Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (14. Zivilsenat) - 14 W 267/19

Tenor

1. Die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 02. Juli 2019 gegen den Beschluss des Landgerichtes Trier vom 29. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin betreibt gegen die nicht am Verfahren beteiligte Schuldnerin die Zwangsvollstreckung. Sie hat zu diesem Zwecke die für die im Vollstreckungsauftrag genannte Adresse örtlich zuständige Obergerichtsvollzieherin mit der Abnahme der Vermögensauskunft beauftragt (Modul G1). Zugleich war die gütliche Einigung weder ausdrücklich ausgeschlossen (Modul E5) noch explizit beauftragt (Modul E1 - E4). Soweit die Schuldnerin ein Angebot für eine gütliche Einigung unterbreite, solle mit der Gläubigerin Rücksprache genommen werden. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 802 Abs. 1 ZPO war sodann die Einholung von Auskünften Dritter beauftragt (Modul M).

2

Nach Auskunft der im weiteren Beschwerdeverfahren angehörten Obergerichtsvollzieherin hat diese versucht, der Schuldnerin die Ladung zum Termin zur Abnahme der mündlichen Verhandlung persönlich zuzustellen. Sie musste vor Ort allerdings feststellen, dass die Schuldnerin unbekannt verzogen ist. Darauf sandte sie der Gläubigerin die Vollstreckungsunterlagen zurück und rechnete die Amtshandlung am 15. Januar 2019 wie folgt ab:

3

Kostenrechnung GvKostG (KV = Kostenverzeichnis)           

        

Nicht erledigte Zustellung KV 600

 3,00 €

Nicht erledigte Amtshandlung KV 604

15,00 €

Versuch gütliche Erledigung KV 208

 8,00 €

Wegegeld KV 711 0 - 10 km

 3,25 €

Auslagenpauschale KV 716

 5,20 €

Summe 

34,45 €

4

Hiergegen wandte sich die Gläubigerin mit ihrer Kostenansatzerinnerung nach § 5 Abs. 2 GvKostG vom 17. Januar 2019, soweit hierin eine Gebühr für die gütliche Erledigung nach Nr. 208 KV GvKostG angesetzt wurde. Da die Schuldnerin unbekannt verzogen sei, könne es zu keinem Versuch einer gütlichen Erledigung gekommen sein.

5

Die Obergerichtsvollzieherin hat der Erinnerung mit Verfügung vom 24. Januar 2019 nicht abgeholfen und sie dem zuständigen Amtsgericht vorgelegt. Ein Versuch einer gütlichen Einigung liege schon dann vor, wenn sich der Gerichtsvollzieher zu diesem Zwecke vor Ort begebe.

6

Das Amtsgericht hat darauf mit Beschluss vom 11. März 2019 die Obergerichtsvollzieherin angewiesen, die Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG und die darauf entfallende Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV GvKostG abzusetzen. Zwar sei die Obergerichtsvollzieherin nach der Struktur von § 802a ZPO mit dem Versuch einer gütlichen Einigung beauftragt gewesen. Tatsächlich sei es aber nicht zum Versuch gekommen, da die Schuldnerin weder angetroffen worden sei noch ihr das Angebot auf eine gütliche Erledigung in anderer Weise übermittelt worden sei.

7

Hiergegen richtete sich die - vom Amtsgericht zugelassene - Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landgericht Trier als Vertreter der Staatskasse. Der Argumentation des Amtsgerichts stehe der Wille des Gesetzgebers entgegen, dem Gerichtsvollzieher jeden Aufwand mit dem Versuch einer gütlichen Einigung zu vergüten. Insoweit komme es weder auf eine Mitwirkung noch den Zugang oder eine Annahme des Angebotes des Einigungsangebotes an. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landgericht vorgelegt.

8

Das Landgericht hat sich mit Beschluss vom 29. Mai 2019 dem Amtsgericht angeschlossen und die weitere Beschwerde zugelassen. Es liege ein Fall des unerledigten Versuchs vor, der die Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG nicht auslöse, was sich auf den Auslagenanteil nach Nr. 716 KV GvKostG auswirke. Erforderlich sei stets ein erfolgstauglicher Versuch, um die Gebühr anfallen zu lassen. Die Vorbereitungshandlung genüge demgegenüber nicht. Die Gesetzesbegründung stehe dem nicht entgegen. Dort werde lediglich ausgeführt, dass der Versuch der gütlichen Einigung stets eine Gebühr auslösen solle. Das beantworte aber nicht die Frage, wann ein solcher Versuch vorliege.

