Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (4. Senat für Familiensachen) - 7 UF 201/20
Tenor
1. Die Beschwerde des Vaters gegen die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts - Familiengericht - ... vom ..., Aktenzeichen ..., wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die unter Ziffer 3 getroffene Umgangsregelung richtet. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Vater.
3. Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Beschwerdeführer ist der Vater der betroffenen ... [beiden Kleinkinder]. Er ist .... Die Kindesmutter arbeitet regelmäßig von 8-14 Uhr. Während dieser Zeit erfolgte bislang eine „Betreuung“ der Kinder durch den Vater. Gegen diesen wird aktuell ein Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes von kinder- und jugendpornographischen Schriften geführt. Auf seinem Handy wurden insgesamt 5 Dateien sichergestellt, die seitens der ermittelnden Staatsanwaltschaft ... als kinder- bzw. jugendpornographisch eingestuft wurden. Unter anderem handelt es sich dabei um zwei Videos, die Jungen beim Geschlechtsverkehr mit einer Ziege bzw. einem Esel zeigen. Das Alter der abgebildeten Kinder wird dabei von den Ermittlern zwischen 6-8 und 10-12 Jahren eingeschätzt.
- 2
Nachdem das Jugendamt hiervon Kenntnis erlangte, hat es am ... nach § 157 FamFG das Familiengericht angerufen. Das Jugendamt wertet den Besitz der Dateien als Indiz für pädophile Neigungen des Vaters. Auch sei unklar, ob die Kinder bereits Zugriff auf das – nicht besonders geschützte – Videomaterial gehabt hätten. Einen für die Eltern vorgesehenen Gesprächstermin im Jugendamt am ... habe alleine der Vater wahrgenommen. Dabei habe er den Besitz der Dateien verharmlost, dies seien Spaßvideos, was man daran sehe, dass das gezeigte Kind lache. In einem späteren Telefonat mit der Mutter habe diese erklärt, dass der Vater solche Dinge zwar „damals“ gemacht habe, inzwischen jedoch nicht mehr. Er habe sich geändert. Sie werde sich daher nicht von ihm trennen.
- 3
Das Familiengericht hat den betroffenen Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt und die Eltern am ... persönlich angehört.
- 4
Im Rahmen dieser Anhörung betonte der Vater nochmals, dass es sich bei den Videos aus seiner Sicht um Spaß gehandelt habe. Er werde sich daher nicht von seiner Familie trennen. Die Mutter glaubte der Darstellung des Vaters. An den vom Jugendamt geäußerten Befürchtungen bezüglich pädophiler Neigungen des Vaters sei nichts dran. Die Eltern stritten überdies ab, die Kinder in der Vergangenheit geschlagen zu haben. Es habe sich lediglich um „Klapse“ gehandelt. Diese seien wegen der Disziplin erforderlich gewesen.
- 5
Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Beschluss vom ..., einer bis zum ... befristeten einstweiligen Anordnung, den Vater der Ehewohnung verwiesen und gegen ihn Kontakt- und Näherungsverbote ausgesprochen. Zugleich wurde eine Umgangsregelung (begleiteter Umgang) getroffen. Eine weitergehende Abklärung soll im von Amts wegen eingeleiteten Hauptsacheverfahren ... durch Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens erfolgen. Die Akten befinden sich zwischenzeitlich beim Gutachter.
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Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass die getroffenen Maßnahmen unverhältnismäßig seien. Eine konkrete Kindeswohlgefährdung liege nicht vor. Die Maßnahmen zielten auf die Zerstörung seiner Familie, sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch durch eine Entfremdung der Kinder.
