Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (3. Senat für Familiensachen) - 11 UF 337/14
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mainz vom 31.3.2014 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Antragsteller.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.800,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der 41-jährige Antragsteller ist behindert und steht unter Betreuung. Er lebt alleine und verlangt von dem Antragsgegner Kindesunterhalt für die Zeit ab Juli 2012 in Höhe eines monatlichen Teilbetrages von 325,00 € zur Deckung seines Elementarbedarfs, hilfsweise zur Deckung seines infolge seiner Behinderung bestehenden Mehrbedarfs.
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Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen.
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Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter und trägt vor, das Amtsgericht habe seinen Unterhaltsbedarf zu niedrig angesetzt. Sein Elementarunterhalt orientiere sich an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen seiner Eltern und sei grundsätzlich mit dem Bedarf Nichtbehinderter gleichzustellen. Das monatliche Nettoeinkommen des Antragsgegners liege bei etwa 8.000,00 € netto. Zudem seien die erstinstanzlich im Einzelnen dargestellten Aufwendungen notwendig, um ihm eine entsprechend den Vermögensverhältnissen seiner Eltern angemessene eigenständige Lebensführung als Behinderter zu ermöglichen. Sein konkreter Bedarf sei durch seine Einkünfte nicht gedeckt. Die ihm gewährte Eingliederungshilfe sei zweckgebunden einzusetzen und erreiche bereits den Höchstbetrag.
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Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner in Abänderung des angefochtenen Urteils zu verpflichten, an ihn für die Zeit ab Juli 2012 bis einschließlich Mai 2013 einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 3.900,00 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basisdiskontsatz der EZB aus 325,00 €, jeweils für die genannten Monate ab dem 4. Werktag eines Monats, sowie für die Zeit ab Juni 2013 im Voraus zum 1. eines Monats Unterhalt in Höhe von 325,00 € monatlich, jeweils verzinslich mit 5 % über dem jeweiligen Basisdiskontsatz der EZB im Verzugsfalle ab dem 4. Werktag eines Monats, zu zahlen.
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Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt vor, sowohl der allgemeine Lebensbedarf als auch der behinderungsbedingte Mehrbedarf des Antragstellers seien durch dessen Einkünfte gedeckt, zumal das Kindergeld für den Antragsteller aufgrund des Schreibens der Familienkasse vom 4.4.2014 nunmehr unstreitig weiter gezahlt werde. Weder der konkrete Bedarf, noch der allgemeine Lebensbedarf seien hinreichend dargelegt und belegt. Sein eigenes Einkommen liege bereinigt bei lediglich 3.007,00 € netto. In Anbetracht seines Alters von 74 Jahren und seines Grades der Behinderung von 90 beruhe das Einkommen aus seiner Teilzeittätigkeit, das künftig entfalle, auf überobligatorischer Tätigkeit.
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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Beteiligten in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den geltend gemachten Unterhaltsanspruch verneint.
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Der hierzu darlegungs- und beweisbelastete Antragsteller hat den geltend gemachten Bedarf nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Es ist davon auszugehen, dass der Elementarbedarf und der behinderungsbedingte Mehrbedarf des Antragstellers durch dessen Einkommen gedeckt sind.
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Das Einkommen des Antragstellers betrug in den Monaten Juli und August 2012 insgesamt 2.229,49 € und in dem Zeitraum ab September 2012 mindestens 2.373,49 €. Bis einschließlich August 2012 erhielt der Antragsteller eine Grundsicherung in Höhe von 606,00 €; seit September 2012 erhält er eine Behindertenrente von zunächst 750,00 €, die nach mehreren Anpassungen nunmehr 767,56 € beträgt. Zudem wird für den Antragsteller Kindergeld an den Antragsgegner ausgezahlt, welches der Antragsgegner auf 190,00 € aufrundet und an den Antragsgegner überweist. Aus der Tätigkeit in der Behindertenwerkstatt erzielt der Antragsteller monatlich 286,00 €, worin eine Fahrtkostenerstattung in Höhe von 86,00 € enthalten ist, zuzüglich geringer Sonderzahlungen. Daneben wird die Eingliederungshilfe in Höhe von 1.233,49 € gezahlt.
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Der Antragsteller hat nicht hinreichend dargelegt, dass er von diesem Einkommen seinen Elementarbedarf und die notwendigen behinderungsbedingten Mehrkosten nicht decken kann.
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Der einem Verwandten in gerader Linie, der sich nicht selbst unterhalten kann, nach §§ 1601, 1602 Abs. 2, 1610 Abs. 1 und 2 BGB grundsätzlich geschuldete angemessene Unterhalt bemisst sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen und umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten der Vorbildung zu einem Beruf. Wohnt der - wie hier - volljährige Unterhaltsberechtigte nicht bei einem Elternteil, so wird in der Regel auf feste Bedarfssätze zurückgegriffen, die für den Regelfall den Gesamtbedarf des Volljährigen einschließlich Wohnbedarf abdecken. So sieht die Düsseldorfer Tabelle für ein volljähriges Kind mit eigener Haushaltsführung einen Unterhaltsbedarf von 670,00 € vor. Der pauschale Elementarbedarf nach der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle für die 4. Altersstufe beträgt 597,00 €.