9

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Vertreters der Staatskasse vom 02. Juli 2019 mit dem Ziel, die Aufhebung der Vorentscheidungen und die Bestätigung des Kostenansatzes der Obergerichtsvollzieherin zu erreichen. Die Begründung der weiteren Beschwerde erschöpft sich weitgehend in dem Verweis auf die Gesetzesbegründung und die abweichende Entscheidung des OLG Braunschweig vom 30. Oktober 2018. Für die Erfolgstauglichkeit könne nicht auf eine ex-post-Betrachtung abgestellt werden. Entscheidend sei die ex-ante-Betrachtung des Gerichtsvollziehers.

10

Das Landgericht hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat die Obergerichtsvollzieherin zum Verfahrensgang ergänzend angehört.

11

Zur weiteren Darstellung wird auf die Erinnerung der Gläubigerin, die Entscheidungen des Amtsgerichtes und des Landgerichtes, die Rechtsmittelbegründungen des Vertreters der Staatskasse sowie die Stellungnahme der Obergerichtsvollzieherin und deren Akte Bezug genommen.

II.

12

Die nach § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG iVm. § 66 Abs. 4 S. 1 GKG zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet. Ein Versuch einer gütlichen Einigung wurde im konkreten Fall nicht unternommen. Für den Ansatz der Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG nebst der hierauf entfallenden Auslagenpauschale fehlt es daneben an einer gesetzlichen Grundlage, wenn der Schuldner im Zeitpunkt des Versuches der gütlichen Einigung „unbekannt verzogen“ ist und ihn deshalb das Ansinnen objektiv nicht erreichen kann.

13

Nach Nr. 207 KV GvKostG erhält der Gerichtsvollzieher für den Versuch einer gütlichen Einigung eine Gebühr von 16 €, die sich nach Nr. 208 KV GvKostG auf 8 € ermäßigt, wenn zugleich ein Auftrag zur Sachpfändung oder zur Abnahme der Vermögensauskunft erteilt wurde.

14

Nach der vorliegenden Vollstreckungsakte wurde ein Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft und aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 802a Abs. 2 S. 2 ZPO ein solcher auf eine gütliche Erledigung nach § 802b ZPO gestellt. Letzteres ist immer dann der Fall, wenn die gütliche Erledigung - wie hier - nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Insoweit kam allein der Ansatz der Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG in Betracht.

15

Dieser setzt einen Versuch zur gütlichen Erledigung voraus, der sich vorliegend nicht feststellen lässt. Schon nach dem eigenen Vortrag der Obergerichtsvollzieherin ist es zu einem Versuch nicht gekommen. Aus der beigezogenen DR-Akte ergibt sich ein solcher Versuch nicht. Wie sich aus dem Rückleitungsschreiben vom 15. Januar 2019 ergibt, hat die Obergerichtsvollzieherin sich vor Ort begeben, „um mit dem Schuldner eine gütliche Erledigung der Sache herbeizuführen“. Da der Schuldner aber nicht vor Ort war, konnte genau dieser Versuch nicht unternommen werden. Eine Nichterledigungsgebühr scheidet aus, weil Nr. 604 KV GvKostG nicht auf Nrn. 208, 207 KV GvKostG verweist (vgl. OLG Hamm v. 19.03.2019, 25 W 66/19, JurBüro 2019, 382).

16

Dass die Obergerichtsvollzieherin sich vor Ort begeben hat, geschah nicht primär zum Zwecke der gütlichen Erledigung - dazu ergibt sich aus der DR-Akte nichts, insbesondere keine diesbezügliche Abwägung zur persönlichen Zustellung -, sondern um die Ladung zur Abnahme der Vermögensauskunft zuzustellen. Der Primat der Zustellung der nach § 802 f ZPO erforderlichen Ladung zur Abnahme der Vermögensauskunft ergibt sich aus dem Gebührenansatz der Nrn. 600 und 711 KV GvKostG, die sich auf die Zustellung beziehen. Es wäre auch nicht erklärlich und ggfs. nach § 7 GvKostG zu betrachten, wenn der Gerichtsvollzieher sich nur wegen der - nicht isoliert beauftragten - gütlichen Erledigung vor Ort begibt, um dann erst in einem zweiten Schritt die Ladung zur Abnahme der Vermögensauskunft zuzustellen. Vor diesem Hintergrund ist die - ohne Rückgriff auf die DR-Akte erfolgte - Mitteilung vom 14. August 2019, es habe kein Zustellungsversuch stattgefunden, erkennbar unrichtig. Die DR-Akte ist zur Vorbereitung oder Durchführung eines Versuches der gütlichen Einigung völlig unergiebig. Hier ist zu einem solchen Versuch oder wie auch immer gearteten Vorbereitungshandlungen nichts dokumentiert.