- 7
Das Jugendamt und der Verfahrensbeistand verteidigen die getroffene Entscheidung. Eine Problemeinsicht sei bei den Eltern nicht einmal ansatzweise vorhanden. Der Beschwerdeführer habe zwar die Ehewohnung zwischenzeitlich verlassen und lebe bei einem Bekannten. Er treffe sich weiterhin regelmäßig mit der Mutter, wobei nach Angaben der Eltern die Kinder bei diesen Treffen nicht dabei seien. Die ihm angebotenen begleiteten Umgänge lehne der Vater nach wie vor ab. Es sei nach seiner Einschätzung für die Kinder leichter, eine gewisse Zeit den Vater überhaupt nicht zu sehen, als diesen nur zeitlich begrenzt im Beisein Dritter zu treffen. Den Einsatz einer SPFH im Haushalt der Mutter hielten beide Eltern weiterhin nicht für erforderlich. Die Mutter sehe sich nicht überfordert. Anstelle des Vaters beaufsichtigte jetzt ein Bekannter (...[C]) die Kinder, wenn sie arbeite. Beide Eltern sähen nach wie vor keinen Beratungs- und Unterstützungsbedarf.
II.
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Die Beschwerde des Vaters ist nach § 57 S. 1 FamFG bereits nicht statthaft, soweit sie sich gegen den unter Ziffer 3 des angefochtenen Beschlusses angeordneten begleiteten Umgang richtet. Denn Entscheidungen, die im Wege der einstweiligen Anordnung getroffen wurden, sind nur ausnahmsweise mit der Beschwerde anfechtbar, soweit sie einen der unter § 57 S. 2 Nrn. 1-5 FamFG genannten Verfahrensgegenstände betreffen.
- 9
Dementsprechend ist eine Anfechtung der auf § 1666 BGB gestützten Kontakt- und Näherungsverbote, die inhaltlich einer Unterlassungsanordnung nach § 1 GewSchG entsprechen, hier nach §§ 57 S. 2 Nrn. 1 und 4, 58 ff FamFG statthaft und zulässig. Allerdings hat die Beschwerde des Vaters insoweit in der Sache keinen Erfolg, denn die Schutzanordnungen sind vorliegend zu Recht ergangen.
1.
- 10
Der Senat entscheidet hier nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne erneute mündliche Anhörung der Beteiligten, da das Familiengericht erst am ...2020 die Eltern und das Jugendamt ausführlich angehört hat und der Senat sich durch eine erneute Anhörung keine weitergehenden Erkenntnisse verspricht (vgl. BVerfG FamRZ 2016, 1917 [1921]).
- 11
Das Beschwerdegericht ist weder verfassungsrechtlich noch nach Art. 6 EMRK gehalten, einen Anhörungstermin durchzuführen, wenn das Amtsgericht – wie vorliegend - bereits alle notwendigen Ermittlungen durchgeführt hat und weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, welchen weiteren Erkenntnisgewinn die erneute mündliche Anhörung der Beteiligten im Beschwerdeverfahren hätte haben können (vgl. BVerfG FamRZ 2016, 1917 [1921]; BGH FamRZ 2017, 1668 Rn. 17-20; EuGHMR FamRZ 2018, 350).
- 12
Von der Anhörung der ...[Kinder] nach § 159 Abs. 2 FamFG konnte abgesehen werden, da die Beibehaltung des bisherigen Lebensmittelpunktes und die weitere Betreuung durch die Mutter im vorliegenden Verfahren (noch) nicht in Frage stehen. Von den Kindern sind aufgrund ihres Alters für die weitere Aufklärung des Sachverhalts noch keine sachdienlichen Angaben zu erwarten. Für die zu treffende Entscheidung nach § 1666 BGB kommt es zudem vorrangig auf die Beurteilung der Gefährdungssituation und auf die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern an, nicht primär auf die Bindungen und Neigungen der Kinder (vgl. BGH FamRZ 2016, 1439 Rn. 44-47). Dass die Kinder Bindungen an beide Elternteile entwickelt haben und dass sie daher ein Kontaktverbot zum Vater belastet, kann für die zu treffende Entscheidung unterstellt werden.
2.
- 13
Zu Recht hat das Familiengericht dem Vater nach § 49 FamFG i. V. m. § 1666 BGB unter Berücksichtigung des derzeitigen Sach- und Streitstands ein Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber den betroffenen Kindern auferlegt. Denn es besteht ein dringendes Bedürfnis, zur Abwendung einer weiteren Kindeswohlgefährdung tätig zu werden, statt den Ausgang der Hauptsache abzuwarten.
