Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (1. Senat für Familiensachen) - 13 WF 293/14

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Tenor

1. Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Neuwied vom 27.12.2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen die Mutter der Kinder ...[B], geboren am ...2003, und ...[A], geboren am ...2005, wegen des Verdachts der Misshandlung von Schutzbefohlenen. Die Mutter war alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge. Zuletzt durch Beschluss des Amtsgerichts Familiengerichts - Neuwied vom 16.10.2013 wurde ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht, Anträge nach SGB VIII zu stellen, entzogen und zwar in Abänderung einer vorangegangenen Entscheidung, mit der ihr die Personensorge vorläufig entzogen worden war.

2

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Koblenz hat das Familiengericht durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, Ergänzungspflegschaft angeordnet und das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt, und zwar für den Wirkungskreis:

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a. Entgegennahme von Zeugenladungen,

4

b. Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 Abs. 2 StPO,

5

c. Ausübung des Untersuchungsverweigerungsrechts nach § 81 c Abs. 3 Satz 2 StPO,

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d. Entbindung behandelnder Ärzte und Therapeuten von der ärztlichen Schweigepflicht,

7

e. Zustimmung zu ärztlichen Untersuchungen und zur Verwertung früherer ärztlicher Untersuchungen,

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f. Zustimmung zu Befragungen und Untersuchungen, die zur Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens erforderlich sind, sowie zur Verwertung früherer entsprechender Explorationen,

9

g. das beschränkte Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Zuführung zu Vernehmungen und Untersuchungen,

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h. das Recht zur Nebenklage.

11

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Mutter mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt, hilfsweise die Einsetzung eines außenstehenden Dritten als Pfleger.

II.

12

Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

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Gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 StPO dürfen Minderjährige, die wegen mangelnder Verstandesreife von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung haben, nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Dieser kann, wenn er selbst Beschuldigter ist, wegen § 52 Abs. 2 S. 2 StPO über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden mit der Folge, dass diesbezüglich die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft in Betracht kommt. Dies setzt aber voraus, dass das Kind überhaupt aussagebereit ist, denn wenn das nicht der Fall ist, ist für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft von vornherein kein Raum (Schwab in MüKo BGB 5. Aufl. Rn 32 zu § 1909, OLG Bremen, NJW-RR 2011, OLG Saarbrücken 6 UF 34/11 jeweils mit weiteren Nachweisen, a.A. OLG Hamburg FamRZ 2013, 1683). Die genannten Voraussetzungen (fehlende Verstandesreife, Aussagebereitschaft) sind vom (Straf) Gericht und im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft (Schwab, a.a.O.) zu ermitteln. Das Familiengericht, das über die Anordnung der Ergänzungspflegschaft zu entscheiden hat, ist an die Einschätzung der (fehlenden)Verstandesreife durch – hier – die Staatsanwaltschaft gebunden (Bienewald in Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013 Rn 35 zu § 1909, Senge, Karlsruher Kommentar zur stopp, 7. Aufl. Rn 24, Huber in BeckOK StPO, Stand 30.09.2013, Rn 25).

14

Hierzu hat die antragstellende Staatsanwaltschaft sich erklärt, und die ihrer Meinung nach fehlende Verstandesreife am Alter der Kinder festgemacht. Das ist naheliegend und jedenfalls nicht offensichtlich aus der Luft gegriffen. Davon ist also auch für die Entscheidung über die Ergänzungspflegschaft auszugehen.

15

Ebenso bezieht sich die antragstellende Staatsanwaltschaft darauf, dass die Kinder sich auch bisher gegenüber dem Jugendamt zu körperlichen Züchtigungen ihrer Mutter geäußert haben, was ausweislich der beigezogenen Akten zutrifft. Die Beschwerde behauptet nicht, die Kinder würden nicht aussagen, sie meint lediglich dies sei nicht festgestellt. Das ist aber nicht richtig. Für die Aussagebereitschaft kann im gegenwärtigen Stadium ohnehin nur eine Prognose getroffen werden kann. Ob die Kinder im Straf- oder Ermittlungsverfahren letztlich aussagen, muss derzeit zwangsläufig offenbleiben. Ohnehin sind die Kinder nicht zur späteren Aussage gezwungen, auch wenn der Ergänzungspfleger zustimmt; dieser kann lediglich die Aussage verhindern, wenn er nicht zustimmt (Huber, a.a.O. Rn 22 m.w.N.). Haben die Kinder sich aber wie hier bereits dem Jugendamt gegenüber eindeutig geäußert, so ist für die Entscheidung über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft von ihrer grundsätzlichen Aussagebereitschaft auszugehen.

16

Auch die Auswahl des Jugendamtes als Pfleger ist nicht zu beanstanden. § 1779 Abs. 2 BGB, der nach § 1915 entsprechend für die Auswahl des Pflegers gilt, bestimmt, dass das Gericht eine Person auswählen soll, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung der (Vormundschaft) Pflegschaft geeignet ist. Wenn unter mehreren geeigneten Personen auszuwählen ist, sind der mutmaßliche Wille der Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels (Pfleglings), die Verwandtschaft sowie das religiöse Bekenntnis zu berücksichtigen. Insoweit hat die Beschwerde keine bestimmte Person bezeichnet. Deshalb hat das Amtsgericht in zutreffender Abwägung das Jugendamt als Pfleger ausgewählt. An dessen sachlicher und personeller Kompetenz im Sinne von § 1797 Abs. 2 Satz 1 BGB bestehen keine Zweifel. Solche äußert auch die Beschwerde nicht. Sie meint nur, wenn die Ausführungen richtig verstanden werden, dieses sei nicht unparteiisch. Dabei wird aber Sinn und Zweck der angeordneten Ergänzungspflegschaft missverstanden. Es geht dabei nicht um Maßnahmen gegen die Mutter. Es geht alleine darum sicherzustellen, dass die Kinder nur in einer ihrem Wohl dienenden Art und Weise prozessual von ihrer Zeugen/Verletztenstellung Gebrauch machen.Auch wenn das Jugendamt die Einleitung der Verfahren nach § 1666 BGB initiiert hat, (wozu es im Übrigen bei den ihm vorliegenden Erkenntnissen verpflichtet war), macht es dies nicht ungeeignet zur Ausübung der angeordneten Ergänzungspflegschaft in diesem Sinne.

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Schließlich ist auch der Umfang des Wirkungskreises der Pflegschaft nicht zu beanstanden. Er bezieht sich - in diesem Verfahrensstadium notwendigerweise pauschal - auf die angesichts der Zeugen - und Verletztenstellung der Kinder - in Betracht kommenden Entscheidungen, die einer Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedürfen.

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Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 84 FamFG.

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Die Festsetzung des Verfahrenswertes für die Beschwerdeinstanz folgt aus §§ 40 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FamGKG.

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