17

Ungeachtet dessen liegt ein Versuch einer gütlichen Einigung aber auch nicht vor, wenn der Schuldner objektiv für einen solchen Versuch nicht erreichbar ist. Um die Gebühr auszulösen, muss der Versuch tauglich sein, den Schuldner zu erreichen (OLG Hamm v. 19.03.2019, 25 W 66/19, JurBüro 2019, 382; OLG Düsseldorf v. 18.07.2019, 10 W 47/19, Rn. 4 - zitiert nach juris; Kessel, in: Schneider u.a., Nomos Kommentar, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, GNotKG, Nr. 207 Rn. 16; vgl. ebenso Winterstein, in: GvKostG, 26. EL 2017, Teil 2 KV 207, 208 S. 6 Nr. 2a zu der Gebühr Nr. 207 KV GvKostG). Der von der Staatskasse zitierten - vereinzelt gebliebenen und nicht aus der gesetzlichen Systematik begründeten - Entscheidung des OLG Braunschweig (v. 30.10.2018, 2 W 85/18, Rn. 7 - zitiert nach juris) folgt der Senat mit dem OLG Hamm (a.a.O.) und dem OLG Düsseldorf (a.a.O.) ausdrücklich nicht. Das Erfordernis eines tauglichen Versuches ergibt sich schon aus dem Zweck von § 802b ZPO, durch eine gütliche Erledigung die weitere Vollstreckung und damit intensivere Eingriffe in den Rechtskreis des Schuldners zu vermeiden. Dieses Ziel lässt sich nicht erreichen, wenn der Schuldner unbekannt verzogen ist. Insoweit sind reine Vorbereitungshandlungen nicht zu vergüten (vgl. hierzu ergänzend auch LG Wuppertal v. 20.02.2019, 16 T 237/18), weil sie noch nicht geeignet sind, den Schuldner in die Lage zu versetzen, den Versuch des Gerichtsvollziehers um eine gütliche Erledigung zum Erfolg - der Annahme - zu führen. Der Versuch der gütlichen Erledigung muss also im Angebot einer solchen Erledigung bestehen, was den Zugang der Mitteilung erfordert.

18

Unbehelflich ist das Argument der Staatskasse, der Gesetzgeber habe jeden Aufwand des Gerichtsvollziehers pauschaliert vergüten wollen. Zunächst ist im konkreten Einzelfall überhaupt kein Aufwand feststellbar. Sodann gibt die Textstelle (BT-Drucks. 18/9698 S. 25) für die Auffassung des Vertreters der Staatskasse nichts her. Dort ist gerade nicht ausgeführt, dass der Gerichtsvollzieher „für jeden Aufwand“ vergütet werden soll, sondern dass „Der Versuch einer gütlichen Erledigung [soll] daher stets eine Gebühr auslösen“ soll. Gebührenpflichtig ist also der Versuch, nicht der Aufwand. Der Versuch setzt aber den Zugang zum Schuldner voraus oder wie es das OLG Düsseldorf unter Bezugnahme auf § 22 StGB ausdrückt, dass „unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung“ (OLG Düsseldorf v. 18.07.2019, 10 W 47/19, Rn. 4 - zitiert nach juris). Hätte der Gesetzgeber dagegen jeden Aufwand - etwa schon die Entgegennahme des Auftrages oder Überlegungen zur Gestaltung einer gütlichen Erledigung - vergüten wollen, hätte er nicht auf den Versuch, sondern wie bei anderen Vorschriften auf den Auftrag oder das Verfahren der gütlichen Erledigung abstellen können und müssen. Indem er hiervon abweichend auf den Versuch abstellt, hat er den Anwendungsbereich von Nrn. 207, 208 KV GvKostG bewusst eingeschränkt.

19

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 5 Abs. 2 GvKostG iVm. § 66 Abs. 8 GKG.

20

Hinweis: Durch Beschluss des Senates vom 07.10.2019 wurde das Beschlussdatum des vorliegenden Beschlusses wegen eines offensichtlichen Schreibfehlers nach § 319 BGB vom 31.07.2019 auf den 27.09.2019 korrigiert.

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