- 14
In Verfahren nach § 1666 BGB kann im Einzelfall eine vorläufige Maßnahme erforderlich werden, die vom Entzug einzelner Teilbereiche bis hin zum Entzug der gesamten elterlichen Sorge und deren Übertragung auf einen Dritten, häufig das Jugendamt, reichen oder auch Kontakt- und Näherungsverbote in entsprechender Anwendung des § 1 GewSchG umfassen kann.
- 15
Das Familiengericht darf jedoch nur dann Maßnahmen treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes konkret gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt und nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Ferner muss die angeordnete Maßnahme zur Abwendung der Gefahr erforderlich sein.
- 16
Um einen Eingriff in die elterliche Sorge zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre (BVerfGE 60, 79 [94]; BVerfG FamRZ 2014, 907 Rn. 18= FF 2014, 302; BVerfG FamRZ 2016, 439 Rn. 12 = FF 2016, 154). Dies setzt voraus, dass bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit vorhersehen lässt (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 112 Rn. 23).
- 17
Im Rahmen dieser Prognoseentscheidung ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung umso eher gerechtfertigt je höher der im Falle des Nichteingreifens drohende Schaden ist (BGH FamRZ 2019, 598 Rn. 18 und FamRZ 2017, 212 Rn. 14; OLG Frankfurt FamRZ 2019, 1425 Rn. 49 m. w. Nachw.). In Eilverfahren bleiben die praktisch verfügbaren Aufklärungsmöglichkeiten angesichts der spezifischen Eilbedürftigkeit dieser Verfahren allerdings regelmäßig hinter den im Hauptsacheverfahren bestehenden Möglichkeiten zurück. Den Gerichten ist es in kindesschutzrechtlichen Eilverfahren insbesondere regelmäßig nicht möglich, noch vor der Eilentscheidung ein Sachverständigengutachten einzuholen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gefährdungslage nach Ausmaß und Wahrscheinlichkeit aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse bereits derart verdichtet ist, dass ein sofortiges Einschreiten auch ohne weitere gerichtliche Ermittlungen geboten ist (BVerfG FamRZ 2018, 1084 Rn. 18-19 m. w. Nachw.). Die Annahme der hinreichenden Schädigungswahrscheinlichkeit muss dabei auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen, eine nur abstrakte Gefährdung reicht dagegen nicht aus (BGH FamRZ 2019, 598 Rn. 19 m. w. Nachw. ).
- 18
Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
- 19
Das dringende Bedürfnis zu sofortigem, einstweiligem Einschreiten besteht, wenn eine Folgenabwägung ergibt, dass die Nachteile, die für die Rechte und Interessen der Beteiligten entstehen, wenn die einstweilige Anordnung unterbleibt, die Hauptsache aber im Sinne des Antragstellers entschieden würde, schwerer wiegen als die Nachteile, die durch die vorläufige Maßnahme eintreten können, die aber aufzuheben und rückabzuwickeln ist, wenn sich der Antrag in der Hauptsache als erfolglos erweisen sollte (OLG Brandenburg, FamRZ 2015, 1515 Rn. 19 und Beschluss vom 05.09.2019, Aktenzeichen 13 UF 138/19 Rn. 14-19).
- 20
Ein schwerer Eingriff in die Rechte Beteiligter - wie bei einer einstweilig angeordneten Familientrennung - scheitert nicht ohne weiteres daran, dass die bislang mögliche und vorgenommene Sachverhaltsaufklärung hinter derjenigen zurückbleibt, die im Verlaufe eines Hauptsacheverfahrens zu verlangen ist. Ein Ausgleich zwischen den Grundrechten der Eltern und des Kindes (Art. 6 Abs. 2 GG) ist erreicht, wenn die in der Zwischenzeit bis zur Hauptsacheentscheidung anhand weniger, unsicherer, aber dennoch konkreter Anhaltspunkte für möglich gehaltene Beeinträchtigung des Kindeswohls schwerer wiegt als die von einer einstweiligen Anordnung bewirkten Folgen (ebenfalls das Risiko eines sexuellen Missbrauchs betreffend: OLG Brandenburg NZFam 2015, 1170 und OLG Frankfurt FamRZ 2018, 926).
a.