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Zur Ermittlung des Elementarbedarfs des Antragstellers ist ein Rückgriff auf den Selbstbehalt für Erwerbstätige nach der Düsseldorfer Tabelle nicht sachgerecht, da dieser für den Unterhaltspflichtigen einen Erwerbsanreiz beinhaltet und deshalb auf einen Unterhaltsgläubiger nicht übertragen werden kann (vgl. Klinkhammer in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 8. Aufl., § 2 Rn. 535). Auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern können zur Ermittlung des Bedarfs des 41-jährigen Antragstellers nicht herangezogen werden. Auch bei nicht behinderten volljährigen Kindern ist für die Zeit nach Erlangung einer eigenen Lebensstellung - nach Abschluss einer Berufsausbildung oder nach längerer Ausübung einer ungelernten Tätigkeit - die Lebensstellung des volljährigen Kindes - und nicht die seiner Eltern - für die Bemessung des Bedarfs maßgebend (vgl. Klinkhammer in Wendl/Dose, a.a.O.).
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Hier ist es sachgerecht, den Elementarbedarf des Antragstellers als Regelbedarf anzusetzen und diesen Bedarf um den konkreten behinderungsbedingten Mehrbedarf zu erhöhen (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2002, 854).
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Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Lebensbedarf des geistig behinderten Antragstellers die Regelbedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle übersteigt. Trotzdem ist der konkret geltend gemachte und bestrittene Mehrbedarf im Einzelnen und nachvollziehbar zu begründen. Insbesondere soweit der Antragsteller Kosten für die Betreuung in seiner Wohnung geltend macht, muss er die Erforderlichkeit und Angemessenheit dieser Kosten spezifiziert darlegen.
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Zunächst trägt der Antragsteller die Kosten des allgemeinen Lebensunterhalts mit pauschal 350,00 € vor, darüber hinaus werden jedoch Aufwendungen für Telefon in Höhe von 20,00 €, Kontoführungsgebühren in Höhe von 7,00 € sowie Kosten für Kleidung in Höhe von 25,00 € geltend gemacht, die in dem allgemeinen Unterhaltsbedarf enthalten sind. Dasselbe gilt für Versicherungskosten und Rundfunkgebühren.
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Die Aufwendungen für eine Rentenversicherung in Höhe von 185,00 € monatlich sind entgegen dem Vortrag des Antragstellers nicht als zur Altersvorsorge notwendig anzusehen, da die der Mutter des Antragstellers gehörende Eigentumswohnung, in der der Antragsteller lebt, ausweislich des Schreibens der Mutter des Antragstellers vom 30.9.2008 auf den Antragsteller zur Absicherung im Alter übertragen werden soll.
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In Bezug auf die Kosten für die tägliche Betreuung trägt der Antragsteller lediglich allgemein vor, die Eingliederungshilfe sei für seine Betreuung notwendig, da er antriebsarm sei und für jede Tätigkeit im Haushalt Hilfe brauche. Die Gesamtkosten der Lebenshilfe beliefen sich im ersten Halbjahr 2013 auf 4.800,39 €. Der Antragsteller hat insoweit die Rechnungen der Lebenshilfe vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass Fach-Assistenzstunden zum Preis von 33,00 € je Stunde erbracht werden und zuzüglich je volle Stunde Fachassistenz ein Anteil von 20 Minuten für sogenannte indirekte Fach-Assistenzstunden zum Preis von 33,00 € je Stunde berechnet wird. Somit kostet jede bei dem Antragsteller vor Ort erbrachte Stunde der Lebenshilfe 44,00 €. An welchen Tagen, zu welchen Tageszeiten und zu welchem Zweck im Einzelnen die Fachkräfte zu dem Antragsteller, der unstreitig jedenfalls die Sonntage mit seiner langjährigen, ebenfalls behinderten Freundin verbringt, kommen ist nicht ersichtlich.
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Zusätzlich sind nach dem Vortrag des Antragstellers Ausgaben für eine Putzhilfe in Höhe von 223,00 € monatlich notwendig; zudem bedürfe es der Betreuung und Hilfe durch Frau P., die im Rahmen eines Minijobs im ersten Halbjahr 2013 insgesamt 2.721,26 € gekostet habe (Zahlungen an Frau P. in Höhe von 2.047,03 € netto zuzüglich der Zahlungen an die Minijobzentrale in Höhe von 674,23 €).Auch wenn der Antragsteller nicht in der Lage ist, aus eigenem Antrieb seine Wohnung zu putzen, ist nicht ersichtlich, dass über die geleistete Eingliederungshilfe hinaus noch Kosten für eine zusätzliche Putzhilfe und die weitere Betreuung durch Frau P. notwendig sind. Durch eine Reduzierung der monatlich geleisteten Stunden durch sozialpädagogisches Fachpersonal zum Preis von 44,00 € je Stunde könnten mehr Personen, deren Stundenlohn geringer ist, die Betreuung übernehmen und gemeinsam mit dem Antragsgegner Haushaltsführungstätigkeiten ausüben. Es fehlt insoweit - auch unter Berücksichtigung des nunmehr vorgelegten nervenärztlichen Attest vom 27.8.2014, wonach der Antragsteller einer psychosozialen Betreuung bedarf und in seiner Kritik- und Urteilsfähigkeit weitgehend eingeschränkt ist, - an einer konkreten Darlegung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 51 FamGKG.
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