehen, ob der Beteiligte zu 1) als solcher (das ist nach dem mitgeteilten Sachverhalt der Verein) - wie das BayOBLG meint- oder Herr K persönlich zum Pfleger bestellt worden ist.

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b. Der Senat ist nicht der Auffassung, der BGH habe damit auch gleich eine Vergütungsregelung für Betreuungsvereine als solche konstituieren wollen. Es liegen vielmehr unter Umständen missverständliche Formulierungen in Halbsätzen vor, die nach dem gesamten Kontext der Entscheidung nicht den von der Beschwerde erstrebten Schluss zulassen. Dies aus mehreren Gründen:

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i. Was den zweiten zitierten Passus angeht, so hat das BayOBLG jedenfalls nach dem in der Entscheidung mitgeteilten Sachverhalt (I. (3)) nicht die Auffassung vertreten, der Verein als solcher sei zum Pfleger bestellt, sondern hat im Gegenteil Herrn K persönlich als bestellten Pfleger angesehen. Es liegt deshalb nahe, dass in dem zitierten Satz das Wort „oder“ an sich vor dem Einschub „wie das BayOBLG meint“ hat stehen sollen.

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ii. Zum Pfleger bestellt war nach dem Wortlaut der Bestellung zuletzt „Herr R.K. als Mitarbeiter der KJ persönlich“. Deshalb konnte es nicht um die Frage gehen, ob der Verein bestellt war (und ihm also eventuell eine Vergütung zustand), sondern nur darum, ob Herr R.K. als „Vereinspfleger“ oder persönlich (so die Annahme des vorlegenden BayObLG) bestellt war. Von daher gab es keinen Anlass den Analogieschluss auch auf die Fälle auszudehnen, in denen der Verein unmittelbar bestellt war. Dies stand hier nicht zur Debatte. Deshalb könnte der zitierte Passus allenfalls als obiter dictum verstanden werden.

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iii. Auch das ist aber nicht der Fall, denn die Analogie wird vom BGH ja gerade zu der Frage gezogen, ob das, was für Verfahrenspflegschaften gilt, nicht auch im Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht generell gelten soll. Sie betrifft also nicht den Regelungsgehalt als solchen (Vergütung oder nicht), sondern dessen Anwendungsbereich (Vergütung für wen?). Insoweit wird § 67a Abs. 4 FGG (bzw. die Vorgängervorschrift § 67 Abs.3 FGG) angewandt. Hieraus mögen alle möglichen Analogien zu ziehen sein, aber nicht die, dass auch dem Verein, wenn er selbst zum Vormund bestellt ist, ein entsprechender Vergütungsanspruch zusteht. Das ist eine völlig andere Regelungsmaterie. So legt der BGH die durch die analoge Anwendung zu schließende Gesetzeslücke auch genau dar: ...... “die Frage nach der Vergütung von Vereinen für die ihren Mitarbeitern übertragenen Pflegschaften (Hervorhebung durch den Senat) hat es (das 2. BtÄndG)aber ...... nicht beantwortet. Die aufgezeigte Lücke erscheint .....als planwidrig“. Das heißt, die „Lückenhaftigkeit“ betrifft also gerade nicht die Frage, ob auch dem unmittelbar als Vormund bestellten Verein eine Vergütung zusteht.

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iv. Es kann auch kaum davon ausgegangen werden, der BGH habe angenommen, auch insoweit liege eine (weitere) planwidrige Regelungslücke vor, die zu schließen sei. Dies schon deshalb nicht, weil es für die Entscheidung nicht darauf ankam. Es ist wenig sinnvoll - und deshalb kann solches auch nicht unterstellt werden - (vermeintliche) Gesetzeslücken durch Analogien zu schließen, wenn dies für die zu treffende Entscheidung keine Bedeutung hat. Unter II. 2. führt der BGH zudem ausdrücklich aus: „Das erklärt sich aus der gesetzgeberischen Entscheidung, Vereinen für die Führung der Vormundschaften und Pflegschaften keine Vergütung zu gewähren. Deshalb schließt §1836 IV BGB a.F. jetzt § 1836 III BGB)Vergütungsansprüche eines zum Vormund oder Pfleger bestellten Vereins schlechthin aus.“ Dafür dass der BGH diese ausdrücklich erwähnte und erläuterte gesetzgeberische Intention hat korrigieren wollen, spricht nichts. Zum einen war es für die Entscheidung unerheblich. Zum anderen wäre aber eine Nichtanwendung der eindeutigen Vorschriften, wenn überhaupt, nur mit einer vertieften verfassungsrechtlichen Argumentation zu rechtfertigen gewesen und nicht mit einem im Kontext mehrdeutigen Satz. Es spricht zudem nichts dafür, dass der BGH die aktuelle Regelung für verfassungswidrig hält, denn das Gesetz sieht ja durchaus vor, die Vereine für die Tätigkeit ihrer Mitarbeiter zu entschädigen. Es schließt die Entschädigung nur dann aus, wenn die Vereine selbst als juristische Personen zum Vormund bestellt werden. D.h., es besteht für die Vereine die Möglichkeit entsprechender Gestaltung, die sie im Übrigen privilegiert, denn die erforderliche Berufsmäßigkeit wird nach § 7 Abs.1 Satz 2 VBVG unterstellt (vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit und generell zu dem hier behandelten Problem auch OLG Düsseldorf I - 25 Wx 73/09 - juris).

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4. Der Senat könnte im Übrigen die von ihrem Wortlaut her eindeutigen Regelungen nicht von sich aus im Wege der verfassungskonformen Auslegung korrigieren, selbst wenn er das, was nicht der Fall ist, für geboten hielte. Die Fachgerichte sind nicht befugt, den unmissverständlichen Willen des Gesetzgebers zu korrigieren (vgl. BGH FamRZ 2011, 552).

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Weil inzwischen abweichende Entscheidungen zweier Oberlandesgerichte vorliegen, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

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