- 21
Das Verhalten des Vaters begründet den konkreten Verdacht, dass von ihm eine Kindeswohlgefährdung für die ...[Kinder] ausgeht.
- 22
Der Inhalt der beim Vater aufgefundenen kinderpornographischen Videos gibt hier Anlass zu der Annahme, dass es ihn sexuell erregt, wenn Jungen, die sich des sexuellen Kontextes ihrer Handlungen noch nicht bewusst sind, solche vornehmen. Es entspricht weder der geordneten Entwicklung noch dem altersentsprechenden sexuellen Explorationsverhalten eines 6-8-jährigen oder auch 10-12-jährigen Kindes, dass dieses mit Tieren den Geschlechtsverkehr vollzieht, noch weniger, dass sich dieses Kind lachend bei derartigen Handlungen von Dritten filmen lässt. Den Umstand, dass der Vater die sexuelle Komponente der Aufnahmen nach wie vor vehement abstreitet (Funvideos mit Tieren), wertet der Senat als Indiz dafür, dass er diese Videos nicht etwa aus Gedankenlosigkeit heruntergeladen hat, sondern sich ihrer sexuell erregenden Wirkung auf ihn sehr wohl bewusst ist. Es besteht daher Anlass zu der Annahme, dass beim Vater pädophile Neigungen vorliegen, d. h. dass er sexuelle Befriedigung daraus bezieht, dass bislang unverdorbene und sich der sexuellen Dimension nicht bewusste junge Menschen zur Vornahme sexueller Handlungen bestimmt werden.
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Aufgrund der ausweichenden und beschönigenden Angaben des Vaters kann dabei nicht davon ausgegangen werden, dass er sich mit der passiven Rolle eines Konsumenten derartigen kinderpornographischen Materials begnügt. So hat der Vater der Mutter die Gesprächseinladung beim Jugendamt und deren Hintergründe zunächst verschwiegen und ihr vorgespiegelt, dass er hier einen Arzttermin habe. Eine derartige Heimlichtuerei ist nur nachvollziehbar, wenn der Vater sich des Umstandes bewusst ist, dass er etwas „Verbotenes“ getan hat. Auch die nachfolgenden Einlassungen der Mutter lassen nicht den Schluss zu, dass der Vater sie über die gegen ihn gerichteten Vorwürfe umfassend und wahrheitsgemäß informiert hat. Denn bei den gebetsmühlenartigen Beteuerungen der Mutter, der Vater habe früher „solche Dinge“ (was genau?) getan, sich aber mittlerweile davon distanziert und stelle daher keine Gefahr für die gemeinsamen Kinder dar, bleibt unklar, auf welcher Tatsachengrundlage die Mutter diese Überzeugung vertritt. Schon aufgrund der bisherigen Betreuungssituation hatte der Vater zeitlich mehr als hinreichend Gelegenheit, diesbezügliche Triebe ungestört und von der Mutter unbeobachtet auszuleben. Insoweit ist die Einlassung der Mutter, früher habe der Vater solche Dinge gemacht, inzwischen sich jedoch davon distanziert, nicht zur Zerstreuung der vom Jugendamt aufgezeigten Bedenken geeignet. Die Nutzung von kinderpornographischen Abbildungen stellt einen Hinweis auf pädophile Neigungen dar und ist deshalb mit einem erhöhten Risiko für eigenes übergriffiges Verhalten zum Nachteil von Kindern verbunden (Wallner, NZFam 2015, 610).
- 24
Wenn der Vater, dem es erkennbar an Problembewusstsein mangelt und der sich bislang keiner Sexualtherapie unterzogen hat, früher häufig und mit Wissen der Mutter derartige Filme konsumiert hat, inzwischen jedoch nicht mehr, begründet dies vielmehr die Besorgnis, dass er inzwischen - nach der Geburt der ...[Kinder] - eine andere Möglichkeit gefunden hat, seine Bedürfnisse auszuleben. Während der Arbeitszeiten der Mutter könnte der Vater stattdessen an oder vor den Kindern sexuelle Handlungen vorgenommen haben. Damit drohen den betroffenen Kindern fortgesetzte und erhebliche Straftaten gegen ihre sexuelle Selbstbestimmung bis hin zum körperlichen Missbrauch durch Manipulation an den Genitalien.
- 25
Der aktuelle Besitz der kinderpornographischen Videos und deren jederzeitige Verfügbarkeit auf dem Handy indizieren zudem, dass der Vater die Möglichkeit haben will, seine diesbezüglichen Bedürfnisse überall und jederzeit unkompliziert zu befriedigen. Damit besteht selbst dann, wenn er an seine eigenen Kinder bislang noch keine Hand angelegt hat, zumindest die Gefahr, dass sie durch den Mitkonsum der Videos die dort gezeigten Verhaltensweisen als normal empfinden, sexuelle Grenzverletzungen nicht als solche wahrnehmen und damit jedenfalls zukünftig sehr leicht Opfer von Straftaten gegen ihre sexuelle Selbstbestimmung werden.
- 26
Bereits ohne körperliche Übergriffigkeit führt es zu dauerhaften Störungen bei Kindern, wenn sie einen Elternteil sexuell grenzverletzend erleben und sie wahrnehmen müssen, dass Kinder von Erwachsenen zum Objekt ihrer sexuellen Begierden gemacht werden. Da jede Form des sexuellen Missbrauchs von Kindern für diese schwerwiegende Schäden hervorruft und eine erhebliche Gefahr auch für andere Kinder, die nicht bereits selbst Opfer einer solchen Tathandlung waren, begründet, hat der Gesetzgeber durch § 72a SGB VIII ein umfassendes Tätigkeitsverbot für wegen sexuellen Missbrauchs von Kinder oder wegen des Besitzes von Kinderpornographie vorbestrafte Personen im Bereich der Jugendhilfe normiert. Dadurch kommt die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass Kinder des besonderen Schutzes vor solchen Personen bedürfen (OLG Frankfurt FamRZ 2019, 1425 Rn. 51).
b.
- 27
Die ausgesprochenen Kontakt- und Näherungsverbote gegen den Vater sind zum Schutz der betroffenen Kinder geeignet und erforderlich.
- 28
Die - bis zum Abschluss der Begutachtung in der Hauptsache - vorübergehende Kontakteinschränkung zwischen den betroffenen Kindern und ihrem Vater ist geeignet, möglichen (weiteren oder erstmaligen) sexuellen Übergriffen vorzubeugen und damit die geistige und körperliche Unversehrtheit der Kinder und deren sexuelle Selbstbestimmung zu schützen (ebenso OLG Frankfurt FamRZ 2019, 1425 Rn. 52). Indem dem Vater ein begleiteter Umgang eröffnet wird, wird dem Bedürfnis der Kinder nach Aufrechterhaltung des Kontakts bei gleichzeitigen Ausschluss von Risiken Rechnung getragen. Die im einzelnen ausgesprochenen Kontakt- und Näherungsverbote sind inhaltlich an die Anordnungen nach § 1 Abs. 1 S. 3 GewSchG angelehnt und damit hinreichend konkret und in ihrer Einhaltung überprüfbar. Die festgelegte Entfernung (100 m) ist so gewählt, dass der Vater auch nicht mittelbar die Möglichkeit erhält, das Kontakt- und Näherungsverbot zu unterlaufen, etwa indem er Sichtkontakt zu den Kindern aufnimmt und diese animiert, sich zu ihm zu begeben. Der Ausschluss von (unbegleiteten) Telefon- und sonstigen Kontakten ist ebenfalls geboten, da auch hierdurch die Schutzanordnungen unterlaufen werden könnten. Nicht zuletzt sind auch pädophile Tathandlungen durch Telefonate oder Videochats denkbar, die es zu verhindern gilt.
c.
- 29
Mildere Mittel als die ausgesprochenen Kontakt- und Näherungsverbote sind derzeit zum effektiven Schutz der betroffenen Kinder nicht ausreichend.
- 30
Die Mutter ist nicht in der Lage, für einen effektiven Schutz der Kinder Sorge zu tragen, solange der Vater mit ihr im gleichen Haushalt lebt und jederzeit Zugang zu den Kindern hat. Dies liegt einerseits darin begründet, dass der Vater die Mutter nur unzureichend informiert, andererseits darin, dass sie berufsbedingt nicht ständig bei den Kindern sein kann. Beispielsweise hat der Vater die Mutter über den für beide Eltern vorgesehenen Gesprächstermin im Jugendamt am ... nicht unterrichtet, sondern diesen alleine wahrgenommen. Der Mutter gegenüber hat er zunächst angegeben, einen Arzttermin zu haben. Auch soweit die Mutter in der gerichtlichen Anhörung und im Rahmen der zuletzt beim Jugendamt geführten Gespräche das Verhalten des Vaters weiter zu rechtfertigen sucht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie diese Erklärungen in voller Kenntnis der im Raum stehenden Vorwürfe und unbeeinflusst durch die Gegenwart des Vaters abgegeben hat. Vielmehr entsteht in den Jugendamtsberichten der Eindruck, dass die deutlich jüngere Mutter sich gegenüber dem lebenserfahreneren und dominant auftretenden Vater nicht bzw. nicht im gebotenen Ausmaß abgrenzen kann.
- 31
Die betroffenen Kinder selbst sind mit gerade einmal ... Jahren noch zu jung, um sich gegenüber etwaigem sexuell grenzverletzenden Verhalten des Vaters zur Wehr zu setzen oder sich auch nur einer dritten Person anzuvertrauen.
- 32
Der Besuch eines Ganztagskindergartens während der berufsbedingten Abwesenheit der Mutter stellt aufgrund der coronabedingten Einschränkungen im Kindergartenbetrieb derzeit keine taugliche Alternative dar. Auch eine Weisung an die Mutter, die Kinder nicht mit dem Vater alleine zu lassen, wäre für deren Schutz nicht ausreichend, da hierbei unklar bliebe, wer die Begleitperson auswählt und ob diese zuverlässig genug ist, um den Schutz der Kinder zu gewährleisten. Gerade beim Verdacht auf sexuellen Missbrauch geschieht es erfahrungsgemäß häufiger, dass der „Bock zum Gärtner gemacht“ wird.
- 33
Eine Weisung an die Mutter, sich mit den Kindern in eine Mutter-Kind-Einrichtung zu begeben, hätte zwar den Vorteil, dass auch die - von ihr bislang negierten - erzieherischen Überforderungssituationen bearbeitet werden könnten, würde jedoch deren Freiheiten noch mehr einschränken. Sie scheitert auch an der fehlenden Kooperationsbereitschaft der Mutter, die derzeit noch nicht einmal dem empfohlenen stundenweisen Einsatz einer SPFH in ihrem Haushalt zustimmt.
- 34
Nach alledem sind daher derzeit - nicht zuletzt aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft und Problemeinsicht der Eltern - mildere Mittel zum Schutz der betroffenen Kinder nicht vorhanden.
III.
- 35
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
- 36
Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus §§ 33 Abs. 1 S. 1, 40, 41, 45 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 FamGKG.
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Referenzen
- § 72a SGB VIII 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 68 Gang des Beschwerdeverfahrens 1x
- BGB § 1666 Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls 4x
- FamFG § 159 Persönliche Anhörung des Kindes 1x
- FamFG § 157 Erörterung der Kindeswohlgefährdung; einstweilige Anordnung 1x
- FamFG § 49 Einstweilige Anordnung 1x
- 13 UF 138/19 1x (nicht zugeordnet)
- FamGKG § 33 Grundsatz 1x
- § 1 GewSchG 2x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 84 Rechtsmittelkosten 1x
- § 1 Abs. 1 S. 3 GewSchG 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 57 Rechtsmittel 2x